Jerry Cotton 3431 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 3431 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Chad Gleeson war eine lebende Legende. Nachdem er mehrere Kriegseinsätze schwer verletzt, jedoch wie durch ein Wunder überlebt hatte, rankte sich schon bald das Gerücht um ihn, er wäre unsterblich. Und er schien das auch selbst zu glauben. Deshalb nahm er bedenkenlos die riskantesten Mordaufträge an - im Vertrauen darauf, dass ihm ohnehin nichts Ernsthaftes passieren könnte. Wir vom FBI waren hinter ihm her, seit er für den Gangsterboss Lucas Cudrup einen hochrangigen korrupten Beamten der New Yorker Stadtverwaltung und dessen Leibwächter getötet hatte. Der Mann hieß Mike Benning und war von Cudrup geschmiert worden, hatte allerdings den Fehler begangen, seine Forderungen laufend höherzuschrauben, bis das Maß voll gewesen war. Und es dauerte nicht lange, da standen Phil und ich ebenfalls auf der Abschussliste des Unsterblichen!


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Seitenzahl: 136

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhalt

Cover

Der Unsterbliche

Vorschau

Impressum

Der Unsterbliche

Sein erstes Nahtoderlebnis hatte er in Afghanistan. Einer seiner unachtsamen Kameraden – so jung, dass er sich nur ein Mal in der Woche zu rasieren brauchte – hatte eine raffinierte Sprengfalle ausgelöst. Rrrums!

Das primitive Haus mit den kargen Lehmwänden war zuerst mit donnerndem Getöse in die Luft geflogen und anschließend in sich zusammengekracht. Feuer. Asche. Rauch. Staub. Alle waren tot gewesen. Nur er nicht. Er hatte überlebt. Zwar schwer verletzt, aber doch ...

Man hatte ihn aus den Trümmern des komplett zerstörten Usbekenhauses geholt und ins mehrere Meilen entfernte Feldlazarett gebracht.

Auf dem Weg dorthin kollabierte er zweimal. Als er zum zweiten Mal zu sich kam, eröffnete ihm jemand mit aufgesetzter Empathie, es stehe sehr schlecht um ihn und man würde ihm das rechte Bein unterhalb des Knies abnehmen müssen. Es sei nicht mehr zu retten.

»Das Bein bleibt dran!«, brüllte er.

Danach wurde er wieder ohnmächtig, und am Ende dieses zweiundzwanzig Stunden dauernden Komas wachte er auf und das Bein war, o Wunder, noch dran.

Man hatte ihn mit einigen anderen Verwundeten nach Hause geflogen und eigentlich nicht mehr damit gerechnet, dass er noch mal für einen Kampfeinsatz zu gebrauchen sein würde. Schon nach einem Jahr kämpfte er in Somalia als Söldner für diverse Warlords.

Das ging zwei Monate lang gut. Dann streckte ihn die Kugel eines al-Shabab-Scharfschützen nieder, und er musste zum zweiten Mal den Weg Richtung Himmelstür antreten. Ein besonders fähiges Ärzteteam konnte im allerletzten Augenblick verhindern, dass er sie erreichte. Es folgten schwerste Verwundungen in Irak, Kolumbien und Libyen, die niemand – außer ihm – überlebt hätte.

Daheim, in den Staaten, gönnte er sich einen aufregenden fünfundvierzigminütigen Grand-Canyon-Rundflug, der nach einer halben Stunde mit einem Absturz des ECO-Star-Hubschraubers in das legendäre UNESCO-Weltkulturerbe endete.

Am Leben blieben nur einer, und es ist müßig zu fragen, wer. Natürlich er. Chad Gleeson. Wer sonst? War es verwunderlich, dass sich schon bald das Gerücht um ihn rankte, er wäre unsterblich?

Wohl kaum.

Und dass jemand wie er das mit der Zeit auch selbst glaubte, war eigentlich zu verstehen. Es gab schließlich genügend Beweise, die das untermauerten.

