Jerry Cotton 3403 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 3403 E-Book

Jerry Cotton

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

In New Yorks Straßen wurden innerhalb von einer Woche fünf Kleinkriminelle erschossen, die drei unterschiedlichen Mafiafamilien angehörten. Phil und ich nahmen die Oberhäupter der Familien in die Mangel - und erfuhren nichts. Gegenseitige Anschuldigungen und Unschuldsbeteuerungen, wenn es um die eigene Rolle ging. Wir vom FBI bereiteten uns darauf vor, in einen Mafiakrieg verwickelt zu werden. Razzien, Verhaftungen, Verhöre, das ganze Repertoire rollten wir aus. Mit dem einzigen Ergebnis, dass drei weitere Morde in der ehrenwerten Gesellschaft die Lage weiter eskalieren ließen ...


Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 144

Veröffentlichungsjahr: 2022

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Menschenjagd

Vorschau

Impressum

Menschenjagd

Er drückte die angerauchte Treasurer Slim Black in dem vergoldeten Aschenbecher aus, der sich in der Wagentür befand, und betätigte den Mechanismus, der die Trennscheibe zu seinem Fahrer hinuntergleiten ließ.

»An der nächsten Ecke«, sagte er und ließ die Scheibe wieder hochgleiten.

Die Limousine bremste so sanft ab, dass er erst bemerkte, sie hatten angehalten, als die Szenerie vor seinem Fenster zu einem Standbild gefror.

Manhattan im Frühling an einem Samstagmorgen. Reges Treiben auf den Straßen. Sie hatten herausgefunden, dass eine der möglichen Zielpersonen jeden Samstag ihr Frühstück in einer Espressobar in der 91st Street einnahm. An einem Erkerfenster, das vom übrigen Betrieb abgeschirmt war.

Er betrat die Bar, schlängelte sich an den Gästen vorbei, die kamen, gingen, sich angeregt unterhielten und den Kellnern winkten.

Sein Mann saß allein am Tisch, las Zeitung und rauchte trotz des Rauchverbots eine dicke Zigarre. Ein großer, übergewichtiger Italiener mit Stiernacken und den Händen eines Boxers.

Er trat neben ihn, zog eine Pistole mit Schalldämpfer aus dem Jackett und schoss ihm in den Kopf. Es war nicht lauter als das Ploppen eines Sektkorkens unter einem Geschirrtuch aus Seide.

Er steckte die Waffe ein, drehte sich um und lief hinaus.

Wir waren gerade dabei, unsere Schreibtische von den Resten unseres Mittagessens, das aus Frühlingsrollen, Sushi und Eisbergsalat bestanden hatte, zu befreien, als Helen eintrat und mir eine Akte hinlegte.

Ich sah sie mit hochgezogener Braue an.

»Nummer vier.« Sie nickte mir bestätigend zu. »Der Chef will, dass ihr euch ab jetzt darum kümmert.«

Phil, der eben dabei gewesen war, ein paar Frühlingsrollen, die sich selbstständig gemacht hatten und unter seinen Schreibtisch gerollt waren, wieder ans Tageslicht zu befördern, streckte den Kopf über die Tischkante. »Nicht jetzt gleich, oder? Die 49ners spielen heute gegen die ...«

Helen, schon wieder auf dem Weg nach draußen, tätschelte ihm im Vorbeigehen lächelnd den Kopf. »Die Guten spielen gegen die Bösen. Das wisst ihr doch. Und es gibt keine Spielpause.«

Dann war die Tür hinter ihr auch schon zu.

»So ein Mist«, fluchte Phil, warf die erbeuteten Frühlingsrollen in seinen Papierkorb, kam zu meinem Schreibtisch und ließ sich auf den Besucherstuhl fallen.

