Jerry Cotton 3422 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 3422 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Bevor sich der Unterweltboss Dennis Chaney aus gesundheitlichen Gründen aus dem aktiven Geschäftsleben zurückzog, rechnete er mit einigen Konkurrenten ab. Das rief Phil und mich auf den Plan. Jedoch nicht nur uns, denn die Angehörigen der Ermordeten wollten Vergeltung. Während wir hinter dem untergetauchten Chaney her waren, wurde der Wagen, in dem er saß, von einer Autobombe zerrissen. Niemand bekannte sich zu dem Anschlag. Vierundzwanzig Stunden nach diesem hinterhältigen Attentat rekrutierte Chaneys Tochter Carlitta eine Killerarmee. Carlittas Ratten zogen nun gegen alle ins Feld, die als Mörder ihres Vaters infrage kamen. Und wir gerieten nicht nur einmal in die Schusslinie!


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Seitenzahl: 137

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhalt

Cover

Carlittas Ratten

Vorschau

Impressum

Carlittas Ratten

Die Tür hätte mir beinahe die Nase gebrochen. Sie flog mit bedrohlichem Schwung auf mein Gesicht zu. Wenn ich nicht blitzschnell einen Fuß vorgestellt hätte, hätte das katastrophale und höchstwahrscheinlich auch bleibende Auswirkungen auf mein Profil gehabt.

»Hey! Hey! Hey!«, machte ich meinem Ärger Luft. »Was sind denn das für Manieren?«

»Ich hab gesagt, ich will niemanden sehen«, maulte Skip Skelton. »Was war daran nicht zu verstehen, Mann?« Er war mal wieder blau. Das war er oft. Er liebte harte Getränke, und sie liebten offensichtlich ihn. »Nie-man-den!«, erklärte er mit schwerer Zunge und betonte dabei jede einzelne Silbe. »Das schließt alle ein, gilt also auch und vor allem für FBI Agents!«

Ich setzte mich über seine brüskierende Ablehnung ungerührt hinweg, drückte die Tür zur Seite und knurrte: »Wir müssen mit dir reden, Skip!«

Es war eine typische Messiewohnung, die wir betraten. Skip Skelton hatte den starken Drang, Gegenstände jeder Art anzuhäufen und aufzubewahren.

Leute wie ihn quält es, sich von irgendwas zu trennen. Sie wollen nicht einmal darüber nachdenken, haben eine veränderte Informationswahrnehmung.

Das ist krank und gehört psychotherapeutisch behandelt. Aber das war nicht der Grund für unseren Besuch.

Phil zeigte ernst auf den Alkoholisierten. »Du weißt schon, dass es als schwere Körperverletzung geahndet wird, wenn man jemandem das Nasenbein bricht, oder?«

Der rothaarige Skip Skelton senkte schuldbewusst das Haupt.

»Tut mir leid«, sagte er. »Das wollte ich nicht.«

Mein Partner wackelte vorwurfsvoll mit dem Kopf. »Tätlicher Angriff auf einen FBI-Beamten ...«

Skelton verdrehte die glasigen Augen. »Meine Güte, ich habe doch gesagt, dass es mir leidtut. Mir ist die Tür ausgerutscht. Das kann vorkommen. Daraus muss man nicht gleich ein Drama machen. Es ist ja schließlich nichts passiert.«

»Es hätte allerdings etwas passieren können«, ließ Phil nicht locker. Offenbar wollte er Skeltons schlechtes Gewissen wach halten.

Der Gewohnheitstrinker breitete defätistisch die Arme aus. »Und? Wollt ihr mich nun kreuzigen, oder was?«

»Wir suchen Dennis Chaney«, sagte ich.

»Hier?«, fragte Skip Skelton. »Bei mir?«

»Du bist immerhin sein Sohn«, gab Phil trocken zurück.

»Sein Adoptivsohn«, stellte Skelton richtig.

