Jerry Cotton 3425 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 3425 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Phil und ich landeten auf dem Flughafen Schiphol und wurden dort von unserem Kollegen Tony Rogers empfangen, mit dem wir bereits öfter das Vergnügen gehabt hatten. Der MI6-Agent befand sich in den Niederlanden, um den Transport des ehemaligen afghanischen Warlords Baqir Bakhtari zu überwachen. Dem sollte in zwei Tagen vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag der Prozess wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit gemacht werden. Mein Partner und ich waren als Zeugen geladen. Doch am ersten Prozesstag wurde der Konvoi mit Bakhtari überfallen - und der frühere Warlord von einem Mitglied des angeblichen Befreiungstrupps kaltblütig exekutiert. Und schon bald geriet ich ebenfalls in das Visier einer unbekannten Partei!


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Seitenzahl: 141

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhalt

Cover

Auch große Fische sterben

Vorschau

Impressum

Auch große Fische sterben

Mit einer Pistole des Kalibers .45 ist nicht zu spaßen, besonders dann nicht, wenn sie aus kürzester Entfernung auf einen gerichtet wird. Egal wie schnell man ist, es ist so gut wie unmöglich, sich beispielsweise, wie man es gern in Filmen sieht, durch einen Hechtsprung aus dem Schussfeld zu retten. Der Schütze, wenn er auch nur einen einzigen Schuss Pulver wert ist, was in diesem Fall wohl die angebrachte Metapher ist, kann einen nicht verfehlen. Vielleicht trifft er, wenn er zur langsameren Sorte gehört, nicht tödlich, aber das ist völlig unerheblich. Treffen wird er, und den Rest kann er im Anschluss in aller Ruhe erledigen, während man selbst noch, vom Schock betäubt, am Boden liegt.

Nicht, dass sich mir die Möglichkeit zu einem schnellen Ausweichmanöver geboten hätte. Schließlich hing ich an einem nur noch durch einen letzten Kletterhaken gesicherten Seil, mit dessen Hilfe ich soeben den Aufstieg an einer Klippe beendet hatte, während unter mir die Wellen des Nordatlantiks tobten.

Und nicht zum ersten Mal in den letzten Tagen stellte ich mir die Frage, wie ich bloß in diese haarsträubende Geschichte geraten war ...

Als Phil und ich nach einem mehrstündigen Flug auf dem Amsterdamer Flughafen Schiphol landeten, streute man zu unserem Empfang zwar nicht gerade Tulpen, obwohl die niederländischen Gewächshäuser die sicher hergegeben hätten, dafür erwartete uns auch kein Begrüßungskomitee, das sofort das Feuer auf uns eröffnete.

Es gibt schlechtere Anfänge für den Beginn einer Reise, dachte ich. Auch wenn die Umstände, die dazu geführt hatten, dass wir uns nun in den Niederlanden befanden, alles andere als angenehm waren.

Wir waren gekommen, um vor dem Internationalen Strafgerichtshof der Vereinten Nationen in Den Haag gegen Baqir Bakhtari auszusagen, einen ehemaligen afghanischen Warlord, den wir vor ein paar Monaten dingfest gemacht hatten – nachdem wir ihm seine Pläne gründlich versalzen hatten.

Alles hatte mit dem angeblichen Ableben unseres Freunds Tony Rogers begonnen. Der MI6-Agent, mit dem wir bereits früher zusammengearbeitet hatten, war laut offiziellen Berichten bei einem Autounfall ums Leben gekommen, nur um einige Zeit später überaus lebendig in meinem Apartment aufzutauchen und Phil und mich um unsere Hilfe bei der Ergreifung besagten Warlords zu bitten.

Tony hatte seinen Tod vorgetäuscht, um Bakhtari und einen Verräter, den er in den Reihen des MI6 oder der Regierung vermutete, in dem Glauben zu lassen, dass von ihm, Tony, keinerlei Gefahr mehr für deren Pläne ausginge. Nach einer Jagd um den halben Globus zogen wir Bakhtari schließlich aus dem Verkehr, bevor er ein ganzes Dorf in Afghanistan mithilfe eines von einem russischen Wissenschaftler entwickelten neuartigen Kampfstoffs ausradieren konnte. Den Wissenschaftler wollte er nach der erfolgreichen Präsentation von dessen Erfindung an den Meistbietenden versteigern. Auf diese Weise wollte er an zusätzliche Geldmittel gelangen, die seine endgültige Rückkehr in die vor Jahren von ihm beherrschte Provinz mitfinanzieren würden, aus der ihn die NATO-Streitkräfte im Laufe des Kriegs in Afghanistan verjagt hatten. Doch wie bereits gesagt, wir machten ihm einen Strich durch die Rechnung. Auch die Identität des Verräters in den eigenen Reihen hatte Tony im Zuge unserer Ermittlungen herausgefunden.