»Und?«, wollte er wissen. »Wen hat es diesmal erwischt?«

»Marco Brambilla«, las ich vor. »Dreiundfünfzig Jahre alt. Vorstrafenregister so lang wie der Nil. In einem Café in Manhattan. Vor gut drei Stunden. Schuss in den Kopf. Kaliber 45, Walther PPQ. Niemand hat etwas gesehen oder gehört. Brambilla war ein Capo der Serra-Familie.«

»Die Cafés sind um diese Zeit so voll wie ein Bienenstock. Da muss jemand was gesehen haben.«

»Dass wir es mit einer Serie zu tun bekommen, hatte ich ja schon vermutet, nachdem es letzte Woche einen der Serras, einen gewissen Johnny Leroy erwischt hat.« Ich zuckte mit den Schultern. »Ebenfalls mit einer 45er, Walther PPQ. Und dann gestern dieser Kerl aus dem Wettbüro, der höchstwahrscheinlich zur Bunduka-Familie gehörte. Aber ...«

»Nicht zu vergessen Iwan Kusnezow, Waffenhändler aus dem Umkreis der Dolenovs, in Harlem vor zwei Wochen, mit dem alles angefangen hat«, unterbrach Phil mich. »Man hat ihn mit einem Messer im Hals gefunden. Den Kerl aus dem Wettbüro, Abdhu Diallo, wurde mit einem Knüppel erschlagen. Könnte sich also tatsächlich eine Serie herauskristallisieren. Lass uns mal ...«

Bevor Phil weiterreden konnte, klingelte mein Telefon.

Es war Helen.

»Was ist los, Helen, hast du etwas vergessen?«, fragte ich.

»Nein, Jerry, alles gut. Aber wir haben hier höchstwahrscheinlich Nummer fünf. Vor zwanzig Minuten in einem Beerdigungsinstitut in Queens.«

Das Beerdigungsinstitut lag auf dem Union Turnpike, nahe der St. John's University. Als wir eintrafen, waren die Kollegen vom NYPD gerade dabei, die Spurensicherung abzuschließen. Der leitende Detective, ein blutjunger Kerl mit einem Tabletcomputer in der Hand, erkannte uns sofort als Agents und kam auf uns zu. Nach einer kurzen Begrüßung führte er uns in das Büro des Inhabers. Der Tote, ein beleibter Mann mit Glatze, lag mit Kopf und Oberkörper halb auf dem Schreibtisch, seine Hornbrille ragte schief unter seinem Schädel hervor, eine Hand steckte in der offenen Schreibtischschublade. Ich ging halb um den Tisch herum und sah, dass in der Schublade eine Waffe lag. Die Hand des Toten hing schlaff daneben.

»Brandon Smith«, las der Detective von seinem Tablet ab. »Zweiundvierzig Jahre alt. Single. Betrieb das Institut, seit sein Vater es ihm vererbt hat. Der Vater, William Smith, war ein Cousin von Hank Singleton, Consigliere der Serra-Familie. Smith besorgte für die Familie seit den frühen Siebzigern sowohl die Beerdigungen von Familienmitgliedern als auch die Beseitigung von unliebsamen Konkurrenten. Sein Spezialgebiet war die restlose Auflösung von Leichen mit Chemikalien. Damals gegenüber dem Versenken im Hudson River mittels eines Betonblocks eine absolute Neuerung in der Geschichte der Mafia. Den Sohn hatten wir von Anfang an in Verdacht, dass er die Geschäfte seines Vaters weiterführte, konnten ihm allerdings nie was ans Zeug flicken.«

Ich beugte mich zum Kopf des Toten hinunter.

