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Liam Young wurde tot in seinem Apartment aufgefunden. Der Comedian war in Geldschwierigkeiten geraten, weil der Fernsehsender, bei dem er eine Late-Night-Show gehabt hatte, ihn gefeuert hatte. Der Comedian war während einer Sendung ausfällig gegenüber einem weiblichen Gast geworden. Auch seine Ehefrau Sunny Vanderbilt, ihres Zeichens Influencerin, hatte ein millionenschweres Motiv. Die Verdächtige wurde noch am selben Tag verhaftet. Sie behauptete vor Gericht, dass sie zwei Tage vor der Ermordung ihres Mannes von einem Unbekannten entführt worden sei. Seitdem leide sie unter einer Amnesie. Der psychiatrische Gutachter vor Gericht beeidete, dass die Frau log. Sie wurde wegen Mord verurteilt. Drei Monate nach dem Prozess wurde die Influencerin Chloe Ross getötet. Und damit bekamen wir vom FBI den Fall auf den Tisch und erlebten unser blaues Wunder!
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Seitenzahl: 140
Veröffentlichungsjahr: 2023
Cover
Tod einer Influencerin
Vorschau
Impressum
Tod einer Influencerin
Als Walter Fisher, seit vierzig Jahren Liftboy in einem Apartmenthaus in der Park Avenue, gegen Ende seiner Schicht immer noch den Schlüssel im Schloss des Apartments von Liam Young und seiner Ehefrau baumeln sah, beschloss er zu handeln. Dreimal hatte er heute schon den Fahrstuhl in der siebzehnten Etage zum Stehen gebracht, gewartet, bis seine Fahrgäste ausgestiegen waren, und sich gewundert, warum der Schlüssel von außen steckte. Er mochte Mr. Young nicht, mochte seine Witze nicht, die er jeden Abend in seiner Late-Night-Show herunterrasselte, und fühlte sich in seinem Gerechtigkeitssinn bestätigt, seit er von der Entlassung des Comedians wegen des Vorfalls in seiner letzten Show gehört hatte.
Er wollte doch mal sehen, wie so ein Mensch lebte, der damit steinreich geworden war, dass er sich jeden Abend vor einem Millionenpublikum über andere Menschen lustig machte. Nur mal sehen, ob jemand zu Hause war, und dann Meldung an das Management machen, dass Mr. Young seinen Schlüssel hatte stecken lassen.
Walter Fisher blockierte den Fahrstuhl mit seinem Code, sah sich im Flur um und ging zu der Tür direkt gegenüber des Lifts, betätigte die Türglocke und wartete, bis er sich sicher sein konnte, dass niemand daheim war. Dann drehte er den Schlüssel um, öffnete die Tür und trat ein.
Er stand im Flur und blickte direkt ins Wohnzimmer. Von der Decke hing etwas, was auf den ersten Blick wie eine Mumie aussah, die mit den Füßen nach oben, Kopf nach unten, in der Luft schwebte und sich langsam um sich selbst drehte. Nur, dass diese Mumie nicht in weiße Bandagen, sondern vom Scheitel bis zu den Füßen in pechschwarzes Isolierband gehüllt war. Glänzendes Tape, das dem Körper das Aussehen einer riesigen Made verlieh, die sich, an einer Eisenkette hängend, verpuppt hatte, um zu einem Schmetterling zu werden.
Phil und ich waren gerade damit beschäftigt, unsere persönlichen Notizen zu unserem letzten Fall zu digitalisieren und ins System einzuspeisen, als Dr. Iris McLane, unsere Psychologin, mit drei Bechern Coffee to go und einem Pappkarton voller Donuts in unser Büro kam, sich auf einen der freien Stühle vor meinem Schreibtisch setzte und den Karton und einen der Becher vor mich hinstellte.
»Ich schulde euch was«, sagte sie und sah mich lächelnd an.
»Wofür?«, wollte ich wissen. »Wir haben uns seit fast vier Wochen nicht gesehen. Was haben wir getan, dass wir das ...«
»... verdienen?«, unterbrach Phil mich, der sofort um seinen Schreibtisch herum geschossen war, sich neben Iris auf meinen zweiten Besucherstuhl fallen lassen und den Pappkarton aufgeklappt hatte, um zuzugreifen. »Verdienen tun wir das auf alle Fälle, egal was es war und wann es war.« Dann biss er herzhaft in einen Donut und fuhr in meine Richtung fort: »Man fragt nicht, wenn einem so etwas angeboten wird. Wie lange hast du schon keinen Dienst mehr auf der Straße gemacht, dass du das nicht mehr weißt?«
Ich grinste, nahm einen Schluck Kaffee und sah Iris an.