So wurde aus Chad Gleeson innerhalb weniger extrem schmerzreicher Jahre eine lebende Legende, die, im Vertrauen darauf, dass ohnedies nie etwas ernsthaft Schlimmes passieren konnte, bedenkenlos selbst die riskantesten Mordaufträge annahm. Der »Unsterbliche«, ein Meister der Maske, reüssierte rasant zum zuverlässigsten Hitman, auch Auftragskiller genannt, New Yorks. Dass er aus diesem Grund auf unserer Liste ganz oben stand, war klar.

Chad Gleeson rangierte da zurzeit unangefochten auf Platz eins. Er war schlauer als zehn Füchse und vorläufig, wie nasse Seife, nicht zu packen.

Aber der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht. Irgendwann würden wir ihn kriegen. Das stand für uns unumstößlich fest.

Das kam so sicher wie das viel zitierte Amen in der Kirche. Wir mussten uns nur in Geduld fassen. Für niemanden scheint immer nur die Sonne. Auch für Chad Gleeson nicht. Auch auf ihn würden irgendwann düstere Tage zukommen. Und dann war er dran. Dann war er fällig. Mit jedem Mord, den er verübte, schaufelte er sich gleichzeitig sein eigenes Grab.

Das mag paradox klingen, für uns war es eine unwiderlegbare Tatsache. Früher oder später würde jemand diese geradezu widernatürliche Unsterblichkeit beenden. Wir. Oder ein Opfer, das schneller zog und besser schoss als er.

Es konnte für ihn nicht alles ewig gut ausgehen. Das war unmöglich. Über kurz oder lang würde damit Schluss sein müssen.

Gleesons im Moment noch außerordentlich wachsamer Schutzengel brauchte nur ein einziges Mal nicht ganz auf der Höhe zu sein, dann war es vorbei mit einer der längsten überstrapazierten Glückssträhnen, die es je gegeben hatte.

Phil betrachtete grübelnd die scharf konturierten Fahndungsfotos. »Weißt du, an wen Chad Gleeson mich erinnert, Jerry?«

»An wen?«

»An RoboCop.«

»Wieso?«

»Wegen des vielen Metalls, das er in seinem Körper hat«, sagte mein Partner. »Der wird ja nur noch von Nägeln, Schrauben und Platten zusammengehalten.«

Ich wackelte mit dem Kopf. »Leider sehr erfolgreich.«

»Eigentlich müsste er bei jedem Schritt scheppern und klappern. Aber er bewegt sich angeblich nach wie vor schnell, geschmeidig und lautlos.«

Ich lächelte. »Ein Triumph der plastischen Chirurgie.«

Zeerookah steckte den Kopf zur Tür herein. Unser indianischer Kollege war wie immer vom Scheitel bis zur Sohle top gekleidet. Okay, wir liefen zwar auch nicht wie Stadtstreicher herum, doch mit Zeery konnten wir nicht mithalten und auch keiner der anderen Kollegen.

»Hallo, Mädels«, sagte der Indianer aufgekratzt. »Da ist jemand, der euch sprechen möchte.«

»In welcher Angelegenheit?«, erkundigte ich mich.

»Chad Gleeson.«

»Herein mit ihm«, platzte es aus Phil heraus.

Er bereitete sich mit der ihm eigenen Gewissenhaftigkeit auf seinen nächsten Hit vor. Sein Opfer sollte mit einem weithin hörbaren, viel beachteten Paukenschlag abtreten. So war es gewünscht, und so würde es geschehen. Der Schock sollte einigen Leuten tief in die Knochen fahren. Man hätte auch sagen können, er habe den Auftrag bekommen, ein besonders brutales, dramatisches Exempel zu statuieren.