»Okay«, sagte mein Partner. »Sein Adoptivsohn.«

»Ich wohne hier seit vielen Jahren«, nuschelte Skip Skelton.

Das sieht man an dem Müll, der sich in dieser Zeit angesammelt hat, dachte ich.

»Dennis Chaney war noch kein einziges Mal hier«, behauptete der Messie.

Kann ich verstehen, ging es mir durch den Kopf.

»Aber du weißt, wo er ist«, sagte Phil.

Skip Skelton zog die Mundwinkel nach unten. »Wir hatten in letzter Zeit immer weniger Kontakt. Ab und zu telefonieren wir. Das ist alles. Seit ich von zu Hause ausgezogen bin, heiße ich auch nicht mehr Chaney, sondern habe den Mädchennamen meiner Mutter angenommen.«

»Wann hast du zum letzten Mal mit Dennis Chaney gesprochen?«, wollte ich wissen.

Skelton zuckte mit den Schultern. »Ist schon eine Weile her.«

»Hat er dir gesagt, dass er aus gesundheitlichen Gründen aus dem aktiven Geschäftsleben aussteigen und sich ins Privatleben zurückziehen möchte?«, fragte mein Partner.

Skelton sah ihn erstaunt an. »Dennis Chaney ist krank?«

»Man hat bei ihm angeblich während einer Routineuntersuchung einen bedrohlichen Schatten auf der Lunge entdeckt«, sagte Phil.

Skelton schüttelte den Kopf. »Davon weiß ich nichts.«

»Es wird befürchtet, dass er noch mit einigen ungeliebten Konkurrenten abrechnen möchte, ehe er sich in Florida oder Kalifornien zur Ruhe setzt«, sagte ich.

Der rothaarige Adoptivsohn des gesundheitlich angeschlagenen Gangsterbosses nickte. »Er kann bisweilen sehr nachtragend sein.«

»Wir möchten ihm ins Gewissen reden«, sagte ich.

»Wir würden es nämlich nicht gutheißen, wenn er in New York vor seinem Abgang noch für eine erhöhte Sterblichkeitsrate sorgt«, fügte Phil hinzu.

»Das kann ich verstehen«, lallte Skip Skelton. »Aber ich kann euch nicht helfen. Ich habe keinen blassen Schimmer, wo er sich zurzeit aufhält.« Er sah uns mit trübem Blick an. »Würdet ihr mich jetzt bitte allein lassen? Ich fühle mich gerade nicht so besonders.«

»Könntest du ihn telefonisch erreichen?«, fragte ich.

»Wenn, dann ruft er mich an«, lautete Skeltons Antwort. »Umgekehrt ist das nicht möglich. Wart ihr schon bei Carlitta? Sie ist schließlich seine leibliche Tochter. Vielleicht weiß sie, wo ihr Vater steckt. Ich habe keinen besonders guten Draht zu ihr. Sie konnte mich von Anfang an nicht leiden, hat nie verstanden, dass Dennis der Meinung war, ihr unbedingt einen Bruder aufdrängen zu müssen, damit sie nicht allein aufwachsen muss. Sie hat mir ganz offen und unverblümt ins Gesicht gesagt, dass sie sich als Einzelkind wesentlich wohler gefühlt hätte. Zwischen uns herrscht schon lange Funkstille.«

Wir traten den Rückzug an.

Phil ließ den Blick durch die katastrophale Messiebehausung schweifen. »Schon mal daran gedacht, hier ein bisschen aufzuräumen?«

»Es ist aufgeräumt«, behauptete Skip Skelton.

Ich wollte mir nicht vorstellen, wie es davor ausgesehen hatte.

Er war Kettenraucher gewesen, und seine unmäßige Nikotingenusssucht war nicht ohne Folgen geblieben. Jetzt konnte Dennis Chaney nur hoffen, dass die Angelegenheit für ihn kein viel zu frühes Ende nahm.

