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Ein brutaler Raubüberfall auf eine Shishabar mit anschließender Geiselnahme rief das FBI auf den Plan. Phil und mir gelang es vor Ort, die Situation zu entschärfen. Der Täter entzog sich jedoch der Verhaftung, indem er die Waffe gegen sich selbst richtete. Die Identifizierung des jungen Mannes ergab, dass es sich um einen Intensivstraftäter namens Tommy Scott handelte. Das Merkwürdige daran: Eigentlich sollte Tommy derzeit in einem Umerziehungslager für jugendliche Wiederholungstäter untergebracht sein. Wir schauten uns das Bootcamp an - und erlebten eine grausame Überraschung!
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Seitenzahl: 141
Veröffentlichungsjahr: 2022
Cover
Bootcamp der Grausamen
Vorschau
Impressum
Bootcamp der Grausamen
Niemand beachtete den jungen Mann, der gebückt durch den Perlenvorhang vor dem Eingang der Shisha-Bar trat. Er hatte einen schleppenden Gang, und seine Augen waren gesenkt, als würde er den Boden nach Kleingeld absuchen. Beide Hände steckten in den Taschen eines Kapuzenpullis. Als er die rechte herauszog, bemerkte zunächst keiner die Waffe darin. Der Mann war unsichtbar. Die Gäste an den Tischen und an der Bar waren zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Erst als er die Pistole zur Decke hob und den ersten Schuss abgab, richteten sich alle Blicke auf ihn. Einige Gäste sprangen auf, andere schrien. Nur der Bewaffnete blieb äußerlich ruhig.
Ungerührt richtete er den Lauf der Magnum auf die Blondine hinter der Bar und zischte: »Du! Zeig mir den Keller! Ich will zocken!«
Phil und ich hielten gerade vor dem Mezzogiorno, als mich der Anruf aus dem Field Office erreichte. Eigentlich hatten Phil, Zeerookah, Les Bedell, Joe Brandenburg und ich vorgehabt, den Tag bei Pasta und einem edlen Tropfen bei unserem Stammitaliener ausklingen zu lassen. In der letzten Zeit hatten wir erfolgreich einige aufreibende Fälle hinter uns gebracht, und allen stand mal wieder der Sinn nach einem Kollegentreffen außerhalb der Arbeit.
Les und Joe waren bereits vorgefahren, um einen Tisch zu belegen. Schon bei der Anfahrt sah ich den silbergrauen Pontiac aus dem Fuhrpark des FBI, mit dem Joe zurzeit unterwegs war. Steve hatte noch etwas im Büro zu erledigen, wollte aber mit Zeerookah zu späterer Stunde nachkommen.
Ich hatte den Motor meines Jaguar F-Type kaum ausgestellt, als mein Handy klingelte. Sofort erkannte ich Steves Officenummer auf dem Display und war in diesem Moment noch der Überzeugung, dass er anrief, um abzusagen.
Noch bevor ich das Gespräch annahm, stürmten Joe und Les aus dem Lokal. Beide trugen düstere Mienen, die so gar nicht zu dem klaren Spätfrühlingsabend passten. Irgendetwas war passiert. Was genau, das erfuhr ich kurz darauf von meinem Kollegen am Telefon.
»Jerry, mich hat gerade die Nachricht einer Geiselnahme in Central Harlem erreicht.«
»Wo genau?«, hakte ich nach, während Phil mich ernst ansah. Ich hatte auf laut gestellt, sodass mein Partner mithören konnte.
»Das Lokal heißt Sahara Café. Eine Shisha-Bar. Joseph el-Halim ist dort Miteigentümer.«
Sofort hatte er meine volle Aufmerksamkeit. Unsere Taskforce hatte in den letzten Monaten eine dicke Akte über den el-Halim-Clan zusammengetragen. Kein besonders dicker Fisch im New York Bandenmilieu. Eher eine Makrele, die fraß, was die großen Familien liegen ließen. Aber über verschiedene Tätigkeitsfelder, die von illegaler Prostitution über Geldwäsche bis hin zu Drogenhandel reichten, hatte sich der Clan breit genug aufgestellt, um allmählich zu einem ernst zu nehmenden Player im Bereich der organisierten Bandenkriminalität heranzureifen.
»Denkst du, der Vorfall hat mit el-Halims Geschäften zu tun, Steve?«, fragte ich deshalb.
