Jerry Cotton 3436 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 3436 E-Book

Jerry Cotton

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Franklin Delaware interviewte mich in seiner Talkshow. Er lobte mich, weil ich eine Aufklärungsquote von hundert Prozent hätte. Ich führte das auf mein gutes Team und ein gewisses Maß an Glück zurück, schließlich wusste ich, wie schnell ein Fall unlösbar werden konnte. Nach dem Interview brach ich in den wohlverdienten Urlaub zum Skifahren in den Rocky Mountains auf. Am dritten Tag erreichte mich eine schlechte Nachricht von Mr. High. Ich sollte sofort zurückkehren, denn ein Unbekannter hatte Delaware ermordet und angekündigt weiterzumorden, wenn ich den Fall nicht innerhalb von zweiundsiebzig Stunden löste. Und das war nicht alles, denn schon bald hieß es: Cotton vs. Decker!


Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 142

Veröffentlichungsjahr: 2023

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Cotton vs. Decker

Vorschau

Impressum

Cotton vs. Decker

Zuerst hatte er gedacht, seine Jungs von der Rechten Front hätten ihn rausgeholt, dann wurde ihm klar, dass er das eine Gefängnis gegen ein anderes getauscht hatte und den einen Schließer gegen einen anderen. Der einzige Unterschied war, sein neuer Gastgeber hatte ihm hunderttausend Dollar versprochen, wenn er etwas für ihn erledigte. Er musste nur jemanden umbringen. Einen Fed vom FBI. Jerry Cotton. Ein guter Deal.

Franklin Delaware rückte seine rote Krawatte zurecht. Als er noch beim Radio gearbeitet hatte, vor vielen Jahren, war es egal gewesen, wie er sich kleidete. Doch im Fernsehen bei der New York Broadcasting Company, der NYBC, gab es eine strenge Kleiderordnung. Auch für ihn, der die Einschaltquote des Senders mit seiner Talkshow Menschen im Fokus im Rating von 3,1 auf 9,4 katapultiert hatte. Bis auf die Krawatte, die durchaus ein wenig Farbe haben durfte, war ein dunkles Sakko, dunkle Hosen, lackglänzende schwarze Schuhe, einfarbiges Hemd vorgeschrieben, weiß oder blau, auf keinen Fall knallig. Das war den Kolleginnen überlassen. Die durften Lila tragen oder Gelb, sie durften sich herausputzen, sich in Schale werfen.

Delaware trug als Markenzeichen immer eine rote Krawatte, hätte gerne mal ein schwarz-weiß kariertes Hemd getragen oder eines mit rot-grünen Streifen, aber dann hätte ihn der Chef vom Dienst von Sicherheitsleuten aus dem Studio schleifen lassen. Davor hätte ihn auch sein neuester Coup nicht bewahrt. Er hatte etwas fertiggebracht, das vor ihm noch niemand fertiggebracht hatte. Heute Abend war es so weit. Er würde einen Menschen interviewen, der scheuer war als ein Schneeleopard. Jerry Cotton.

Ich holte Phil an der üblichen Ecke ab, denn er hatte darauf bestanden, mit mir ins Studio zu fahren. Wie ich trug er einen blauen Samtanzug, wirkte damit absolut nicht wie ein FBI Agent, eher wie ein Talkmaster. Mit einem charmanten Lächeln, dem die wenigsten Frauen widerstehen konnten, schwang er sich neben mich.

»Guten Morgen, Jerry.« Er musterte mich. »Meinst du nicht, die rote Krawatte ist ein wenig übertrieben?«

Mehr als eine halbe Stunde hatte ich vor dem Spiegel verbracht und alle Krawatten ausprobiert, die ich in meinem Kleiderschrank finden konnte. Ich hatte mich für die rote entschieden, weil ich dachte, ein wenig Farbe könnte im Fernsehen nichts schaden. Außerdem trug ich die Krawatte auch bei anderen offiziellen Gelegenheiten. Zum Beispiel auf der Geburtstagsfeier von Mr. High.

»Ich denke, Mister Delaware ist nicht begeistert, wenn du versuchst, ihm die Show zu stehlen. Er trägt immer eine rote Krawatte.«

Das hatte ich vollkommen vergessen. Phil hatte recht. »Meinst du, die Kollegen von der Streife nehmen es mir übel, wenn ich etwas schneller fahre als erlaubt? Sonst schaffe ich es nicht, mir eine andere Krawatte zu besorgen und rechtzeitig im Studio zu sein.«

Phil lächelte mich an, als wollte er mir einen Heiratsantrag machen, und hielt mir eine schwarze Seidenkrawatte hin. »Versuch's mit der. Dann sparst du dir die zweihundert Dollar für ein Ticket, denn du weißt, dass die Streifen keinen Unterschied machen zwischen FBI Agents und anderen Bürgern der Stadt.«

Mir wurde ganz warm ums Herz. Manchmal kam es mir vor, als würde Phil mich besser kennen als ich mich selbst. Vor allem war er der beste Freund, den ich mir nur wünschen konnte.