Er war schließlich erst achtundfünfzig, fühlte sich abgesehen von den scheußlichen morgendlichen Hustenanfällen relativ gut und hätte noch gerne ein bisschen mehr vom Leben und von seinem vielen jenseits aller Gesetze erworbenen Geld gehabt. Seit die Ärzte ihm gesagt hatten, dass es für ihn nicht fünf Minuten, sondern fünf Sekunden vor zwölf war, hatte er schlagartig zu rauchen aufgehört und seitdem keine Zigarette mehr angerührt. Das schaffte nicht jeder.

Darauf war er stolz. Jetzt »rauchte« er Palitos de Coimbra – Zahnstocher aus dem Holz portugiesischer Orangenbäume. Man sah ihn niemals ohne.

Er knabberte auch in diesem Moment wieder an einem herum, während er in seinem Wagen saß. Jetzt warf er einen Blick auf seine Smartwatch.

Brian Frazer, ein ehrloser, hinterhältiger, dreckiger Halunke, mit dem er noch ein dickes Hühnchen zu rupfen hatte, befand sich seit einer geschlagenen Stunde bei Sona Wilson, seiner fülligen Geliebten.

Frazer hatte ihn vor zwei Monaten skrupellos gelinkt und um eine Dreiviertelmillion gebracht. Das konnte, wollte und würde er ihm nicht verzeihen.

Er war zwar reich, aber wenn man so wie er Geld über alle Maßen liebt, kann man davon nie genug haben. Sona Wilson wohnte in einem schönen großen Haus, das Brian Frazer gehörte, mit viel Glas ringsherum.

Frazers Frau Ethel hatte davon selbstredend keine Ahnung. Weder vom Haus noch von Sona. Sie schwebte auf einer Wolke völliger Ahnungslosigkeit.

Dennis Chaney zog geschmeidige schwarze Lederhandschuhe an, öffnete die Wagentür und stieg aus.

»Du hast genug Spaß mit der Dicken gehabt, Fettverehrer«, murmelte er. »Das war das letzte Mal, dass du dich auf ihrer großen erotischen Nutzfläche voll austoben durftest. Jetzt wird gestorben.«

Wir drehten nach unserem Besuch bei Skip Skelton an ein paar unergiebigen Schrauben. Niemand konnte oder wollte uns helfen.

Die Mauer der Ahnungslosigkeit, des Schweigens, der Zurückweisung, bisweilen sogar der totalen Ablehnung, auf die wir allerorts stießen, war unüberwindbar hoch. Man wollte nicht mit G-men reden und mit ihnen nach Möglichkeit auch nicht gesehen werden, weil das zwangsläufig das Misstrauen der anderen weckte und somit zu unnötigem Ärger führen konnte. Man hätte meinen können, Dennis Chaney wäre lediglich ein Geist. Jemand, den es in Wirklichkeit gar nicht gab. Ein Name – nichts weiter. Frei erfunden.

Wie sollte man so jemanden finden?

Wir stärkten uns in Times-Square-Nähe in der 46th Street East in einem Chophouse mit saftigen Steaks, grünen Bohnen und herrlich krustigen Bratkartoffeln.

Das freundliche Lächeln, das die hübsche blonde, raffiniert geschminkte Kellnerin, deren Dienstkleidungsdekolletée extrem offenherzig war, meinem Partner schenkte, war mehr als nur professionell.

Es sah nach ehrlichem Interesse aus. Phil biss nicht an. Offene Türen einzurennen, war nicht sein Ding.

Gut gesättigt fuhren wir zu Carlitta Chaney, wie es uns Skip Skelton empfohlen hatte. Die Tochter des Unterweltbosses wohnte zwei Straßen von SoHo entfernt in einem weitläufigen Loft. Sie war Künstlerin, malte grässliche Bilder, von denen sie mit Sicherheit kein einziges verkauft hätte, wenn ihr Vater nicht Dennis Chaney geheißen hätte.