»Zum jetzigen Zeitpunkt ist das noch schwer zu sagen. Die Lage ist ziemlich unübersichtlich. Gut möglich, dass er sich zu weit auf fremdes Terrain gewagt hat. Ein paar von uns sollten jedenfalls zu diesem Café fahren und die Lage vor Ort begleiten.«
»Phil und ich sind so gut wie unterwegs. Joe und Les sind auch schon in den Startlöchern«, fügte ich mit einem Blick auf die beiden Kollegen hinzu, die vor dem Jaguar stehen geblieben waren und mit Handzeichen zu verstehen gaben, dass sie gleich loswollten.
»Alles klar«, meinte der Special Agent in Charge. »Meldet euch, sobald ihr Genaueres wisst.«
Kurz darauf waren wir in zwei verschiedenen Wagen auf dem Weg nach Central Harlem.
Der Verkehr lief einigermaßen flüssig, sodass wir gut vorankamen. Über die Park Avenue erreichten wir die Außenbereiche von Harlem in weniger als fünfzehn Minuten. Das Nachtleben des pulsierenden Viertels war bereits jetzt in vollem Gange. Der laue Abend hatte viele Menschen auf die Straßen gelockt.
Wir mussten nicht lange suchen, um fündig zu werden. Der Block rund um den Tatort war großräumig gesperrt. Patrol Cars kontrollierten jede Zufahrt und streuten ihr Warnlicht über die Mauern der angrenzenden Gebäude.
Dicht gefolgt vom Wagen der Kollegen ließ ich den Jaguar im Schritttempo heranrollen und drückte meine ID Card gegen die Scheibe des Fahrerfensters. Der Uniformierte, der uns überprüfte, nickte und winkte uns an der Streife vorbei in die 143rd Street.
Dahinter herrschte eine merkwürdige Atmosphäre. Die Straßen und Bordsteine waren wie leer gefegt. Lediglich ein paar Geschäftsleute standen in den Eingängen ihrer Läden und Lokale und blickten prüfend hinaus auf die Straße, als müssten sie sich auf einen Sturm vorbereiten. Noch war alles ruhig, aber in der Luft knisterte eine elektrische Spannung.
Ich gab etwas mehr Stoff und steuerte die zweite Polizeiblockade an, die das letzte Drittel des Blocks vom Rest abtrennte. Direkt dahinter musste sich der Tatort befinden. Statt einem parkten gleich drei Patrol Cars quer über der Straße. Mit dem Auto gab es hier kein Durchkommen mehr, deshalb lenkte ich den Jaguar an den rechten Fahrbahnrand. Joe und Les taten es uns gleich und hielten direkt hinter uns.
Phil und ich traten an die beiden Uniformierten heran, die sich vor ihren Autos in Stellung gebracht hatten. Beide trugen Walkie-Talkies an ihren Gürteln, aus denen Polizeimeldungen rauschten. Bisher schien die Lage unter Kontrolle. Die Cops machten jedenfalls einen konzentrierten, aber gefassten Eindruck.
Die ID Card hatte ich gar nicht erst aus der Hand gelegt und hielt sie ihnen am ausgestreckten Arm entgegen. Einer der beiden bedeutete uns zu warten, dann machte er ein paar Schritte beiseite. Ich konnte sehen, wie er in sein Funkgerät sprach, hörte jedoch nicht, was er sagte. Zehn Sekunden später kehrte er zurück und nickte uns zu.
»Wendet euch an Detective Kaufman. Der bringt euch auf Stand.«
Knapp zwanzig Yards hinter der Barriere hob ein hellblonder Mann in einer schwarzen Lederjacke die Hand und winkte uns zu. Er stand neben einer mittelalten Frau mit wasserstoffblonden Locken, einem hautengen Body und kriminell hohen Stilettos.
Ein Dutzend Uniformierte hatte sich hinter zwei weiteren Patrol Cars verschanzt und behielt das gegenüberliegende Backsteingebäude im Blick. Der gelbe Schriftzug Sahara Café neben einer stilisierten Wunderlampe war auch von hier aus noch gut zu erkennen.
Ein ganzes Stück weiter parkte ein dunkler Van, vor dem sich eine Gruppe Männer in schwarzer Kampfmontur aufgebaut hatte. Ein SWAT-Team für den Ernstfall, das dann – und nur dann – zum Einsatz kommen würde, wenn sich die Leitung für eine Stürmung des Gebäudes entschied. Ein solches Manöver war allerdings immer riskant und barg die Gefahr, dass Unbeteiligte Schaden nahmen. Deshalb wurde dieses Mittel sorgfältig abgewogen.
Detective Kaufman lief uns auf halbem Weg entgegen. Wir stellten uns vor, dann erklärte ich in knappen Worten, warum sich unsere Abteilung für die Bar oder vielmehr ihren Co-Inhaber interessierte.