Und nun waren wir in den Niederlanden, um gegen Bakhtari auszusagen, der wegen früherer und neuer begangener und versuchter Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt worden war.

Durchaus eine Situation, in der man mit einem Empfangskomitee der bewaffneten Sorte rechnen konnte, das potenziellen Zeugen alles andere als wohlgesonnen war. Wir hatten jedoch Glück.

Als wir aus der Gepäckausgabe in die Halle des Flughafens traten, erwartete uns trotzdem jemand.

»Jerry! Phil!« Tony Rogers kam auf uns zu, ein Grinsen im Gesicht. »Wie war euer Flug?«

»Besser als der nach Peschawar, bevor wir nach Afghanistan aufgebrochen sind«, sagte ich.

»Oder der aus Afghanistan heraus«, ergänzte Phil. »Ich liebe es, wenn man nicht auf uns schießt.«

Tonys Gesichtsausdruck wurde ernst. »Hoffen wir, dass es so bleibt.«

Einen Moment schwiegen wir, dann fragte ich: »Gibt es denn konkrete Anzeichen dafür, dass die Leute oder alten Verbündeten unseres Freunds etwas planen?«

Tony zuckte mit den Schultern. »Keine konkreten Anzeichen, aber das bedeutet nicht viel. Bei einem Kerl wie Mister B sollte man mit allem rechnen.«

»Das ist leider wahr.« Auch Phils Miene hatte sich verfinstert. »Deshalb sind wir ja auch nicht direkt zum Flughafen Rotterdam / Den Haag geflogen, sondern haben den kleinen Umweg über Amsterdam gewählt.«

Tonys erneut aufblitzendes Lächeln riss uns aus den trüben Gedanken. »Denken wir später darüber nach. Mein Wagen steht draußen. Jetzt lasst uns erst mal etwas essen. Es ist schon Nachmittag.«

Phil rieb sich den Bauch. »Nach New Yorker Zeit noch nicht, ich könnte trotzdem eine Kleinigkeit vertragen. Das Essen im Flugzeug war ...«

»... interessant«, sagte ich.

»Ach, doch so gut.« Tony wandte sich dem Ausgang zu. »Umso schneller sollten wir uns auf den Weg machen.«

Anstatt direkt nach Den Haag zu fahren, chauffierte uns Tony in einen kleinen außerhalb der Großstadt gelegenen Ort an der Nordsee. In einem Restaurant, das auf einer Holzplattform am Rand des Strands thronte, hockten wir uns abseits der Touristen in eine ruhige Ecke und bestellten.

Als Phil schließlich sein Omelett und ich meinen Pfannkuchen mit Speck vor uns hatten, beugte sich Tony vor, der sich mit einem Kaffee zufriedengegeben hatte, und sagte ernst: »Ich komme noch einmal auf unser Gespräch von vorhin zurück. Es gibt keine konkreten Hinweise darauf, dass irgendjemand die Befreiung von Mister B plant.« Er vermied es erneut, in Gegenwart von Fremden den Namen des Warlords auszuposaunen. »Für den Fall der Fälle, ist der Gefangenentransport so arrangiert, dass der Mistkerl garantiert vor Gericht landet. Zurzeit befindet er sich, wie schon seit ein paar Tagen, in einer geheimen Einrichtung auf dem Land und wartet darauf, am ersten Verhandlungstag nach Den Haag gebracht zu werden.«

»Du hast ihn von England dorthin eskortiert?«, fragte ich.

Tony nickte. »Und ich bin auch dafür verantwortlich, ihn zum Gericht zu schaffen.«

Phil legte eine taktische Essenspause ein und platzierte Gabel und Messer einstweilen auf dem Teller. »Wie wird der Transport ablaufen?«

Tony hob die Schultern. »Fast möchte ich sagen, so wie es in solchen Fällen gemeinhin üblich ist.«

»Also verschiedene Konvois, die unterschiedliche Routen nehmen, während sich der echte Mister B nur in einem davon befindet«, stellte ich fest.

Tony lachte auf. »Anders geht es ja auch nicht. Es sei denn, wir schneiden ihn in Scheiben, aber das ist wohl eher sein Fachgebiet.«

»Wäre es das nicht, wäre er nicht hier«, sagte Phil grimmig.

