Jerry Cotton 3437 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 3437 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Ron Perlham kandidierte für das Amt des Bürgermeisters von New York. Der Ex-Cop vertrat eine Law-and-Order-Mentalität und galt als Außenseiter. Ebenso wie Lucas Walsh, der aus ärmlichen Verhältnissen stammte und sich zu einem erfolgreichen Unternehmer hochgearbeitet hatte. Obwohl sie kaum politische Erfahrung hatten, waren die beiden neben den etablierten Kandidaten aussichtsreiche Anwärter. Umso erbitterter konkurrierten sie miteinander. Als auf Perlham geschossen und eine Visitenkarte von Walsh in der Nähe des Tatorts gefunden wurde, beschuldigte Perlham ihn, für die Tat verantwortlich zu sein. Wir vom FBI übernahmen den Fall und stießen auf einen Kleinkriminellen aus Miami, aus dessen Waffe die Kugeln abgefeuert worden waren. Doch welches Motiv hatte der Mann?


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Seitenzahl: 145

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhalt

Cover

Der Kandidat

Vorschau

Impressum

Der Kandidat

Das ... das konnte nicht wahr sein!

Sie starrte auf den Fernseher. Ihre Hand, mit der sie nach der Dose Blue Ribbon hatte greifen wollen, schwebte über dem Couchtisch in der Luft. Der Mann auf dem Bildschirm hatte gerade einem Reporter eine Frage beantwortet und war offenbar sehr zufrieden mit dem, was er von sich gegeben hatte, denn er zeigte ein breites Grinsen, während er der nächsten Frage lauschte.

Obwohl es so viele Jahre her war, hatte sich sein Gesicht in ihr Gedächtnis gebrannt. Natürlich hatte er sich verändert. In seinen Haaren waren graue Fäden zu sehen, und er kam ihr hagerer vor als damals. Doch er war es, ohne jeden Zweifel.

Tränen schossen ihr in die Augen. Sie griff nach der fast vollen Bierdose und leerte sie in einem Zug.

»Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, Ladys und Gentlemen. New York ist eine freie und weltoffene Stadt, in der jeder seinen Platz hat. Dafür lieben wir uns, und dafür werden wir von der ganzen Welt geliebt. Freiheit kann jedoch nicht bedeuten, dass jeder tut, was und wo es ihm gerade beliebt. Ich werde nicht müde zu sagen: Regeln sind Regeln, keine Empfehlungen. Sie haben Sinn und Zweck, denn ohne sie gibt es kein Zusammenleben, keine Gemeinschaft, nur Chaos und Gewalt. Als Bürgermeister von New York werde ich alles dafür tun, dass die Regeln eingehalten werden, und zwar von jedem Einzelnen. Das verspreche ich Ihnen hoch und heilig.«

Als die etwa fünfhundert Menschen im Saal frenetisch applaudierten, breitete Ron Perlham die Arme aus, als wollte er sie alle zugleich an seine breite Brust drücken. Er liebte diese Geste. Vince Hanking sagte zwar, dass er so aussehen würde wie die Christusstatue auf dem Corcovado im Süden von Rio de Janeiro, und das mache einen albernen und abgehobenen Eindruck. Aber, zum Teufel, was wusste Hanking schon? Gut, er war Perlhams Wahlkampfmanager und ein heller Kopf, nur manchmal schien er seinen früheren Job als Finanzbeamter nie ganz hinter sich gelassen zu haben. Mit Tabellen und Diagrammen allein gewann man nun mal keine Wahlen.

So donnernd der Applaus anfangs gewesen war, langsam wurden die Leute müde. Aus den vorderen Reihen wurden ihm irritierte Blicke zugeworfen. Hanking, der am anderen Ende des Saals neben der Tür stand, winkte ihm heftig zu. Perlham wurde klar, dass er bereits ein klein wenig zu lange in seiner Jesuspose verharrte. Wenn man es übertrieb, konnte jeder guter Effekt allzu leicht ins Gegenteil verkehrt werden.

