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In der Nacht vor einer Ausstellungseröffnung wurde in einer renommierten New Yorker Galerie eingebrochen, Werke zeitgenössischer Künstler in Millionenhöhe geraubt. Phil und ich gingen von einem professionellen Auftragseinbruch für einen betuchten Sammler aus. Denn nur bestimmte Bilder und Objekte waren gestohlen worden. Dann wurde ein Kunstkritiker ermordet, der zu Lebzeiten mit dem Galeriebesitzer im Streit gewesen war - und von Phil fehlte plötzlich jede Spur. Schnell wurde mir klar, der Täter hatte viel Schrecklicheres geplant als einen schnöden Kunstraub!
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Seitenzahl: 140
Veröffentlichungsjahr: 2022
Cover
Tödliche Kunst
Vorschau
Impressum
Tödliche Kunst
Mr. High und ich sahen das Video, das uns die Haare zu Berge stehen ließ. Phil war gefesselt, sein Mund mit Lassoband zugeklebt. Er hing mit ausgestreckten Armen von einem Holzbalken an einer schweren Eisenkette. Unter seinen Füßen stand ein mannshoher, durchsichtiger Quader. Ein maskierter Mann leerte eine farblose Flüssigkeit hinein, während mein Partner am Balken baumelte. Dann sprach eine männliche Stimme aus dem Off.
»Ihr habt genau zwei Stunden und keine Sekunde länger. Dann sind die zwei, die ihr eingebuchtet habt, wieder frei. Das ist die erste und letzte Warnung. Legt euch nicht mit uns an. Wir fürchten weder FBI noch DEA. Wir bringen jeden von euch um. Und es wird für keinen von euch ein schneller Tod sein. Dieser G-man Phil Decker hat die Ehre, zuerst zu krepieren. Oder ihr erfüllt unsere Bedingungen.«
Jetzt zählte nur, Phil zu retten. Unser gemeinsamer Fall interessierte mich momentan überhaupt nicht.
Max Crumpy war ziemlich im Stress. In den letzten Tagen hatte er nicht gewusst, wo ihm der Kopf stand. Die Vorbereitungen für die Ausstellungseröffnung liefen auf Hochtouren. Als Galerist wollte er der verwöhnten New Yorker Kunstwelt etwas Extravagantes präsentieren. Noch waren viele Dinge zu erledigen.
Crumpy parkte seinen Wagen wie immer im Hinterhof seiner Galerie. Bloß nicht die Nerven verlieren. Schritt für Schritt den ausgeklügelten Plan durchziehen. Crumpy versuchte, die Hintertür aufzusperren, doch das Schloss blockierte. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Er rief einen Schlüsseldienst an. Eine halbe Stunde später war der Spezialist zur Stelle. Der Mann sah sich das Schloss an und blickte Crumpy mit ernster Miene an.
»Sir, tut mir leid, aber hier wurde manipuliert und danach die Tür zugezogen.«
»Das kann nicht sein!« Crumpy gab sich völlig konsterniert. »Hier ist alles videoüberwacht.«
Wortlos deutete der Fachmann nach oben, wo die Kamera auf die Tür gerichtet war. Das Kabel war durchtrennt. Crumpy fasste sich an den Kopf, spielte gekonnt, dass er nicht glauben wollte, was er sah.
»Da fasse ich nichts mehr an«, sagte der Schlüsselmann und hob abwehrend die Hände. »Das ist Sache der Polizei. Ich will in nichts hineingeraten. Ich verrechne Ihnen nur die Fahrzeit. Arbeit hatte ich schließlich keine. Machen Sie das, oder soll ich das übernehmen?«
»Nein danke. Ich rufe an.« Crumpy bedankte sich und griff nach seinem Handy.
Als Phil an der gewohnten Ecke in meinen Jaguar stieg, war ich bereits von Mr. High informiert worden.
»Wir fahren nach SoHo«, sagte ich. »Offensichtlich wurde in der MC Arts Gallery eingebrochen.«
»Also Kunstdiebstahl«, meinte Phil.