Damit andere, die sich in einer ähnlichen Lage befanden, gleich sehr viel besser spurten und aus Angst darauf verzichteten, aus der Reihe zu tanzen, was sie eventuell schon ins Auge gefasst hatten.

Für das bevorstehende Spektakel brauchte er einen soliden Wagen. Den fand er in der South Bronx. Ein wahrer Blechpanzer. Groß. Schwer. Robust. Für die geplante Zerstöraktion bestens geeignet.

Er schwang sich hinters Lenkrad, schloss routiniert die Zündung kurz und brauste davon.

In Richmond klaute er auf einem großen, unbewachten Supermarktparkplatz zwei polizeiliche Kennzeichen, zog die Originaltafeln aus der Halterung und schob die anderen hinein. Mit ein paar »schreienden« Aufklebern – knallgelb und blutrot züngelnden Flammen – verpasste er seinem Fahrzeug einen weitgehend neuen Look und versteckte es vorerst in einer eigens dafür gemieteten Garage.

Dann ging er daran, sein Opfer sorgfältig zu studieren – allfällige Gewohnheiten, wiederkehrende persönliche Kontakte, Tagesablauf, Fahrtrouten, bevorzugte Orte, Lokalbesuche, das private Umfeld.

Darauf stimmte er schließlich die ohnedies schon ziemlich genau festgelegte, maßgeschneiderte Aktion noch weiter bis ins kleinste Detail ab.

Er wählte mit äußerster Sorgfalt die Waffen, die zum Einsatz kommen sollten, legte die Maske bereit, die aus ihm einen schnauzbärtigen Alten mit aschgrauem Haar und dickem Bauch machen würde, und wartete sodann geduldig auf den bestmöglichen Moment, um die Tat auszuführen.

Zeerookah trat zur Seite. Er machte für einen bulligen Mann Platz, dessen Gesicht von einigen hässlichen Narben entstellt war.

Unser Kollege zeigte zuerst auf mich und dann auf Phil, während er sagte: »Das sind Agent Cotton und Agent Decker.«

»Vielen Dank, Sir«, sagte der Mann, dessen Namen wir noch nicht kannten. »Tom Blesset«, stellte er sich im nächsten Moment vor.

Zeerookah hob lächelnd die Hand zum Gruß, zog sich zurück und ließ uns mit Blesset allein.

Phil zeigte auf einen der Besucherstühle und forderte den Mann auf sich zu setzen. »Was können wir für Sie tun, Mister Blesset?«

»Ich bin wegen Chad Gleeson hier. Sie fahnden nach ihm.«

»Das ist richtig«, bestätigte mein Partner.

»Ich war mit ihm in Nicaragua«, erzählte Tom Blesset. »Wir haben als Söldner Seite an Seite gegen Contra-Rebellen gekämpft. Er ist der härteste Hund, den ich kenne. Rücksichtslos gegen sich selbst. Gnadenlos. Ein Mann ohne Herz und Gewissen. Er räumte alle weg. Junge. Alte. Männer. Frauen. Er machte nie Gefangene. Hin und wieder hatte ich den Eindruck, dass ihm das Töten von Menschen richtig Spaß machte.«

Blesset machte eine Pause und atmete tief durch. Wir unterbrachen ihn nicht.

»Gleeson ist ein ganz mieses Charakterschwein. Kalt wie Gletschereis. Ein Mann, der über Leichen geht. Ich weiß, wovon ich rede. Er hat mich in einer lebensbedrohlichen Situation brutal im Stich gelassen und nur seine eigene Haut gerettet. Was aus mir wurde, war ihm komplett egal. Die Contra-Rebellen haben mich übel zugerichtet.« Er zeigte auf sein Gesicht. »Das hier verdanke ich nicht nur ihnen, sondern auch Chad Gleeson. Sie können sich vorstellen, dass ich nicht besonders gut auf ihn zu sprechen bin.«

Ich nickte.