Ich meinte, einen Schatten über ihr Gesicht huschen zu sehen.
»Also«, fragte ich nach, »warum sollten wir dir was schulden?«
»Weil ich eure professionelle Meinung brauche«, sagte sie, während ich mit einer Handbewegung den Donut ablehnte, den Phil mir über den Tisch reichte.
Phil bemerkte den ernsten Unterton in Iris' Stimme, ließ den angebissenen Donut in den Karton fallen und wischte sich den Mund ab.
»Worum geht es?«, fragte ich und setzte mich in eine Position, die Aufmerksamkeit signalisierte.
»Sunny Vanderbilt«, antwortete sie. »Erinnert ihr euch an den Fall?«
»Influencerin im Bereich Lifestyle, mit Schwerpunkt auf die New Yorker Partyszene«, bestätigte ich. »Wurde vor drei Monaten wegen des Mordes an ihrem Mann schuldig gesprochen. Eine Beziehungstat, wie es aussah. Ihr Mann war dieser Comedian und Late-Night-Talker Liam Young, den man vor knapp einem Jahr gefeuert hatte, weil er der Gouverneurin von Alabama während eines Sketches an die Brust gefasst hatte. Sunny Vanderbilts Verteidigung hat auf unschuldig plädiert. Angeblich ist sie entführt worden und kann sich an nichts erinnern, außer dass sie ihren Mann nicht getötet hat. Der Mann hing von der Decke in ihrem Apartment, Todesursache Ersticken. Jemand hatte ihn in Gaffatape eingewickelt, Mund und Nase inklusive.«
Iris nickte.
»Sie musste zugeben, dass sie und ihr Mann mit gewissen Bondagepraktiken experimentiert haben. Dafür hatten sie im Wohnzimmer eine Deckenkonstruktion aus Stahl angebracht, die den Tag über als Schiene für die Beleuchtung diente, aber mit ein paar Handreichungen auch als Gerüst für diverse Fesselspiele genutzt werden konnte, mit einer Seilwinde und allem, was man braucht, um einen Körper bis unter die Decke zu ziehen.«
»Experimentieren ist nett ausgedrückt«, sagte Phil. »Die beiden haben Sado-Maso-Partys veranstaltet. Und sie wollte sich von ihrem Mann scheiden lassen nach seinem Rauswurf. Er war pleite, sie hat Millionen auf ihrem Konto. Und sie ist geflüchtet.«
»Geflüchtet würde ich das nicht nennen«, wandte Iris vorsichtig ein. »Man hat sie in einem Motel in Harlem aufgegriffen. Sie war vollkommen verwirrt, wusste nicht, wo sie war, wer sie war und wie sie dorthin gekommen ist.«
»Hat sie behauptet«, beharrte Phil. »Der psychiatrische Gutachter hat ihr die Amnesie nicht abgenommen.«
Iris McLane runzelte die Stirn. »Ich kenne den Gutachter. Für ihn ist schon die Tatsache, dass man gewisse Praktiken pflegt, ein Zeichen für eine psychische Störung und Beweis genug, dass man zu jeder Perversion fähig ist. Das ist Psychologie des letzten Jahrtausends.«
»Was noch nicht heißt, dass der Gutachter unrecht damit hatte, dass die Amnesie nur gespielt war«, gab ich zu bedenken. »Auf jeden Fall passte alles zusammen: Motiv, Gelegenheit und Mittel, um die Tat auszuführen. Was lässt dich jetzt glauben, dass deine Zweifel nicht rein persönlicher Natur sind?«
»Das hier.« Iris legte mir ein offizielles Anschreiben des NYPD auf den Tisch. »Ich wurde um Amtshilfe gebeten. Die psychologische Abteilung des NYPD ist chronisch unterbesetzt. Ich soll heute noch ein vorläufiges Gutachten über einen Verdächtigen anfertigen, der des Mordes an einer jungen Frau beschuldigt wird. Chloe Ross war eine Influencerin wie Sunny, ungefähr eine halbe Million Follower. Nicht so viele, wie Sunny hatte, aber aller Anfang ist schwer. Die Tat ist erst heute morgen entdeckt worden. Die Tote lag auf ihrem Bett, eingewickelt von Kopf bis Fuß in schwarzes Gaffatape.«
Ich sah mir das Schreiben an, in dem die wesentlichen Fakten aufgezählt waren.