»Du hast was gut bei mir, Phil«, sagte ich, nahm die Krawatte entgegen, zog mir die rote vom Hals und band mir die schwarze um. Jetzt sah ich aus, wie ein FBI Agent auszusehen hatte: dunkler Anzug, weißes Hemd, schwarze Krawatte. Ich ließ den Jaguar schnurren, fädelte mich in den Abendverkehr ein.

»Die Liste mit den Gefallen, die du mir schuldest, wird immer länger, Jerry. Wenn das so weitergeht, wirst du nicht alt genug werden, um sie abzuarbeiten.«

»Ich dachte, dass die Liste am Anfang des Jahres wieder auf null gesetzt wird. Wenn ich anfange zu rechnen, fürchte ich, wirst du ins Hintertreffen geraten.«

Phil rieb sich das glatt rasierte Kinn.

Jetzt erst fiel mir auf, dass sein Gesicht gebräunt war, als hätte er vier Wochen in der Sonne von Hawaii gelegen. Seine Hände ebenso. Das konnte nur eines bedeuten. »Was hältst du davon, wenn ich niemandem verrate, dass du eine neue Flamme hast. Dann wären wir quitt.«

»Woher ...?« Phil warf einen Blick in den Schminkspiegel, in der Sonnenblende des Beifahrersitzes, der zur Ausstattung des Jaguar gehörte. »Verdammt! Ich habe glatt vergessen, dass du ein Fuchs bist.«

»Wie heißt sie?«

»Mariana.«

»Exotisch?«

Phil zückte sein Handy, tippte ein paarmal und hielt es mir hin.

Ich erblickte eine dunkelhäutige Schönheit in einem langen Abendkleid und einem freundlichen, warmen Lächeln auf den Lippen. Phil hatte einen erlesenen Geschmack, zumindest, was das Äußere betraf.

Ich nickte anerkennend. »Model?«

Phil schmunzelte. »Weit gefehlt, Sherlock. Sie ist Professorin für künstliche Intelligenz am MIT.«

»Ups!« Es war immer ein Fehler, vom ersten äußeren Eindruck auf das Innere zu schließen.

»Kein Problem. Mariana hat tatsächlich schon gemodelt, aber als Professorin am MIT wird das nicht gern gesehen.«

»Und wo steht ihr?«

Phil seufzte. »Ich habe sie auf dem Seminar letzten Monat kennengelernt.«

Ich erinnerte mich. Phil hatte sich drei Tage Bildungsurlaub genommen und sich über Algorithmen zur Kriminalitätsvorhersage informiert. Mariana musste eine der Dozentinnen gewesen sein. Phil hatte mir davon berichtet. Er war beeindruckt gewesen von den Möglichkeiten, die künstliche Intelligenz bot, aber alle Teilnehmer waren sich einig gewesen, dass man niemandem hinter die Stirn sehen konnte, auch nicht der ausgeklügeltste Algorithmus der künstlichen Intelligenz. Und deshalb war der Job eines FBI Agents noch lange nicht überflüssig.

»Und?«, fragte ich, denn ich spürte, dass Phil von sich aus lieber geschwiegen hätte. Das hätte er auch bei jedem anderen getan. Nicht bei mir.

»Wir haben uns für das kommende Wochenende in Boston verabredet. Sie will mir das MIT zeigen, mit mir in die Oper gehen und danach ins beste Restaurant. Den Rest der Nacht will sie auf der Tanzfläche verbringen.«

»Klingt nicht schlecht.«

»Sie hat darauf bestanden, dass ich mir ein Zimmer nehme.«

»Klingt vernünftig.«

»Definitiv, ja.« Phil seufzte. »Hoffentlich nicht zu vernünftig.«

»Ich drücke dir die Daumen, Phil.«

Er nickte und lächelte schwach. Gerne hätte ich ihm geholfen, nur in Liebesdingen war ich kein Spezialist. Ich konnte ihm beistehen, wenn es nötig war, das wusste Phil, so wie ich wusste, dass er mir immer beistehen würde.