Er zog die Arme zurück, bedankte sich wortreich für den Beifall, wünschte allen einen schönen Abend und die richtige Wahl, bevor er dynamischen Schrittes die vier Stufen kurze Treppe hinuntereilte. Mit seinen neunundfünfzig Jahren war er fitter als mancher Dreißigjährige, und das war etwas, das die Leute sehen mussten. Wer sich schnell und entschlossen bewegte, der handelte auch schnell und entschlossen. Lucas Walsh, sein aussichtsreichster Gegenkandidat und sechzehn Jahre jünger als er, wirkte gegen ihn bedächtig und langsam. Konnte man einem phlegmatischen Langweiler eine Stadt wie New York anvertrauen? Natürlich nicht!

Hände streckten sich ihm entgegen. Perlham mühte sich redlich, sie alle zu schütteln, doch es waren einfach zu viele. Sein Sicherheitsmann Bill Bertowsky bemühte sich nach Kräften, ihm den Weg zum Ausgang zu bahnen. Bertowsky war Ex-Soldat und hatte in Afghanistan gekämpft. Wenn er seinen mächtigen Körper straffte und seinen finstersten Blick aufsetzte, konnte er Menschenmassen teilen wie der gute alte Moses das Meer.

Während sich Perlham durch die Menge schob, kam er sich vor wie im Auge eines Tornados. Menschen schrien ihm etwas zu, andere klopften ihm auf die Schulter, manche berührten ihn an seinem Jackett oder griffen in sein sorgfältig frisiertes Haar, als wäre er eine Reliquie. Er hasste es, angetatscht zu werden wie eine billige Straßennutte, doch er ließ sich nichts anmerken und lächelte eisern weiter. Jede Stimme zählte.

Als sie es endlich nach draußen geschafft hatten, wurden sie bereits von Vince Hanking und Joan Moinar erwartet. Joan war früher Journalistin bei einem lokalen Fernsehsender gewesen und koordinierte seine Medienarbeit. Ein paar Schritte hinter ihr wartete bereits die Pressemeute, bereit, sich auf ihn zu stürzen.

»Sie waren wieder großartig«, empfing sie ihn und strich sich eine Strähne aus der Stirn. Joan hatte gelocktes blondes Haar, das ihr in weichen Wellen über die schmalen Schultern fiel. Ihren schlanken Körper hatte sie in einen grauen Hosenanzug gehüllt, und sie trug die rote Brille, auf die Perlham mächtig abfuhr. So sehr, dass er Joan manchmal bat, sie im Bett aufzubehalten.

Niemand aus seinem Team ahnte, dass sie es seit über zwei Monaten miteinander trieben, wobei er sich bei Hanking nicht sicher war, denn manchmal warf er Joan seltsame Blicke zu. Jedenfalls musste ihre Affäre bis mindestens nach der Wahl geheim bleiben. Perlham inszenierte sich als einsamer Streiter, der nach dem Tod seiner Frau vor knapp drei Jahren bewusst auf eine neue Partnerin verzichtete, um sich voll und ganz seinem Wahlkampf und damit der Stadt zu widmen. Dieses Bild würde hässliche Risse kriegen, wenn herauskam, dass er mit seiner Mitarbeiterin vögelte, zumal Joan verheiratet war.

Die Journalisten stürmten auf ihn zu, allen voran dieser schreckliche Cliff Barnes von der New York Times, in dessen Gesichtsausdruck immer etwas Höhnisches lag, als hielte er Perlham für einen Hinterwäldler, der sich rein zufällig in die Politik verirrt hatte. Perlham zwang sich zu einem Lächeln und stellte sich vor, wie er langsam Barnes' Eier mit einer Rohrzange zerquetschte.

Joan gönnte den Geiern fast zehn Minuten, bevor sie ihnen zu verstehen gab, dass die Fragerunde für heute beendet war, Perlham am Arm fasste und ihn zur Tür führte. Bertowsky ging voran, damit niemand auf die Idee kam, sich ihnen in den Weg zu stellen, Hanking bildete die Nachhut. Längst waren sie ein eingespieltes Team, auch was den Abgang anbelangte.

