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In New York stand der Clanchef Fjodor Smirnow vor Gericht. Ob er verurteilt wurde oder nicht, hing von einem Zeugen ab, dessen Identität niemand kannte. Kein Wunder, dass der Clan nichts unversucht ließ, um ihn zu finden und auszuschalten. Und kein Wunder dass Staatsanwalt Montgomery F. Bowman unter besonderem Polizeischutz gestellt war. Das galt auch für seine Familie. Wenige Tage vor dem Prozesstermin reiste jedoch seine Nichte Camilla nach Manhattan - eine berühmte Pianistin, die in der Carnegie Hall ein klassisches Konzert spielen wollte. Phil und ich hatten keine ruhige Minute, während wir auf die junge Musikerin aufpassten. Denn schnell klar war, dass die Smirnow-Familie vor keiner Grausamkeit zurückschreckte ...
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Seitenzahl: 143
Veröffentlichungsjahr: 2022
Cover
Ich und die schöne Pianistin
Vorschau
Impressum
Ich und die schöne Pianistin
Paul Gordon schreckte zusammen, als das Festnetztelefon auf seinem Schreibtisch klingelte. Nach dem zweiten Klingeln nahm Gordon ab und meldete sich.
»Sind Sie in der Sache weitergekommen?«, fragte eine Männerstimme.
Gordons Herz schlug vor Nervosität bis zum Hals, aber er versuchte, ruhig zu bleiben.
»Das Flugzeug landet morgen Mittag«, antwortete er. »Dann wird alles seinen Gang nehmen. Wie wir es besprochen haben.«
»Ich hoffe für Sie, dass das stimmt«, sagte der andere.
Gordon merkte, dass der Mann auflegen wollte. Er kam ihm zuvor.
»Halt, warten Sie!«, rief er.
»Was denn noch?«, fragte die Stimme.
»Wir haben uns immer noch nicht über die Summe geeinigt. Die genauen Bedingungen. Prozente. Und das müssen wir. Sonst wird es nicht funktionieren ...«
»Was soll das heißen? Es wird nicht funktionieren ...« Der Mann war aggressiver geworden und äffte Gordons Stimme nach, die ziemlich ängstlich geklungen hatte.
Gordon wurde auf einmal bewusst, dass er schwitzte, obwohl die Klimaanlage für eine gemäßigte Temperatur in seinem Büro sorgte.
»Sie sind verantwortlich dafür, dass es funktionieren wird«, sagte der Anrufer. »Sie wissen, was auf dem Spiel steht. Wenn mein Bruder verurteilt wird, mache ich Sie ganz allein dafür verantwortlich, verstehen Sie? Und der kleinen Rothaarigen, mit der Sie da zu tun haben, wird das alles auch nicht gefallen.«
Gordons Blick fiel auf einen Stapel Unterlagen, die vor ihm auf dem Schreibtisch lagen. Ganz oben befand sich eine aufgeschlagene Ausgabe eines New Yorker Kulturmagazins. Eine halbe Seite war vom Foto einer attraktiven, jungen rothaarigen Frau ausgefüllt, die an einem Konzertflügel saß. Die Starpianistin Camilla Bowman.
Gordon war ihr Manager. Es hatte ihn eine Menge Arbeit gekostet, sie in dieser Zeitschrift unterzubringen. Normalerweise erschienen dort Interviews mit Popgrößen. Camilla Bowman aber war eine Künstlerin der klassischen Musik. Sie spielte Beethoven, Rachmaninow, Bach und Mozart. Allerdings gab sie sich ein modernes, glamouröses Image. Mit einer eng anliegenden schwarzen Lederhose, einer weit ausgeschnittenen weißen Bluse und High Heels, mit denen sie die Pedale des Steinway traktierte.