Harry Masters hatte die Talkshow von Franklin Delaware eingehend studiert, vor allem das Publikum. Er wusste genau, wie die Leute aussahen und wie sie tickten, die eine Unmenge Geld bezahlten, nur um diesen Wichtigtuer und Besserwisser einmal live zu sehen, einmal nur wenige Yards entfernt von ihm in einem überhitzten Studio zu sitzen und ihn wie einen Götzen anzustarren.

Ihm nahe kommen, geschweige denn anfassen konnte ihn niemand, denn die Security im Studio war bestens auf jede Eventualität vorbereitet und angewiesen, jeden, der sich verdächtig verhielt, augenblicklich auszuschalten. Die Männer waren durchtrainierte Kampfsportler, einige waren Afghanistanveteranen. Mit denen legte man sich besser nicht an.

Das würde Masters auch nicht tun, er war kein Mensch, der mit dem Kopf durch die Wand ging. Er betrachtete sich im Spiegel. Nein, er war der Meister der Täuschung, er war wie Loki aus der germanischen Mythologie, einer der Götter, die in Nordeuropa verehrt wurden. Loki war der Gott des Lugs und Trugs, der Zwietracht, aber auch der Ankläger, der die Ordnung der Götter durcheinanderbrachte, um letztlich die göttliche Ordnung wiederherzustellen. Loki war Verräter und treuer Weggefährte, Rebell und Bewahrer, er war ein Formwandler, der viele Gestalten annehmen konnte. Loki war vieles, eines war er immer: unberechenbar.

Harry Masters strich sich mit dem Zeigefinger über den Bart, den er sich angeklebt hatte. Das wäre nicht nötig gewesen, denn die Latexmaske, die er übergezogen hatte, ließ ihn aussehen wie einen fünfunddreißigjährigen Amerikaner von der Stange. Niemand würde ihn wiedererkennen.

Sobald er aus dem Schatten heraustrat, würde das FBI die Aufzeichnung der Sendung Millisekunde für Millisekunde analysieren, würde Gesichtserkennungssoftware einsetzten, nur um ernüchtert festzustellen, dass es ein Gesicht gab, dass sie nicht eindeutig identifizieren konnten. Sie würden Dutzende verhören, beschuldigen und ohne Gnade Existenzen ruinieren, weil sie unbescholtene Bürger unter falschem Verdacht festnehmen würden. Seine DNA, die er unweigerlich im Studio zurücklassen würde, würde sich mit der von Dutzenden anderen vermischen und war damit unbrauchbar. Er würde nie existiert haben, und Franklin Delaware würde bald feststellen, dass sein größter Triumph in seinem Leben gleichzeitig sein Todesurteil war.

Dank Phils Einsatz hatten wir es pünktlich ins Studio geschafft, gute zwei Stunden vor Beginn der Sendung. Franklin Delaware begrüßte uns persönlich mit einem Glas Champagner, den ich allerdings ablehnte. Zum einen, weil ich noch fahren musste, und zum anderen, weil ich für das Interview einen klaren Kopf brauchte. Phil griff zu, ich gönnte es ihm, er war augenscheinlich nervöser als ich.

Einen Auftritt wie diesen hatte ich kategorisch abgelehnt, ich mochte keine Publicity. Mr. High hatte mich schließlich überzeugt. Ich ich der Beste für dieses Interview, gerade weil ich nicht darauf aus sei, mich in den Medien wiederzufinden. Und nach dem Interview durfte ich eine Woche lang zum Skifahren in die Rocky Mountains. Obwohl ich den Urlaub schon länger geplant hatte, fühlte es sich an wie Bestechung. Da ich alle Kosten selbst übernahm, ging das natürlich in Ordnung.

Den letzten Anstoß, das Interview über mich ergehen zu lassen, war Mr. Highs Blick gewesen, als er gesagt hatte, dass es meine Entscheidung sei, ob ich ins Studio ginge oder nicht. Und der sagte eindeutig: Bitte gehen Sie hin und machen Sie einen guten Eindruck, es wäre mir wichtig, bitte tun Sie es für mich. Diese wenn auch unausgesprochene Bitte von Mr. High konnte ich nicht abschlagen, und ich hoffte inständig, dass ich ihn nicht enttäuschen würde.