»Und genau da soll er bleiben, zumindest bis er verurteilt ist. Danach wird er in eine Haftanstalt überstellt, und wenn er erst einmal dort ist, werfen sie hoffentlich den Schlüssel zu seiner Zelle weg.«

Schweigen legte sich über den Tisch, als wir daran dachten, wie Bakhtari versucht hatte, das Dorf auszurotten zu lassen, nur um zu zeigen, dass der von »seinem« entführten Wissenschaftler entwickelte Kampfstoff hochgradig wirkungsvoll war. Das wiederum hätte den Preis bei der anschließend geplanten Versteigerung des Entwicklers merklich in die Höhe getrieben. Wenn das kein Paradebeispiel für Menschenverachtung und sogenannten Raubtierkapitalismus war, wusste ich es auch nicht. Und das nur, um die Kontrolle über ein Gebiet zurückzuerlangen, von dem aus er, wie in der Vergangenheit, regen Handel mit Opium und Waffen treiben konnte. All das selbstverständlich weiter auf Kosten der zivilen Bevölkerung.

»Wir werden jeweils einen gepanzerten Van und zwei Begleitfahrzeuge auf drei unterschiedlichen Routen zum Gerichtshof fahren lassen.«

»Scharfschützen?«, fragte Phil.

»Sind an ein paar strategischen Punkten platziert, das war's auch schon. Mister B ist zwar ein gemeingefährlicher Dreckskerl und hat unzählige Leben auf dem Gewissen, andererseits ist er nicht wichtig genug, um noch mehr Sicherheitsvorkehrungen zu rechtfertigen. Und in Ermangelung von ernst zu nehmenden Hinweisen auf einen Befreiungsversuch ...« Erneut hob Tony vielsagend die Schultern. »Jedenfalls sollten wir den Transport, so wie die Dinge jetzt liegen, ohne Probleme durchführen können.«

»Hätte, könnte, sollte«, murmelte ich.

»Ich weiß, was du meinst, aber so macht man das hier nun mal. Es wurden schon wesentlich schwerere Kaliber als unser Freund vor Gericht geschafft, und nie ist etwas passiert.«

»Ja«, sagte ich. »Alles ist immer Spaß und Spiel, bis jemand ein Auge verliert.«

»Was soll ich sagen? Anweisung von oben.«

Phil verzog das Gesicht. »Na, dann können wir ja beruhigt sein.«

»Das sollten wir. Es ist alles organisiert, und ich habe die Planung und Vorbereitung unzählige Male durchgespielt und überprüft. Darüber hinaus werde ich bei Mister B im Van sitzen. Und glaubt mir, ich werde ihn nicht aus den Augen lassen.« Er wechselte das Thema. »Auf eure Aussagen seid ihr, wie ich euch kenne, bestimmt tadellos vorbereitet.«

Phil schnaubte. »Wir machen das ja nicht zum ersten Mal.«

»Außerdem hatten wir ein paar Videokonferenzen mit der Anklägerin des IStGH Sara Maseko«, sagte ich. »Und morgen am späten Vormittag treffen wir uns persönlich zu einem Informationsgespräch mit ihr.«

»Davon hat sie mir erzählt.« Tony blickte auf unsere mittlerweile leeren Teller und sah uns fragend an. »Bereit fürs Hotel? Wir wollen doch nicht, dass ihr übermorgen, wenn die Anklage verlesen wird, aufgrund eures Jetlags im Gerichtssaal einschlaft.«

»Keine Bange«, versprach ich. »Wir werden hellwach sein.«

Am nächsten Vormittag trafen wir uns wie vereinbart mit der Anklägerin im Fall Baqir Bakhtari. Sara Maseko stammte aus Südafrika. Ich schätzte sie auf Mitte dreißig. Ihre dunkle Haut harmonierte perfekt mit dem Businessanzug, den sie trug. Für eine Anklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs, die sich tagtäglich mit den ausufernden Gräueln befassen musste, die manche Menschen ihresgleichen antaten, war ihr Lächeln ausgesprochen warm und herzlich, als sie uns begrüßte. Dahinter konnte ich jedoch die Härte spüren, mit der Bakhtari ab morgen Bekanntschaft machen würde, etwas, worum ich ihn nicht beneidete.

Wir saßen uns in ihrem Büro in einem der Neubauten in der Alexander-Kaserne in Scheveningen gegenüber, dem Sitz des Strafgerichtshofs.