Nachdem sie den Vorraum hinter sich gelassen hatten, strebten sie zügig auf die Fahrstühle zu. Joan drückte den Knopf. Zu Perlhams Erleichterung öffnete sich augenblicklich eine der Metalltüren. Er hasste es, auf den Fahrstuhl zu warten. Rasch zwängten sie sich in die Kabine. Rumpelnd setzte sich der Aufzug in Bewegung.

Endlich unten angekommen, eilte ihre kleine Gruppe auf den Ausgang des Hotels zu. Perlham zwang sich zu einem gemessenen Schritt, denn er hatte einige Anhänger in der Lobby entdeckt und wollte nicht den Eindruck erwecken, er wäre auf der Flucht. Sie winkten ihm zu, worauf er freundlich zurückwinkte und dabei an ein kaltes Bier und ein Klubsandwich mit Hühnchen und Speck dachte, auf das er jetzt mächtig Appetit hatte. Darauf und auf Joans beeindruckende Oberweite. Zum Glück war die Veranstaltung ihr letzter Termin für heute gewesen.

Bertowsky hatte sein Handy am Ohr. Perlham wusste, dass er Ruben, den Chauffeur, herbeizitierte. In wenigen Sekunden würde der silberfarbene Escalade am Eingang vorfahren. Wie immer würde er mit Joan in der hintersten Reihe Platz nehmen, und wie jedes Mal würde er sich beherrschen müssen, um nicht eine Hand zwischen ihre Schenkel wandern zu lassen. Zu groß war die Gefahr, dass sich Vince Hanking umdrehte, weil er ihm etwas mitzuteilen hatte.

Schweigend standen sie in der kühlen Abendluft und warteten. Trotz der späten Stunde herrschte viel Verkehr, doch Perlham hatte den Escalade bereits entdeckt. Yard um Yard schob er sich auf sie zu.

Ein Knall ließ ihn zusammenzucken. Glas klirrte. Im nächsten Moment wurde er gepackt und zu Boden gerissen. Plötzlich war der schmutzig graue Asphalt direkt vor seiner Nase. Menschen schrien. Er wollte aufstehen, ein gewaltiges Gewicht presste ihn nieder.

Was, zur Hölle, war hier los?

»Ganz ruhig, Boss.« Bertowskys Stimme war dicht neben seinem Ohr. »Bleiben Sie einfach liegen.«

»Sie sind spät dran, Gentlemen«, begrüßte Mr. High uns.

Phil hob entschuldigend die Hände, während wir uns setzten. »Es ist meine Schuld, Sir. Als ich das Haus verlassen wollte, bin ich im Flur meiner neuen Nachbarin über den Weg gelaufen. Wir kamen ins Plaudern, ich habe die Zeit vergessen und bin zu spät am Treffpunkt erschienen.«

Unser Chef schmunzelte. »Mein kriminalistischer Instinkt sagt mir, dass es sich nicht um eine gebrechliche alte Lady handelt.«

»Äh, ja, sie ist etwa in meinem Alter.«

»Und sehr hübsch«, warf ich ein. »Jedenfalls hast du das vorhin erzählt.«

Phil warf mir einen düsteren Blick zu, worauf ich mir ein Grinsen nicht verkneifen konnte.