»Wahrscheinlich. Was ist sonst in einer Galerie von Interesse? Die Cops wurden von einem Max Crumpy verständigt, die wiederum uns kontaktiert haben.«
»Dann scheint es sich um eine größere Sache zu handeln«, folgerte mein Partner.
Er schnappte sich den abnehmbaren Tabletcomputer vom Armaturenbrett, gab Max Crumpy in verschiedenen Datenbanken und Suchmaschinen ein. Auf dem Display erschienen unzählige Artikel in unterschiedlichsten Medien, die an dem Galeristen kaum ein gutes Haar ließen.
»Ein Liebling der Journalisten scheint er nicht zu sein«, stellte Phil fest. »Im ersten Überblick in unseren Datenbanken ist Crumpy nicht vertreten.«
Die Galerie war leicht zu finden. Mitten im New Yorker Künstlerviertel SoHo, Ecke Lafayette und Center Street. Im Frühverkehr kamen wir erstaunlich gut voran.
Wir wurden bereits von den Besatzungen zweier Streifenwagen erwartet. Ich parkte direkt vor der Galerie. Wir informierten uns bei den Cops über den derzeitigen Stand. Danach kümmerten wir uns um Max Crumpy, der völlig aufgelöst war, stellten uns vor und zeigten ihm unsere Dienstausweise.
»Ich kann dichtmachen«, lamentierte der Galerieinhaber, »die Ausstellungseröffnung ist geplatzt. Im internationalen Kunsthandel bin ich erledigt.«
»Mister Crumpy«, fragte ich, »wissen Sie inzwischen, was gestohlen wurde und wie hoch der Schaden ist?«
»Agent Cotton, es ist einiges an zeitgenössischer Kunst mit sehr hohem Wert weg. Zum Glück keine Leihgaben von Museen, die sich nicht mit Geld beziffern lassen.«
»Ein Auftragseinbruch für einen betuchten Sammler«, vermutete Phil.
Max Crumpy zuckte mit den Schultern.
»Haben Sie irgendetwas in Ihrer Galerie berührt?«, fragte ich.
Der Galeriebesitzer verneinte.
»Gut. Wir forderten ein Crime Scene Unit für die Spurensicherung an. Gibt es Fotos der Kunstwerke?«
»Selbstverständlich«, antwortete Crumpy, »das ist sogar verpflichtend. Schon wegen der Versicherung.«
Während wir auf das Tatortteam warteten, verschafften wir uns einen ersten Überblick. Sofort fiel uns auf, dass nur kleinere, leicht zu transportierende Kunstwerke gestohlen worden waren.
»Hier waren Profis am Werk«, meinte Phil, »schon wegen der Menge an Diebesgut für den Abtransport. Das kann ein Einzeltäter unmöglich schaffen.«
»Die Alarmanlage und die Videoüberwachung wurden professionell gekappt«, stellte ich fest. »In Crumpys Büro ist alles unversehrt. Der Tresor wurde nicht angerührt.«
Wir hatten vorerst genug gesehen und nahmen uns noch einmal den Galeriebesitzer vor.
»Es ist offensichtlich, Mister Crumpy«, sagte ich, »dass die Täter, und wir gehen davon aus, dass es mehrere waren, es nur auf die Kunstwerke abgesehen hatten. Wir gehen weiterhin von einem Auftragseinbruch aus. Oder haben Sie eine andere Erklärung, Mister Crumpy?«
»Nein, Agent Cotton. Ich habe nicht die geringste Ahnung.«
»Was befindet sich eigentlich im Tresor?«, hakte Phil nach.
»Geschäftsunterlagen, Agent Decker. Verträge mit Künstlern und Galerien. Ein paar Tausend Dollar. Außer dem Geld nichts von Wert für Einbrecher.«
»Wo waren Sie in der letzten Nacht?«, setzte ich nach.