»Wissen Sie schon, was genau passiert ist?«, fragte Joe Brandenburg, der neben mir stehen geblieben war. Zu viert bildeten wir einen Halbkreis um den Zivilbeamten, der uns in professioneller Kürze auf den neusten Stand brachte.
»Was wir bisher wissen, das wissen wir von ersten Zeugenaussagen der Gäste, die zum Zeitpunkt des Überfalls in dem Lokal waren.«
»Ich dachte, der Täter hat die Gäste als Geiseln genommen?«, meinte ich.
Kaufman griff unter seine Jacke und zog eine Zigarettenschachtel hervor. Er ließ sie geschlossen und drehte sie nur in der Hand.
»Die Sache ist etwas komplizierter«, antwortete er dann. »Der Täter hatte es wohl nicht auf den eigentlichen Barbetrieb abgesehen. Vielmehr interessierte er sich für ein verschlossenes Hinterzimmer, zu dem er sich gewaltsam Zutritt verschaffte.« Er drehte sich um und winkte der Blondine zu, mit der er sich eben noch unterhalten hatte.
Auf Kaufmans Zeichen hin setzte sich die Frau in Bewegung und stakste auf uns zu.
»Miss Paulson arbeitet in dem Lokal und hielt sich zum Zeitpunkt des Überfalls hinter der Bar auf«, erklärte Kaufman. Er klappte die Zigarettenschachtel auf und hielt sie der Blondine entgegen.
Sie nahm eine Zigarette heraus und steckte sie zwischen ihre grellrot geschminkten Lippen.
»Erzählen Sie den Gentlemen bitte, was Sie mir gerade über das Hinterzimmer gesagt haben«, meinte Kaufman, während er ihr Feuer gab.
»Kellerraum«, korrigierte die Frau mit kratziger Stimme. »Da wird das richtig gute Zeug konsumiert, für alle, die keinen Bock auf Shishaplörre haben. Tabak mit Fruchtaroma, wer braucht so 'nen Scheiß?« Sie nahm einen Lungenzug und blies eine dicke Wolke in unsere Richtung.
Ich verzog keine Miene. Ich musste auch nicht nachhaken, um zu wissen, was sie mit »das richtig gute Zeug« meinte. Wo der el-Halim-Clan seine Finger im Spiel hatte, waren harte Drogen nicht weit.
»Jedenfalls«, fuhr sie fort, »steigt dort einmal im Monat eine Pokerrunde. Immer mittwochs.«
»Wird da um höhere Einsätze gespielt?«, fragte ich.
Die Frau grinste mich verächtlich an. »Kommt auf die Sichtweise an. Halten Sie fünfstellige Summen für hoch? Für manche sind das nur Peanuts.«
»Der Täter wollte also eigentlich die Pokerrunde ausrauben?«
Die Blondine nickte. »Dieser Typ, ich habe ihn erst gar nicht bemerkt, ballert auf einmal wild um sich. Dann verlangt er, dass ich ihn in den Zockerraum bringe. Genauso hat er sich ausgedrückt.«
»Und Sie sind der Forderung nachgekommen?«, fragte Les Bedell.
Die Bardame blitzte ihn an. »Was würdest du machen, wenn dir einer den Lauf einer Magnum an den Hals drückt, Kleiner?«
»Sie haben ihn also in den Keller geführt«, sagte ich, um die Sache zu beschleunigen.
Sie nickte. »Die Tür ist mit einem Zahlenschloss gesichert. Man braucht einen vierstelligen Code. Ich sage sie ihm also und lass ihn machen. Dann kriege ich noch mit, wie er die Tür auftritt und in den Raum stürmt. Mich halten keine zehn Ochsen mehr. Ich renne die Treppe rauf und zurück in die Bar. Noch bevor ich den Ausgang erreiche, geht die Tür auf, und zwei Cops stürmen herein.«
Ich nickte verstehend. Vermutlich hatte einer der Gäste einen vorbeifahrende Streife gestoppt.
»Die beiden fragen mich, wo der Täter gerade ist. Dann sagen sie, ich soll mich in Sicherheit bringen.«
»Können Sie den Mann beschreiben?«, wollte ich wissen.
Die Frau schürzte die Lippen. »Jung. Sehr schlank. Unauffällig. Bis auf das Tattoo.«
»Was für eine Tattoo?«, fragte Phil.
