Jerry Cotton 3407 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 3407 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Phil und ich wurden von Mr. High darüber informiert, dass Tony Rogers gestorben war. Nach Dienstschluss gingen wir in eine Bar und tranken auf den MI6 Agent, mit dem wir in der Vergangenheit schon zusammengearbeitet hatten. Als ich nach Hause kam, saß Tony quicklebendig in meinem Wohnzimmer und erzählte mir, warum er offiziell tot war. Er war kurz davor gewesen, einen gesuchten ehemaligen afghanischen Warlord und Kriegsverbrecher zu finden und aus dem Verkehr zu ziehen, als seine Tarnung aufflog. Ihm wurde klar, dass er nur hatte auffliegen können, weil jemand beim MI6 Informationen über ihn und seinen Einsatz weitergegeben haben musste. Er beschloss abzutauchen, offiziell tot zu bleiben und die Suche nach dem Ex-Warlord auf eigene Faust fortzusetzen. Und damit begann für uns das nächste Abenteuer mit dem britischen Kollegen, das uns in die ein oder andere brenzlige Situation brachte.


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Seitenzahl: 143

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhalt

Cover

Operation Toter Mann

Vorschau

Impressum

Operation Toter Mann

Im Leben eines Geheimagenten gibt es Momente voller Luxus.

Der hier war keiner davon, wenn man einmal von dem teuren Wagen absah, in dem Tony Rogers auf den Tod zuraste. Zumindest sah es so aus, als würde er das halsbrecherische Tempo nicht mehr lange durchhalten, das ihm seine Verfolger aufzwangen. Immer wieder versuchten sie, ihn von der Straße abzudrängen und ins Meer zu befördern, das rechter Hand malerisch im Mondlicht glitzerte. Was er sicher genossen hätte, wenn es sich nicht am Fuß der Steilküste viel zu weit unter ihm befunden hätte.

Ab und zu tauchte er in einen der kurzen Tunnel ein, die die Straßenbauer durch die Felsen getrieben hatten. Jedes Mal wenn er wieder ins Freie schoss, ließ er den Atem, den er unbewusst angehalten hatte, zischend entweichen, denn bei diesem Tempo mit einer der Seitenwände zu kollidieren, wäre sicher auch kein Honigschlecken gewesen.

Im nächsten Moment ertönte ein Krachen hinter ihm, und der Wagen brach zur Seite aus. Einer seiner Verfolger hatte ihn lehrbuchmäßig auf Höhe des Hinterreifens auf der Fahrerseite touchiert und Tonys Wagen ins Schlingern gebracht.

Tony biss die Zähne zusammen, sah die Randbegrenzung, in der sich niedrige Steinmauern und Leitplanken abwechselten, auf sich zurasen. Metall kreischte auf Metall, die Leitplanke barst, Tonys Sichtfeld kippte dramatisch, und das Meer kam viel zu schnell auf ihn zu. Und während er noch mit dem Griff ums Lenkrad kämpfte, dachte er nur eines: O Sch...

»Der Knabe gehört Ihnen.« Phil übergab den jungen Mann, den er am Kragen gepackt hatte und der im Griff meines Partners hing wie eine mit Wasser vollgesogene Stoffpuppe, an einen Streifenpolizisten. »Viel Spaß mit ihm.«

Ich stand im Hintergrund und lachte in mich hinein. Den heutigen Tag würde der junge Mann sicher nicht so schnell vergessen. Es war aber auch wirklich kein geschickter Schachzug gewesen, in einer der vom Times Square abgehenden Seitenstraßen ausgerechnet einem FBI Agent Dope anzubieten.

»Was für eine Granate«, sagte Phil, als er wieder zu mir kam.

»Musst du keine Aussage machen?«

»Ich habe dem Cop meine Karte gegeben, damit er mich morgen früh anrufen kann. Einstweilen reichen die ganzen Tütchen mit illegaler Ware, die unser Verkaufsgenie bei sich trug, um es einzulochen. Für den Rest ist auch morgen noch Zeit. Jetzt ist erst mal Dienstschluss.«

Wir waren von einer Zeugenbefragung auf dem Rückweg zu unserem Dienstwagen gewesen, als der junge Dealer Phil angesprochen hatte. Wenn das mal keine zwei Fliegen mit einer Klappe waren.

Wir erreichten das Fahrzeug, parkten uns durch den abendlichen Verkehr und gaben den Wagen der Fahrbereitschaft zurück. Dann stiegen wir in den Aufzug, um noch einmal kurz im Büro vorbeizusehen.