»Dann gratuliere ich Ihnen zur neuen Nachbarin, Phil«, beendete Mr. High trocken das Thema. »Lassen Sie uns zum Wesentlichen kommen. Gestern Abend wurde vor dem Waldorf Astoria auf den Bürgermeisterkandidaten Ron Perlham geschossen.«

Ich nickte. »Es kam heute Morgen in den Nachrichten.«

»Perlham hatte gerade eine Wahlkampfveranstaltung hinter sich gebracht. Gegen zehn Uhr stand er mit seinen Mitarbeitern vor dem Ausgang und wartete auf seinen Wagen, als jemand aus einer Seitengasse auf der anderen Straßenseite einen Schuss auf ihn abfeuerte, ihn jedoch um wenigstens zwei Yards verfehlte. Die Glastür ging zu Bruch, mehr ist zum Glück nicht passiert.«

»In den Nachrichten hieß es, dass der Täter unerkannt entkommen konnte.«

»Richtig, Jerry. Ein Mitarbeiter des Hotels hat in der Seitenstraße einen Schatten gesehen, wahrscheinlich den Schützen. Die Kollegen vom NYPD haben die gesamte Gegend abgesucht, konnten allerdings nur die Patronenhülse finden. Und jetzt kommt etwas, das Sie noch nicht wissen.«

»Ich bin gespannt, Sir.«

»Einen knappen Yard neben der Hülse haben die Beamten eine Visitenkarte von Lucas Walsh gefunden.«

»Lucas Walsh?«, echote Phil. »Der kandidiert doch ebenfalls.«

»Exakt, Phil. Genauer gesagt, ist er Perlhams schärfster Konkurrent. In den aktuellen Umfragen liegen die beiden fast gleichauf, wobei Perlham die Nase ein Stück vorn hat.«

Ich schürzte die Lippen. »Glauben Sie, dass Walsh etwas mit dem Anschlag zu tun hat?«

Mr. High wiegte den Kopf. »Tja, das kommt mir, ehrlich gesagt, wenig wahrscheinlich vor. Dass ein Politiker auf den anderen schießt und dann seine Visitenkarte am Tatort hinterlässt, klingt für mich eher nach einem Kriminalroman. Aber genau diese Frage werden sich in Kürze auch die Medien stellen. So oder so werden Sie der Sache nachgehen. Einen politischen Hintergrund können wir keinesfalls ausschließen.«

»Es könnte einer von Walshs Anhängern gewesen sein«, ergriff Phil das Wort. »Jemand, der das Wort Wahlkampf etwas zu wörtlich genommen hat.«

»Das sehe ich genauso, Phil«, erwiderte Mr. High. »Fanatiker gibt es überall. Sprechen Sie mit Walsh, und fragen Sie ihn, ob ihm unter seinen potenziellen Wählern jemand besonders aufgefallen ist. Ein Unterstützer, der ständig Kontakt zu ihm sucht, zu radikalen Äußerungen neigt, etwas in der Art.«

Ich überlegte. Ron Perlham und Lucas Walsh waren der personifizierte Gegensatz. Während Perlham meiner Meinung nach mit den Ängsten der Menschen spielte und ihnen einredete, dass sie einer fortwährenden Bedrohung ausgesetzt seien, schlug Walsh deutlich moderatere Töne an und konzentrierte sich vor allem auf Bauvorhaben, Verkehrspolitik und soziale Projekte.

Ihre Gegensätze wurden schon an ihrem Äußeren deutlich. Perlham war ein ehemaliger Polizist, schlank und groß gewachsen. Mit seinem kantigen Gesicht und dem sorgfältig geschnittenen braunen Haar ähnelte er ein wenig dem Schauspieler Charlton Heston. Der Anwalt Walsh war beinahe einen Kopf kleiner, hatte schwarze Locken und trug eine randlose Brille. Auch ihr familiäres Umfeld war verschieden. Während der kinderlose Perlham allein lebte, war Walsh verheiratet und Vater von einem Jungen und einem Mädchen.

Es gab zwar zwei weitere Kandidaten, doch die lagen hoffnungslos zurück. Wie es aussah, würde entweder Perlham oder Walsh in Kürze auf dem Stuhl des Bürgermeisters Platz nehmen.

»Weiß Mister Walsh von der Visitenkarte?«, fragte Phil.

