Jerry Cotton 3440 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 3440 E-Book

Jerry Cotton

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Vor Jahren hatte das FBI die einzige ungelöste Flugzeugentführung als Cold Case zu den Akten gelegt - den mysteriösen Fall des Hijackers C. B. Cooper. Er war mitsamt Lösegeld mit dem Fallschirm aus dem gekaperten Flugzeug gesprungen und wurde nie wieder gesehen. Man hielt ihn für tot. Dennoch erlagen Legionen von Hobbyermittlern dem faszinierenden Mythos. Als Phil und ich angefordert wurden, einen mutmaßlichen Zeugen zu eskortieren, waren wir skeptisch. Nach all den Hinweisen, die sich im Lauf der Jahrzehnte als falsch erwiesen hatten, musste es sich um eine Person handeln, die mit einer neuen fantastischen Theorie aufwartete. Wir sollten uns irren ...


Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 142

Veröffentlichungsjahr: 2023

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Das Geheimnis von C. B. Cooper

Vorschau

Impressum

Das Geheimnis von C. B. Cooper

Zuerst dachte ich, es hätte zu regnen begonnen. Nach der drückenden Schwüle des langen Tages wäre ein Regenguss höchst willkommen. Es klang, als trommelten Regentropfen auf das Autodach. Ein wahrer Wolkenbruch. Doch das Trommelfeuer stammte aus Schnellfeuergewehren. Die Kugeln beharkten unseren Wagen von zwei Seiten. Die Projektile prallten allerdings wirkungslos vom kugelsicheren Cadillac ab.

Ich riss das Lenkrad herum, um uns aus dem Schussfeld zu manövrieren. Das schwere FBI-Spezialfahrzeug schlitterte Richtung Straßengraben. Auf dem Rücksitz stemmte Phil einen Arm instinktiv vor die Brust unseres Zeugen, um ihn wie mit einem menschlichen Sicherheitsgurt vor dem Aufprall zu schützen. Der alte Mann musste unbedingt überleben. Er war der Schlüssel zu einem Rätsel, das das FBI seit Jahrzehnten nicht hatte lösen können.

Dass wir unbekannten Heckenschützen als Zielscheibe dienen sollten, konnten wir achtundvierzig Stunden vor diesen Ereignissen nicht ahnen. Ebenso wenig deutete darauf hin, dass mein Partner Phil Decker und ich uns auf eine Irrfahrt durch den Bundesstaat Washington begeben würden. Das alles hatten wir einem einzigen Mann zu verdanken. Einem Mann, der sich derzeit innerhalb der Mauern des FBI Seattle befand.

Das Field Office lag downtown, es grenzte an den Business District. Als wir aus dem Wagen stiegen, der uns am Flughafen abgeholt hatte, wehte uns von der Bay her eine salzige Meeresbrise entgegen. Nur einen Moment lang. Dann befanden wir uns bereits im Aufzug in den obersten Stock, das Reich von Chris Starr, Leiter des Field Office des FBI Seattle.

Special Agent in Charge Starr ergriff meine Hand wie ein Schraubstock. Die Haare des Mittsechzigers waren von grauen Fäden durchzogen. Über seiner mit Sorgenfalten zerfurchten Stirn lag eine einzelne schlohweiße Tolle. Sie stand von den übrigen Haaren ab wie der weiße Schwanz eines Fuchses. Das sah an Fernsehmoderatoren, die spätabends die Talkshows bestritten, sicherlich gut aus, allerdings nicht am Leiter eines Field Office.

SAC Starr besaß die stechenden Augen eines Verhörrichters. Was Phil und ich empfingen, waren keine positiven Vibes. Starr hielt sich nicht mit den üblichen Freundlichkeiten auf, was uns nur recht war. Wir wollten erfahren, worum sich das alles drehte.

Das alles war sehr schnell gegangen. Wir hatten uns am Morgen gerade erst zum Dienst gemeldet, als Mr. High uns persönlich anrief. Zeugenschutz für eine Person in Gewahrsam des FBI Seattle, der Auftrag besaß höchste Priorität. Das konnte nur bedeuten, dass er von ganz oben kam, von FBI Director James E. Fuller persönlich. Unten wartete bereits ein Wagen, der uns zum LaGuardia Airport bringen sollte. Der Motor lief.