»Haben Sie verstanden, was ich gesagt habe?«, kam es von dem Anrufer. »Sie haben sich auf den Deal eingelassen, und jetzt müssen Sie auch mitziehen, Gordon. Ich schätze es nicht, wenn sich meine Leute vor der Verantwortung drücken. Ich habe Sie im Blick. Schauen Sie mal aus dem Fenster.«
Gordon hatte das Gefühl, jemand hätte ihm einen Kübel Eiswasser über den Kopf geschüttet. Was sollte das jetzt?
Sein Büro befand sich im dritten Stock eines Bürohauses in Williamsburg.
Sein Schreibtisch stand gleich vor dem Fenster. Unten herrschte das übliche Gewimmel von Passanten. Trotzdem erkannte Gordon sofort den geparkten dunklen Wagen auf der anderen Straßenseite, der wie ein Fels in der Brandung wirkte. Am Steuer saß ein Mann mit dunklem Dreitagebart, der stur geradeaus blickte. Als hätte er auf einmal einen Befehl bekommen, wandte er den Kopf und sah Gordon direkt in die Augen. Dazu verzog er den Mund zu einem leichten Grinsen.
In Gordons Bauch verhärtete sich etwas. Dann nahm er seinen gesamten Mut zusammen und hob den Telefonhörer wieder ans Ohr.
»Hören Sie«, sagte er. »Das können Sie nicht machen. Sie sollten Ihre Leute nicht hierherschicken. Die Polizei könnte einen Zusammenhang zwischen uns finden. Es ist sowieso schon schwierig genug.«
»Lassen Sie das unsere Sorge sein«, sagte der Anrufer. »Und was Ihre Verhandlungen über das Geld betrifft, Paradise Records ist Ihr Ansprechpartner. Sie sind es doch gewohnt, mit Plattenfirmen zu verhandeln, oder nicht?«
»Ja«, sagte Gordon matt. »Natürlich.«
Es schien ein ganz normaler Morgen zu sein, als wir wie üblich an der Federal Plaza ankamen. Phil und ich betraten unser gemeinsames Büro und fuhren die Computer hoch.
»Soviel ich weiß, steht nichts Besonderes an«, sagte mein Partner. »Wahrscheinlich dürfen wir mal wieder alte Akten aufarbeiten und Berichte fertigschreiben.«
Ich tippte mein Passwort in die Tastatur. »Muss auch mal sein, Phil.« Mit der Maus öffnete ich den Ordner mit den aktuellen Unterlagen. Kaum jemand machte sich ja Gedanken darüber, dass die Arbeit eines FBI Agents zum großen Teil am Schreibtisch stattfand. »So eine Arbeit macht sich gleich viel besser, wenn man eine Tasse Kaffee dabei hat.«
Mein Partner hatte sich bereits an irgendeinem Detail festgebissen.
»Bring mir einen mit«, sagte er, ohne den Blick vom Monitor zu nehmen.
Kaffee gab es im Büro von Helen, der Sekretärin unseres Chefs. Je näher ich kam, desto deutlicher hörte ich etwas, das ganz ungewohnt in unseren Räumen war.
Klassische Musik. Ein Klavier.
Schließlich betrat ich Helens kleines Reich, von dem gleich eine Tür zu unserem Chef, Assistant Special Agent in Charge John D. High, abging. Sie war nur angelehnt. Die Musik drang aus seinem Büro.
»Guten Morgen, Jerry«, begrüßte Helen mich.
Ich wandte mich gleich der Kaffeemaschine zu und nahm zwei der Tassen, die sich daneben stapelten.
»Ungewohnt, oder?«, sagte sie, nachdem ich sie ebenfalls begrüßt hatte.
»Allerdings«, meinte ich. »Aber heißt es nicht, mit Musik geht alles besser? Vielleicht auch die FBI-Arbeit.« Ich überlegte, ob Phil damit einverstanden wäre, wenn wir uns ein Radio oder einen Lautsprecher zum Streamen zwischen unsere Schreibtische stellen würden. Wahrscheinlich schon. Nur würde ich dann keine Klassik hören. Ich stand eher auf alten, gemütlichen Jazz.