»Wo schon? Zu Hause«, antwortete Crumpy. »Sie denken doch nicht, ich breche in meiner eigenen Galerie ein.«
Ich ging nicht näher auf seinen Vorwurf ein. »Gibt es Zeugen?«
»Nein, Agent Cotton. Ich lebe allein. Kurz vor Mitternacht verließ ich die Galerie und fuhr gleich nach Edgewater, wo ich wohne.«
»Als Sie abschlossen, Alarm- und Videoanlage einschalteten, Mister Crumpy, ist Ihnen etwas Verdächtiges aufgefallen? Hatten Sie den Eindruck, beobachtet zu werden?«
»Nichts dergleichen, Agent Decker.«
Wir musterten den Galeristen sehr genau, konnten aber nicht die geringste Unsicherheit feststellen.
»Kamen in letzter Zeit Besucher oder Kunden in Ihre Galerie, Mister Crumpy, die Ihnen verdächtig erschienen?«, wollte ich wissen.
Max Crumpy ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Nein. Zu mir kommen nur Interessenten und Käufer, die sich Kunst auch tatsächlich leisten können. Es sind überwiegend Stammkunden, die ich seit Jahren kenne. Für die lege ich meine Hand ins Feuer, Agent Cotton.«
»Haben Sie Feinde?«, hakte Phil nach. »In den Medien kommen Sie nicht besonders gut weg.«
»Ich weiß, Agent Decker«, bestätigte Crumpy. »Mir ist auch klar, wem ich das zu verdanken habe. Es ist Andy Desmond.«
»Sie meinen den Kunstkritiker?«, fragte ich zur Sicherheit nach.
»Genau, Agent Cotton. Er kann mich seit jeher nicht leiden.«
»Und der Grund dafür?«, ließ ich nicht locker.
»Ach, das tut nichts zur Sache. Das hat mit unserer gemeinsamen Vergangenheit zu tun.«
»Doch«, widersprach Phil. »Jedes kleineste Detail kann zur Aufklärung beitragen.«
Wir verließen uns auf unseren Instinkt, und der sagte uns, etwas war bei diesem Mann nicht in Ordnung. Er hatte etwas zu verbergen. Phils Aufforderung war Crumpy sichtlich unangenehm.
»Das liegt lange zurück«, rückte der Galerist heraus. »Es ging um eine Frau, in die auch Desmond verliebt war. Er zog den Kürzeren. Ich spannte sie ihm aus und heiratete sie. Das konnte er mir nie verziehen. Seitdem sieht er mich als Feind.«
»Sie sagten, Sie leben allein, Mister Crumpy.«
»Das stimmt, Agent Cotton«, bestätigte er. »Meine Frau ist vor Jahren gestorben. Unser Glück war nicht von langer Dauer.«
»Woran? Krankheit, Unfall oder ein Verbrechen?«, fragte Phil.
»Leukämie. Trotz aller Bemühungen war nirgendwo eine passende Knochenmarkspende aufzutreiben.«
Zum ersten Mal sahen wir bei Max Crumpy Emotionen. Trotzdem sagte mir mein Gefühl, dass er log und der Grund für ihren Tod ein völlig anderer gewesen sein musste. Doch das behielt ich noch für mich.
»Hatten Sie Kinder?«
»Nein, Agent Cotton. In meinem Geschäft ist man ständig auf Achse. Künstlerbesuche, immer auf der Suche nach Kunstwerken, deren Kauf sich lohnt. Da bleibt das Privatleben leider auf der Strecke.«
»Wie sieht es mit Angestellten aus?«
»Ich bin ein Einmannbetrieb, Agent Decker. Wenn Not am Mann ist, geht mir Tom Rebezo als freier Mitarbeiter zur Hand. Das ist alles legal und jederzeit nachprüfbar.«
»Wo finden wir diesen Mann, Mister Crumpy?«
»In East Harlem. Ich gebe Ihnen die Adresse und seine Telefonnummer, Agent Cotton.«
»Warum haben Sie sich für den Kunsthandel entschieden?«
»Weil es ein einträgliches Geschäft ist, sofern man etwas davon versteht«, lautete Crumpys entwaffnende Antwort. »Ich habe Kunst studiert, Agent Decker, wollte selbst Künstler werden, sah aber bald ein, dass mein Talent nicht reichte.«
Vorerst gaben wir uns mit seiner Aussage zufrieden, die wir natürlich überprüfen mussten.