An Bord des Flugzeugs von New York nach Seattle briefte uns der Chef über das Funktelefon. Wir hatten richtig geraten. Director Fuller hatte zwei Agents für diesen Auftrag mit höchster Geheimhaltungsstufe angefordert. Alle Informationen waren auf einer Need-to-know-Basis. Auch wir brauchten nicht mehr zu wissen, als wir für die Ausführung zu wissen brauchten. Selbst Mr. High hatte uns nicht in Details eingeweiht. Nur so viel, die Person hatte um Zeugenschutz des FBI gebeten. Und obwohl sich der besagte Mann selbst beim FBI Seattle gemeldet hatte, hatte er zur Bedingung gemacht, dass die Agents nicht der Behörde Seattle angehören durften. Irgendwie roch die Sache faul.

Vielleicht war das der Grund dafür, dass Chris Starr uns nicht den roten Teppich ausrollte. Wir kamen zur Mittagszeit an der Westküste an. Er wusste, dass wir einen Flug quer über den Kontinent hinter uns hatten, aber er bot uns nicht das Geringste an. Weder einen Kaffee, ein Glas Wasser, noch seine Freundschaft. Die brauchten wir nicht unbedingt. Ich wollte ohne Umschweife zur Sache kommen.

»Das kann ich Ihnen verraten, Agent Cotton«, sagte Starr schlecht gelaunt, und ich konnte seiner Stimme anhören, das er sie nur mühevoll beherrschte. »Ich nehme an, der Name C. B. Cooper sagt Ihnen etwas.«

Phil und ich wechselten einen Blick. Starr erwartete keine Antwort, die Frage war rein rhetorisch. Jedes Schulkind in den USA kannte diesen Namen. C. B. Cooper hatte im Laufe der vergangenen Jahre beinahe die mystische Dimension eines Jesse James angenommen. Er befand sich in der Gesellschaft jener historischen Persönlichkeiten, bei denen die Geschichtsschreibung nicht mehr recht wusste, wo die Wahrheit endete und die Dichtung begann.

»Gestern meldete sich ein Zeuge im Fall C. B. Cooper aus freien Stücken bei uns. Das heißt, bei mir persönlich.« Starr wandte uns den Rücken zu. Er sprach zur Fensterscheibe, die den Blick auf die Bay preisgab. Am Himmel zeigte sich keine einzige Wolke. Es hatte seit Tagen nicht geregnet. »Er behauptet, uns zu ihm führen zu können – zu C. B. Cooper.«

Ich konnte zusehen, wie die Spannung förmlich Phils Körper verließ. Seine vorgereckten Schultern sanken zurück. Mir ging es ähnlich. Ein Zeuge, der behauptet, dem FBI den Superschurken auszuliefern? Das wäre nicht das erste Mal in diesem legendären Fall. Ein Haufen von Wichtigtuern hatte dem FBI im Lauf der Jahrzehnte die Zeit gestohlen. Hinweise, die sich als falsch erwiesen. Verleumdungen, denen unsere Behörde besseren Wissens nachgehen musste, weil der Fall eine solch hohe Öffentlichkeit besaß.

Die Geschichte der ungelösten Flugzeugentführung hatte längst kuriose Dimensionen angenommen. So weit ging dieses Massenphänomen, dass Menschen sogar auf dem Todesbett beichteten, sie seien Cooper gewesen – und gelogen hatten.

Nun meldete sich also ein weiterer selbsternannter Zeuge, der den Steuerzahler Geld kosten würde.

»Ich war der Meinung, das FBI Seattle hätte die Ermittlungen in diesem Fall vor fünf Jahren offiziell abgeschlossen.« Ich hatte das nicht als Frage formuliert. Starrs Aussage, dass der Fall Cooper endgültig ad acta gelegt worden sei und für die aussichtlose Aufklärung kein weiterer Aufwand mehr betrieben würde, hatte landesweit die Schlagzeilen beherrscht. Nachdem Starr den größten Teil seiner Karriere beim FBI darauf verwendet hatte, ein Phantom fassen zu wollen, hatte er sich ganz offiziell geschlagen gegeben. Natürlich hatte schon lange vorher niemand mehr ernsthaft an eine Aufklärung geglaubt, geschweige denn daran, den Verbrecher zu fassen.