Ich hatte noch nicht damit begonnen, Kaffee einzugießen, da wurde die Musik plötzlich viel lauter. Jetzt wurde mir auch bewusst, dass sie extrem virtuos war. Der Spieler ließ die Töne nur so rauschen.
Die Tür ging auf, und Mr. High erschien im Türrahmen.
»Ich wollte gerade nachhören, ob Sie schon da sind«, sagte er. »Bitte kommen Sie. Es gibt etwas zu besprechen. Phil sollte auch dabei sein.«
»Sofort, Sir«, sagte ich und bat Helen, meinen Partner schnell telefonisch herüber zu bestellen.
Dann folgte ich Mr. High in die Klangwolke aus Klaviermusik.
Wir hatten gerade in der Besprechungsecke Platz genommen, da erschien Phil. Ich konnte ihm ansehen, dass er über die ungewohnte Musikkulisse genauso erstaunt war wie ich. Er setzte sich zu uns. Helen trug den Kaffee herein. Als sie die Tassen abstellte, war das Stück, das durch den Raum geklungen war, gerade zu Ende. Der Chef nahm eine Fernbedienung vom Tisch und schaltete eine kleine Soundbox ab, die auf seinem Schreibtisch stand.
»Ich werde das später weiterhören«, erklärte er. »Es lohnt sich wirklich.«
»Haben Sie Ihre Liebe zur klassischen Musik entdeckt, Sir?«, fragte Phil.
»Die hatte ich immer schon«, sagte der Chef. »Nur nicht bei der Arbeit. Die Künstlerin, die hier gespielt hat, ist Camilla Bowman. Sie ist eine bedeutende junge Pianistin, die übermorgen in New York auftritt. In der Carnegie Hall. Sie wird dort einen Soloabend spielen. Wenn sie Erfolg hat, wird das ein weiterer Meilenstein ihrer Karriere sein.«
Ich konnte Phil ansehen, dass er sich dieselbe Frage stellte wie ich. Warum erzählte uns Mr. High das alles? Doch wir kannten unseren Chef gut genug, um zu wissen, dass er es uns bald verraten würde. Und genau das passierte auch.
»Camilla Bowman stammt aus New York, aber sie lebte lange in Europa. Da hat sie auch studiert. Sie ist zum ersten Mal nach Jahren wieder in New York. Und sie ist die Nichte von Montgomery F. Bowman.«
»Dem Staatsanwalt«, entfuhr es mir unwillkürlich.
»Dem Staatsanwalt, der gerade einen sehr wichtigen Prozess führt«, fuhr Mr. High fort. »Gegen den Smirnow-Clan.«
Phil nickte. »Klar, die Geschichte kennen wir. Wir haben ja sogar an den Ermittlungen mitgewirkt. Der Prozess soll jetzt in die heiße Phase kommen.«
»Heiße Phase ist ein sehr guter Ausdruck«, informierte uns der ASAC. »Vor Gericht steht Fjodor Smirnow. Die Beweisführung hängt am seidenen Faden. Alles steht und fällt mit der Aussage eines Zeugen, der in drei Tagen befragt werden soll. Der Smirnow-Clan hat bittere Rache geschworen. Deswegen ist Staatsanwalt Bowman ständig unter Polizeischutz. Sein Haus, in dem er mit seiner Frau Amanda Bowman lebt, natürlich auch. Es steht zu befürchten, dass der Clan auf irgendeine Weise versuchen wird, Bowman oder den Zeugen einzuschüchtern.«
»Hoffen wir, dass der Zeuge gut in einem Safe House untergebracht ist«, sagte ich. »Sollte Bowman etwas geschehen, was wir alle nicht wollen, dann ist wenigstens die Aussage gesichert. Wenn sich der Zeuge nicht einschüchtern lässt.«
»Das ist genau der Punkt, um den es geht, Jerry«, erwiderte der Chef. »Der Zeuge ist in keinem Safe House.«
»Was soll das heißen?«, fuhr Phil auf. »Das ist doch viel zu gefährlich.«
Der Chef nickte. »Das sehe ich genauso. Und jeder andere, der mit solchen Ermittlungen zu tun hat, auch. Leider teilt wohl der Zeuge diese Meinung nicht. Und Staatsanwalt Bowman ebenso wenig. Scheinbar hat er oder eben der Zeuge schlechte Erfahrungen mit den geheimen Wohnungen gemacht, die wir in solch einem Fall zur Verfügung stellen. So ganz verübeln kann man es ihm nicht. Es hat da schon gewisse Vorkommnisse gegeben, bei denen Informationen durchgesickert sind.«
»Das heißt, die Smirnovs können jederzeit den Zeugen beseitigen, wenn Ihnen danach ist?«, sprach ich die Frage aus, die Phil und mich in diesem Moment beschäftigte.