»Sie werden natürlich nicht gleich morgen aussagen«, sagte Sara Maseko. »Zum Auftakt wird wie üblich zunächst die Anklageschrift verlesen, was allein schon ein bis zwei Tage dauern dürfte. Schließlich geht es in der Verhandlung nicht nur um die vor Kurzem von Bakhtari verübten und versuchten Verbrechen, sondern auch um all das, was er sich in der Vergangenheit hat zuschulden kommen lassen. In der Zeit, bevor er untergetaucht war.«

Das war uns von vorneherein klar gewesen, doch Mr. High hatte darauf bestanden, dass wir den Auftakt der Verhandlung miterleben sollten.

»Falls sich Ihre Aussage sehr weit nach hinten verschiebt, können Sie zwischenzeitlich immer noch nach New York zurückkehren, bis Sie wieder vor Gericht gebraucht werden«, hatte er erklärt. »Aber die Anklageverlesung sollten Sie nicht verpassen. Das rundet das Bild, das Sie von dem Mann gewonnen haben, auch für Sie ab. Außerdem können Sie mal ein paar Tage Pause gebrauchen. Und ein bisschen Freizeit wird im Rahmen Ihres Besuchs in den Niederlanden sicher drin sein. Machen Sie sich, wann immer Sie nicht benötigt werden, ein paar angenehme Tage, soweit das möglich ist, wenn Sie mit den Taten dieses Verbrechers konfrontiert werden. Sammeln Sie Kraft für die Arbeit, die Sie hier in New York erwartet, wenn Sie wieder zurückkehren. Lassen Sie in Scheveningen die Füße in die Nordsee baumeln, und sehen Sie sich Vermeers Mädchen mit dem Perlenohrgehänge im Mauritshuis an oder was immer Ihnen sonst einfällt.«

Das waren keine schlechten Ideen. Bislang hatten wir das Meer nur kurz genossen und definitiv noch keinen Blick auf die Kunst alter niederländischer Meister geworfen, lediglich auf die neue Architektur des Komplexes, der den Internationalen Strafgerichtshof seit 2016 beherbergt. Was mich zu einer Frage brachte, die ich mit mir herumtrug, seit Tony erzählt hatte, dass sich Bakhtari in einer geheimen Einrichtung auf dem Land befinde.

»Warum ist der Angeklagte eigentlich nicht in einem der hiesigen Hochsicherheitsbauten der United Nations Detention Unit untergebracht, während er auf den Beginn seiner Verhandlung wartet?«

»Das war eine Entscheidung der UN, des Gerichtspräsidiums und der niederländischen Regierung – und natürlich der britischen Regierung, in deren Gewahrsam er sich befand.«

Sara Maseko zuckte kaum merklich mit den Schultern. Es war klar, dass sie keinen Einfluss auf diese Entscheidung gehabt hatte.

»Die beteiligten Entscheidungsträger schienen es für sicherer zu halten, auf diese Weise vorzugehen. So ist der genaue Aufenthaltsort des Angeklagten vor der Verhandlung nicht leicht herauszufinden. Dementsprechend sind eventuelle Befreiungs- oder Ausbruchsversuche schwerer zu bewerkstelligen, da mögliche Täter nicht mit den zum Teil bekannten Gegebenheiten vor Ort planen können. Aus diesem Grund betreiben wir diverse Einrichtungen wie diejenige, in der Bakhtari derzeit einsitzt.«

So weit, so gut.

Wir unterhielten uns noch eine Weile mit der Anklägerin und versprachen, morgen Vormittag vor Beginn der Verhandlung da zu sein. Dann verließen wir die Alexander-Kaserne und schlenderten durch einen riesigen Park mit großen Waldstücken in die Richtung, in der wir das Meer vermuteten.

Ein paarmal verfranzten wir uns und fanden schließlich doch das richtige Ende des Parks, nur um sofort in einem weiteren zu landen, der ein bisschen weniger wild wirkte. Wir folgten dem Ufer eines künstlichen Sees und erreichten endlich ein paar Vorstadtstraßen, die uns zu einem Theater führten.

»Ich dachte schon, wir würde nie wieder in die Zivilisation zurückfinden«, sagte ich. Mein Magen knurrte.

Phil warf einen Blick auf die Markise des Theaters und knurrte: »Aber dem König der Löwen kann man nicht mal hier entkommen.«

Ich folgte seinem Blick und lächelte.

»Stimmt.« Ich wandte mich dorthin, wo größere Menschenmassen das touristische Herz des Seebads ankündigten.

Und stutzte.