»Wenn es stimmt, was du andeuten willst, dann ist das ein Fall für uns«, sagte ich. »Ein Serientäter. Ich frage mich, warum das NYPD nicht von selbst darauf gekommen ist.«
»Es war, wie gesagt, erst heute morgen«, erwiderte Iris. »Vielleicht fanden die Kollegen, dass das Tape allein zu wenig ist, um auf eine Verbindung zu tippen. Und der Vanderbilt-Fall gilt als abgeschlossen. Doch ich dachte mir schon, dass euch das interessieren wird.«
Wir ließen uns vom NYPD die Akten rüberschicken und meldeten höheren Ortes an, wir würden den Fall übernehmen, sollten wir Hinweise darauf finden, dass es sich hier um einen Serienmörder handelte.
»Weißt du schon Genaueres über Dean Foster, den man verdächtigt, Iris?«, fragte ich, nachdem ich mir einen ersten Überblick verschafft hatte.
»Nur, was da steht«, antwortete sie. »Wohnt im selben Haus. Sie hatte ihn vor einem Jahr wegen Stalking angezeigt. Es kam zu einer Anhörung vor Gericht, aber es gab zu wenig Beweise. Foster behauptete, dass sie ihn nur aus Enttäuschung angezeigt habe, weil er nicht auf ihre Annäherungsversuche eingegangen sei.«
»Eine gängige Ausrede bei solchen Typen«, brummte ich.
»Und sie hat nicht versucht, eine andere Bleibe zu finden?«, wollte Phil wissen.
»Warum sollte sie? Sie war das Opfer, nicht die Täterin. Und es hat danach auch keine weiteren Vorfälle gegeben.«
»Könnte also was dran sein, dass die Anzeige keinen wirklichen Grund hatte?«, meinte ich.
Iris zuckte mit den Schultern. »Kann ich nicht sagen, da ich Chloe Ross nicht kannte, aufgrund ihres Profils würde ich nicht darauf tippen, dass sie zur Überempfindlichkeit neigte. Sie hat ihre Fangemeinde über die wilde New Yorker Partyszene auf dem Laufenden gehalten. Das kann man wohl kaum tun, wenn man Prinzessin auf der Erbse spielt. Wenn da was war, muss es heftig gewesen sein.«
»Okay«, seufzte ich. »Wir werden uns Foster wohl mal persönlich anschauen müssen, auch wenn ich glaube, dass er es nicht war.«
»Und warum nicht?«, fragte Phil.
»Wenn Foster Chloe Ross getötet hat und wir mit unserer Vermutung richtig liegen, dass unsere beiden Fälle zusammengehören, dann müsste er auch Young getötet haben.«
Phil sah mich nur an und machte eine Handbewegung, dass ich fortfahren sollte.
»Ich hänge mich mal weit aus dem Fenster«, sagte ich. »Foster ist, wenn es stimmt, was die Kollegen hier festgehalten haben, Bauingenieur und ein Freund von Pferderennen. In seiner Wohnung lagen stapelweise Wettzeitschriften herum. Obwohl er eine Stange Geld verdient, war die Wohnung nur mäßig eingerichtet.«
Ich reichte Phil ein paar Fotos, die die Kollegen bei der Verhaftung von Foster vor einem Jahr gemacht hatten. »Schau dir die Möbel an, das ist Katalogware. Eher unter seinem Verdienstniveau. Ich würde ein Monatsgehalt wetten, dass er sein ganzes Geld auf der Pferderennbahn gelassen hat. Wahrscheinlich ist er sogar verschuldet. Was soll so ein Mann in der New Yorker Partyszene? Und warum sollte er sich für hippe Influencerinnen interessieren? Er las Wettzeitschriften, keine Social-Media-Kanäle. Also woher, frage ich dich, sollte er Liam Young oder Sunny Vanderbilt gekannt haben?«
Phil wollte etwas erwidern, aber Iris kam ihm zuvor. »Willst du damit andeuten, beide Morde sind darauf zurückzuführen, dass die Opfer in Kontakt miteinander standen?«
Ich nickte.