»Übermitteln Sie uns bitte die Videoaufzeichnungen der letzten Tage«, bat ich. »Außerdem eine genaue Aufstellung der gestohlenen Kunstwerke mit sämtlichen Angaben, und welche Künstler ausgestellt werden sollten.«
Crumpy hatte nichts dagegen.
Inzwischen war das Team der Crime Scene Unit eingetroffen und machte sich an die Arbeit. Wir bedankten uns bei dem Galeristen und fuhren zurück ins Field Office.
Als wir auf dem Weg in unser Büro im dreiundzwanzigsten Stockwerk im Jacob K. Javits Federal Building in Manhattan waren, fing uns der Chef auf dem Flur ab.
»Gentlemen, die Meldung kam gerade herein. Sie müssen nach Stuyvesant hinüber. Genauer in die East 16th Street. Es gibt einen mysteriösen Todesfall. Andy Desmond, der Kunstkritiker, ist das Opfer.«
»Das ist doch der Typ, der ständig mit Max Crumpy im Clinch lag«, sagte Phil und war ebenso verblüfft wie ich.
»Ja, Phil, so ist es.« Der Chef nickte. »Wahrscheinlich gibt es einen Zusammenhang mit dem Einbruch. Sehen Sie es sich selbst an. Ich habe mich inzwischen im Netz in verschiedenen Presseartikeln über die beiden informiert, weiß, dass sie spinnefeind waren. Ich erwarte Sie dann in meinem Büro. Steve und Zeerookah sind bereits vorausgefahren.«
Als der Chef außer Hörweite war, murrte mein Partner, dass nicht einmal Zeit blieb, rasch einen Kaffee zu trinken. Ich lächelte nur und schwieg. Auch ich wäre einer Tasse des exzellenten Kaffees von Helen, Mr. Highs Sekretärin, nicht abgeneigt gewesen.
Inzwischen waren die Straßen ziemlich verstopft. Ich setzte Warnlicht und Sirene ein, um rascher vorwärtszukommen. Bis nach Stuyvesant war es eine beachtliche Strecke.
Im obersten Stockwerk des Apartmentblocks wohnte Andy Desmond. Einen Doorman gab es nicht. Es herrschte bereits geschäftiges Treiben. Die Spurensicherung war mitten bei der Arbeit. Steve Dillaggio und sein Partner Zeerookah kamen uns im Eingangsbereich der Wohnung entgegen. Zeerookah, von uns Zeery genannt, wie immer bestens gekleidet. Der Abkömmling der Cherokee legte größten Wert darauf. Er galt als elegantester G-man in New York.
»Hübsche Krawatte«, meinte Phil.
»Wie sieht es aus?«, fragte ich.
Steve ging voraus. Im Badezimmer lag Andy Desmonds Leiche in der Wanne. Die Bodenfliesen waren überschwemmt. Augenscheinlich war nichts von Gewaltanwendung am Körper zu sehen.
»Wer hat ihn gefunden?«, fragte ich.
»Seine Haushälterin Ann Erevia«, klärte Zeerookah uns auf. »Sie sitzt in der Küche.«
Ich trat näher an die Wanne heran. Desmond war ungefähr in Max Crumpys Alter, dafür wesentlich durchtrainierter als der Galeriebesitzer.