»Er weiß es. Und er ist außer sich. Sicher befürchtet er, dass Perlham den Vorfall ausschlachten wird. Wenn es wirklich einer von Walshs Anhängern war, hat er ihm damit einen Bärendienst erwiesen. Finden Sie es heraus, Gentlemen.«

»Natürlich war er es.«

Ron Perlham schlug so heftig mit der Faust auf den Tisch, dass seine Kaffeetasse einen kleinen Hüpfer machte. »Dieser Dreckskerl hat eingesehen, dass er mich nicht schlagen kann, deshalb will er mich aus dem Weg räumen.«

Vince Hanking, der ihm auf der anderen Seite seines Schreibtischs gegenübersaß, schaute skeptisch drein, während sich um Joans Mundwinkel ein kaum wahrnehmbares Lächeln gekerbt hatte. Auf eine verrückte Art stand sie darauf, wenn er sich aufregte. Jedenfalls solange nicht sie selbst das Ziel seines Wutausbruchs war.

Perlham schnaufte, fuhr vom Stuhl hoch, ging zum Fenster und schaute hinaus. Sein Büro befand sich im dreizehnten Stock. Von hier oben wirkten die Menschen, die die Second Avenue bevölkerten, wie Ameisen, die in alle Richtungen krabbelten, um ihr Tagewerk zu verrichten. Der Anblick hatte eine beruhigende Wirkung auf ihn. Er gab ihm das Gefühl, über den Dingen zu stehen.

Gestern Abend hatte die Polizei ihn und seine Mitarbeiter ausgiebig befragt, doch niemand von ihnen hatte den Schützen auch nur gesehen. Wie sie erfahren hatten, hatte er aus einer Seitengasse heraus gefeuert. Hätte der kampferprobte Bertowsky nicht so schnell reagiert, hätte der Täter vielleicht einen zweiten Schuss versucht, und der Himmel allein wusste, ob die Kugel diesmal ihr Ziel gefunden hätte.

Ob er seinem Sicherheitsmann eine kleine Gehaltserhöhung zukommen lassen sollte?

Als die Cops sie endlich hatten gehen lassen, war es so spät geworden, dass Joan nach Hause musste, sonst hätte ihr Ehemann Verdacht geschöpft. Der war zwar ein einfältiger Idiot, aber nicht dumm, und in dieser Angelegenheit würden sie keinerlei Risiken eingehen. Das verpasste Schäferstündchen kreidete er dem Scheißkerl Walsh zusätzlich an.

Nachdem er vor einer halben Stunde die Nachricht erhalten hatte, dass eine Visitenkarte seines Kontrahenten am Tatort gefunden worden war, war für ihn die Sache klar. So ein Dreckskerl.

Aus dem Augenwinkel bemerkte er, dass Hanking neben ihn getreten war.

»Ich kann mir nicht vorstellen, dass Walsh so etwas tun würde«, sagte er ruhig. »Der Typ ist ein Weichei.«

Perlham rieb sich das Kinn. »Natürlich hat er nicht selbst geschossen. Er hat jemanden beauftragt.«

»Dafür braucht er Kontakte.«

»Sind Sie sein verfluchter Anwalt, Vince, oder wie muss ich das verstehen?«, brauste er auf.

»Ich sage nur, dass ...«

Mit einer schnellen Handbewegung schnitt er ihm das Wort ab und drehte sich um. »Was meinen Sie dazu, Joan?«

»Wir führen kurz vor der Wahl mit über drei Prozentpunkten, Ron«, antwortete sie. »Walsh dürfte verzweifelt sein. Verzweifelte Menschen tun verzweifelte Dinge.«

Perlham ignorierte Hankings Aufstöhnen und trat auf sie zu. »Genauso sehe ich das auch.«

»Was haben Sie jetzt vor, Ron? Wollen Sie ihn ans Kreuz nageln?«

»Du lieber Himmel ...«, krächzte Vince Hanking.

Perlham dachte darüber nach, dann schüttelte er den Kopf und setzte sich wieder in seinen Stuhl. Das weiche Leder knarrte leise unter seinem Gewicht. Er sah Joan in die Augen und, beim Allmächtigen, wenn Vince Hanking nicht im Raum gewesen wäre, hätte er ihr die Kleidung vom Leib gerissen und sich hier und jetzt mit ihr auf seinem Schreibtisch vergnügt.

