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Ich wusste, dass etwas Schlimmes geschehen würde. Und in der Tat, eine Bombe explodierte in Mr. Highs Büro! Unser Chef war auf der Stelle tot, seine Sekretärin Helen und einige andere Agents in den umliegenden Räumen schwer verletzt. Steve Dillaggio übernahm vorläufig die Leitung des Field Office, bis in Washington entschieden werden würde, wer Mr. Highs Nachfolge antreten sollte. Ich bekam Steves Posten als Stellvertreter. Alle Kollegen, die nicht gerade mitten in Ermittlungen steckten, wurden eingesetzt, um den Mörder des Assistant Director in Charge aufzuspüren. Mein schlimmster Albtraum war wahr geworden ...
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Seitenzahl: 139
Veröffentlichungsjahr: 2022
Cover
Mein schlimmster Albtraum
Vorschau
Impressum
Mein schlimmster Albtraum
»Warum rast du so?«, fragte Phil besorgt.
»Ist nur so ein Gefühl, dass wir uns beeilen sollten«, erwiderte ich und richtete meinen Blick konzentriert auf die Straße.
Phil schaute verwundert drein. »Ein Gefühl? Normalerweise gibst du nicht viel auf Gefühle, sondern analysierst Situationen rational.«
»Normalerweise«, sagte ich und steuerte den Jaguar um die nächste Kurve.
Jetzt konnten wir das Jacob K. Javits Federal Building sehen.
»Da wären wir wieder«, bemerkte Phil und lächelte beim Anblick des imposanten Gebäudes, das wie all die anderen Wolkenkratzer der Stadt majestätisch in den Himmel ragte.
In diesem Moment erfolgte eine Explosion in einer der höheren Etagen.
»Verdammt!«, fluchte ich.
»Das war oben, weit oben ...«, stieß Phil hervor.
Tatsächlich, die Explosion hatte irgendwo in der Mitte der einundvierzig Stockwerke stattgefunden.
Noch während die Trümmer auf die Federal Plaza und die Umgebung herunterstürzten, wurde Phil bleich im Gesicht. »Ich glaube, das war bei uns in der dreiundzwanzigsten Etage!«
Mir schnürte sich die Kehle zu. Phil hatte recht. Eine Explosion im FBI Field Office New York. In unserem Office!
Ich parkte den Jaguar ein wenig abseits.
Wir sprangen aus dem Wagen und warfen einen Blick auf das Gebäude. Dann nahm ich mein Handy und wählte Mr. Highs Büronummer. Niemand antwortete.
»Der Chef geht nicht ans Telefon«, sagte ich.
»Ich komme auch nicht zu ihm durch«, meinte Phil.
Wir rannten los, über die Straße und den Platz bis zum Eingang.
Dort eilten uns Massen von Leuten entgegen. Sie flohen aus dem Gebäude.
Natürlich! Wahrscheinlich war der Evakuierungsalarm ausgelöst worden.
Phil und ich hatten Mühe, entgegen dem Strom der Menschen voranzukommen. Es fühlte sich an, als würde ich durch Melasse waten, jeder Schritt vorwärts war mit Anstrengung verbunden.
An der Sicherheitsschleuse angekommen, fragten wir einen der Beamten, was passiert war.
Er zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Es gab eine Explosion. Jetzt evakuieren wir.«
»Und sonst? Wissen Sie denn gar nichts?«, fragte Phil.
»Nein, verlassen Sie das Gebäude wie alle anderen«, erwiderte der Beamte schroff.
»Keine Chance!«, entgegnete ich, zeigte meinen Dienstausweis und bahnte mir zusammen mit Phil einen Weg zum Treppenhaus.
Den Fahrstuhl zu nehmen, war zu gefährlich. Falls er noch nicht abgeschaltet worden war, könnte er feststecken. Daher gingen wir die Treppe hinauf. Mit all den Leuten, die uns panisch anschauten und nach unten wollten, war es nicht einfach, die dreiundzwanzig Stockwerke hinaufzusteigen. Zum Glück nahm die Zahl der Leute ab, je höher wir kamen.
Am Ziel schlug mein Herz wie wild, ich atmete heftig. Aber das registrierte ich nur nebenbei. Ich wollte wissen, was geschehen war.
Oben bot sich uns ein Bild des Schreckens. FBI Agents und anderes Personal kümmerte sich um Verletzte. Ich sah Spuren der Explosion, Glas- und Holzsplitter, zerstörte Zwischenwände, verrußte Wände. Das nahm zu, je näher wir zum Büro von Mr. High gelangten.