»Sauberer Kopfschuss«, diagnostizierte ich. »Welches Kaliber?«

»Fünfundvierziger«, antwortete der Detective. »Er hat wohl noch versucht, nach seiner Waffe zu greifen, war aber nicht schnell genug. Der Angreifer muss ihn in seinem Büro überrascht haben.«

»Das sehe ich anders«, erwiderte ich und lenkte seine Aufmerksamkeit auf einen kleinen Schalter unter der Tischplatte, den ich bemerkt hatte, als ich mich zu dem Toten heruntergebückt hatte. »Er hat den Mann hereingelassen.« Ich deutete zur Bürotür, in der an der Stelle, an der das Schloss einrastete, ein Mechanismus eingelassen war, der die Tür öffnete und versperrte. Dann zeigte ich auf das Telefon mit einem Display. »Ich gehe davon aus, dass sich von hier aus auch die Eingangstür zum Gebäude öffnen lässt. Wahrscheinlich hatte der Kerl sogar einen Termin als Kunde gemacht. Gibt es keine Mitarbeiter? Eine Sekretärin oder sonst jemanden, den man fragen könnte?«

Der Detective war leicht rot geworden, hatte sich jedoch gut im Griff. Offensichtlich ärgerte er sich mehr über seine eigene Unachtsamkeit als über meine Belehrung.

»Nein«, antwortete er und sah auf das Tablet. »Samstags ist der Laden geschlossen. Ein weiterer Punkt, der dafür spricht, dass der Mörder einen Termin hatte, wie Sie sagen. Wäre schon ein ziemlicher Zufall gewesen, wenn der Mann zufällig am Samstag noch etwas abgearbeitet und der Mörder ihn ebenso zufällig hier erwischt hätte.«

»Okay«, sagte ich. »Überprüfen Sie bitte, ob es Kameraaufzeichnungen oder Notizen in irgendwelchen Kalendern gibt.«

Ich deutete ein Kopfnicken an und wollte gehen. Phil hatte die ganze Zeit über an der Tür gestanden.

»Ach, Sir ...«, ließ sich der Detective hinter uns vernehmen.

Wir drehten uns noch einmal um.

»Danke für ...«, sagte der junge Mann und tippte sich an die Stirn.

»Schon gut«, sagte ich lächelnd. »Niemand sieht alles. Deshalb arbeiten wir ja auch alle zusammen.«

»Guter Mann«, sagte Phil, als wir wieder in den Jaguar stiegen.

»Lernfähig«, erwiderte ich und startete den Motor.

»Und nun?«, wollte Phil wissen.

»Wir sollten morgen mal ein paar Besuche bei den Familienoberhäuptern der Opfer machen und nachfragen, ob irgendetwas in letzter Zeit den Burgfrieden gestört hat.«

»Hört sich nicht danach an, dass wir heute noch ein Spiel zu sehen bekommen.« Phil seufzte.

»Vorschlag«, sagte ich und musste unwillkürlich grinsen. »Wir fahren ins Büro und checken erst einmal die Ereignisse der letzten Monate, ob wir da etwas verpasst haben. Ich kann mich nämlich nicht erinnern, dass es etwas gegeben hätte, was auf größere Konflikte zwischen den Familien hindeutet. Die Gebiete im Big Apple sind seit Jahren aufgeteilt, die Geschäftsfelder ebenso, und ich wüsste nicht, dass es ein neues Geschäftsfeld gäbe, über das ein Streit hätte entbrennen können. Und nebenbei schauen wir uns das Spiel auf dem Computer an, okay?«

»Hurra«, murmelte Phil und verzog das Gesicht. »Ein Footballspiel auf einem Vierundzwanzig-Zoll-Bildschirm. Das ist es doch, wovon ein echter Fan träumt.«

Wir waren einige Stunden damit beschäftigt, alle Kanäle, über die wir verfügten, anzuzapfen, um zu erfahren, ob es in der New Yorker Mafiaszene Entwicklungen gegeben hatte, die auf einen neuerlichen Konflikt zwischen den Familien hindeuteten. Zusätzlich bemühten wir unseren IT-Spezialisten Dr. Ben Bruckner, der offensichtlich froh darüber war, dass wir seine langweilige Wochenendroutine unterbrachen. Er machte sich sofort auf den Weg ins Field Office und durchforstete das Internet nach Hinweisen.