»Will mich vielleicht jemand aufklären?«, monierte Phil. »Ich hänge immer noch bei Foster fest.«
»Vergiss Foster«, sagte ich. »Und vergiss auch erst einmal, dass es um Young ging. Es ging bei dem ersten Mord vielleicht gar nicht um ihn, sondern um Sunny Vanderbilt. Sie und Chloe Ross sind beziehungsweise waren beide Influencerinnen in derselben Szene. Wahrscheinlich kannten sie sich sogar. Das ist die einzige Verbindung, die beide Fälle aufweisen, außer die Art der Morde natürlich. Und wenn es um das Motiv geht, müssen wir vielleicht die New Yorker Partyszene aufmischen. Irgendwem sind die zwei auf die Krawatte getreten.«
»Das würde heißen, dass die Geschichte von der Entführung doch wahr ist«, meinte Iris. »Und der Entführer ist der Mörder? Warum hat er Young dann umgebracht und nicht sofort Sunny Vanderbilt, als er sie schon in den Fingern hatte?«
Ich zuckte mit den Schultern.
»Das werden wir herausfinden müssen«, sagte ich vorsichtig und sah mir die Fotos von den beiden Tatorten noch einmal genau an. Chloe Ross hatte auf ihrem Bett gelegen, eingepackt in schwarzes Tape, ganz genauso wie man Liam Young gefunden hatte, nur dass der eben an der Decke gehangen hatte. »Lasst uns mal den Tatort besichtigen. Bei Young ist das ja leider nicht mehr möglich. Ich möchte mir wenigstens bei Chloe Ross ein Bild vor Ort machen, bevor wir irgendwas an die große Glocke hängen.«
Wir fuhren zur Wohnung von Chloe Ross, wo die Kollegen vom NYPD gerade damit beschäftigt waren, die Wohnungstür zu versiegeln. Wir zeigten unsere Marken und deuteten an, dass wir ab jetzt übernehmen würden. Die Kollegen waren nicht begeistert, aber nach einem kurzen Telefongespräch mit ihrem Vorgesetztem überließen sie uns das Feld.
Wir durchsuchten die Wohnung und fanden nichts, was uns nicht auch schon das Protokoll des NYPD verraten hätte. Natürlich hatten die Kollegen auch die Festplatten von Chloe Ross' Computer und alles, was es an digitalen Medien gab, mitgenommen. Wir telefonierten noch in der Wohnung mit unserem IT-Spezialisten Dr. Ben Bruckner und baten ihn, dass er sich alles von den Kollegen geben lassen und gründlich untersuchen sollte. Dann verließen wir das Apartment frustriert, dass wir nichts Neues hatten finden können. Noch in der Tür zum Flur begegnete uns eine junge Frau in Jeans und T-Shirt, mit einem kleinen Hund auf dem Arm. Er knurrte uns leise an, als wir aneinander vorbeigingen. Die Frau wich uns misstrauisch aus und drehte sich dann zu uns um.
»Und?«, fragte sie, wartete, bis auch wir uns umgedreht hatten, und fuhr fort. »Haben Sie den Dreckskerl endlich verhaftet?«
»Wie meinen Sie?«, fragte ich.
»Na, Foster natürlich«, antwortete die Frau mit vor Wut zitternder Stimme. »Der hat sie umgebracht, oder?«
Mir war nicht wohl bei der Sache, ich wollte jedoch nicht, dass die Gerüchteküche anfing zu brodeln. Ich glaubte nicht, dass Foster mit unserem Fall zu tun hatte, und ob er Chloe Ross belästigt hatte oder nicht, niemand verdiente, von seinen Nachbarn als Mörder verunglimpft zu werden.
»Wir wissen nicht, ob er es war«, sagte ich deshalb. »Wahrscheinlich war er es nicht.«
Die junge Frau zuckte zusammen, als hätte sie einen Stromstoß erhalten.
»Wie bitte?«, stieß sie hervor, schwankte etwas und knickte mit einem Fuß um, dass sie fast gefallen wäre und sich an der Flurwand abstützen musste. »Ich dachte, Sie hätten diesen Verbrecher. Er kommt doch nicht wieder frei?«
Der Hund bellte in ihrem Arm und quiekte einmal auf, als die Frau ihn zu fest an sich drückte. Sie ließ ihn hinunter auf den Boden, und das Tierchen lief sofort weg und um die nächste Ecke.
Ich hob den Arm und öffnete den Mund, um etwas Beruhigendes zu sagen. Iris McLane packte meinen Arm und bog ihn wieder hinunter.
»Am besten, ihr haut jetzt mal ab«, sagte sie und sah mich eindringlich an. »Und ich begleite die junge Frau zu ihrem Apartment.«
Wir verstanden. Ich zog Phil mit mir. Hinter uns hörte ich, wie die junge Frau noch einmal aufschluchzte, dann war Iris' Stimme zu vernehmen, die sich langsam von uns entfernte.