»Ach was, ich hasse ihn. Hasse ihn aus tiefster Seele. Ich musste mich, halb tot, allein durchschlagen. Keinen Finger hat der Bastard für mich gerührt.« Er knirschte grimmig mit den Zähnen. »Als ich total erschöpft und mehr tot als lebendig ins Basislager zurückkam, hieß es, er sei nach Managua geflogen. Ich glaube, ich hätte ihn umgelegt, wenn er noch da gewesen wäre. Man hat mich irgendwie – nicht besonders geschickt, wie Sie sehen – zusammengeflickt, und ich bin in die Staaten zurückgekehrt.«

»Was machen Sie jetzt beruflich, Mister Blesset?«, erkundigte ich mich.

»Ich bewache mit ein paar Kollegen das Areal einer Zementfabrik. Racoon Cement. Vielleicht kennen Sie sie. Sie hat einen Waschbären im Firmenlogo.«

Ich kannte die Firma nicht. »Und Sie sind hier, weil ...?«

»Weil ich erfahren habe, dass Sie nach Chad Gleeson fahnden«, sagte Tom Blesset, der Ex-Söldner. »Und weil ich meine, den Drecksack gesehen zu haben.«

Ich horchte auf. »Wo?«

»In Queens ... Holliswood ... Palermo Street ... Da gibt es eine Spielhalle namens Little Vegas. Er war da mit einer jungen Frau. Die beiden waren ziemlich ... Na ja, es hat zwischen ihnen heftig geknistert. Ich war komplett durcheinander, hatte seit Nicaragua Dutzende Male durchgespielt, was ich tun würde, wenn er mir noch mal über den Weg laufen würde, und ehe ich mich zu irgendetwas durchringen konnte, war er weg.«

»Hat er Sie gesehen?«

Tom Blesset zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Ich glaube, nicht.«

»Aber Sie sind sich nicht sicher.«

»Nein. Bin ich nicht.«

»Wie sah er aus?«

»Gut. Sehr gut. Wie das blühende Leben. Braun gebrannt. Kraftstrotzend. Kerngesund. Bestens gekleidet.«

»Und die Frau?«

»Die war allererste Sahne«, berichtete Blesset. »Eine verdammt heiße Latina. Dunkelbraune Samtaugen. Blitzweiße Zähne. Das bezauberndste Lächeln, das man sich vorstellen kann. Traumhafte Figur. Gleeson hat sie förmlich mit den Augen verschlungen. Ich hatte nicht den Eindruck, dass er sie schon lange kannte. Er war verrückt nach ihr.«

»Haben Sie versucht, den beiden zu folgen?«

»Wie gesagt, ich war zuerst wie vom Donner gerührt. Als ich mich endlich gefasst hatte, schoss ich wie ein Kastenteufel aus der Spielhalle, doch Gleeson und die Latina waren nirgendwo mehr zu sehen. Weg. Als hätten sie sich in Luft aufgelöst.« Blesset knirschte hörbar mit den Zähnen. »Sie können sich nicht vorstellen, wie wütend und enttäuscht ich war. Ich hätte mich am liebsten selbst tausendmal geohrfeigt.«

»Was hätten Sie getan, wenn es Ihnen gelungen wäre, Gleeson zu stellen?«, erkundigte ich mich.

»Kann ich nicht sagen.«

»Waren Sie bewaffnet?«

»Ja.«

»Sind Sie ein rachsüchtiger Mensch, Mister Blesset?«, wollte Phil wissen. »Sie haben Gleeson immerhin ziemlich Schlimmes zu verdanken. Wäre es möglich gewesen, dass Sie in ihrer Wiedersehenswut zur Waffe gegriffen hätten?«

»Das wäre auf Gleeson angekommen«, gab der Ex-Söldner zur Antwort. »Vielleicht hätte ich ihn nur verprügelt.«

»Diese junge Frau«, sagte mein Partner, »hatten Sie die schon mal in der Spielhalle gesehen?«

»Weder dort noch sonst wo. Aber ...«

»Ja?«

»Kann sein, dass ich mich irre, aber es kam mir so vor, als würde der Spielhallenbesitzer sie kennen.«

Phil sah mich an. »Wir können ihn ja mal fragen.«

Es war so weit.

