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"Ich komme zur Urteilsverkündung." Die ganz in schwarz gekleidete Richterin erhob sich von ihrem Stuhl, setzte ein Barett auf und zupfte die Robe zurecht. Unter ihrer Strumpfmaske waren nur Augen und Mund erkennbar.
Igor Creppa saß ihr in drei Yards Entfernung mit auf den Rücken gefesselten Händen gegenüber. Sie sah ihm einen Moment lang schweigend entgegen. Neben der Richterin, auf Creppas Wohnzimmertisch, war ein Stativ mit der Nationalflagge seines Heimatlands aufgestellt, aus dem er vor zehn Jahren geflohen war.
Creppa schüttelte den Kopf. "Das ist doch lächerlich. Sie sind gar keine Richterin, und das ist kein Gericht. Sie haben überhaupt kein Recht, ein Urteil über mich zu fällen. Ich bin US-Bürger, daher akzeptiere ich nur den Spruch eines ordentlichen Gerichts der Vereinigten Staaten von Amerika."
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Veröffentlichungsjahr: 2022
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Mord im Staatsauftrag
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Impressum
Mord im Staatsauftrag
»Ich komme zur Urteilsverkündung.« Die ganz in schwarz gekleidete Richterin erhob sich von ihrem Stuhl, setzte ein Barett auf und zupfte die Robe zurecht. Unter ihrer Strumpfmaske waren nur Augen und Mund erkennbar.
Igor Creppa saß ihr in drei Yards Entfernung mit auf den Rücken gefesselten Händen gegenüber. Sie sah ihm einen Moment lang schweigend entgegen. Neben der Richterin, auf Creppas Wohnzimmertisch, war ein Stativ mit der Nationalflagge seines Heimatlands aufgestellt, aus dem er vor zehn Jahren geflohen war.
Creppa schüttelte den Kopf. »Das ist doch lächerlich. Sie sind gar keine Richterin, und das ist kein Gericht. Sie haben überhaupt kein Recht, ein Urteil über mich zu fällen. Ich bin US-Bürger, daher akzeptiere ich nur den Spruch eines ordentlichen Gerichts der Vereinigten Staaten von Amerika.«
»Angeklagter, erheben Sie sich!« Ihre Stimme war schneidend und kalt.
Als Creppa nicht reagierte, trat der ebenfalls schwarz gekleidete, maskierte Handlanger der vermeintlichen Richterin vor ihn hin und schlug ihm mehrmals hart mit seiner behandschuhten Faust ins Gesicht. Creppa krümmte sich stöhnend und stand schließlich schwankend auf.
»Im Namen seiner Majestät König Viktor des Zweiten ergeht folgendes Urteil. Der Angeklagte Igor Creppa wird in Anbetracht der dargelegten Beweislast zum Tode verurteilt. Die Urteilsvollstreckung durch die Guillotine hat unmittelbar im Anschluss an die Urteilsbekanntgabe zu erfolgen.«
Die »Richterin« legte eine Pause ein. »Igor Creppa, haben Sie einen letzten Wunsch?«
Creppa blinzelte ungläubig. Seine blutverschmierten Haare hingen ihm wirr ins Gesicht.
»Sie sind ja vollkommen wahnsinnig!«, schrie er.
Der Gehilfe steckte Creppa einen Knebel in den Mund, trat zum Wohnzimmertisch und klappte den Deckel eines schwarzen Aktenkoffers hoch. Er entnahm verschiedene Gegenstände, darunter eine kleine Gasflasche, die er mit einem Schlauch am Koffer anschloss. Er hantierte eine Weile herum und entfernte schließlich die äußere Lederschicht des Kofferdeckels, sodass eine schwarze Fläche mit rundem Loch zum Vorschein kam. An dessen oberem Ende blitzte das blanke Metall einer rasiermesserscharfen Klinge im Licht der Deckenlampe. Creppas Augen weiteten sich. Er versuchte zu fliehen, stolperte sofort über seine gefesselten Füße und fiel zu Boden. Die beiden Vermummten hoben ihn mit dem Gesicht nach unten auf die Tischplatte und schoben den Kofferdeckel mit der Klinge über seinen Kopf bis zum Hals.