Franklin Delaware führte uns durch einige verwinkelte Gänge zu den Garderoben. Er zeigte auf eine Tür und sagte voller Stolz: »In dieser Garderobe haben schon drei Präsidenten, einundzwanzig Kinostars und alles, was in Wirtschaft, Kultur und gesellschaftlichem Leben von Rang und Namen ist, gesessen.« Ich wollte weitergehen, da griff er mich sanft am Arm. »Ich bitte Sie, Agent Cotton, Sie gehören zu den absoluten Spitzenstars in meinem Portfolio.«

Wenn Franklin Delaware geglaubt hatte, mir damit zu schmeicheln, unterlag er einem Irrtum. Diese Art Komplimente machte mich nur misstrauisch, Ich wusste, wer ich war. Ein FBI Agent, sicherlich ein guter, aber es gab auch andere, die hervorragende Arbeit leisteten und diesen Termin besser überstanden hätten. Ich wusste nicht, was auf mich zukam, der Inhalt der Fragen war nicht vorher abgestimmt worden. Verständlich, denn mit vorgefertigten Fragen wäre der Reiz des Spontanen und Überraschenden verloren gewesen.

Delaware öffnete die Tür, hinter der sich ein Raum von mindestens vierzig Quadratyards verbarg. Eine Wand war mit Spiegeln ausgekleidet, darunter warteten auf einer langen Reihe von schmalen Tischen, die an der Wand befestigt waren, eine ganze Armada an Utensilien, Töpfchen und Tiegeln, um jede noch so kleine Falte aus dem Gesicht zu schminken.

Vor der Schminkgalerie stand ein kleiner Mann, der so rund war wie eine Melone. Er steckte in einer roten Weste, die jeden Moment drohte, über seinem Bauch zu zerreißen, und lächelte mich an. Sein gezwirbelter Schnurrbart zitterte dabei leicht wie die Schnurrhaare einer Katze.

Franklin Delaware zeigte auf ihn. »Darf ich vorstellen, Maurice Contreuille. Der beste Maskenbildner, den es gibt. Wir haben ihn von einem staatlichen französischen Sender abgeworben.«

Maurice Contreuille verbeugte sich leicht. »Isch bin entzückt, eine so interessante Mann mit meinen bescheidenen Mitteln ein wenisch aufzupolieren.«

Er lachte perlend, steckte mich und Phil damit an, doch mein Lachen klang etwas nervös.

»Nur keine Angst, Monsieur, mein Geheimnis ist, dass niemandem auffallen wird, dass sie auf meinem Stuhl gesessen ›aben und isch Hand an Sie gelegt ›abe. Ich bin schließlisch keine Maler.«

Sein französischer Akzent war so charmant, dass ich Maurice Contreuille sofort meinen Kopf anvertraute. Phil setzte sich in einen Sessel.

Franklin Delaware winkte kurz. »Wir sehen uns in einer Stunde.«

Und schon war er aus der Tür gehuscht. Eine Stunde? Was hatte Contreuille vor? Wollte er mich doch in einen anderes Wesen verwandeln?

»Alors, fangen wir an.«

Er zerzauste meine Haare, ich wollte protestieren, aber ich rief mich zur Ordnung. Maurice Contreuille war ein Meister seines Fachs. Ich schloss die Augen und genoss die Kopfhautmassage, als er mir die Haare wusch.

Das Schwierigste war gewesen, an eine Karte heranzukommen. Die Tickets waren auf über ein Jahr hin ausverkauft, auf dem Schwarzmarkt stiegen die Preise schneller als die für Öl und Gold. Da Harry Masters nicht wissen konnte, wann Delaware Jerry Cotton endlich vor das Mikrofon kriegte, musste er kurzfristig agieren. Fast hätte ihm jemand die letzte Karte vor der Nase weggeschnappt, das Interview mit einem echten FBI Agent wollte sich niemand entgehen lassen. Im letzten Moment hatte er noch einmal fünfhundert Dollar draufgelegt und den Zuschlag erhalten. Insgesamt hatte ihn die Eintrittskarte zweieinhalbtausend Dollar gekostet, Reihe fünf, Platz vier. Eine lohnende Investition.

Masters hielt dem Gorilla am Eingang die Karte hin. Der schaute kurz darauf, entwertete sie, winkte ihn durch und wünschte einen angenehmen Abend. Der Mann hatte ja keine Ahnung! Eigentlich hatte er bereits an diesem Abend aus dem Schatten treten wollen, so wie es ihm befohlen worden war. Er hatte eine bessere Idee gehabt, sie war für gut befunden worden, und er hatte die Erlaubnis gekriegt, den Plan so auszuführen, wie er es für richtig befand.

Harry Masters trottete hinter den schwatzenden, giggelnden und ständig »Oh« und »Ah« ausrufenden Spießern hinterher, die nichts im Kopf hatten als ihr Vergnügen. Ordner wiesen sie auf ihre Plätze, seine Karte sicherte ihm einen Platz, von dem aus er genau beobachten konnte, wie sich Jerry Cotton und Franklin Delaware verhielten.