Man sah sich dazu genötigt, sie zu loben und zu hofieren – um dem Unterweltboss, der sehr nachtragend sein konnte, einen Gefallen zu erweisen.

Alle, die ihn fürchteten oder sich bei ihm aus den unterschiedlichsten Gründen lieb Kind machen wollten, hatten ein Werk der Unbegabten entweder bei sich daheim oder in ihrem Büro an der Wand hängen.

Carlitta lebte sehr gut von den Pharisäern, Kriechern und Duckmäusern. Da man allgemein sagt, dass etwas, das nicht viel kostet, nicht viel wert sein kann, verlangte sie Unsummen für ihre kranken Schöpfungen, und niemand hatte jemals den Mut aufgebracht, ihren Preis zu drücken.

Jeder war bemüht, mindestens einen echten Carlitta Chaney zu besitzen, um sich Dennis Chaney beizeiten gewogen zu machen. Ihre lächerlichen Schmierereien waren manchmal schon verkauft, bevor die Farbe trocken war.

Nach zwei misslungenen Schönheitsoperationen sah die Vierzigjährige aus wie die jüngere Schwester von Donatella Versace.

Wir trafen sie nicht allein an. Ihr Multifunktionsloft war zugleich Atelier mit integrierter Partymeile. Da die Künstlerin, wie man wusste, in unablässiger Feierlaune war, hatte sie fast immer jemanden zu Besuch. Zwei grimmige Riesen bauten sich arrogant vor uns auf, knurrten etwas von einer geschlossenen Gesellschaft und wollten uns den Zutritt verwehren

»Ist gut, Jungs!«, rief Carlitta. »Ich kenne die Gents. Die haben nichts Böses im Sinn.«

Wummernde Basstöne ließen die Wände vibrieren. Elektronisch gepushte Gitarrenklänge jaulten dazwischen hin und her und fanden keinen Weg ins Freie.

Ein paar Retrohippietypen wankten durch die Szene. High? Betrunken? Beides? Es roch nach Farbe, Parfüm, Schweiß, Bratwurst, Alkohol, Frittieröl, Rauch und stimulierenden Substanzen, die möglicherweise dem Betäubungsmittelgesetz unterstanden. Carlitta Chaney – in exzentrischem Gipsylook, mit breitem Stirnband und knöchellangem, bunt bedrucktem Baumwollkleid – führte uns in einen Bereich, in dem es nicht ganz so laut war. Auch hier hingen ihre kreativen Scheußlichkeiten an den Wänden.

»Ich gehe davon aus, dass Sie kein Bild von mir kaufen möchten«, sagte sie lächelnd.

Phil sah sich grinsend um. »Von möchten kann nicht die Rede sein. Man muss sich Ihre Kunst auch leisten können.«

Kunst?, schoss es mir durch den Kopf. Hat er tatsächlich Kunst gesagt?

Die Malerin rieb sich die Hände. »Tja, ich bin nicht billig. Die Nachfrage bestimmt den Preis.«

Wenn man einen Namen hat, lässt sich jeder Krempel an den Mann bringen, dachte ich.

»Was kann ich für Sie tun?«, erkundigte sich Carlitta Chaney.

Sie wirkte sehr offen, als hätte sie nicht das Geringste zu verbergen, als wäre ihr Gewissen absolut sauber. Lupenrein, wie man so schön sagt. Und vielleicht war das tatsächlich so. Wir verzichteten darauf, ihr von unserem Besuch bei Skip Skelton zu erzählen, um ihr nicht die gute Laune zu verderben. Stattdessen fragte ich sie nach ihrem Vater.

»Ich mache mir, ehrlich gesagt, ein wenig Sorgen um ihn«, gestand sie. »Er hat es mit dem Rauchen viel zu sehr übertrieben. Ich habe ihn immer wieder händeringend gebeten, die Finger von den verflixten Glimmstängeln zu lassen, aber er kam davon einfach nicht los. Erst als es schon beinahe zu spät war, hatte er die Kraft aufzuhören. Ich hoffe, er hat gerade noch die Kurve gekriegt.«

»Man sagt, er wird New York schon bald verlassen«, bemerkte ich.

