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Ein gezielter Mord durch einen Scharfschützen - mitten am Vormittag und dann auch noch am belebten Times Square! Phil und ich waren zufällig gerade vor Ort. Der Tote war kein Unbekannter fürs FBI. Leon Krowley war der Sohn eines Mannes, den die Behörden wegen Betrug, Bestechung, Geldwäsche und vieler anderer Verbrechen im Visier hatten. Sofort nahmen wir die Ermittlungen auf und stießen bald auf einen Konkurrenten von Krowley, der uns verdächtig erschien. Doch bevor wir Beweise sammeln konnten, erreichte uns eine weitere Schreckensnachricht. Dr. Iris McLane, die Psychologin unserer Abteilung, war von Unbekannten entführt worden. Und wir sollten bald erfahren, dass die beiden Fälle zusammenhingen ...
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Seitenzahl: 144
Veröffentlichungsjahr: 2022
Cover
Der Sniper vom Times Square
Vorschau
Impressum
Der Sniper vom Times Square
Der Mann, der am frühen Morgen über den Cypress Hills Cemetery im Osten New Yorks schlenderte, war ganz allein. Kaum jemand war um diese Zeit auf einem Friedhof unterwegs. Schließlich blieb er stehen und betrachtete einen Grabstein. Es war ein Doppelgrab. Wie auf der Inschrift zu lesen war, handelte es sich um die letzte Ruhestätte einer Frau und ihres Sohns. Die beiden waren am selben Tag aus dem Leben geschieden. Fast zwanzig Minuten verharrte der Mann. Schließlich riss er sich los und ging mit schweren Schritten zurück. Auf dem Parkplatz öffnete er den Kofferraum seines Wagens, wie um sich zu vergewissern, dass alles noch an seinem Platz war. Sein Blick fiel auf einen langen, schmalen Koffer. Einer von der Sorte, mit denen man Jagdgewehre transportierte.
»Na, glaubst du, dass es die New Giants in den Superbowl schaffen?«, fragte ich Phil und setzte meinen Kaffeebecher ab.
Mein Partner hatte gerade etwas auf seinem Handy nachgeschaut und sah irritiert auf. »Was hast du gesagt, Jerry?«
»Vergiss es. Ich wollte dich nur mal von deiner ständigen Chatterei wegholen. Willkommen in der Realität, alter Junge.«
»Jaja, schon gut.« Missmutig legte er das Handy auf den Tisch des Coffeeshops, in dem wir gerade eine Pause machten.
Wir brauchten gar nicht darüber zu reden, denn ich kannte Phil gut genug, um zu wissen, was los war. Irgendeine Sue, eine Beverly oder Sheila, die er am Wochenende in einer Bar kennengelernt hatte, meldete sich nicht mehr.
»Weißt du was, wir fahren ins Büro«, sagte ich. »Ein bisschen Aktenwälzen bringt dich sicher auf andere Gedanken, und du vergisst deine Sue, Beverly oder Sheila ganz schnell.«
»Sie heißt Melanie.« Phil sah versonnen hinaus auf den Trubel des Times Square, wo wir nach einer Routineüberprüfung einen Stopp eingelegt hatten. Es war mittlerweile halb elf am Vormittag. Man konnte davon ausgehen, dass uns unser Chef Mr. High schon sehnsüchtig erwartete.
»Guck mal, da vorne«, sagte Phil plötzlich und deutete in Richtung der großen Frontscheibe, die uns von dem berühmtesten Platz New Yorks trennte.
In etwa fünfzig Yards Entfernung fuhr ein grüner Porsche heran. Der Fahrer hatte plötzlich Gas gegeben. Das Fahrzeug legte an Geschwindigkeit zu und drehte schlagartig auf mindestens vierzig Meilen in der Stunde auf. Erschrockene Passanten preschten zur Seite. Wir konnten sie durch die Glasscheibe schreien hören.
»Was ist da los?«, rief ich.