»Vielleicht ist er ausgerutscht«, murmelte ich. »Dabei mit dem Kopf aufgeschlagen, wurde bewusstlos und ist ertrunken.«
Steve winkte ab. »Das glaube ich nicht, Jerry. Er hat keine sichtbaren Verletzungen am Kopf. Aber seht euch mal die beiden frischen Wundmale auf seiner Brust an. Sehr klein und dicht aneinander. Zeery und mir ist das gleich aufgefallen. Ein Kollege der Spurensicherung meinte, es könnten Strommarken eines Tasers sein. Genaueres wird sicherlich erst die Obduktion ergeben.«
»Das würde heißen«, Phil schabte nachdenklich über sein Kinn, »jemand drang in das Apartment ein, verpasste Desmond mit dem Teaser einen Stromschlag, der ihn umwarf. Danach zog der Mörder ihn aus. Oder vielleicht wollte Desmond baden. Der oder die Unbekannte versteckte sich im Apartment, groß genug ist es, wartete einen günstigen Moment ab. Er legte den Mann ins Wasser und ertränkte ihn. Daher die Überschwemmung. Der Mörder muss auch ziemlich nass geworden sein.«
»Dann besaß dieser Jemand einen Nachschlüssel. Oder Desmond kannte seinen Mörder und ließ ihn ein«, spann ich den Faden weiter. »Was hat Ann Erevia ausgesagt?«
»Sie ist völlig fertig. Als sie kam«, antwortete Zeerookah, »war Desmond bereits tot.«
»Eigentlich kommt derzeit nur Max Crumpy als Mörder infrage«, meinte Phil. »Er war mit ihm verfeindet, weil Desmond bei jeder sich bietenden Gelegenheit versucht hat, ihm das Wasser abzugraben. Außerdem hat er kein überprüfbares Alibi. Zwei gewichtige Indizien, leider nicht beweisbar.«
Meinem Partner erging es ebenso wie mir. Max Crumpy schien etwas vor uns verbergen zu wollen.
»Reden wir mit der Haushälterin, Phil«, sagte ich.
Wir gingen in die Küche, wo eine rund sechzigjährige Frau mit verweinten Augen ein Taschentuch in den Händen zerknüllte, während wir uns vorstellten.
»Mrs. Erevia, wann sind Sie heute in das Apartment gekommen?«, fragte ich und setzte mich zu ihr an den Tisch. Phil nahm an meiner Seite Platz.
»Ich komme immer«, sie atmete tief durch und verbesserte sich, »ich kam immer dreimal die Woche zu Mister Desmond. Montag, Mittwoch und Freitag. Immer so gegen neun Uhr bis drei.«
»Wie war es heute Morgen, Mrs. Erevia?«
»Nicht anders als sonst, Agent Decker. Der Doorman begrüßte mich. Schließlich kennt er mich seit Jahren. Ich fuhr mit dem Lift hoch und klingelte.«
»Besitzen Sie einen Zweitschlüssel für Mister Desmonds Apartment?«, wollte ich wissen.
»Natürlich. Aber ich brauchte sie nur in Ausnahmefällen. Meist war er noch zu Hause, bevor er seine Termine wahrnahm. Heute öffnete er mir nicht, also schloss ich selbst auf. Ich rief nach ihm, keine Antwort. Da fand ich ihn«, Tränen traten ihr in die Augen, »in der Badewanne. Danach rief ich sofort die Polizei.«
»Wie verhielt sich Mister Desmond Ihnen gegenüber?«, erkundigte ich mich.
»Immer korrekt und freundlich. Ich wurde immer pünktlich bezahlt. Oft gab er mir noch einen Bonus, weil er mit mir so zufrieden war. Ich kann diesem Mann nur das beste Zeugnis ausstellen.«
»Lebte er allein hier?«
»Ja, Agent Decker. Manchmal gab es Freudinnen, allerdings nichts von Dauer. Das war Mister Desmonds Sache. Schließlich war er ledig, konnte tun und lassen, was er wollte. Das ging mich nichts an.«
»Was denken Sie, wie er gestorben ist?«, fragte ich weiter.
»Sicherlich ein Unglücksfall. Wahrscheinlich ausgerutscht und danach elend ertrunken.«
»Was veranlasst Sie zu dieser Annahme, Mrs. Erevia?«
»Als ich ins Bad ging, war sein Kopf unter Wasser, Agent Cotton. Oder glauben Sie, dass es anders war? Wurde er umgebracht?«
Natürlich behielten wir für uns, dass vielleicht ein Taser Andy Desmond außer Gefecht gesetzt hatte.