Dort trafen wir auf Steve Dillaggio und Zeerookah. Sie beugten sich über jemanden. Als ich mich näherte, erkannte ich, dass es Helen war. Sie hatte die Augen geschlossen und lag reglos auf dem Rücken. Und sie blutete.
»Steve, Zeery, was ist passiert?«, wollte ich wissen. »Wie geht es ihr?«
Eigentlich musste Steve nicht antworten, sein Gesichtsausdruck sprach Bände. Ich hatte ihn selten so bestürzt gesehen.
»Sie ist verletzt«, antwortete er. »Die Explosion ... Wir haben medizinische Unterstützung angefordert, bisher ist niemand hier. Sie hat Puls, allerdings nur ganz schwach. Ich hoffe ...«
Er sprach nicht weiter. Ich wusste, was er sagen wollte.
Ich schaute mich um. Hier sah es schlimmer aus als in den anderen Bereichen des Field Office, die wir gesehen hatten.
Dann warf ich einen Blick zu Mr. Highs Büro. Die Tür war verschwunden. Stattdessen klaffte dort ein riesiges Loch. Und das Büro ...
»Wo ist Mister High, Steve?«, fragte ich. Meine Stimme war rau.
Er schüttelte den Kopf. »Er ... soweit wir wissen, war er in seinem Büro, als sich die Explosion ereignet hat. Es ist kaum anzunehmen, dass er ...«
»Er war da drin?«, stieß Phil hervor.
Steve antwortete nicht, sondern kümmerte sich zusammen mit Zeerookah weiter um Helen.
Ich ging zu Mr. Highs Büro oder dem, was davon übrig geblieben war. Ich hatte in meinem Job schon viel gesehen. Aber das verschlug mir die Sprache, ließ meine Knie weich werden und mich nach Luft schnappen. Der Raum war quasi verschwunden. Die Möbel fehlten. Wahrscheinlich waren sie aus dem Gebäude geschleudert worden. Die gesamte Glasscheibenfront war herausgebrochen. Unzählbare Glassplitter zeugten davon, dass sie unter großem Druck zerstört worden war. Von Mr. High war nichts zu sehen.
Phil stand neben mir und schluckte. »Das sieht nicht gut aus.«
Ich nickte. »Wenn der Chef während der Explosion tatsächlich in seinem Büro gewesen sein sollte ...«
»Im Moment sollten wir davon ausgehen, dass er es nicht war.« Mein Partner riss sich zusammen. »Das war ein Angriff, ein Angriff auf uns, das FBI. Wir sollten versuchen, den Schaden so gut wie möglich zu begrenzen, herausfinden, wer das getan hat und dann ... dann zurückschlagen!«
In dem Moment fühlte ich genau das, was Phil gesagt hatte. Ich wollte ein Ziel finden und zurückschlagen. Das, was hier geschehen war, war unaussprechlich. Es handelte sich um einen direkten Angriff auf das Rechtssystem der Vereinigten Staaten. Und auf das Federal Bureau of Investigation. Das konnten wir nicht auf uns sitzen lassen. Auch wenn ich in all den Jahren gelernt hatte, meine Gefühle außen vor zu lassen, konnte ich das in dem Augenblick nicht. Ich spürte, wie eine unbändige Wut in mir aufstieg. Am liebsten hätte ich zu meiner Waffe gegriffen und ... Aber es gab kein Ziel. Niemanden, den ich in dem Moment zur Verantwortung hätte ziehen können.
Also versuchte ich mich zu beruhigen und machte kehrt.
»Komm, Phil«, sagte ich. »Vielleicht benötigt jemand unsere Hilfe.«
Wir durchsuchten die umliegenden Büros. Tatsächlich fanden wir einen Agent, den es schwer erwischt hatte. Er lebte noch. Phil machte sich daran, ihn so gut wie möglich zu versorgen.
Ich suchte weiter. Unter irgendwelchem Schutt schaute ein Bein heraus. Vorsichtig legte ich den Körper frei. Schließlich erkannte ich, dass es sich um einen jungen Agent handelte, den ich ein paarmal gesehen hatte. Irgendwie erinnerte er mich an mich selbst, als ich beim FBI angefangen hatte. Mir fiel ein, dass er viel Wert auf seine weißen Hemden gelegt hatte. Jetzt lag er vor mir auf dem Boden und bewegte sich nicht.