Wir sprangen auf und rannten nach draußen. Dort legte der Sportwagen einen weiteren Sprint hin. Fast wäre er in eine Gruppe asiatischer Touristen hineingerast. Die fünf Personen in ihren bunten Regenjacken und farbigen Rucksäcken konnten sich gerade noch in Sicherheit bringen. Mit einem gewaltigen Krachen und Knirschen fand die Fahrt des Sportwagens an einem Absperrpoller ein jähes Ende.
Innerhalb von wenigen Sekunden waren wir bei dem Porsche angekommen, fast gleichzeitig mit zwei Cops von der Straßenstreife.
Der eine Officer deutete auf die Windschutzscheibe. Wir hatten sie aus unserer Perspektive nicht sehen können, jetzt zeigte sich, dass sie zu einem Spinnennetz zersprungen war. Und genau vor der Fahrerseite hatte sie ein Loch. Der junge Mann, der dahinter saß, sah uns mit starren Augen an. Die Kugel, die durch die Scheibe gedrungen war, hatte ihn in die Stirn getroffen.
»Ein Sniper!«, rief Phil. »Geben Sie Alarm, und sperren Sie den Platz ab!«
Den Polizisten war klar, was es bedeutete, wenn ein Heckenschütze am Times Square sein Unwesen trieb. Es war der meistbesuchte Platz der Stadt. Schwierig zu überwachen und für jemanden, der aus dem Verborgenen Leute erschießen wollte, das reinste Paradies.
Es dauerte keine zwei Minuten, da rückten schon die entsprechenden Einheiten der Stadtpolizei an. Phil zog sein Handy hervor und rief im Büro an, während ich versuchte, im Geist zu rekonstruieren, wo die Höllenfahrt des Porsche begonnen hatte. Vielleicht war es möglich, auf diese Weise das Versteck des Snipers herauszufinden und weitere Anschläge im Keim zu ersticken.
Ich kämpfte mich durch die verängstigten Menschen, stieß auf anrückende Polizeibeamte, die mit der Absperrung begannen, musste mich mehrmals ausweisen und verlor eine Menge Zeit.
Der Täter konnte überall sein. In einem anderen Wagen. In einer der unzähligen Etagen der Wolkenkratzer um uns herum. Hinter einem der tausend Fenster. Und wahrscheinlich war er längst über alle Berge ...
»Mister High hat gesagt, wir sollen vor Ort bleiben, bis wir weitere Informationen haben«, erklärte Phil, als ich wieder bei dem gestrandeten Wagen war.
Mittlerweile hatten die Beamten die Absperrungen angebracht. Jetzt kam ich erst dazu, mich mit dem Opfer zu befassen. Ich blickte durch die Seitenscheibe. Am liebsten hätte ich die Tür aufgemacht, um mehr zu erkennen, aber das war im Moment unmöglich. Wir hätten sonst wichtige Spuren verdorben. Trotzdem war zu sehen, dass es sich bei der Person im Wagen um einen jungen Mann Mitte zwanzig handelte. Seine Kleidung war leger, stammte jedoch von angesagten Marken und war wie sein fahrbarer Untersatz alles andere als billig.
»Ich glaube, ich kenne den Mann«, sagte ich. »Irgendwo habe ich ihn schon mal gesehen.«
»Du meinst im Zusammenhang mit unseren Ermittlungen?«, fragte Phil.
»Entweder das oder auf einem Foto in der Zeitung.«
»Das haben wir gleich«, meinte mein Partner und zückte wieder sein Handy – diesmal, um das Kennzeichen des Wagens zu überprüfen. »Hier ist das Ergebnis«, sagte er ein paar Sekunden später und hielt mir das Telefon hin, damit ich auf dem kleinen Display ablesen konnte, was er herausgefunden hatte.
»Ich wusste es«, sagte ich. »Welche Nachricht willst du zuerst hören? Die gute oder die schlechte?«
»Wenn die schlechte nicht darin besteht, dass es keine gute gibt, dann lieber die gute«, antwortete er philosophisch.