Die Gipsylady nickte. »Das ist richtig.«

»Miami oder Kalifornien – wofür wird er sich entscheiden?«, erkundigte sich mein Partner.

»Das weiß er, glaube ich, selbst noch nicht«, gab die Tochter des Gangsterbosses zur Antwort. »Ich werde ihm zu nichts raten. Das ist einzig und allein seine Sache.«

»Er hinterlässt hier nicht nur Freunde«, sagte ich.

Die Malerin zuckte mit den Schultern. »Ein Mann wie Dennis Chaney wird immer Feinde haben. Das liegt in der Natur der Sache. Wer Erfolg hat, hat Neider – und eben auch Feinde.«

»Wäre es möglich, dass man ihm nach dem Leben trachtet?«, erkundigte sich Phil.

»Das halte ich sogar für sehr wahrscheinlich«, sagte Carlitta.

»Könnte es sein, dass er versucht, seinen Feinden zuvorzukommen?«, fragte Phil.

Sie sah ihn ernst an, wirkte kurz ein wenig aufgebracht.

»Das würde ja heißen ...« Sie unterbrach sich. »Nein, Agent Decker.« Sie schüttelte, nun wieder gefasst, den Kopf. »Das glaube ich nicht.«

»Haben Sie ein paar Namen für uns?«, fragte mein Partner.

»Namen?«

»Von Leuten, die Ihren Vater nicht mögen.«

Das Lächeln, das Carlitta aufsetzte, erreichte ihre Augen nicht. »Sie werden es nicht glauben, Agent Decker, aber wenn wir zusammen sind, reden wir über ganz banale Dinge. Zum Beispiel über die Sinnhaftigkeit von Crashdiäten, über meine aktuelle Haarfarbe. Ich experimentiere nämlich gerne damit. Oder über eine Serie, die wir in letzter Zeit gestreamt haben. Wie sie uns gefallen hat. Was wir nicht so gut fanden.«

»Wir möchten mit ihm reden«, sagte ich.

Carlitta zuckte bedauernd mit den Schultern. »Ich weiß nicht, wo er ist, Agent Cotton. Vor einer Stunde habe ich versucht, ihn telefonisch zu erreichen. Er ging nicht dran. Ich habe ihm eine Nachricht auf seine Mailbox gesprochen. Jetzt warte ich auf seinen Rückruf.«

Ich gab ihr meine Visitenkarte. »Wenn er von sich hören lässt, sagen Sie ihm, er soll sich bei uns melden.«

Obgleich Carlitta nickte, war ich mir ziemlich sicher, dass der Gangsterboss das nicht tun würde.

Sie musterte Phil und mich. »Sind wir fertig? Ich muss mich langsam wieder um meine Gäste kümmern.«

Chaney drückte die Fahrzeugtür ins Schloss und überquerte gemächlich schlendernd die Straße. Er betrat unbemerkt das große Grundstück und schlich hinter von kompetenter Gärtnerhand sorgfältig gestutzten Büschen auf eine Treppe zu, die zum Keller hinunter führte.

Er hätte für diesen Mord jederzeit auch einen professionellen Kaltmacher engagieren können, aber das hätte ihn nicht richtig befriedigt.

Es war ihm lieber, seinem Opfer in die entsetzten Augen zu sehen, wenn es den ultimativen Abgang machte. Und Geld sparte er damit obendrein.

Das Schloss der feuerhemmenden Kellertür war spielend leicht zu knacken. Dennis Chaney war als Halbwüchsiger von einem talentierten Profi in dieser verbotenen Disziplin sachkundig unterrichtet worden, hatte sich dabei recht geschickt angestellt, wie der ihm bescheinigt hatte, und vom einst Erlernten bis heute nichts vergessen.