Ich beugte mich zu ihm hinab und berührte seinen Hals, um den Puls zu ertasten.
Nichts!
Sein Brustkorb bewegte sich nicht. Als ich seine Brust anfasste, fühlte ich keinen Herzschlag. Ich untersuchte den leblosen Körper, konnte jedoch keine tödliche Verletzung erkennen. Vielleicht hatte der junge Kollege nur einen schweren Schock erlitten, und ich hatte die Chance, ihn wiederzubeleben.
Ich begann mit der Herzmassage. Dabei merkte ich, wie ich immer energischer wurde. Doch wie sehr ich mich auch anstrengte, es war zwecklos.
Ich spürte eine Hand auf meiner Schulter.
Es war Dr. Iris McLane. »Er ist tot. Das kannst du nicht mehr ändern.«
Ich schaute zu ihr auf, brauchte einen Moment, um mir einzugestehen, dass es tatsächlich so war, und erhob mich. »Du hast recht. Armer Kerl. Er war noch so jung.«
Sie nickte. »Ja, das war er. Und er ist nicht der Einzige. Für sie alle war es zu früh zu sterben.«
»Wie viele?«, fragte ich mit steinernem Gesicht.
»Bis jetzt weiß ich von vier Opfern. Allerdings steht es um andere nicht besonders gut.«
»Helen?«, fragte ich unwillkürlich.
Sie holte tief Luft. »Medizin ist nicht mein Spezialgebiet, aber ich denke, dass sie es schaffen wird. Sie ist wieder bei Bewusstsein. Hat Schmerzen. Das ist oft besser, als würde jemand nichts fühlen.«
»Ja, das stimmt.«
Zusammen gingen wir zu Helen, die gerade auf eine Krankentrage gelegt wurde.
»Hallo, Jerry«, sagte sie schwach. »Du bist hier.«
»Wie geht es dir?«
Sie zwang sich zu lächeln. Ihre Stimme klang schwach und gepresst. »Im Moment geht es mir ... schrecklich. Ich kann nicht sagen, welcher Körperteil nicht schmerzt. Was ist mit Mister High? Wie geht es ihm?«
»Ich ... wir ... haben ihn noch nicht gefunden«, antwortete ich und gab mich zuversichtlich.
Ihr Blick hielt meinen fest und spiegelte meine Angst wider. »Wenn ich mich richtig erinnere, war er im Büro. Ich kann mich aber auch irren.«
»Wir werden ihn finden«, sagte ich.
Sie ergriff meine Hand und drückte sie, wobei sie versuchte, nicht zu weinen. Die Sanitäter hoben die Trage an, um Helen ins Krankenhaus zu bringen.
»Wir sprechen uns später«, sagte ich.
Sie nickte wortlos.
Als sie weg war, wandte ich mich an Steve. »Ich konnte Mister High nicht finden. Falls er in seinem Büro war ...«
Steve nickte. »Wir schicken ein Team nach draußen und suchen noch einmal das komplette Field Office ab, inklusive der Verhörräume im Keller. Bis Mister High gefunden wurde, wird keiner von uns ruhen. Also los!«
Eine halbe Stunde hatten wir Gewissheit. Die Wucht der Explosion hatte Mr. High aus dem Fenster geschleudert. Seine sterblichen Überreste waren auf dem Platz vor dem Gebäude gefunden worden.
»Ja, das ist er«, sagte ich mechanisch, als ein Officer die Plane, die auf dem leblosen Körper lag, zur Seite gezogen hatte.
Er deckte ihn wieder zu.
Einen Moment lang stand ich einfach da, konnte es nicht glauben. Der langjährige Leiter des FBI Field Office, mein Mentor, der Mann, der uns all die Jahre geleitet und den Rücken freigehalten hatte, war tot. In meinem Verstand tauchten Bilder auf, Szenen, wie ich Mr. High zum ersten Mal begegnet war, wie ich unter seiner Führung im Laufe der Jahre zu einem seiner besten und vertrautesten Agents herangewachsen war.
»Es fühlt sich merkwürdig an, so unwirklich«, hörte ich eine Stimme hinter mir.
Als ich mich umdrehte, sah ich Steve. Auch er war geschockt. Genauso Phil, der sprachlos neben mir stand. Keine bissige Bemerkung, kein Scherz, keine Silbe drang über seine Lippen.
Einen Augenblick lang verharrten wir alle schweigend.
»Wir müssen etwas unternehmen«, sagte ich schließlich.