Ich warf gerade einen letzten Blick auf den Bildschirm des Computers, um zu überprüfen, ob eine der in meiner Abwesenheit eingegangenen E-Mails noch heute meiner Aufmerksamkeit bedurfte, als das Telefon klingelte. Es war Mr. High.

»Kommen Sie bitte mit Phil in mein Büro.« Seine Stimme klang ernst.

Phil, der mitbekommen hatte, wer am anderen Ende der Leitung war, sah mich über den Schreibtisch fragend an.

Ich zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung, was los ist, aber es klang nicht so, als ginge es um etwas Angenehmes.«

»Dann wollen wir den Chef nicht warten lassen.« Phil erhob sich.

Gemeinsam machten wir uns auf den Weg zum Büro unseres Vorgesetzten.

Schon während unseres Eintretens bedachte uns Mr. High mit einem Blick, der in der Tat nichts Gutes verhieß. Wortlos deutete er auf die beiden leeren Plätze vor seinem Schreibtisch.

Wir ließen uns nieder.

Mr. High holte tief Luft. »Ich fürchte, es gibt keinen einfachen Weg, das zu sagen, daher ...« Er machte eine kurze Pause, dann ließ er die Bombe platzen. »Tony Rogers ist tot. Schon seit über zwei Wochen, aber ich habe es heute erst erfahren.«

Für einen Moment stockte mir der Atem.

»Tony?«, fragte ich. Meine Stimme klang rau.

Vor etwa einem Jahr hatten wir mit dem britischen MI6 Agent einen Verbrecher zur Strecke gebracht. Der hatte versucht, mithilfe eines neuartigen, im Namen der britischen Regierung entwickelten Programms auf den Navigationscomputer eines Frachters zuzugreifen, der eine beträchtliche Waffenlieferung an Bord führte. Was ihm vielleicht gelungen wäre, wenn wir ihm nicht noch während des geplanten Raubs auf einer kleinen, zu den Bahamas gehörenden Insel einen gehörigen Strich durch die Rechnung gemacht hätten. Die Festplatte, die die einzig existierende Version des Programms enthielt, mit dem man sich in alle bekannten Navigationsgeräte von Flugzeugen, Schiffen und Transportmitteln aller Art hacken konnte, war damals unwiederbringlich zerstört worden. Trotzdem war die ganze Aktion als durchschlagender Erfolg verbucht worden.*

»Ist das sicher?«, fragte Phil. Auch ihn hatte die Neuigkeit sichtlich getroffen.

Mr. High nickte. »Ich fürchte, ja.«

Phil murmelte etwas Unverständliches.

»Wie ist es passiert?«, fragte ich.

»Ein Autounfall an der Costiera amalfitana in Italien. Auf dem Teil der Küstenstraße zwischen Sorrent und Positano. Sein Wagen durchbrach die Leitplanke und stürzte ins Meer.«

»Und seine Leiche?«

»Vermutlich von der Strömung aufs Meer hinausgezogen. Einige der Autoscheiben sind während des Unfalls zu Bruch gegangen ...«

Mehr musste er nicht sagen. Wir verfielen in Schweigen.

»Befand er sich auf einer Mission?«, erkundigte sich Phil schließlich.

»Das ist anzunehmen, nur so viel hat man mir nicht verraten. Und würde es auch sicher nicht tun, wenn ich nachfrage.«

»Vermutlich nicht. Für irgendetwas muss das ›Geheim‹ in ›Geheimdienst‹ ja stehen«, sagte ich.

»Sollte ich wider Erwarten weitere Einzelheiten erfahren, informiere ich Sie«, versprach Mr. High.

Viel mehr gab es nicht zu sagen. Phil und ich erhoben uns schweigend, verabschiedeten uns und traten auf den Flur hinaus. Wir gingen ein paar Schritte den Gang hinunter, dann blieben wir gleichzeitig stehen und sahen uns an.

»Wie wäre es mit einem Schluck auf Tony?«, fragte ich.

Phil nickte. »Ich denke, das würde ihm gefallen.«

Wir saßen in einem kleinen Pub, der zwar in Greenwich Village lag, einem aber das Gefühl gab, man befände sich mitten in London, und tranken ein paar schottische Whisky auf Tonys Wohl.

Phil roch an dem in seinem dritten Glas befindlichen Rest, bevor er es leerte. »Der hier hätte ihm geschmeckt. Den haben wir auch nach der Geschichte auf Taíno Cay getrunken, um unseren Erfolg zu feiern.«

Ich erinnerte mich an den Abend. Tony war beim Kampf mit unserem Hauptgegenspieler leicht verwundet worden, hatte aber nach ein paar Runden in einer Strandbar gemeint, dass er den Streifschuss am Arm mittlerweile kaum noch spüren könne.