Es wurde schon dunkel, und wir unterbrachen unsere Arbeit nur einmal, um uns ein karges Abendessen von einem Falafelstand zu holen und um mit einem Auge das Spiel zu verfolgen. Die 49ers verloren haushoch, was Phils Laune nicht verbesserte. Nachdem Ben uns mitgeteilt hatte, dass sich nichts, aber auch gar nichts an Ungewöhnlichem in den Netzen des World Wide Web verfangen hatte, was uns weiterhelfen könnte, und auch unsere eigenen Recherchen nichts erbracht hatten, machten wir Schluss.

»Also ab in die Heia.« Phil streckte seinen müden Rücken und sah traurig auf den Wimpel der 49ers, der neben seinem Bildschirm stand.

Ich war überhaupt nicht zufrieden damit, wie der Tag gelaufen war. Fünf Morde, und wir hatten nicht einmal den Hauch einer Ahnung, worum es ging. So konnte ich den Tag nicht enden lassen.

»Was hältst du davon, wenn wir mal im Alleva in Little Italy vorbeischauen?«, fragte ich.

»Nein danke«, ließ sich mein Partner frustriert vernehmen. »Die Falafel rumoren noch in meinem Magen. Ich kann nichts mehr essen. Und schon gar kein Eis.«

»Ich will auch nichts essen«, sagte ich und versuchte, Phils Stimmung etwas aufzuheitern, indem ich ihm meinen Kugelschreiber quer durch den Raum zu warf. »Luigi ist doch jeden Samstagabend da, um die Wettschulden von seinen Klienten einzukassieren. Immerhin sind drei der fünf Opfer aus dem Clan der Serras. Vielleicht hat Luigi ja etwas gehört, was wir nicht gehört haben.«

Phil hatte den Kugelschreiber ohne Mühe mit der Linken aus der Luft gegriffen.

»One point for 49ers«,imitierte er, schon wieder ein Grinsen im Gesicht, den Singsang eines Stadionsprechers nach und wedelte mit dem Kugelschreiber. Dann wurde er sofort wieder ernst. »Luigi? Bis auf seine Wettgeschichten hat der sich vor einem halben Jahr ehrlich gemacht. Er betreibt das Alleva nicht mehr nur als Tarnung, habe ich zumindest gehört, sondern lebt mittlerweile zum größten Teil davon.«

»Siehst du«, sagte ich, erhob mich und fischte mein Jackett von der Stuhllehne. »Du hast was gehört, was ich nicht gehört habe. Aber vielleicht hat Luigi ja auch etwas gehört, was wir beide nicht gehört haben, oder? Einen Versuch ist es wert, und er ist auch der einzige unserer Informanten, von dem ich im Moment ganz genau weiß, wo er steckt. Lass uns mit ihm den Anfang machen. Ich möchte zumindest eine Ahnung davon bekommen, was läuft, bevor ich den Familien selbst auf den Pelz rücke.«

Wir fanden Onkel Luigi in seinem Büro hinter der Küche. Der alte Mann saß, wie immer eine halb zerkaute, kalte Zigarre im Mund, hinter einem klapprigen Tisch in einem Sessel und zählte Geld. Er sah zu uns hoch, nickte uns zu und zählte den Stapel Banknoten zu Ende, während wir es uns auf dem muffig riechenden Sofa in der Ecke des Raums gemütlich machten.

»Was ist los Jungs?«, eröffnete der alte Mann das Gespräch. »Wollt ihr euch Geld von mir leihen? Hat Vater Staat endlich eingesehen, dass ihr Bengels hoffnungslos überbezahlt seid?«

Phil deutete auf die auf dem Tisch verstreut herumliegenden Banknoten und den mageren Stapel aus Hundertern, den Luigi noch in der Hand hielt. »So wie es aussieht, müssten wir eher Ihnen etwas leihen, Väterchen, oder? Ist die Nachfrage nach Eis und Waffeln doch nicht so groß unter New Yorks Gangstern, wie es Ihnen Ihr Finanzberater vorgemacht hat?«

Der Alte schüttelte sich in einem lautlosen Lachen und zwinkerte uns zu.