Phil, der mein momentanes Zögern gespürt hatte, fragte leise: »Was ist?«

»Nenn es Paranoia, aber ich glaube, den Mann dort hinten habe ich schon in dem größeren der beiden Parks gesehen. Zumindest trug er ziemlich ähnliche Kleidung.«

Unauffällig folgte Phil meinem Blick. »Könnte sein, andererseits ist er nicht auffällig gekleidet. Dass die beiden ähnliche Sachen tragen, kann reiner Zufall sein.«

Da musste ich ihm recht geben. Der Typ sah wirklich so aus wie jeder Zweite oder Dritte, den wir auf den Straßen oder in den Parks zu Gesicht bekommen hatten. Groß, blond und schlank, verwaschene hellblaue Jacke und Hemd, leichte Freizeithose, Rucksack.

»Vermutlich ein Tourist oder jemand, der gerade Mittagspause macht«, sagte Phil. »Lass uns einfach den bewährten Test machen.«

In den nächsten zwanzig Minuten schlängelten wir uns durch das Zentrum Scheveningens, blieben hier und dort stehen, wechselten unerwartet die Richtung, warfen Blicke in Schaufenster, um zu sehen, was hinter uns passierte. Der Mann blieb nicht einmal die ersten fünf Minuten in unserer Nähe.

»Beruhigt?«, fragte Phil.

»Ja. Vermutlich hat mich Tonys Bemerkung darüber, dass nichts sicher ist, bis Bakhtari tatsächlich vor Gericht steht, nur übervorsichtig gemacht.«

Phil grinste.

»Es ist nichts Falsches an ein bisschen Paranoia.« Er deutete auf das von einer Kuppel gekrönte Kurhaus aus dem 19. Jahrhundert, von dem aus man einen hervorragenden Blick auf den Strand und die See haben musste. »Hast du Lust, eine Kleinigkeit auf Staatskosten zu essen?«

Ich zwinkerte ihm zu. »Es geht doch nichts über ein großzügiges Spesenkonto und die Anweisung vom Chef, neben der Arbeit auch ein bisschen die Seele baumeln zu lassen.«

Nach einem hervorragenden Essen mischten wir uns unter die Touristen, die den Strand und die dazugehörige Promenade bevölkerten, und liefen bis ans Ende des Piers, der von einem Riesenrad überragt wurde.

»Coney Island light«, bemerkte Phil.

Ich war gerade dabei, einem Wagemutigen zuzusehen, der sich, von einem Bungeeseil gesichert, von einem Turm in die Nordseewellen stürzte, als Phil neben mir ein nachdenkliches Brummen von sich gab. Sofort wandte ich meine Aufmerksamkeit ihm zu.

»Der Typ da drüben«, sagte er, während er so tat, als lehnte er sich entspannt an die Reling des Piers, »den habe ich definitiv im Kurhaus gesehen. Hat sich an einem Glas Cola festgehalten, während wir gegessen haben.«

Ich folgte seinem Blick. Mir war der Mann nicht aufgefallen. Vermutlich hatte er in meinem Rücken gesessen. Auch er sah wie der typische Tourist oder Normalbürger aus, der einen freien Tag genoss.

»Vielleicht ist er nur einer von der sparsamen Sorte«, versuchte ich diesmal, uns beide zu beruhigen.

»Vielleicht.«

Und wieder spielten wir das Wir-lassen-einen-potenziellen-Verfolger-auffliegen-Spielchen, das wir schon vorhin gespielt hatten. Mit demselben Ergebnis wie zuvor.

»Freut mich, dass ich nicht der einzig Paranoide bin, der sich hier herumtreibt«, sagte ich schließlich.

Phils Antwort bestand aus einem vielsagenden Knurren.

Wir trieben uns noch eine Weile in Scheveningen herum, dann nahmen wir eine Straßenbahn ins Zentrum Den Haags und kehrten in unser Hotel zurück. Kurz bevor wir es betraten, blieb ich stehen, weil ich nach dem Grund für das kurze Hupkonzert sehen wollte, das hinter uns ertönte. Die beiden Wagen, die sich um die Vorfahrt stritten, waren sofort vergessen, als ich zwischen den Menschen auf der anderen Straßenseite eine verwaschene hellblaue Jacke und eine leichte Sommerhose aufblitzen sah. Ich reckte den Hals, um zu sehen, ob es der blonde Mann aus Scheveningen war, doch die Menge hatte ihn bereits verschluckt.

Ich fluchte leise.

»Was ist los?«, erkundigte sich Phil.

»Ich weiß nicht, aber ich denke, wir sollten mit Tony telefonieren.«