»Das nicht«, sagte Mr. High. »Nur Bowman und ein Notar kennen die Identität des Zeugen. Der übrigens auch eine Zeugin sein könnte. Ein Notar deshalb, weil er eine Aussage, die vorab auf Tonträger aufgenommen wurde, beglaubigt hat. Aber sogar die Identität des Notars ist nicht bekannt. So bleibt dem Smirnow-Clan nur, entweder Bowman in seine Gewalt zu bekommen, um an die Informationen zu gelangen. Oder sie haben es auf jemanden aus seiner Familie abgesehen. Wenn sie es schaffen, gegen so jemanden eine Gewalttat zu verüben, wäre der Zeuge eingeschüchtert und würde nicht aussagen.«
»Und nun kommt die Nichte des Staatsanwalts nach New York und stellt sich einen Tag vor dem entscheidenden Prozesstermin auf eine der berühmtesten Bühnen, um ein Konzert zu geben«, fasste ich die Sachlage zusammen.
»Das Konzert muss verschoben werden«, meinte Phil sofort. »Es reichen ja zwei Tage. Dann hat der geheimnisvolle Zeuge seine Aussage gemacht, und alles ist im Kasten.«
»Genau deshalb habe ich Mrs. Whitefield herbestellt«, sagte Mr. High. »Sie ist die Konzertveranstalterin. Ich erwarte sie in einer halben Stunde.«
Mrs. Whitefield war eine resolute Mittvierzigerin mit dicker Brille. Sie trug einen dunkelblauen Hosenanzug, dazu einen weiß-rot gestreiften Seidenschal. An einem breiten Ledergurt, der über ihre Schulter gespannt war, hing eine schwere Tasche.
Die Begrüßung war kurz und distanziert. Danach kam Mrs. Whitefield gleich zur Sache.
»Mir ist klar, dass niemandem damit geholfen ist, wenn Miss Bowman bei ihrem Besuch in New York etwas passiert«, sagte sie. »Ich würde einer Verschiebung des Konzerts sogar zustimmen. Wenn es nach mir ginge. Aber in der Praxis ist das leider unmöglich. Wissen Sie, welche Vorarbeit in solch einer Veranstaltung steckt? Mal ganz abgesehen von den Verträgen mit der Carnegie Hall. Haben Sie eine Ahnung, was die Saalmiete kostet? Ich habe Verträge unterschrieben. Ich will Ihnen nicht zu nahe treten, doch die Summe, die da über den Tresen geht, übersteigt sicher Ihr Jahreseinkommen.«
»Könnte Camilla Bowman nicht mit einem anderen Musiker, der vielleicht ein paar Tage später auftritt, tauschen?«, schlug Phil vor. »Es ist doch derselbe Saal. Nur das Datum ändert sich, und ...« Der Blick, den Mrs. Whitefield ihm zuwarf, ließ ihn stocken.