»Whisky ist halt alte schottische Medizin«, hatte er mit leicht verrutschtem Grinsen erklärt. »Das gälische Wort, das dem Namen zugrunde liegt, bedeutet nicht umsonst Wasser des Lebens.«

Ich lächelte traurig, als ich daran dachte, dass es Wasser gewesen war, das nun zu Tonys Tod geführt hatte. Falls er nicht bereits beim Sturz über die Felsen gestorben war.

»Mach nicht so ein Gesicht«, sagte Phil, der nicht besser aussah als ich. »Das ändert es auch nicht mehr. Außerdem liebte er seinen Job. Ich wette, wenn er die Wahl gehabt hätte, hätte er es sich genau so ausgesucht.«

Ich lachte leise. »Wenn er die Wahl gehabt hätte, wäre er entweder auf einem Golfplatz oder in den Armen einer schönen Frau gestorben. Und das nicht unbedingt in dieser Reihenfolge.«

Phil blickte nachdenklich drein.

»Auch wieder wahr.« Er hob sein Glas und machte dem Barkeeper ein Zeichen nachzufüllen.

Das gleiche Spiel wiederholten wir noch ein, zwei weitere Male, bis wir beschlossen, dass es Zeit wurde aufzubrechen. Die Unterwelt würde morgen keine Rücksicht darauf nehmen, dass wir einen Freund verloren und darüber hinaus mit ziemlicher Sicherheit einen leichten Kater hatten. Wir teilten uns ein Taxi bis zu Phils Apartmentgebäude, dann ließ ich mich allein weiterfahren. Ich nahm den Aufzug in mein Stockwerk, ging in Gedanken versunken bis zur Tür meines Apartments und schloss auf, was mich ein wenig mehr Mühe kostete als gewöhnlich. Doch das war heute in Ordnung.

Die Schlüssel des Jaguar, den ich vorsichtshalber gleich auf seinem Stellplatz im Parkhaus der Federal Plaza hatte stehen lassen hatte, warf ich in die Schale auf der Kommode im Flur. Dann betrat ich das Wohnzimmer, weil ich mir von dort noch die nächtliche Silhouette der Stadt anschauen wollte.

»Hallo, Jerry«, erklang, kaum dass ich einen Fuß in den Raum gesetzt hatte, eine Stimme aus dem Dunkel.

Meine Hand fuhr zur Waffe an meiner Hüfte, während ich mit der anderen das Licht einschaltete.

Mit offenem Mund starrte ich Tony Rogers an, der es sich in meinem Lieblingssessel gemütlich gemacht hatte. Neben seiner Hand stand ein Glas Whisky, als hätte er gewusst, was Phil und ich in den letzten Stunden getrieben hatten. Er warf einen entschuldigenden Blick darauf.

»Ich war so frei«, erklärte er nonchalant.

Und ich war schlagartig wieder komplett nüchtern.

»Tony?« Für einen Toten sah er ziemlich gut aus.

»Wie er leibt und lebt.« Er lächelte dünn.

»Offensichtlich«, erwiderte ich.

»Das hört sich irgendwie vorwurfsvoll an.«

»Wenn man bedenkt, wie viel Phil und ich für einen Abschiedsdrink ... Abschiedsdrinks ... für dich ausgegeben haben, ja.«

Tony zuckte mit den Schultern.

»Ist schon gut. Du musst dich nicht entschuldigen.« Ich ging auf ihn zu und fasste ihn genauer ins Auge. In seinem Gesicht befanden sich ein paar Schrammen, die fast verheilt waren. Erinnerungen an den Unfall in Italien, wie ich annahm. »Wie hast du das überlebt?«

»Schnelle Reflexe, ein schnittiges Auto, das gut ins Wasser eintauchen kann, auch wenn der Aufprall es immer noch in sich hat, ein bisschen Vorbereitung – und unfassbares Glück.« Er grinste. »Da ich bei einem Einsatz stets damit rechne, dass man es auf mich abgesehen haben könnte, hatte ich vor meiner Abfahrt eine kleine Tauchflasche auf dem Beifahrersitz platziert und trug eine Schwimmbrille in der Jackentasche. Nur für alle Fälle. Wenn man sich dann zusätzlich an einer der Stellen ins Meer drängen lässt, die man vorher als perfekt für eine kurze holprige Fahrt abseits der Straße und einen daran anschließenden Flug Richtung Wasseroberfläche identifiziert hat, der einen an einer tiefen Stelle landen und nicht auf Felsen aufschlagen lässt, bedarf es nur noch ein bisschen Schauspielerei, und alle Welt hält einen für tot.«

»Offensichtlich hat sich damit auch dein Auto einen Oscar verdient.«

»Leider nur einen posthumen.« Tony blickte zur Decke und hob das Glas, als prostete er seinem Wagen zu. Dann trank er einen Schluck.