Phil nickte.
Steve stimmte uns zu. »Ich habe bereits mehrere Crime Scene Units angefordert, die nach Spuren suchen sollen. Wir werden bald wissen, was geschehen ist. Und dann machen wir uns auf die Jagd nach denjenigen, die hinter diesem feigen Anschlag stecken!«
Gemeinsam begaben wir uns ins dreiundzwanzigste Stockwerk. Zum Glück war ein großer Teil des Field Office von der Explosion verschont geblieben. Dort richtete Steve die Operationsbasis ein. Nachdem eine Crime Scene Unit die Etage untersucht hatte, rief er alle einsatzfähigen Agents zusammen.
»Heute ist ein schwarzer Tag für das FBI und uns alle«, sagte er mit ruhiger Stimme. »Wir sind angegriffen worden. Dabei sind einige unserer Mitstreiter und Freunde ums Leben gekommen, viele verletzt worden. Noch wissen wir nicht, wer dafür verantwortlich ist. Aber wir werden es herausfinden, und dann werden wir für Gerechtigkeit sorgen!«
Er hielt einen Moment lang inne. Niemand sagte ein Wort.
»Für den Augenblick werde ich die Leitung des Field Office übernehmen. Jerry wird mein Stellvertreter. Alle Einsätze werden mit uns koordiniert. Mit Ausnahme von Fällen, an denen mit Dringlichkeit weitergearbeitet werden muss, werden wir uns voll und ganz darauf konzentrieren, die Hintermänner des Anschlags zu identifizieren und zu finden. Vielleicht wollen einige von Ihnen jetzt lieber allein sein, lieber trauern, die Situation für sich selbst bewältigen. Das müssen wir auf später vertagen. Jetzt müssen wir handeln!«
Die Anwesenden nickten.
Ich sah viele vertraute Gesichter. Zeerookah, Joe Brandenburg, Les Bedell, Dr. Ben Bruckner, Dr. Iris McLane und all die anderen, mit denen ich viele Jahre zusammengearbeitet hatte. Sie alle waren schwer erschüttert und betroffen. Genau wie ich.
Aber jetzt war nicht die Zeit für Trauer.
Als FBI New York kannten wir kein Zurückweichen, kein Aufgeben.
Wir waren bereit, unseren Job zu erledigen.
Steve teilte die Agents und anderen Mitarbeiter in Teams ein. Jedes Team erhielt eine Aufgabe. Anschließend fanden einzelne Meetings statt.
»Die erste Frage ist, wie die Bombe überhaupt in unser Stockwerk gelangen konnte«, sagte Steve. »Bei den existierenden Sicherheitsvorkehrungen sollte das fast unmöglich sein.«
Neben mir waren noch Phil, Zeerookah, Ben, Joe und Les anwesend.
»Vielleicht hatte der Täter interne Unterstützung«, mutmaßte Zeerookah.
Steve nickte. »Gut möglich. Dem werden wir nachgehen. Vielleicht ist dem Sicherheitspersonal des Gebäudes etwas aufgefallen. Ich werde das persönlich überprüfen, zusammen mit Zeery. Wir klären das, nicht wahr, mein Freund?«
Zeerookah nickte. »Ja, das werden wir.«
Steve fuhr fort. »Da Mister Highs Büro das Ziel war, ist davon auszugehen, dass er das Hauptziel des Anschlags war. Joe, Les, ihr kümmert euch darum herauszufinden, ob er irgendwelche Drohungen erhalten hat. Vielleicht hat der Täter seine Tat in irgendeiner Form angekündigt. Vergesst dabei nicht die sozialen Netze. Ben kann euch dabei unterstützen.«
»Alles klar«, sagte Joe.
»Jerry, Phil, ihr hört euch auf der Straße um, befragt Informanten und wer sonst etwas wissen könnte. Ich will, dass ihr jeden Stein umdreht und die Mitglieder der Unterwelt zum Reden bringt. Irgendjemand weiß etwas. Jede Information kann für uns von Nutzen sein.«
Wir nickten, und ich machte mich mit Phil auf den Weg.
Um nach unten zu gelangen, benutzten wir die Treppe. Das war umständlich und dauerte relativ lang, war jedoch in Anbetracht der Lage die sicherste Methode. Zwar rechneten wir nicht mit einem zweiten Anschlag, ganz auszuschließen war er aber nicht.
Die ganze Situation kam mir unwirklich war. Ich erklärte mir das damit, dass ein guter Freund gestorben war und mich der Verlust tief getroffen hatte.