»Nein«, beantwortete er ihre Frage. »Ich werde es erwähnen, ein bisschen Salz in die Wunde reiben, aber wir werden nicht zu offensiv vorgehen. Mal angenommen, sie schnappen den Kerl, und es stellt sich heraus, dass es nur ein Verrückter war, auch wenn ich das nicht glaube. Wenn wir zu sehr auf den Busch klopfen, gerate ich am Ende in die Verlegenheit, mich bei Walsh entschuldigen zu müssen, und das will ich auf keinen Fall.«

Joan beugte sich vor, wodurch der Ausschnitt ihrer weißen Bluse aufklaffte und ihm freien Blick auf den Ansatz ihrer Brüste gewährte. Für einen Moment spielte er mit dem Gedanken, Vince Hanking vor die Tür zu schicken, doch er verwarf die Idee sofort wieder. Das wäre wohl etwas zu auffällig gewesen.

»Was möchten Sie dann tun?«, fragte sie. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie es bei ein paar Sticheleien belassen.«

»Da haben Sie verdammt recht. Walsh hat uns den Krieg erklärt, und ich nehme die Erklärung an. Wenn er glaubt, er wäre der Einzige, der schmutzig spielen kann, hat er sich getäuscht.«

Vince Hanking nahm seinen Platz neben Joan ein. »Ron, ich möchte Sie darauf hinweisen, ein zentrales Thema unseres Wahlkampfs lautet, dass die Regeln eingehalten werden müssen. Das gilt auch für uns selbst.«

Perlham bedachte ihn mit einem Blick, als wäre er nur ein kleiner Junge ohne jede Ahnung davon, wie es auf der Welt läuft. »Haben sich unsere Vorfahren an die Regeln gehalten, als sie dieses Land für uns eroberten, Vince?«

»Nein, sie waren auch nicht im Wahlkampf. Sie hatten nichts zu verlieren und konnten nur gewinnen. Für uns gilt das nicht. Ein Regelbruch und wir laufen Gefahr, dass uns Ihre Wähler vom Platz stellen.«

Perlhams Blick verdüsterte sich. Elender Klugscheißer, dachte er. Leider hatte er nicht unrecht. Sie mussten vorsichtig sein.

»Punkt für Sie«, knurrte er und glaubte in Joans Augen Bedauern zu erkennen. Kein Zweifel, sie wollte Blut fließen sehen. Sie war in vielerlei Beziehung eine Frau nach seinem Geschmack. Nun denn, er würde die Klinge schärfen, jedoch noch nicht zustoßen.

»Einverstanden, wir halten die Füße still«, verkündete er. »Aber wenn Walsh ein weiteres Mal Foul spielt, reiße ich ihm den Arsch auf. Ich werde ihm nicht die andere Wange hinhalten.«

Vince Hanking grinste zufrieden. »Das verlangt auch keiner. In der Zwischenzeit werde ich bei öffentlichen Auftritten Polizeischutz für Sie anfordern.«

»Polizeischutz?« Perlham hob die Brauen.

»Natürlich. Der Schütze ist nicht gefasst. Wer sagt uns, dass er es kein zweites Mal versucht?«

Als Aurora Jacobs die Augen aufschlug, wusste sie im ersten Moment nicht, wo sie sich befand. Dann fiel es ihr wieder ein. Sie lag im Bett ihres Hotelzimmers. Dem Geruch nach waren die Laken länger nicht gewaschen worden, im Ballard's kehrten vermutlich nicht allzu viele Gäste ein, und ihr Zimmer konnte wer weiß wie lange leer gestanden haben. Das kleine Hotel in der Bronx war preiswert, schlappe fünfzig Dollar pro Nacht. Dafür nahm sie Abstriche bei Sauberkeit und Komfort gerne in Kauf.