»Ich glaube, wir können den Sniper-Alarm wieder zurücknehmen. Das war ein gezielter Anschlag.«
»Und die schlechte?«, wollte Phil wissen.
»Die Sache fällt in unseren Bereich. Der flotte junge Mann hier hat Verbindungen zum Gangland. Wir müssen die Taskforce einschalten.«
Der Einsatzleiter der Stadtpolizei war ein gewisser Lieutenant Miller. Ich bat ihn darum, die weiteren Ergebnisse schnellstmöglich auf den Tisch zu bekommen. Dann gingen wir zum Wagen. Unterwegs telefonierte ich mit Mr. High und berichtete ihm, was wir herausgefunden hatten.
»Der junge Mann, der erschossen wurde, heißt Leon Krowley. Er ist der Sohn von Aaron Krowley. Und er wiederum ist kein Unbekannter für uns.«
»Ich erinnere mich«, sagte der Chef. »Es gab mehrere Betrugsfälle mit Immobilien, in die er verwickelt war.«
»Betrug, Bestechung, Geldwäsche, das ganze Programm. Außerdem hat er einigen Größen der einschlägigen New Yorker Familien Häuser und Wohnungen vermietet. Es gibt ein enges finanzielles Geflecht, in das er verwickelt ist. Und nun wurde sein Sohn getötet. Das sieht mir ganz nach einer Racheaktion aus.«
»Wenn Sie recht haben, Jerry, wird es nicht lange dauern, bis Krowley darauf reagiert. Und dann ist es bis zu einem Krieg nur noch ein kleiner Schritt.«
»So sehen Phil und ich das auch, Sir.« Wir hatten den Wagen erreicht.
»Ich bereite alles für eine Sitzung der Taskforce vor«, sagte der Chef. »Bis gleich.«
Als wir im dreiundzwanzigsten Stock des Jacob K. Javits Federal Building aus dem Aufzug stiegen, kam Steve Dillaggio aus seinem Büro.
»Ich habe von unterwegs ein paar Informationen über Krowley rausgesucht und auf Helens Drucker im Vorzimmer geschickt«, sagte er.
Wir machten uns gleich auf den Weg zum Chef. Unterwegs gesellte sich Zeerookah zu uns, der wie immer durch seinen herausragenden Kleidungsstil auffiel. Maßanzug, Designerkrawatte und handgenähtes italienisches Schuhwerk machten ihn zum bestgekleideten Agent beim FBI.
Helen gab uns die Ausdrucke, die Steve vorbereitet hatte, und schickte uns in den Besprechungsraum. Dort warteten neben dem Assistant Director in Charge bereits Joe Brandenburg mit seinem Partner Les Bedell und unser Computerexperte Dr. Ben Bruckner. Nur unsere Psychologin Dr. Iris McLane fehlte.
»Sie ist auf einer Tagung in Poughkeepsie«, erklärte der Chef auf meine Nachfrage hin. »Wir müssen erst einmal ohne sie auskommen.«
Die Taskforce mit der Abkürzung T. A. C. T. I. C. S. kämpfte in erster Linie gegen das organisierte Verbrechen. Die Abkürzung stand für Transnational Anti Crime Tactical Intervention Central Squad und wurde vom New Yorker FBI aus geleitet.