Große Überraschungen würde es nicht geben, denn Masters war sich sicher, dass der ganze Auftritt minutiös geplant war, jedes Wort festgelegt. Das FBI würde sich niemals die Blöße geben, einen Agent einfach so zu Wort kommen zu lassen, schon gar nicht, wenn ein Franklin Delaware ihn in die Mangel nehmen konnte. Auch wenn Delaware recht kritische Fragen auf seine Interviewpartner abschoss, letztlich war er ein williges Rädchen im System, das von unfähigen Politikern, geldgierigen Kapitalisten und korrupten Polizisten beherrscht wurde.

Harry Masters wusste, wovon er sprach. Schließlich war er zwanzig Jahre ein gut geschmiertes Rädchen in diesem verfaulten System gewesen. Damit war seit Langem Schluss, nämlich seit er das erste Mal die Stimme seines Herrn gehört hatte, der ihm den rechten Weg vorzeichnete und ihn hierhergeführt hatte. Seit er ihm die Erlaubnis erteilt hatte, so vorzugehen, wie er es für richtig hielt, hatte sein Herr geschwiegen, und das bedeutete Zustimmung auf ganzer Linie.

Applaus brandete auf. Hatte er etwas verpasst? Gott sei Dank nicht. Die Einpeitscher probten den tosenden Applaus mit dem Publikum, der ausbrechen sollte, wenn das entsprechende Signal, klatschende Hände, auf der Anzeigetafel über der Bühne leuchtete. Harry Masters klatschte mit, er wollte nicht auffallen. Applaus, Füße stampfen, Johlen, Pfeifen, so ging das eine Viertelstunde, bis die Einpeitscher zufrieden waren.

Masters spürte den Schweiß unter der Maske. Schlimmer war, dass es ihn auf der Kopfhaut juckte, wo er die Perücke befestigt hatte. Er durfte nicht kratzen, sonst konnte sie verrutschen. Also konzentrierte er sich auf das Studio, auf die Bühne, die Beleuchtung und die umherhuschenden Assistenten. Die große Uhr im Bahnhofstil zeigte halb acht. Nicht mehr lange, dann war Showtime.

Nach fast einer Stunde, die Maurice Contreuille mit meinem Kopf zugebracht hatte, trat er einen Schritt zurück und zeigte auf mich. »Voila, Monsieur. Was sagen Sie?«

Er war tatsächlich ein Künstler. Natürlich ging ich regelmäßig zum Friseur und war auch immer zufrieden. Doch was Maurice mit meinen Haaren angestellt hatte, gab ihnen einen frischen Look. Es fiel mir schwer, in Worte zu fassen, wie die neue Frisur wirkte.

Phil pfiff durch die Zähne. »Ja, ist das denn die Möglichkeit? Wer ist denn dieser schicke junge Mann? Und wo ist Jerry Cotton?«

Ich wollte antworten, Maurice kam mir zuvor. »Ah, Monsieur Decker«, das »e« sprach er aus wie »ä«, »zu viel der Komplimente. Ich denke, Monsieur Cotton ist immer noch der Alte.«

Das sollte nett gemeint sein, aber ohne es zu wollen, hatte Maurice Phils Spitze noch verstärkt, in dem er mich als »alt« bezeichnete. Phil feixte, ich sparte mir eine Erwiderung. Die Uhr tickte immer weiter, und ich hatte das Gefühl, auch immer schneller.

Es klopfte, Maurice, Phil und ich riefen gleichzeitig »Herein«, die Tür öffnete sich, eine junge Frau mit einem Klemmbrett in der Hand kam herein, war einen Moment irritiert, weil wir drei lachten, zeigte auf mich.

»Noch eine halbe Stunde, bitte folgen Sie mir zur Mikrofon- und Sprechprobe.«

Sie machte kehrt, ich sprang aus dem Stuhl und folgte ihr, zurück durch das Labyrinth der Korridore, in denen ständig jemand hektisch vorbeilief, auf die Uhr schaute oder einen Stapel Papier schwenkte.

Nach ein paar Minuten gelangten wir in den hinteren Bereich des Studios, von dem aus ich die Bühne sehen konnte. Auf riesigen Monitoren lief ein Trailer, in dem Franklin Delaware sich, seine Sendung, das Thema des Abends und den Gast vorstellte. Der Trailer war schnell geschnitten und dauerte nur dreißig Sekunden. In diese dreißig Sekunden war alles hineingepackt, was man wissen musste. Franklin Delaware verstand sein Handwerk, das beruhigte mich ein wenig.

Ich spürte eine Hand auf meiner Schulter, wandte mich um.