Ich hatte mich mittlerweile ihm gegenüber auf der Couch niedergelassen und sah ihm forschend in die Augen. »Ich nehme an, dass alle Welt dich für tot halten soll, war der Sinn der Übung. Sonst wärst du kaum so lange abgetaucht.«

Er lächelte flüchtig über mein Wortspiel. »Genau das sollte die Welt denken. Und soll es noch.«

»Ich offenbar nicht«, stellte ich fest.

»Ursprünglich schon, aber die Situation hat sich so weiterentwickelt, dass ich ein wenig Hilfe hier vor Ort gebrauchen könnte. Und bei dir und Phil weiß ich, dass ich mich auf euch verlassen kann.«

Beim letzten Satz horchte ich auf. »Phil darf es also auch wissen?«

»Ja. Ruf ihn ruhig an und bitte ihn vorbeizukommen, sag ihm aber nicht, weshalb.«

»So schlau bin ich auch.« Ich griff zu meinem Handy. »Obwohl ich kaum glaube, dass irgendjemand mein Telefon abhört.«

»Es ist unwahrscheinlich, doch so wie die Dinge liegen, sollten wir kein Risiko eingehen.«

Es klingelte eine Weile, bis Phil antwortete. Seiner Stimme hörte ich an, dass er schon geschlafen hatte, er erklärte sich jedoch sofort bereit, sich ein Taxi zu mir zu nehmen, als ich im sagte, es sei dringend.

Während wir darauf warteten, dass er eintraf, saßen wir in meinem Wohnzimmer und schwiegen uns an. Zu gern hätte ich meine Neugier befriedigt, was hinter der ganzen Geschichte und Tonys kryptischen Bemerkungen steckte, ich wusste allerdings, dass ich nur noch etwas Geduld haben musste, um Antworten zu erhalten. Außerdem benötigte ich ein wenig Zeit, um den Umstand zu verdauen, dass Tony noch am Leben war. Wenn man innerhalb weniger Stunden erfährt, dass jemand tot ist, sich dieser jemand dann als höchst lebendig erweist, kann einen das schon ein bisschen sprachlos machen.

Es klingelte. Ich stand auf und ließ Phil eintreten. Wortlos führte ich ihn ins Wohnzimmer. Wie vom Donner gerührt, blieb er in der Tür stehen. Der Fluch, den er ausstieß, war alles andere als druckreif. Als er damit fertig war, sich Luft zu verschaffen, setzte er sich neben mich auf die Couch.

Offenbar hatte er sich wieder gefangen, denn er sagte nur: »Dann erzähl mal.«

Tony nickte. »Wie ihr wisst, hat sich nach dem kürzlichen Abzug der Amerikaner und ihrer Verbündeten aus Afghanistan die dortige Lage schlagartig geändert. Und nicht gerade zum Besseren.«

»Ich möchte behaupten, dass das gewisse Kreise in Afghanistan anders sehen«, sagte ich.

»Ganz bestimmt sogar. Und genau damit hatte der Auftrag zu tun, der mich letztendlich zu meiner extremen Maßnahme gezwungen hat.«

Phil und ich sahen ihn neugierig an.

»Nicht nur ist das Land nach dem umfassenden Truppenabzug zu einem der größten Märkte für modernste Waffen geworden, mit denen alle NATO-Partner das dortige Militär und die örtlichen Sicherheitskräfte in der jüngeren Vergangenheit ausgestattet hatten. Die haben die neuen Machthaber und sonstige Kriegsgewinnler mittlerweile zu einem Großteil an sich gebracht. Darüber hinaus stellen sich auch alte Strukturen wieder her, die der Westen und der ihm aufgeschlossen gegenüberstehende Teil der afghanischen Gesellschaft abzuschaffen versucht hatten. Und das nicht zum ersten Mal. Es ist ja nicht so, dass etwas in dieser Art nicht schon in einer Menge anderer Ländern ganz ähnlich passiert ist.«

»So viel zum Lerneffekt.«

Tony schnaubte. »Hast du etwa mit einem gerechnet?«

Ich schenkte mir eine Antwort. Wenn die Menschheit aus ihren Fehlern lernen würde, wären wir alle drei arbeitslos. Nicht dass ich diesen Preis nicht gern gezahlt hätte, aber die Gefahr, dass das passieren würde, bestand wohl leider nicht.