»Ein Nackentattoo. Eine Schlange oder irgend so ein scheußliches Vieh.«
Detective Kaufman nahm den Faden wieder auf. »Die Kollegen forderten Verstärkung an und drangen in den Keller vor. Bis in den Zockerraum kamen sie nicht, weil der Bewaffnete Gegenwehr leistete. Aber sie konnten ihn in Schach halten und an der Flucht hindern.«
»Hatten Sie schon Gelegenheit, mit dem Täter zu sprechen?«, fragte ich.
Kaufman nickte. »Hat sich telefonisch gemeldet. Verlangt freies Geleit und einen Fluchtwagen. Spätestens in«, er warf einen Blick auf seine Armbanduhr, »einer knappen halben Stunde. Dann will er die erste Geisel erschießen.«
»Was haben Sie ihm gesagt?«, fragte Phil.
»Dass wir ihm den Wagen besorgen, jedoch noch etwas Zeit brauchen«, gab Kaufman zurück. »Daraufhin forderte er Bedenkzeit und hat sich seitdem nicht mehr gemeldet.«
Ich nickte. »Wenn er nicht dumm ist, dann ist ihm klar, dass er aus der Nummer nicht herauskommt. Noch bevor er in den Fluchtwagen steigt, wird der zur Fahndung ausgeschrieben.«
»Er wird vermutlich eine der Geiseln mitnehmen«, gab Kaufman zu bedenken.
»Detective?« Ein Officer war von hinten an Kaufman herangetreten und reichte ihm ein Handy.
Kaufman nahm es entgegen und meldete sich mit einem knappen »Hallo?«.
Der Lautsprecher war eingeschaltet, deshalb konnten wir mithören.
»Wie lange dauert das noch? Denkt ihr, ich mein's nicht ernst? Ich mein's verdammt ernst!«
Die Stimme war männlich und klang jung. Mehr wie die eines Teenagers. Außerdem schwankte sie stark. Der Kerl am anderen Ende der Leitung schien äußerst nervös zu sein. Offenbar hatte er sich seinen Coup einfacher vorgestellt.
Der Stimme des Detectives dagegen blieb hart und entschlossen. »Wir erfüllen Ihre Forderungen. Aber nicht ohne Gegenleistung. Lassen Sie mindestens zwei Geiseln frei, dann stellen wir Ihnen den Wagen bereit.«
Ein kurzes Zögern. Dann: »Eine Geisel!«
»Zwei!«
»Eine. Das ist nicht verhandelbar.«
Kaufman konnte nichts mehr entgegen, da der Anrufer bereits aufgelegt hatte.
»Verdammt!« Der Detective gab dem Kollegen das Handy zurück. »Meldung an alle«, sagte er dann. »Waffen runter. Und, um Himmels willen, nicht schießen, wenn gleich eine Person aus dem Gebäude herauskommt.«
Der Uniformierte nickte und flitzte davon.
Detective Kaufman steckte sich selbst eine Zigarette in den Mundwinkel und warf einen finsteren Blick zu der Bar, in der sich gerade schlimme Szenen abspielen mochten.
Wir anderen tauschten nervöse Blicke. Die Anspannung war mit Händen zu greifen.
Les Bedell versuchte, sie ein wenig zu lösen, indem er sein Feuerzeug aufschnappen ließ, um dem Detective Feuer zu geben. Doch Kaufman winkte mit schiefem Blick ab.
»Danke, aber ich versuche, es mir abzugewöhnen.«
Die nächsten Minuten bestanden aus bangem Warten. Die Spannung lastete auf allen schwer. Am schlimmsten war, dass wir im Moment nichts tun konnten, sondern uns nach dem Drehbuch eines anderen richten mussten. Eines jungen Mannes, den ich schon nach den wenigen Worten, die ich von ihm gehört hatte, als unberechenbar einstufte.
Ein Zugriff war unter den gegebenen Umständen nicht zu verantworten. Dadurch dass sich der Täter mit seinen Geiseln in einem Kellerraum verschanzt hatte, zu dem es nach Aussage der Barfrau nur einen Zugang gab, saß er am längeren Hebel. Jede gewaltsame Aktion vonseiten der Polizei hätte mit Verletzten, wenn nicht gar Toten geendet.
»Da tut sich was«, knurrte Joe Brandenburg.
Alle vier hatten wir uns hinter den beiden Streifenwagen verschanzt. Zusammen mit den NYPD-Kollegen, die den Eingang des Gebäudes keine Sekunde lang aus dem Blick ließen.
Joe hatte recht. Die Tür der Bar wurde langsam geöffnet, und ein Schatten erschien im Eingang. Im Licht der Straßenbeleuchtung verdichtete er sich zu einer kompakten Gestalt, die im Zeitlupentempo aus der Deckung trat.