»Ihr glaubt nicht im Ernst, dass ich meine Goldvorräte hier herumliegen lasse, was, Jungs? Die sind schön in Fort Knox, zusammen mit den ganzen Bestechungsgeldern, die die New Yorker Polizei kassiert.« Er legte den Geldstapel auf den Tisch, nahm die Zigarre aus dem Mund und wurde ernst. »Aber ihr seid nicht hier, um mir zum Ruhestand zu gratulieren, oder? Also, was gibt es?«

Ich seufzte. »Fünf tote Mafiamitglieder, das gibt es, Onkel Luigi. Und wir wollen von Ihnen wissen, ob Sie etwas darüber wissen.«

Luigi steckte sich die kalte Zigarre wieder in den Mund und kaute ein paarmal darauf herum.

»Fünf?«, fragte er dann mit düsterem Blick. »Sind es jetzt schon fünf?«

Phil und ich sahen uns kurz an. Anscheinend war mein Riecher richtig gewesen. Besser als jeder Computer und das Internet war der Gesang der Straße. Strophe für Strophe gab er die Ballade des Verbrechens wieder. Hellhörig für die kleinen und großen Dinge des Lebens im Hexenkessel New York.

»Wer ist es?«, hakte der alte Mann nach. »Wer ist der Fünfte?«

»Ein gewisser Brandon Smith«, begann ich. »Sohn von ...«

Der Alte winkte ab. »Kenne ich. Verdammter Mist! Nicht gut. Gar nicht gut.«

»Warum, Onkel Luigi?«, schaltete sich Phil ein. »Läuft da gerade ein Krieg an? Sind sich die Familien über irgendetwas uneinig? Erleuchten Sie uns überbezahlte Staatsbüttel.«

Der Alte winkte wieder ab, heftiger diesmal, und zum Lachen war ihm auch nicht mehr zumute.

»Unsinn«, raunzte er. »Kein Krieg. Wir wissen es nicht. Die Familien wissen ebenfalls nichts. Verhalten sich still. Fragen selbst nach. Auf jeden Fall gibt es nichts, was den Frieden gestört hätte. Die Geschäfte laufen gut. Alle sind zufrieden. Bis vor zwei Wochen. Und die Ermordeten waren mit ganz verschiedenen Dingen beschäftigt. Keine Berührungspunkte. Und jetzt Williams Sohn? Was soll das? Der hat Leute begraben. Wer will da einsteigen? Ergibt keinen Sinn.«

Ich nickte nachdenklich. So hatte ich das noch gar nicht betrachtet. Aber der Alte hatte recht. Die Toten hatten nichts miteinander gemeinsam, außer dass sie alle Mitglieder verschiedener Mafiafamilien waren.

»Vielleicht dass jemand von außerhalb die Familien gegeneinander aufstacheln will?«

»Wer?«, wollte der Alte wissen. »Wer legt sich mit drei Familien gleichzeitig an? Eine Bande Lebensmüder? Und selbst wenn, die würden nie einen Fuß in die Tür kriegen. Alle wären gegen die. Die Familien halten in dieser Sache zusammen.«

»Woher haben Sie denn diese Weisheit?«, entfuhr es Phil überrascht. »Die haben miteinander geredet? Wäre ja das erste Mal, dass die sich in was einig sind.«

Der Mann hob beide Schultern, verzog das Gesicht zu einer schmerzlichen Grimasse und ließ die Schultern wieder sinken. »Sagt man so. Hört man so. Auf der Straße eben.«

»Ah«, wurde Phil langsam ärgerlich. »Was die Straße so flüstert.«

»Ist eben so«, ließ sich der Alte resigniert vernehmen. »Mehr weiß ich nicht. Und ist euer Job, das herauszufinden, oder, Jungs? Und nicht meiner.«

Gleich am nächsten Morgen machten wir uns auf den Weg zu Felipe Serra, dem aktuellen Boss des Serra-Clans. Auch wenn an Onkel Luigis Einschätzung, dass es sich bei unserem Fall nicht um einen beginnenden Mafiakrieg handeln konnte, etwas dran sein mochte, wir wollten uns persönlich vergewissern, wie die Beteiligten das sahen, und begannen bei der Familie, die Luigi am nächsten stand.