»Auch wenn Aaron Krowley kein unbeschriebenes Blatt auf dem Gebiet unserer Ermittlungen ist, müssen wir für alle Seiten offen sein«, sagte Mr. High. »Es ist nicht automatisch gesagt, dass der Tod seines Sohns etwas mit dem organisierten Verbrechen zu tun haben muss.«
»Kann ich mir vorstellen«, brummte Joe. Er war früher Captain beim NYPD gewesen und hatte alle möglichen Motive für Verbrechen kennengelernt. »Es kann auch etwas ganz anderes dahinterstecken. Man müsste auch erst mal wissen, welche Geschäfte der Junge selbst gemacht hat.«
»Genau das«, meinte der Chef. »Der Fall liegt bei uns, dafür habe ich gesorgt.«
»Es gibt erste Ergebnisse von der Spurensicherung«, sagte Ben, der einen Laptop vor sich auf dem Tisch stehen hatte. »Sie haben das Kaliber ermittelt, mit dem Leon Krowley erschossen wurde. Ein 308er.«
»Ein Jagdgewehr«, stellte Joe fest.
Ben nickte. »Sie glauben, es könnte ein SIG Sauer 303 gewesen sein. Sie wissen es nicht ganz genau, weil sie die Waffe ja nicht haben. Der Täter hat den Schuss abgegeben, und wahrscheinlich hat Leon Krowley durch den Schock das Gaspedal durchgetreten. Es hat ein paar Sekunden gedauert, bis er tot war. Die Raserei des Porsche war so etwas wie ein Todeskampf, das schreibt die Gerichtsmedizin.«
»Wenn der Täter mit solch einer Waffe geschossen hat, war er wahrscheinlich recht weit von dem Porsche entfernt«, sagte Zeerookah. »So ein Gewehr ist ja für lange Distanzen gedacht. Er hat Leon Krowley also ganz bewusst aufgelauert.«
»Was wiederum bedeutet, dass er wusste, wo sich das Opfer aufhalten würde«, ergänzte Steve.
»Sie haben noch nicht herausgefunden, von wo der Schuss genau kam«, fasste Ben eine weitere Meldung zusammen, die auf seinem Bildschirm stand. »Die Forensiker wollen Überwachungskameras auswerten, um genau zu sehen, wo sich der Porsche bei der Schussabgabe befand. Mit der Untersuchung des Einschusswinkels können sie dann herausfinden, wo der Schütze gestanden hat. So weit sind sie allerdings noch nicht.«
»Wir müssen wissen, was Leon Krowley dort am Times Square wollte«, sagte Mr. High. »Und wir müssen herausfinden, wer über seine Anwesenheit so gut informiert war, dass er ihm so präzise auflauern konnte. Ich schlage vor, Jerry und Phil übernehmen es, mit Leon Krowleys Vater zu sprechen. Vielleicht hat er ja einen Hinweis.«
»Oder er weiß es und lügt euch an«, gab Joe zu bedenken. »Vergesst nicht, dass er derjenige ist, der den größten Dreck am Stecken hat.«
»Das ist uns klar, aber wir müssen es versuchen«, meinte Phil.
Ich deutete auf die Blätter mit Steves Informationen, die er vorhin ausgedruckt hatte. »Hier steht ganz klar, dass Aaron Krowley nur im Verdacht steht, mit dem Gangland krumme Geschäfte zu machen. Bewiesen wurde nie etwas. Er wurde nie für irgendetwas angeklagt. Vielleicht haben wir Glück und er hilft uns ganz einfach, weil er wie wir will, dass der Mörder seines Sohns gefasst wird. Und wenn wir noch mehr Glück haben, vertraut er dabei sogar dem FBI. Und er arbeitet mit uns zusammen.«
»Und wenn ihr so richtig viel Glück habt«, hakte Joe ein, »kommt zu euch der Weihnachtsmann, obwohl wir noch nicht mal Ostern haben. Viel Spaß.«
»Hast du das ernst gemeint?«, fragte Phil, als wir in unserem Büro waren. »Dass Krowley mit uns zusammenarbeiten wird?« Er tippte auf eines der Blätter von Steve. »Der Mann ist nur haarscharf und mithilfe einer ganzen Kompanie von teuren Anwälten gleich mehreren Anklagen entgangen. Ich fürchte, er wird erst einmal so reagieren wie alle Ganglandgrößen. Er wird uns im Dunkeln tappen lassen und ansonsten sein eigenes Süppchen kochen, was die Rache für den Tod seines Sohns betrifft.«
»Das müssen wir eben verhindern, mein Freund. Am besten wäre es, wenn wir vor dem Gespräch mit ihm mehr über Leon Krowley wüssten. Damit wir einen Ansatzpunkt haben. Und damit wir Aaron Krowley zeigen können, dass wir nicht voll und ganz im Nebel stochern.«
Wir fuhren unsere Rechner hoch und loggten uns ein. Fast eine Stunde verbrachten wir damit, elektronische Akten zu wälzen. Danach waren wir genau so schlau wie vorher.