»Das ist nicht Ihr Ernst, Agent Decker«, sagte sie. »Stellen Sie sich vor, Sie haben eine Karte für ein Konzert gekauft, die an die zweihundert Dollar gekostet hat, und auf einmal teilt man Ihnen mit, dass das Konzert später oder früher stattfindet. An einem Termin, an dem sie vielleicht gar nicht können. Und abgesehen davon, wie sollen wir alle Kartenkäufer erreichen? Und denken Sie mal an die Presse. An die Einladungen an die Sponsoren. Und mal ganz abgesehen davon, hat Miss Bowman auch einen Vertrag. Sie darf und sie muss an diesem einen Tag ihr Konzert geben. Sie können sich gerne mit ihrem Manager darüber unterhalten. Er heißt Paul Gordon. Seine Agentur befindet sich drüben in Brooklyn. Er wird Ihnen was husten, das sage ich Ihnen gleich.«
Phil schüttelte nur den Kopf. Die scharfe Reaktion der Lady hatte ihn mundtot gemacht.
»Was sagt denn eigentlich Miss Bowman selbst dazu?«, fragte ich. »Hat sie nicht selbst die Befürchtung, dass sie in Gefahr sein könnte?«
Mrs. Whitefield seufzte. »Ich habe mit ihr nicht gesprochen. Nur mit Mister Gordon.« Sie warf mir einen strengen Blick zu. »Sie können natürlich mit ihr sprechen. Sie landet heute Mittag am JFK-Flughafen. Aber eines sage ich Ihnen. Sollte das Konzert verschoben werden oder ausfallen, dann wird das sehr, sehr teuer.«
»Für Sie?«, fragte Mr. High.
»In erster Linie für Miss Bowman selbst. Von dem Konzert hängt viel ab. Ich weiß zum Beispiel, dass sie einen neuen Plattenvertrag unterschreiben will. Hier in New York. Einen Tag nach ihrem Auftritt. Wie das Konzert ausfällt, ist auch dafür entscheidend, ob sie den Vertrag erhält.«
Sie sah uns wohl an, dass wir nichts mehr zu sagen wussten. Wahrscheinlich war das auch der Grund, warum sie ihre Tasche nahm und sich verabschiedete.
»Sie müssen mit der Pianistin selbst sprechen«, sagte Mr. High, als Mrs. Whitefield gegangen war. »Fahren Sie zum Flughafen. Überzeugen Sie sie davon, dass der Auftritt nicht stattfinden darf. Es wird ein paar Leute viel Geld kosten, das kann sein, doch wir dürfen nicht den Ausgang des Smirnow-Prozesses gefährden.«
Phil stand auf und ging zu Mr. Highs Schreibtisch. Dort hatte der Chef ein paar Zeitschriften hingelegt, die über Camilla Bowman berichteten. Wir hatten sie gelesen, bevor Mrs. Whitefield eingetroffen war.
Mein Partner nahm den Stapel und brachte ihn herüber zum Besprechungstisch. Zuoberst lag das Foto, das Camilla Bowman am Klavier zeigte. Sie war gestylt, und das Bild wirkte künstlich, fast wie eine Werbeanzeige. Trotzdem konnten wir erkennen, dass sie eine Frau mit eigenem Kopf war.
»Es ist die Frage, ob sie sich etwas ausreden lässt, was für sie so wichtig ist«, sagte Phil. »Für mich sieht sie nicht so aus.«
»Für mich auch nicht«, sagte ich. »Aber wir müssen es wenigstens versuchen.«
Am frühen Nachmittag brachen wir zum Flughafen auf. Wir hatten uns bei der Fahrbereitschaft einen Ford Interceptor Stealth geben lassen. Falls wir Bekanntschaft mit irgendwelchen Lohnarbeitern des Smirnow-Clans machen sollten, war es besser, keinen so auffälligen Wagen wie meinen Jaguar zu fahren. Außerdem war der Sportwagen ein Zweisitzer, in dem wir Camilla Bowman nicht hätten mitnehmen können. Das hatten wir allerdings vor.