»Jedenfalls«, fuhr Tony fort, »wurde ich von meinen Vorgesetzten auf einen ehemaligen afghanischen Warlord angesetzt. Er hat sich verschiedenste Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und noch eine Menge anderes zuschulden kommen lassen. Der Kerl hatte früher unter den Taliban, bevor die US- und sonstigen NATO-Truppen ihre Vorherrschaft zumindest vorübergehend beendeten, die Kontrolle über eine ganze Region im Südosten des Landes.«

Ich schlug die Beine übereinander. Das würde eine längere Geschichte werden.

»Hat mit Waffen und Opium gehandelt und sich generell, wie schon Generationen seiner Familie vor ihm, aufgeführt wie in kleiner König. Jeder, der ihn störte oder sich ihm widersetzte, wurde aus dem Weg geräumt. Das gilt sowohl für einzelne Personen wie beispielsweise Journalisten oder auch Politiker, die das Land in modernere Zeiten führen wollten, als auch für ganze Dörfer, die in seinem Gebiet lagen. Es gab ein paar Dörfer, die versuchen, sich seiner Herrschaft entgegenzustellen, doch diese Versuche waren stets nur von kurzer Dauer. Es sind mindestens drei Ortschaften bekannt, die er mit seinen Männern komplett dem Erdboden gleichgemacht hat. Die Bewohner wurden getötet, oder sie flohen.«

Dieses Verhalten konnte man sich, wenn man in einem Apartment in New York saß, zunächst einmal nur sehr schwer vorstellen. Man weiß zwar, dass solche Dinge passieren, aber das immer nur auf einer abstrakten Ebene. Geschichten über solche Gräuel aus wohlinformiertem Mund zu hören, war etwas ganz anderes. Und diese Informationen brauchte einen Moment, um zu sacken.

»Nicht lange nach dem Abzug der Truppen kamen dem MI6 Gerüchte darüber zu Ohren, dass besagter Warlord in seine Heimat zurückkehren wollte, aus der er vor einigen Jahren geflohen war, weil er seine Position gegen die NATO-Truppen nicht mehr behaupten konnte. Und damit bestand und besteht die Gefahr, dass er versuchen wird, seine ehemalige Stellung als Herr über Leben und Tod wieder einzunehmen, während er die Bevölkerung in der von ihm kontrollierten Region ausbeutet und seine alten lukrativen Geschäfte ungestört betreibt. Das wäre, wie ihr euch denken könnt, keineswegs wünschenswert.«

»Und was genau war dein Auftrag?«, nahm Phil mir meine Frage vorweg.

»Der Plan sah vor, den Kerl zu schnappen, um ihn vor den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag zu schaffen, damit er sich dort für seine Kriegs- und anderen Verbrechen verantworten muss. Das wäre wenigstens ein kleiner Schritt in die richtige Richtung gewesen und hätte der Stabilität in der Region ein wenig genutzt. Es war nur schwierig, ihn zu finden, denn, wie gesagt, war er bereits vor einigen Jahren vom Radar verschwunden.«

»Wie ich annehme«, sagte ich, »hast du ihn gefunden.«

»Es hat eine Weile gedauert. Er hatte seine Spuren wirklich gut verwischt, aber ja, ich habe ihn in der Tat gefunden. Er lebte unter falschem Namen in der Schweiz. In der Nähe seines Geldes.« Er stoppte, bevor er sich korrigierte. »In der Nähe eines Teils seines Geldes.«

»Ich denke mir, er hat auch Wohnsitze in der Nähe der anderen Teile seines Geldes.«

»Und noch an dem ein oder anderen netten Ort, an dem es sich gut leben lässt.«

»Okay«, unterbrach Phil ihn. »Du hast den Kerl also ausfindig gemacht. Und dann ...?«

»... verschwand er mit einigen der Leute, die ihn ständig umgeben – seiner rechten Hand, ein paar Bodyguards, einer seiner aktuelle Geliebten – nach Italien.«

Offensichtlich näherten wir uns dem Höhepunkt der Geschichte.

»Er hatte eine Villa in Ravello oberhalb von Amalfi gemietet. Ich suchte mir ein lauschiges Plätzchen in der Nähe und studierte eingehend seinen Unterschlupf und dessen Sicherheitsvorkehrungen, die etwas weniger ausgeklügelt waren als die in den Wohnsitzen, die ihm selbst gehören. Insgesamt, fand ich, sah es nach dem idealen Ort aus, um mir den Mann zu greifen.«

»Aber?«, fragte ich.