»Leon Krowley scheint in erster Linie Sohn von Beruf gewesen sein«, stellte ich fest.
Wir waren schnell auf die typischen Datenspuren eines jungen Mannes seines Alters gestoßen, der über genug Geld verfügte, um es in New York nach Herzenslust krachen zu lassen. Es gab unzählige Fotos, die ihn in allen möglichen Klubs und auf Privatpartys zeigten – umgeben von Altersgenossen beiderlei Geschlechts, ganz besonders von jungen, umwerfend aussehenden Frauen, die wahrscheinlich auch nicht gerade von der Sozialhilfe lebten.
Alle Personen, die hier mit Leon Krowley zu sehen waren, mussten identifiziert werden. Der Taskforce stand eine Menge Puzzlearbeit bevor. Immerhin hatte Ben Krowleys Handy bekommen, das der Ermordete bei sich gehabt hatte. Die Auswertung brachte uns sicher auch weiter.
Das Festnetztelefon auf meinem Schreibtisch klingelte.
»Spreche ich mit Special Agent Cotton?«, fragte eine raue Männerstimme, und ich erklärte, dass er bei mir richtig war. »Ich bin Doktor Sanders vom NYPD Police Crime Lab. Doktor Bruckner sagte mir, ich solle Sie anrufen, wenn wir weitere Spuren im Fall des toten Porschefahrers vom Times Square haben.«
»Ich bin ganz Ohr«, gab ich zurück. »Was gibt es?«
»Doktor Bruckner hat Ihnen wahrscheinlich geschildert, dass wir versuchen, mit Schusslinienrekonstruktionen herauszufinden, wo sich der Schütze befand.«
»Sagen Sie bloß, Sie sind damit weitergekommen?«, fragte ich hoffnungsfroh.
»Um es ganz einfach zu sagen: Wir haben eine Adresse für Sie.«
»Das ist genau das, was wir brauchen, bevor wir zu Krowley fahren«, sagte ich, nachdem ich aufgelegt und Phil über die neue Erkenntnis informiert hatte.
»Also nichts wie hin«, sagte mein Partner und deutete auf den Zettel, auf dem ich die Anschrift notiert hatte. Es war ein Gebäude am östlichen Broadway, direkt am Times Square, der von der berühmten Straße bekanntlich diagonal durchschnitten wurde.
Wir schafften die Fahrt in fünf Minuten. Wenn ich darauf angewiesen gewesen wäre, mitten im dichten Zentrum von Manhattan einen legalen Parkplatz zu finden, hätte ich schlechte Karten gehabt. Die Stelle, wo der Porsche stand, war immer noch abgesperrt. Ich zeigte den Beamten meine Dienstmarke und parkte den Jaguar einfach neben dem Band mit der Aufschrift Crime Scene – Do not cross.
Miller, der Einsatzleiter des Teams der Stadtpolizei, war immer noch vor Ort. Er wusste bereits, was die Techniker des Lab herausgefunden hatten. Er deutete auf das Gebäude, das sich gleich hinter den Pollern erhob, von denen einer die Fahrt des Porsche gestoppt hatte. »Meine Leute sind oben und haben alles abgesichert. Die Kollegen suchen auch dort nach Spuren.«
Ins Gebäudeinnere gelangte man durch eine Glastür. Sie führte in eine Lobby mit edlem Marmorfußboden. Dort stand ein uniformierter Doorman, dessen blasse Gesichtsfarbe wahrscheinlich nicht normal war. Dass in dem Haus, für dessen Sicherheit er mit verantwortlich war, ein Mörder sein Unwesen getrieben hatte, schockierte ihn sichtlich.