»Nicht schießen!«, rief Detective Kaufman und befahl zwei seiner Untergebenen, der Geisel entgegenzugehen.
Im Laufschritt überquerten die beiden die Straße, und ich hatte einen Moment Zeit, mir den Mann genauer anzusehen. Er war sehr schlank, trug einen Smoking und eine schwarze Wollmütze, die weder zu seinem festlichen Aufzug noch zu dem lauen Frühlingsabend passte.
Dann nahmen ihn die Cops auch schon in Empfang. Vermutlich erkundigten sie sich, ob alles okay sei, dann führten sie ihn in ihrer Mitte hinter die Barrikade.
Detective Kaufman, der ein paar Schritte entfernt von mir stand, atmete hörbar aus. Zumindest eine kleine Last schien von dem Einsatzleiter abzufallen. Ein Anfang war gemacht, auch wenn die Situation längst nicht ausgestanden war.
»Alles okay bei Ihnen? Wie ist die Situation in der Bar?«, fragte Kaufman.
Der junge Mann atmete schwer, das Sprechen fiel ihm nicht leicht.
»Ich glaube, dieser Kerl steht kurz vor dem Ausbruch. Viel braucht's nicht mehr, dann gibt es Tote.«
»Bisher sind alle wohlauf?«
Der Mann nickte.
»Wie heißen Sie?«
»Ricky Hendricks. Ich ... arbeite in dem Laden.
Kaufman wandte sich an die beiden Cops, die ihn hergebracht hatten. »Fahrt mit ihm ins Krankenaus und lasst ihn durchchecken.«
»Mir geht's gut«, widersprach Hendricks.
»Körperlich vielleicht. Aber Sie stehen unter Schock.«
»Das können wir übernehmen«, bot ich an. Vor Ort hatten wir momentan nichts zu tun. Das war nicht unser Einsatz, wir waren nur als Beobachter hier. Und wenn es zum gewaltsamen Zugriff kam, war das Aufgabe des SWAT-Teams. So konnten wir uns nützlich machen und der befreiten Geisel ein paar Fragen stellen. Wenn er für den Clan arbeitete, verfügte er möglicherweise über Insiderwissen, das uns bei unseren weiteren Ermittlungen nützlich sein könnte.
Kaufman überlegte, dann nickte er. »Okay, Cotton. Danke für das Angebot. Ich brauche hier in der Tat jeden Mann.«
»Wir halten die Stellung. Und euch auf dem Laufenden«, meinte Joe.
Ich warf einen letzten Blick zu der Bar, wo in diesen Momenten noch immer eine Tragödie ihren Lauf nahm. Ich konnte nur hoffen, dass die Geiselnahme unblutig beendet werden konnte. Eine Garantie dafür gab es nie.
Phil klopfte dem jungen Mann ermutigend auf die Schulter. »Kommen Sie, wir lassen Sie durchchecken. Glauben Sie mir, ist besser so. Der Arzt kann Ihnen dann auch gleich etwas zur Beruhigung verschreiben. Sie werden es brauchen.«
Die beiden gingen vor.
Ich folgte in kurzem Abstand, und mein Blick wanderte dabei über die schlanke Gestalt des Dealers. Der Smoking saß schlecht und war mindestens eine Nummer zu groß. Das allein hätte mich noch nicht irritiert. Die Arbeitskleidung wurde ihm wahrscheinlich gestellt. Nein, was von einer Sekunde zur anderen meine Alarmglocken schrillen ließ, war die Tätowierung an seinem Hals. Ein Tattoo einer schuppigen Schlange, das sich um seinen Nacken wand!
Mit einem Schlag fiel mir ein, was die blonde Barfrau gesagt hatte. Im Eiltempo schloss ich zu den beiden auf und hielt den jungen Mann an der Schulter fest.
Der Mann drehte sich zu mir um, und noch in der Bewegung griff er unter sein Jackett und zog eine Waffe aus dem Hosenbund, die er auf mich richtete. »Keinen Schritt weiter!«
Ich hielt inne. Wenn er aus dieser Distanz abdrückte, blieb von mir nicht mehr viel übrig.
Phil, der neben ihm hergegangen war, riss seine Glock aus dem Hüftholster und richtete sie aus zwei Schritten Entfernung auf meinen Bedroher. »Waffe fallen lassen!«
»Schieß doch«, entgegnete der Geiselnehmer zähnefletschend. »Mal sehen, wer von uns schneller abdrückt.«