Als ich neben Phil im Jaguar saß und die Vibration des Motors fühlte, ordnete sich mein Gefühlschaos ein wenig. Mit Phil zusammen im Wagen unterwegs zu sein, vermittelte mir ein vertrautes Gefühl, das mich ein wenig beruhigte.
»Es ist nicht gerecht!«, durchbrach Phil unser Schweigen. »Wieso Mister High? Er war ein guter Mann, ist stets für Recht und Ordnung eingetreten, hat dafür gesorgt, dass Dutzende, nein, Hunderte von Gangstern hinter Gitter kamen. Und was ist der Lohn dafür? Ein gewaltsamer Tod. Es heißt wohl nicht umsonst: Das Schicksal ist ein mieser Verräter.«
Ich zuckte mit den Schultern. »Ja, es ist ungerecht. Und ich hätte eher damit gerechnet, dass uns so etwas zustößt als ihm. Wir sind ständig auf der Straße, in dunklen Gassen unterwegs, treffen zwielichtige Gestalten und echte Hardcoregangster. Jeden Tag setzen wir unser Leben aufs Spiel. Er hat immer im Hintergrund agiert.«
»Vielleicht gibt es etwas, das wir nicht wissen«, bemerkte Phil. »Es könnte sein, dass jemand eine Rechnung mit ihm offen hatte.«
»Ich denke eher, dass es dem Täter darum ging, Mister High aus dem Weg zu räumen und dem FBI einen empfindlichen Schlag zuzufügen. Eine persönliche Motivation halte ich zum jetzigen Zeitpunkt für unwahrscheinlich. Natürlich sollten wir alle Möglichkeiten in Betracht ziehen. Es wäre gut, wenn wir mit Helen reden könnten. Vielleicht weiß sie etwas.«
»Der behandelnde Arzt informiert uns umgehend, wenn sie ansprechbar ist«, sagte Phil. »Dafür habe ich gesorgt. Bis dahin können wir uns voll und ganz darauf konzentrieren, die Unterwelt in Aufruhr zu versetzen und an Informationen zu gelangen.«
Ich schaute ihn an. »Und dabei Dampf abzulassen? Gehört das für dich dazu? Ich würde das verstehen, weil ich mir am liebsten selbst den ein oder anderen Gangster vornehmen und die Wahrheit aus ihm herausprügeln würde. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass wir FBI Agents und daher an die Gesetze gebunden sind.«
»Sicher«, erwiderte Phil. »Dennoch sollten wir genug Druck ausüben, um an relevante Informationen zu kommen und der Unterwelt eine eindeutige Botschaft zu vermitteln: Das FBI New York ist noch da, noch aktiv und bereit, seinen Job zu erledigen!«
Wir suchten mehrere Informanten in Manhattan auf. Keiner konnte oder wollte uns etwas über den Anschlag auf das FBI Field Office sagen. Phil blieb meist gefasst, verhielt sich professionell. Auch ich schaffte es, meine zuweilen aufwallende Wut in Schach zu halten.
Am Nachmittag befragten wir Howard Mengoni, einen zwielichtigen Informationshändler, der uns schon öfter nützliche Tipps hatte liefern können. Sein »Büro«, wenn man es so nennen konnte, befand sich im Apocalypse Now, einer zwielichtigen Bar im Norden Brooklyns. Er hatte gute Kontakte zur Mafia und anderen Verbrecherorganisationen. Allerdings konnte man sich bei ihm nie sicher sein, ob er uns mit seinen Hinweisen einen Gefallen tat oder uns im Auftrag irgendwelcher Unterweltbosse falsche Infos unterjubelte.
Phil und ich betraten die Bar, in der es vor allem nach billigem Fusel roch. Ein paar Funzeln tauchten den großen Raum in schwaches Licht.
Mengoni saß gewöhnlich weit hinten, mit der Wand im Rücken und den Blick auf den Eingang gerichtet. Er hatte wohl irgendwann einmal gelesen, wie die Westernlegende Wild Bill Hikok ums Leben gekommen war, weil er nicht, wie es sonst seine Gewohnheit gewesen war, mit dem Gesicht zum Eingang gesessen hatte und so den Schützen, der es auf ihn abgesehen hatte, nicht hatte sehen können. Soweit mir bekannt war, hatte nie jemand Mengoni nach dem Leben getrachtet. Er war eben ein vorsichtiger Typ.