»Tod den Feinden König Viktors«, hörte er, dann ein kurzes Zischen, als sich das Gas schlagartig ausdehnte und die Schneide auf seinen Hals zuschoss.
Heftig atmend, die Neunmillimeter im Anschlag, blickte ich schnell nach allen Seiten. Wo versteckte sich der Kerl? Sobald er mich sah, würde er mit seiner Maschinenpistole auf mich losballern. Ich stand ohne Deckung da. Meine einzige Überlebenschance war, mich mit einem kräftigen Sprung aus der Schusslinie zu hechten und noch in der Luft einen Schuss auf ihn abzugeben.
Aus den Augenwinkeln nahm ich plötzlich eine Bewegung wahr. Oben rechts. Mit aller Kraft schnellte ich nach vorn. Ich hörte das Prasseln seines Kugelregens, vollführte im Flug eine Vierteldrehung, sah ihn, zielte und schoss. Er sackte zusammen. Ich rollte mich auf dem Boden ab, die Waffe immer feuerbereit, für den Fall, dass er noch handlungsfähig war.
»Reaktionszeit null Komma sechs Sekunden«, kam die Lautsprecherdurchsage. »Tödlicher Treffer in Herznähe des Aggressors. Zwei seiner Schüsse haben Sie am rechten Fuß erwischt, Agent Cotton. Versuchen Sie, schneller zu werden und den Gegner nur kampfunfähig zu schießen. Gleich noch mal.«
Ich schnaufte, richtete mich auf und trottete über die Gummimatten bis zum X auf dem Boden. Hier nahm ich Aufstellung. Wieder höchste Konzentration.
»Achtung, Agent Cotton! Begeben Sie sich umgehend in Raum A3!«, tönte diesmal die Stimme des Chefs der FBI Academy aus dem Lautsprecher.
»Also Schluss für heute, Jerry«, hörte ich Karen Millers Stimme, die meine Übung Verteidigungsschuss im Sprung beaufsichtigt hatte. »Klingt ziemlich dringend. Hoffentlich sehen wir uns bald wieder.«
Außerhalb des Trainings waren Karen und ich beste Freunde und per Du. Sie saß im angrenzenden Raum hinter einer Glasscheibe und winkte mir lächelnd zu. Ich grüßte freundlich zurück und verließ die kleine Halle durch eine Seitentür. Raus aus der Gummizelle, wie Phil diesen Ort getauft hatte.
Dem diensthabenden Kollegen händigte ich meine Trainingspistole aus und unterschrieb. Die Waffe glich in allem einer normalen Neunmillimeter, verschoss jedoch nur Laserlicht auf bewegliche Ziele, die an beliebiger Stelle im Wandbereich auftauchten und vorher definierte Angreifer simulierten, die ihrerseits mit Laserlicht operierten.
Um noch realitätsnäher zu üben, wurde von Karens Rechner die hohe Geschwindigkeit des aus den Übungswaffen austretenden Laserlichts auf die relativ langsame Geschwindigkeit üblicher Waffenmunition umgerechnet. Wenn also Karen behauptete, ich sei getroffen worden, so entsprach das den wirklichen Verhältnissen in unserem alltäglichen Kampf für Gerechtigkeit.
Die Gummizelle bedeutete permanente Nervenanspannung und körperliche Verausgabung. Jede meiner Reaktionen und jeder Schuss wurden minutiös ausgewertet, dokumentiert und später Mr. High vorgelegt. Stress pur. Nach einstündigem Training war man in der Regel völlig fertig.
Ich duschte kurz und ging dann auf schnellstem Weg zum angegebenen Raum A3, dem Vorzimmer des Leiters der Academy. Unterwegs warf ich einen Blick durch die Flurfenster raus auf die Trainingsplätze. Erinnerungen kamen hoch. Hier war ich überall schon gewesen, hatte Liegestütze gedrückt, war an Hinderniswänden hochgeklettert und unter Stacheldraht durchgerobbt. Wohl jeder FBI Agent hatte ein besonderes Verhältnis zu Quantico. Für mich war es zu einer Art Heimat geworden, die Stadt, in der ich für meinen Beruf ausgebildet wurde. Auch Harpers Village war meine Heimat. Dort hatte ich meine Jugend verbracht. Und natürlich New York, die Stadt, in der ich lebte.