Der Unsterbliche machte sich auf den Weg. Er verließ maskiert das Haus, das Mitsuko Tanaka, dieser Goldschatz, ein Callgirl der absoluten Sonderklasse, für ihn gemietet hatte. Seit er ihren sadistischen Macker, der ihr fast täglich fürchterlich wehgetan hatte, für sie gratis um die Ecke gebracht hatte, konnte er alles von ihr haben.

Niemand beachtete den unscheinbaren dickbäuchigen, schnauzbärtigen Alten, der auf einer knatternden weinroten Vespa saß und ohne Eile die menschenleere Straße entlangfuhr.

Zwanzig Minuten später erreichte Chad Gleeson die Mietgarage, in der der »Panzer« stand, den er organisiert hatte. Er öffnete das Kipptor, schob den Roller an dem schweren gestohlenen 4WD-Fahrzeug vorbei, klappte den Motorrollerständer nach unten, bockte das Zweirad auf und nahm den Sturzhelm ab, ohne dass die gut sitzende Perücke auch nur einen Inch verrutschte.

Er ließ den Kofferraumdeckel hochschwingen, holte eine Einhand-MP und eine Pistole von Heckler & Koch heraus, die er erst zweimal benutzt hatte, und legte sie nebeneinander auf den Beifahrersitz.

Dann warf er einen Blick auf seine Armbanduhr. Er brauchte sich nicht zu beeilen. Der Mann, den er kaltmachen sollte, ging in diesen Minuten erst aus dem Haus, und sein Chauffeur und Bodyguard brachte ihn – wie immer, also einmal pro Woche – nach Brooklyn zu einem Irish Pub namens Cliffs of Moher, wo er an einem Dartswettbewerb teilnahm.

Er beherrschte das Spiel mit den Wurfpfeilen recht gut, hatte schon oft gewonnen. Und wenn einmal nicht, dann landete er auf jeden Fall im ehrenvollen Spitzenfeld.

Heute würde er zum letzten Mal spielen. Das war gewiss. Und er würde nicht gewinnen, weil ihm der Tod nicht so viel Zeit lassen würde.

Der Spielhallenbesitzer hieß Billy Mills. Seine Nase war vermutlich in jungen Jahren im Boxring platt geklopft worden. Er hatte Dreck unter den Fingernägeln, war schätzungsweise fünfundvierzig Jahre alt, gedrungen, kompakt, trug einen uralten, ausgefransten Schlabberpulli und verwaschene Jeans. Nach seinem Äußeren zu urteilen, litt sein Bannkonto höchstwahrscheinlich an chronischer Schwindsucht.

Wir besuchten ihn an seinem Arbeitsplatz, im Little Vegas, in seinem etwas erhöhten, schlecht belüfteten Büro, einem nicht besonders großen Terrarium ohne Deckel und mit Glaswänden, die mal wieder geputzt gehört hätten.

Es befand sich im Zentrum der Halle, mit ungehindertem Rundblick. Von hier aus konnte er bis in den entlegensten Winkel sehen.

Unsere Dienstausweise weckten ein erstauntes Interesse in seinem Blick.

»FBI«, stellte er salopp fest. »Bei mir werden Sie keine Unregelmäßigkeiten entdecken. Im Little Vegas wird weder heimlich Alkohol getrunken noch Rauschgift gedealt. Wer etwas anderes behauptet, lügt. Meine Weste ist so sauber wie Ihre, vielleicht sogar noch einen Tick sauberer, wer weiß? Mir kann man nichts anhängen.«

»Haben wir gesagt, dass wir das möchten?«, konterte mein Partner.