»Was sagt Ihnen der Name Max Crumpy?«
»Ich weiß nur, dass er ein Galeriebesitzer ist. Mister Desmond hat ihn ein paarmal beiläufig erwähnt. Aber ich kenne mich mit Kunst überhaupt nicht aus. Wieso fragen Sie mich das, Agent Decker?«
»Reine Routine«, wiegelte Phil ab. Und mit einem Blick zu mir: »Ich denke, das war es vorerst, Mrs. Erevia. Sollten wir noch weitere Fragen haben, dann melden wir uns Ihnen.«
»Darf ich nun nach Hause fahren?«, fragte die Haushälterin.
»Selbstverständlich«, antwortete ich. »Ihre Daten kennen wir. Fühlen Sie sich dazu in der Lage? Ein Polizist kann Sie heimbringen.«
»Danke, nicht nötig«, sagte sie. »Es geht schon. Ich bin mit meinem Wagen hier.«
Wir verabschiedeten uns und gingen zu den Kollegen zurück.
»Ein Kunstraub und als Zugabe ein Mord, der vielleicht damit zusammenhängt«, brummte Phil. »Ein bisschen viel.«
»Jedenfalls werden wir uns Max Crumpy sehr genau ansehen, Phil.«
Mein Partner nickte zustimmend. Inzwischen waren wir uns sicher, dass der Galerieinhaber uns gegenüber mit falschen Karten spielte.
»Was hältst du von Ann Erevia, Jerry?«
»Ich glaube, sie ist in Ordnung. Oder bist du anderer Meinung? Sie wirkte sehr betroffen. Trotzdem werden wir sie ebenfalls genauer unter die Lupe nehmen. Ben muss sich im Internet und Darknet schlau machen, ob nicht Diebesgut aus der Galerie in einschlägigen Foren angeboten wird. Les und Joe sollen sich bei den Antiquitätenhändlern umhören.«
»Dann fahren wir zurück ins Büro«, drängte Phil zum Aufbruch. »Wir erstatten dem Chef Bericht und danach«, er leckte sich genüsslich über die Lippen, »muss endlich Zeit für eine ordentliche Tasse Kaffee sein.«
Mr. High ahnte Phils Verlangen. Er orderte bei Helen drei Kaffee, während wir ihn unterrichteten und ihm unsere weitere Vorgangsweise schilderten.
»Sind Joe und Les bereits informiert?«, fragte der Chef.
»Selbstverständlich, Sir«, antwortete ich. »Sie durchstöbern bereits unsere Datenbanken auf der Suche nach Antiquitätenhändlern, die keine saubere Weste haben. Danach werden sie einen nach dem anderen besuchen und versuchen, etwas herauszufinden.«
»Gut«, meinte Mr. High. Seine feingliedrigen Hände lagen auf der Schreibtischplatte, während er sich in seinem Drehstuhl leicht zurücklehnte. »Ben stöbert in einschlägigen Foren ob nicht etwas aus dem Einbruch angeboten wird. Andy Desmonds Computer und PC sind beschlagnahmt, nehme ich an.«
»Natürlich, Sir«, sagte ich. »Die Geräte stehen bereit für die Auswertung in Bens Büro.«
»Wie schätzen Sie die momentane Situation ein, Gentlemen?«, erkundigte sich der Chef.
»Wir gehen davon aus«, übernahm Phil, »dass Max Crumpy uns gegenüber nicht ehrlich war und etwas verheimlicht. Es ist nur Intuition ohne jegliche Fakten. Er führt seine Galerie im Alleingang ohne Angestellte, ist aber im internationalen Kunstgeschehen eine ziemlich große, wenn auch umstrittene Nummer. Das passt irgendwie nicht zusammen.«
»Da stimme ich Ihnen zu.« Mr. High blickte uns nacheinander an. »Steckt er in finanziellen Schwierigkeiten? Handelt es sich vielleicht um einen Versicherungsbetrug?«