Miller teilte uns mit, dass die Beamten den Wächter bereits befragt hatten. Er hatte nicht mitbekommen, dass jemand Verdächtiges das Haus betreten hatte. Allerdings war die Kontrolle auch nicht hundertprozentig.
»Wieso nicht?«, fragte Phil. »Der Mann ist doch gerade dafür da, dass nicht jeder hier reinspazieren kann, wie er will.«
»Kommen Sie, ich zeige Ihnen, wo das Problem liegt«, sagte er. Gemeinsam gingen wir zum Aufzug. »Der Schütze hat im elften Stock gestanden. An welchem Fenster genau, konnten sie beim Lab noch nicht genau herausfinden.«
»Das ist wichtig«, meinte ich. »Da oben sind sicher Wohnungen. Und jede hat einen anderen Bewohner.«
Die Fahrstuhltür öffnete sich, und wir stiegen aus.
»Wow«, sagte Phil nur.
Er war ebenso überrascht wie ich. Wir hatten erwartet, in einem Flur anzukommen, von dem aus einzelne Türen zu den Wohn- oder Büroeinheiten abgingen. Stattdessen empfingen uns Plastikvorhänge, aufgerissener Fußboden, herumliegendes Werkzeug und Säcke mit irgendwelchen Baustoffen. Die Wände zu den Einheiten waren zum Teil eingerissen, sodass der Blick ungehindert über offenen Betonboden bis zu den Fensterreihen ging.
»In diesem Bereich wird seit einiger Zeit grundrenoviert«, sagte Miller. »Auf der anderen Seite gibt es einen Lastenaufzug, über den die Materialien heraufgeschafft werden.«
Phil und ich liefen zur Fensterfront. Von dort aus hatte man eine prächtige Aussicht auf den Times Square. Hier irgendwo hatte der Täter also mit seinem Gewehr gestanden. Ich sah mir den Boden an. Ausgerechnet da gab es ziemlich wenig Staub, sodass keine Sohlenabdrücke zu erkennen waren.
»Der Lastenaufzug ist eigentlich mit einem Schlüssel gesichert«, fuhr Miller fort. »Damit kann man eine Tür öffnen, mit der man überhaupt dort hinkommt. Den Schlüssel muss man sich beim Doorman abholen, wenn es etwas zu transportieren gibt. Aber leider ...«
»Lassen Sie mich raten«, unterbrach Phil ihn. »Weil die Lieferanten so unregelmäßig erscheinen, hat man die Tür einfach unverschlossen gelassen. Jemand, der das wusste, konnte also ungehindert hier rauf.«
Miller nickte.
»Wäre er denn nicht den Arbeitern aufgefallen?«, fragte ich.
»Nicht unbedingt, Agent Cotton. Hier sind Leute von den verschiedensten Firmen unterwegs. Natürlich nicht im Moment. Wir haben alles gesperrt, damit keine Spuren verloren gehen. Die Arbeiter kennen sich nicht alle untereinander. Hinzu kommt, dass heute Vormittag sowieso wenig los war. Wenn ich das richtig verstanden habe, können sie erst weiterbauen, wenn irgendwelche Stahlträger geliefert wurden. Die sind noch nicht da.«
»Das heißt, der Täter wusste nicht nur, dass Leon Krowley um diese Zeit da unten auf dem Times Square herumfuhr, sondern auch, dass es diese Verzögerung gab«, schloss ich. »Und er hat diese Chance exakt zu nutzen gewusst.«
»Er wusste eine Menge«, fasste Phil zusammen. »Es kann nicht so viele Personen geben, auf die das zutrifft.«