Sobald er Frazers Haus betreten hatte, zog er seine Pistole und schraubte einen Edelstahlschalldämpfer auf die Waffe. Dann stieg er langsam eine breite Steintreppe hoch. Den Chromhandlauf links und rechts ignorierte er. Der war etwas für alte Leute.

Im Erdgeschoss verharrte er einen Moment. Oben waren Stimmen zu hören.

Frazer und sein schweres Schätzchen sprachen miteinander. Chaney nahm an, dass die erste heiße Runde gelaufen war und die zweite noch nicht begonnen hatte.

Dennis Chaney kannte Sona Wilson – vom Wegsehen. Er wusste, wie sie aussah, und konnte nicht verstehen, wie sich Brian Frazer für sie erwärmen konnte, wo er doch daheim eine superschlanke, elegante, bildhübsche Ehefrau hatte. Alles Vorzüge, die Sona Wilson nicht zu bieten hatte. Deshalb fragte sich Chaney – nicht besonders ernsthaft, weil es ihn eigentlich nicht interessierte –, mit welchen Qualitäten Sona sonst aufwarten konnte.

Vielleicht ist Sona klüger als Ethel, dachte Chaney ätzend. Denn die Intelligenz hat Ethel Frazer ja nicht gerade mit der Schöpfkelle gefressen. Auf jeden Fall ist Sona Wilson jünger – mit fünfundzwanzig Jahren exakt halb so alt wie Ethel.

Er zuckte mit den Schultern. »Egal. Nicht mein Bier.«

»Oh, leer«, sagte Sona in diesem Moment bedauernd.

Frazer lachte das selbstgefällige Lachen, das Chaney so sehr an ihm hasste. »Zum Glück habe ich in weiser Voraussicht nicht bloß eine, sondern gleich drei Flaschen Veuve Clicquot mitgebracht.«

»Du bist süß«, sagte Sona.

»Ich hole die zweite Pulle.«

Sona seufzte. »Ach, Brian, du verwöhnst mich so sehr. Ich weiß nicht, womit ich dich verdiene.«

»Also, ich weiß es«, gab er anzüglich zurück und schnalzte wie ein Feinschmecker mit der Zunge, wenn er etwas besonders Delikates auf dem Teller hat. »Nicht weglaufen, Häschen.«

Häschen!, dachte Chaney geplättet. Wie kann er diesen Brummer Häschen nennen? Ist er mit Blindheit geschlagen?

»Bleib genauso liegen, wie du jetzt liegst«, verlangte Brian Frazer von seiner Geliebten.

Dennis Chaney wollte sich das lieber nicht vorstellen.

»Ich bin gleich wieder bei dir«, versprach Frazer.

Irrtum, dachte Chaney frostig. Die tonnenschwere Kleine sieht dich nicht lebend wieder.

Einer der zwielichtigsten Geschäftsleute New Yorks war Rock Sewell. Ein großer, fantastisch aussehender, skrupelloser Emporkömmling, der in den letzten zehn Jahren einen geradezu sensationellen Aufstieg hingelegt hatte und mittlerweile aus jenen Finanzbereichen, wo die Luft schon ziemlich dünn war, nicht mehr wegzudenken war.

Er saß fortwährend in irgendeinem Jet, war heute in Las Vegas, morgen in Shanghai und übermorgen in Reykjavik, traf sich mit Regierungsspitzen und hochrangigen Militärs, hatte Meetings mit einflussreichen Medientycoons, lieferte Waffen in Rebellenregionen, schacherte mit Hilfsgütern aller Art und war nicht gut auf Dennis Chaney zu sprechen, weil sich der geweigert hatte, größere Summen in eines seiner undurchsichtigen Unternehmen zu investieren, wie er es ihm vorgeschlagen hatte. Er hasste es, wenn etwas nicht nach seinem Kopf ging. Deshalb mochte er auch Dennis Chaney nicht mehr, seit der ihm die kalte Schulter gezeigt hatte.