»Er hat sie vergewaltigt«, sagte Iris und schüttelte angewidert den Kopf, als sie drei Stunden später wieder unser Büro betrat. »Sie hat es nicht angezeigt, weil sie betrunken war und ihn in ihre Wohnung eingeladen hatte.«
»Also doch Foster!«, rief Phil und schlug mit der Faust auf seinen Schreibtisch. »Dieser Schweinehund. Dass sie getrunken hatte, ist kein Grund, den Saukerl nicht anzuzeigen.«
»Leider fühlen sich die meisten Opfer von Vergewaltigungen immer noch mitschuldig, wenn sie den Täter eingeladen oder sonst wie gezeigt haben, dass sie ihm vertrauten«, sagte Iris.
»Ich glaube immer noch, dass Foster nicht unser Mann ist.« Ich bemühte mich, mich aufs Wesentliche zu konzentrieren. Auch wenn ich wie Phil fühlte, was wir jetzt brauchten, war kühler Verstand. »Jetzt wird es schwieriger werden, das zu beweisen.«
»Du hast recht«, stimmte Iris mir zu. »Den Schilderungen der jungen Frau nach gibt es keinerlei Ähnlichkeiten in seiner Vorgehensweise ihr gegenüber mit dem, was Chloe Ross oder Young passiert ist. Aber die Kollegen vom NYPD werden trotzdem darauf anspringen, wenn sie davon erfahren.«
Ich sah auf meine Uhr. »Dann wird es wohl am besten sein, wenn wir uns diesen Foster persönlich vornehmen.«
Foster hatte auf einen Anwalt verzichtet, weshalb wir ihm im Vernehmungszimmer allein gegenübersaßen, Iris McLane und ich auf der anderen Seite des Tisches, Phil auf einem Stuhl in der Ecke als stiller Beobachter.
Der Mann war mittelgroß, kräftig und hatte keine besonderen Merkmale, außer dass er eine Brille mit Klebeband an einem der Bügel trug und sich auffällig oft räusperte.
Nachdem wir uns vorgestellt hatten, wollte ich mit der Befragung beginnen. Foster fiel mir sofort ins Wort.
»Warum jetzt das FBI?«, wollte er wissen. »Vielleicht sollte ich doch einen Anwalt hinzuziehen.«
»Wenn Sie wollen, brechen wir sofort ab und warten, bis Ihr Anwalt hier ist«, sagte ich.
Foster sah uns der Reihe nach an, Iris etwas länger als Phil und mich, dann räusperte er sich wieder.
»Trockener Hals?«, fragte ich. »Sollen wir Ihnen etwas zu trinken besorgen?«
Foster schüttelte den Kopf.
»Nur so eine Angewohnheit«, erwiderte er, sah noch einmal Iris an, die ihn unbewegt fixierte. »Ich habe mir nichts vorzuwerfen«, sagte er dann. »Ich kannte die Ross, das wissen Sie bestimmt schon. Und ja, da war mal was. Ein Missverständnis. Böse Sache, aber ich hab nichts getan. Manche Frauen sind eben so, dass sie es sich hinterher anders überlegen. Sie hatte getrunken und ...«
»Das verstehen wir«, unterbrach Iris ihn. »Es gibt immer wieder Fälle, in denen Männer falsch beschuldigt werden. Eine Begleiterscheinung der Me-Too-Bewegung. In den meisten Fällen ist es anders, leider gibt es auch so was.«
Foster nickte und schien abzuschätzen, ob sie es ehrlich meinte oder ihn aufs Glatteis führen wollte. Iris McLane sah ihm ruhig und ohne jede Regung in die Augen.
»Wann haben Sie Chloe Ross das letzte Mal gesehen?«, schaltete ich mich wieder ein.
»Da muss ich überlegen. Vor ein paar Monaten vielleicht«, sagte er und räusperte sich, dann schien er sich zu besinnen, sah mich prüfend an und fuhr fort. »Nein, warten Sie, vor ein paar Tagen erst. Wir haben ein wenig geplaudert. Es war unten in der Lobby. Der Portier kann das bestätigen.«
»Worüber haben Sie denn geplaudert?«, hakte ich nach.
Foster grinste mich an. »So dies und das. Man sieht sich ja nicht oft. Das Haus hat dreißig Stockwerke. Mehr als genug Mieter für meinen Geschmack. Ich wohne im siebten, die Ross im sechzehnten Stock. War das erste Mal seit dieser Sache damals, dass wir uns getroffen haben.«