Vor Raum A3 erwartete Phil mich, wie ich in einen dunkelblauen Sportanzug gekleidet, mit weißem FBI-Emblem in Herzhöhe.
»Hi, Jerry. Weißt du, was da los ist?«
Ich schüttelte ratlos den Kopf. »Wir werden es gleich erfahren, Partner.«
Er klopfte an die Tür.
»Ja bitte.«
Mrs. Jackson, die stets etwas zurückhaltende, aber freundliche und absolut zuverlässige Sekretärin des Chefs der FBI Academy Quantico, schaute kurz von ihrer Arbeit auf, wie immer mit leicht besorgtem Gesichtsausdruck.
»Agent Decker, Agent Cotton, bitte kommen Sie zu mir. Ich händige Ihnen Ihre Papiere aus. Die Fortbildung ist für Sie vorzeitig unterbrochen worden, da man Sie in New York erwartet. Die endgültigen Fortbildungsnachweise erhalten Sie, sobald Sie die noch ausstehenden Trainingseinheiten erfolgreich absolviert haben. Bitte unterschreiben Sie hier.« Sie schob uns zwei Bögen entgegen.
Wir standen da wie Fragezeichen.
»Warum?«
»Die Gründe sind mir leider nicht bekannt, Agent Decker. Ein Helikopter wird Sie abholen, in«, sie schaute auf die zierliche goldene Uhr an ihrem Handgelenk, »genau dreiundzwanzig Minuten. Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Flug.« Sie lächelte.
Wir verabschiedeten uns.
Als die Bürotür hinter uns ins Schloss fiel, schaute mich Phil groß an. »Da scheint's irgendwo zu brennen, Jerry.«
Rasch holten wir unsere Sachen aus den Zimmern. Ich zog mich um und marschierte zum Landefeld rüber. Phil war wieder vor mir da. Ein mittelgroßer weißer Helikopter wartete mit ausgeschaltetem Motor. In großen schwarzen Buchstaben stand FBI an der uns zugewandten Seite. Noch stachen die Rotorblätter wie lange dunkle Ruder in die Runde. Einer der beiden Piloten im Cockpit grüßte uns.
Kurz danach setzte sich das Triebwerk in Bewegung. Zuerst nur ein Summen, das jedoch schnell lauter wurde. Ich öffnete die hintere Tür, rief den Piloten einen »Guten Morgen« zu und rutschte auf der Sitzbank durch, damit Phil einsteigen konnte. Es war noch früh am Tag und der Himmel wolkenverhangen. Ungewöhnlich für Mitte Mai.
Wir schnallten uns an, und schon ging's los. Der Heli hob langsam ab und wurde bereits nach wenigen Sekunden von einer kompakten weißen Nebelwand eingeschlossen, die bis unmittelbar an die Scheiben heranreichte. Obwohl ich wusste, dass unsere Flugzeit nach New York etwa anderthalb Stunden betragen würde, begann ich schon bald, voller Spannung Ausschau zu halten. Aber um uns war nichts als diese weiße Watte. Die Maschine schien nicht vom Fleck zu kommen. Irgendwo dort vorn in der endlosen Wand aus Nebel und Dunst musste der Big Apple stecken.
Was war geschehen? Welcher neue Einsatz stand uns bevor?
Für einen Moment klarte es auf. Einige Details der Landschaft kamen mir bekannt vor. Das dort unten musste schon der Clove Lakes Park auf Staten Island sein. Jetzt schälten sich auch erste Umrisse der Wolkenkratzer Manhattans aus der weißen Suppe, und Minuten später geriet unser Landefeld in Sicht. Kaum hatten wir Bodenkontakt, hielt auch schon ein schwarzer FBI-Wagen neben uns. Mit Warnlicht ging es auf schnellstem Weg zur Federal Plaza.
»Jerry, Phil, schön, dass Sie da sind«, begrüßte Mr. High uns hinter seinem Schreibtisch sitzend.
Beiläufig nahm ich seinen hellgrauen Anzug mit Weste und schwarzer Krawatte wahr. Wir dagegen waren leger gekleidet, zwar mit weißen Hemden mit dunklen Krawatten, aber Phil trug ein hellbraunes Freizeitcordjackett und ich meine abgewetzte alte Lederjacke.