»Wenn sie so schlau ist, wie sie auf dem Foto aussieht, wird sie unsere Argumente verstehen«, meinte Phil, während wir über den Van Wyck Expressway Richtung Süden rollten. »Sie wird zumindest einsehen, dass sie sich bis zu ihrem Konzert nicht in der Öffentlichkeit zeigen darf.«
»Am Konzertabend ist die Gefahr noch nicht gebannt«, gab ich zu bedenken. »Die Zeugenaussage findet erst am nächsten Tag statt.«
»Aber es wäre ein erster Schritt. Und bis zum Konzert können wir die Gefahrenlage sicher besser einschätzen.«
»Und wenn sie es nicht einsieht?«, fragte ich. »Zwingen können wir sie zu nichts.«
Mein Partner drehte sich zu mir und grinste schelmisch. »Da baue ich auf deine Fähigkeit, Frauen um den Finger zu wickeln, Jerry. Ich bin mir sicher, du wirst überzeugend genug sein.«
Wir stellten den Wagen auf einem der Kurzzeitparkplätze ab. Als wir uns dem Ankunftsbereich näherten, sah ich auf die Uhr. Die Maschine, in der Camilla Bowman saß, war gerade gelandet.
»Vielleicht kriegen wir das ja alles ohne großes Aufsehen hin«, meinte Phil, der neben mir auf der Rolltreppe stand. »Wir passen sie ab, reden kurz mit ihr, und ... Ach du Schande, was ist denn hier los?«
Vor der Absperrung, hinter der die Passagiere herauskommen würden, hatte sich eine Menschenmenge gebildet. Einige der Leute hatten Kameras in der Hand, andere hielten ihre Handys hoch. Einige hatten auch Diktiergeräte oder Notizblocks.
»Die Presse. Daran hätten wir denken sollen.« Ich wechselte mit Phil einen raschen Blick. Er verstand, was mir durch den Kopf ging. Irgendwo hier konnte schon jemand im Auftrag der Smirnows lauern und auf eine günstige Gelegenheit warten.
Wir arbeiteten uns nach vorne. Dabei mussten wir eine gewisse Rücksichtslosigkeit an den Tag legen. Einige der Journalisten reagierten sauer. Sie hielten uns für Kollegen, die ihnen die Gelegenheit wegnehmen wollten, mit Camilla Bowman zu sprechen oder ein gutes Foto zu ergattern. Aber nur bis zu dem Moment, in dem wir unsere Marken zeigten.
Schon während wir uns durchkämpften, traten Passagiere heraus. Und wir hatten es gerade geschafft, vorne anzukommen, da erschien sie. Wie auf dem Foto aus dem Magazin leuchtete ihr lockiges rotes Haar, das sie kinnlang trug. Ihre Kleidung war freilich nicht so glamourös, sondern bestand aus einer einfachen Jeans, Sneakern und einer glänzenden Daunenjacke. Dazu zog sie einen weißen Trolley hinter sich her. Über der Schulter hatte sie eine Tasche, aus der Notenhefte herausragten.
Kaum war sie an der Absperrung, ging ein Raunen durch die Menge und ein Blitzlichtgewitter begann. Einige der Reporter und Reporterinnen, die ganz vorne standen, riefen der Pianistin Fragen entgegen. Ob es ihr gefalle, wieder in New York zu sein? Ob es stimme, dass sie einen neuen Plattenvertrag unterschreiben würde?
Sie lächelte in die Menge, sagte jedoch nichts und begrüßte einen schlanken blonden Mann im blauen Anzug. Als wir bei ihr waren, hielten wir ihm und Camilla Bowman unsere Marken hin.
»FBI«, sagte ich, während Phil die Journalisten zurückdrängte und die Menge im Auge behielt. »Miss Bowman, bitte folgen Sie uns. Wir müssen uns an einem ruhigen Ort unterhalten.«
Ehe sie etwas erwidern konnte, ergriff der Blonde das Wort. »Miss Bowman wird nichts dergleichen tun. Sie hat einen engen Terminkalender. Was wollen Sie überhaupt von ihr?«
»Und Sie sind wer?«, fragte ich.