»Wir sind aus einem völlig anderen Grund hier«, sagte ich.

Mills runzelte die Stirn. Unter seinen Brauen befanden sich die Narben Dutzender Cuts, die man ihm während seiner Sportlerkarriere geschlagen hatte.

»Und der wäre?«, wollte er unbekümmert wissen. Seine Weste schien wirklich lupenrein zu sein.

»Schon mal von einem Mann gehört, den man den Unsterblichen nennt?«, erkundigte sich Phil.

»Nein«, gab Mills zur Antwort, ohne lange nachzudenken. »Wer soll das sein?«

»Er heißt Chad Gleeson.«

»Aha. Und?«

»Wir suchen ihn.«

»Ich kenne keinen Chad Gleeson.«

»Er war hier«, sagte Phil.

Mills machte eine Handbewegung, die das gesamte Little Vegas einschloss. »Sehen Sie sich um. Viele sind hier. Einige kenne ich, weiß, wie sie heißen und zum Teil auch, wo sie wohnen. Von den anderen weiß ich gar nichts. Vermutlich sind sie zum ersten Mal hier und kommen auch nicht wieder.«

»Gleeson war mit einer jungen Frau hier«, grenzte mein Partner das Feld ein.

»Aha«, sagte Mills wieder.

»Mit einer bildhübschen Latina«, sagte Phil. »Derjenige, der die beiden gesehen hat, hatte den Eindruck, Sie würden sie kennen.«

»Ich kenne ein paar Latinas. Sie sind fast alle ausnehmend hübsch. Vor allem, wenn sie jung sind.«

Phil beschrieb die junge Frau so, wie Tom Blesset es getan hatte. Er verwendete sogar fast die gleichen Worte.

»Das trifft mindestens auf die Hälfte von denen zu, die ich kenne«, sagte Mills.

Ich sah mich um und entdeckte über mir eine faustgroße gläserne Halbkugel. »Wird die Halle videoüberwacht?«

»Ja. Hin und wieder. Aber versprechen Sie sich nicht zu viel davon. Die Glasaugen funktionieren nicht immer. Mal ja. Mal nein. Mal zeichnen sie etwas auf. Mal nicht. Ich weiß nicht, wovon das abhängt. Vielleicht davon, wie die Dinger gelaunt sind. Sie haben mehr Symbol- beziehungsweise Attrappencharakter, würde ich sagen. Wenn die Leute meinen, dass sie von Kameras beobachtet werden, benehmen sie sich gesitteter. Denke ich. Ob es stimmt, sei dahingestellt.«

Wir baten ihn, uns die – eventuell – vorhandenen Aufzeichnungen zu zeigen. Er hatte nichts dagegen. Und wir hatten Glück. Es gab Sequenzen, die Chad Gleeson mit der Latina im Little Vegas zeigten.

»Ihn kenne ich nicht«, sagte Billy Mills.

»Und sie?«, fragte Phil.

»Sie schon. Ihr Name ist Maria Dolores.«

»Maria Dolores – und wie noch?«, fragte mein Partner.

Mills schürzte die Lippen. »Ihr Familienname ist mir nicht bekannt. Sie ist eine exzellente Tätowiererin. Hat sich darauf spezialisiert – vor allem bei Frauen, aber manchmal auch bei Männern –, unschöne Narben an den unterschiedlichsten Körperstellen unter kunstvollen Tattoos verschwinden zu lassen. In der Nische ist sie ziemlich allein. Deshalb verdient sie ganz gut.«

Mills beugte sich über ein schlankes, gebogenes Mikrofon und rief einen Mitarbeiter, dessen Aufgabe es war, dafür zu sorgen, dass die Automaten problemlos funktionierten, in sein Büro. Ein spindeldürrer Bursche erschien.

Er trug eine blaue Baseballmütze, mit dem Schirm nach hinten. Jetzt nahm er sie ab. »Boss?«