»Ich musste Sie leider von Ihrem Training abziehen, weil wir einen äußerst wichtigen neuen Fall reinbekommen haben. Bitten nehmen Sie Platz, Gentlemen.« Er verdunkelte den Raum und projizierte ein Foto an die Wand. »Hier sehen Sie das Opfer eines besonders abscheulichen Mordes, der vor einigen Tagen in unserer Stadt verübt wurde. Am 8. des Monats, um genau zu sein.«
Das Bild zeigte Kopf und Rumpf eines Toten, die in einigem Abstand voneinander lagen.
»Oh«, machte Phil. »Das ist wirklich scheußlich.«
»Eine relativ seltene Mordmethode«, bemerkte ich. »Es handelt sich doch beim Abtrennen des Kopfes um die eigentliche Todesursache, Sir?«, vergewisserte ich mich.
»So ist es, Jerry. Die Untersuchung der Leiche durch das NYPD hat ergeben, dass der Schädel mit einer rasiermesserscharfen Schneide in einem Zug abgetrennt worden sein muss. Die Mordwaffe ist mit hoher Geschwindigkeit in den Hals des Opfers eingedrungen.«
»Weiß man, was es war?«, fragte Phil.
»Leider nein, Phil. Infrage käme ein Schwert, das mit großem Schwung geführt wurde. Die absolut gerade Schnittkante lässt eher an eine Maschine als Mordwaffe denken.«
»Eine Säge?«, vermutete Phil.
»Auch nicht, dann wäre das Innere des Halses in unterschiedliche Richtungen verzogen worden. Kurzum, der Bericht besagt, diese Art von tödlichen Verletzungen sei typisch für Hinrichtungen auf der Guillotine.«
Wir sahen ihn verblüfft an.
»Nur, Gentlemen ...« Er zögerte. »Das Opfer ist nachweislich in seiner Wohnung umgebracht worden. Und dort befindet sich keine Guillotine. Was die Tatwaffe betrifft, stehen wir also vor einem Rätsel.«
»Sir«, sagte ich, »warum hat das FBI den Fall übernommen?«
Mr. High nickte. »Sehen Sie hier.«
Er drückte eine Taste auf seinem Rechner. Zwei neue Fotos erschienen nebeneinander. Auf jedem war eine weitere Leiche zu sehen, ebenfalls mit abgetrenntem Kopf.
»Bei der linken Aufnahme handelt es sich um Victor Minton, der gestern, am 11. Mai, in Philadelphia getötet wurde. Die rechte Abbildung zeigt Bianca Berkin, ermordet heute Morgen in Baltimore. Das war der Auslöser für mich, Sie auf schnellstem Weg hierher holen zu lassen. Nach dem gegenwärtigen Stand der Ermittlungen scheint der Tathergang in allen drei Fällen identisch zu sein.« Er lehnte sich in seinem Sessel zurück. »Und da der erste Mord in New York geschah, haben wir den Fall übernommen.«
Phil pfiff leise durch die Zähne. »Das bedeutet, es handelt sich um einen Serientäter, der in den USA unterwegs ist und alle paar Tage einen Menschen umbringt.«
»Das ist nicht sicher«, erwiderte Mr. High. »Es könnte sich auch um mehrere Täter an den genannten Orten handeln, die auf die gleiche ungewöhnliche Weise morden. In diesem Fall würde die zeitliche Nähe der Ereignisse allerdings dafür sprechen, dass sich die Täter abgesprochen haben.«
»Also eine Bande«, warf ich ein.
»Ja«, bestätigte unser Chef. »Eine Bande oder ein beziehungsweise mehrere reisende Einzeltäter.« Er wartete kurz und sah von einem zum anderen. Als niemand etwas sagte, erhob er sich. »Gentlemen, ich übertrage Ihnen hiermit die Aufklärung dieser Fälle. Wenn Sie Unterstützung brauchen, geben Sie mir Bescheid. Alle Unterlagen erhalten Sie von Helen. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg.«
Damit waren wir entlassen.
Mr. Highs attraktive Sekretärin winkte uns von ihrem Schreibtisch aus zu. Sie trug heute ein dunkelgrünes Oberteil mit Rollkragen, das ihr ausgezeichnet stand. In der Hand hielt sie eine ockerfarbene Aktenmappe und einen Speicherstick. Beides übergab sie Phil.