Die Serras residierten in den Moreland Hills, wo die Familie ein Anwesen hatte. Als wir am Tor des weitläufigen Geländes eintrafen, kamen aus dem Wachhäuschen zwei Bodyguards, um uns zu begrüßen. Wir waren mittlerweile bekannt, und nach einem kurzen Telefonat öffneten sie das Tor und ließen uns passieren. Wir fuhren zu dem Haus mit seinen sechs Säulen, der moosbewachsenen Treppe und den mächtigen Platanen mit dem Charme einer Südstaatenresidenz und wurden von einem Bediensteten empfangen, der uns zu Felipe Serras Büro führte.

Serra, ein sehniger Mittvierziger mit schmalem Oberlippenbart, gegelten Haaren und der Ausstrahlung eines sprungbereiten Panthers, saß hinter seinem Schreibtisch und erledigte Papierkram. Er sah kaum zu uns hoch, als wir eintraten, winkte uns zu, dass wir uns setzen sollten, und arbeitete sich dann weiter durch eine Unterschriftenmappe. Wir wussten, dass sein Aufstieg in der Familie nach dem Tod seines Vorgängers Francesco Serra nicht unumstritten gewesen war. Umso härter hatte sich Felipe gegen interne und externe Gegner durchgesetzt. Es gingen Gerüchte, dass er in einer Nacht der langen Messer dreizehn seiner schärfsten Gegner eigenhändig umgebracht hatte, aber das waren nur Gerüchte, von denen nicht mehr beweisbar war, als dass seit dieser Nacht dreizehn Menschen aus seiner näheren Umgebung einfach und für immer spurlos verschwunden waren.

Wir setzten uns an einen kleinen, runden Tisch aus edlem Mahagoni, der dem Schreibtisch gegenüber in einer Ecke des Raums stand, und warteten. Nachdem Serra mit der Mappe fertig war, stand er auf und setzte sich zu uns.

»Agent Cotton und Agent Becker, wenn ich recht erinnere?«, sagte er und schenkte uns das Lächeln eines Haifischs, der gerade satt genug geworden war, um nicht sofort über sein nächstes Opfer herzufallen.

»Decker«, sagte Phil gelassen, obwohl er genau wusste, dass diese winzige Beleidigung mit Absicht geschehen war. »Decker, nicht Becker.«

»Oh.« Serra spielte den Unschuldigen und strich sich über den Oberlippenbart. »Das tut mir leid. Ich werde es mir aufschreiben. Was führt Sie zu mir, Gentlemen?«

»Marco Brambilla, Mister Serra«, übernahm ich das Gespräch. »Sein plötzliches Ableben beunruhigt uns. Außerdem wurde gestern Brandon Smith tot aufgefunden, Sohn von William Smith, der wiederum ein Cousin von Hank Singleton, Berater Ihres Vaters, war. Und letzte Woche wurde ein gewisser Johnny Leroy, hauptberuflicher Zuhälter, im Hafen von New York erschossen.«

Serras Blick verdunkelte sich. »Brambilla war ein Freund von mir. Eine Stütze für meine Frau, meine Kinder und mich. Diesen Smith kannte ich nicht, auch von seinem Vater habe ich nie gehört. Das war alles vor meiner Zeit. Und mit Zuhältern habe ich nichts zu tun, das müssten Sie doch wissen. Wir machen nur ehrliche Geschäfte. Aber was hat das FBI mit dieser Angelegenheit zu tun? Ist das nicht Sache des NYPD?«