»Für dich habe ich auch etwas, Jerry«, meinte sie und reichte mir ein Tablett mit Kaffeekanne und zwei Tassen. »Ich dachte, das könntet ihr jetzt vielleicht gebrauchen.«
Wir bedankten uns, gingen rüber ins Büro und hängten unsere Jacken über die Stuhllehnen. Phil goss Kaffee ein, und wir begannen mit einem detaillierten Aktenstudium.
»Bei allen Mordopfern handelt es sich um politische Flüchtlinge aus demselben Herkunftsland«, murmelte Phil zwischen zwei Schlucken.
»Damit hätten wir die mögliche Zielgruppe weiterer Mordanschläge identifiziert«, erwiderte ich. »Das könnte uns auf die Spur des Täters bringen.«
»Oder der Täter.«
»Stimmt.«
Phil wies auf mehrere Fotos von Leichen und Tatorten. »Alle zu Hause ermordet.«
Ich nickte. »Und alle lagen auf einem Tisch.«
»Mal in Bauchlage, mal in Rückenlage, immer mit Fesselungsspuren an Hand- und Fußgelenken.«
Mir kam ein Gedanke. »Lagen die zur Guillotine Verurteilten bei ihrer Hinrichtung nicht auch auf einer Art Tisch und mit dem Gesicht nach unten?«
»Keine Ahnung, Jerry. Sollen wir im Internet nachschauen oder Ben fragen?«
»Ben, der weiß es genauer.«
Phil nahm den Hörer ab und wählte die Nummer unseres Universalgenies. Dann stellte er auf Raumklang, sodass auch ich Gelegenheit bekam, Dr. Ben Bruckners Spontanvorlesung über Geschichte und Varianten der Guillotine zu lauschen, die im Großen und Ganzen meine Vermutungen bestätigte. Wir bedankten uns und setzten das Aktenstudium fort. Nach einer knappen Stunde hatten wir alle Informationen durchforstet, die zu den drei Mordfällen existierten.
Phil sah mich unternehmungslustig an. »Jerry, lass uns jetzt gleich den New Yorker Tatort unter die Lupe nehmen. Der direkte Eindruck ist immer besser als Informationen aus zweiter Hand.«
Igor Creppa hatte ein Apartment in Brooklyn bewohnt. Das mehrgeschossige Mietshaus lag in einer kurzen, schmalen Nebenstraße. Ich fuhr langsam daran vorbei und parkte den Jaguar auf der gegenüberliegenden Seite. Haus- und Wohnungsschlüssel überreichte uns der Hausmeister. Wir stiegen bis zum dritten Stock hoch. An der mittleren von drei Türen stand Creppa. Phil schloss auf.
Vor uns erstreckte sich ein ungewöhnlich großer Eingangsbereich, der mit Teppichfußboden ausgelegt war. Neben der Tür hingen mehrere Sakkos an einer Wandgarderobe.
»Achten wir auf etwas Bestimmtes?«, fragte ich.
Phil zuckte mit den Schultern. »Nein. Ich weiß auch nicht mehr über die Sache als du.«
»So eine Guillotine muss doch ein sperriges, schweres Gerät sein«, überlegte ich laut. »Wir könnten nach Abdrücken im Boden suchen.«
»Gute Idee.«
»Vielleicht gibt es auch Nachbarn, die gesehen haben, wie ein großer Gegenstand ins Haus und wieder rausgeschafft wurde.«
Phil blickte mich an und nickte zögernd. »Stimmt. Aber dann müssten auch Leute in den gegenüberliegenden Häusern befragt werden. Ich werde Kollegen anfordern, die das übernehmen.«
»Und ich höre mich inzwischen auf der Etage um.«
Er holte sein Handy hervor. Ich verließ die Wohnung und klingelte bei Sebastian Moorehead.
»Sie wünschen?«, erklang eine weibliche Stimme hinter der Tür.
»Ma'am, ich bin Agent Cotton vom FBI. Hier ist meine Marke.« Ich hielt sie vor den Türspion. »Darf ich Ihnen ein paar Fragen stellen?«
»Fragen Sie.«