»Wir haben unten im Archiv sogar einen eigenen Flügel zum Fall Cooper. Kisten über Kisten mit Protokollen von Zeugenbefragungen. Würden wir alle Papiere auf einem Haufen stapeln, er wäre höher als unsere verdammte Space Needle.«

Phil hakte nach. »Sie klingen nicht danach, dass Sie der Aussage dieses neuen Zeugen Glauben schenken würden.«

»Darauf können Sie Ihr Urlaubsgeld wetten, Special Agent Decker. Wir haben weiß Gott genug Zeit damit verschwendet, nach jemandem zu fahnden, der seit vielen Jahren tot ist.«

SAC Starr hielt sich nicht mit weiteren Erklärungen auf.

»Bringen Sie Mister Cannally nach oben«, sagte er ins Telefon. Er hatte nicht vor, uns die Wartezeit mit Small Talk zu verkürzen. Starr wandte sich der Arbeit zu, die auf seinem Schreibtisch wartete. Seine Unhöflichkeit musste einen Grund haben, den wir noch nicht kannten.

Von seinem Office aus war die Space Needle zu sehen, Seattles Wahrzeichen, das Starr erwähnt hatte. Der Überwachungsturm, ein Überbleibsel der Weltausstellung von 1962, war einst das höchste Gebilde westlich des Mississippi gewesen. Natürlich war es unterdessen schon mehrmals übertrumpft worden. Leider waren wir nicht wegen der Sehenswürdigkeiten hier.

Wenn Starrs Schätzung stimmte, dass die gesamten Akten in diesem Fall die Spitze der Needle überragen würden, konnte ich mir auch gut vorstellen, was er am liebsten damit machen würde: den Stapel anzünden. Der Aktenberg repräsentierte verschwendete Lebenszeit. Die tiefen Sorgenfalten, die sich in diesen Jahren in Chris Starrs Gesicht gegraben hatten, zeugten davon.

Derselbe Kollege, der uns hergefahren hatte, ein schneidig auftretender Agent namens Timothy O'Malley, ein Mann Mitte vierzig, öffnete die Tür und ließ einen älteren Mann eintreten.

Seinem Äußeren nach hatte er selbst die Jahre, die Dichter den Herbst des Lebens nennen, lange hinter sich, doch der Alte bewegte sich schlaksig, mit federnden Schritten. Er lächelte unternehmungslustig wie ein Reisender, der am Bahnhof auf die beiden anderen Passagiere trifft und es kaum erwarten kann, dass der Zug losdampft.

Das Dunkelbraun seiner Haare wollte mir nicht zum übrigen Erscheinungsbild passen. Sie waren gefärbt. Eine Botoxspritze hatte die Stirn geplättet. Wenn plastische Chirurgen ihre Skalpelle angesetzt hatten, um ein paar weitere Lebensjahre zu vertuschen, hatten sie es sehr sorgfältig getan. Es war schwer, das Alter dieses Mannes zu schätzen.

Aber man sollte sich von ersten Eindrücken nicht täuschen lassen.

»Mister Cannally, das sind die Special Agents Cotton und Decker.«

Die haselnussbraunen Augen musterten uns listig.

»Sie gehören nicht zum FBI Seattle wie ich es verlangt habe?« Der Alte blickte zuerst zu O'Malley, der den Eingang bewachte wie eine Wache am Buckingham Palast, dann warf er denselben fragenden Blick Starr zu.

»Diese beiden Agents kommen von einem anderen Field Office an, Mister Cannally, Sie gehören nicht zu meinen Leuten«, beschied Starr ihm unfreundlich, »mehr brauchen Sie nicht zu wissen.«

Cannally ließ sich nicht die gute Laune verderben. Er zuckte mit den Schultern wie ein Gast in einem Restaurant, der von der Bedienung hört, dass der Apfelkuchen ausverkauft ist und er sich stattdessen mit Aprikose begnügen muss. Und das war Chris Starr für Buck Cannally, nicht mehr als eine Bedienung, die seine Bestellung aufnehmen sollte.

»Soll mir recht sein.« Er schüttelte uns die Hand. »Freut mich sehr, Sie kennenzulernen. Buck Cannally.«

Mir fielen winzige rote Punkte auf seinem Handrücken auf, möglicherweise Spuren einer kürzlichen Laserbehandlung. Heutzutage ließen sich selbst alte Männer aus Eitelkeit die unschönen braunen Flecke auf den Händen entfernen, die sich dort im Lauf der Zeit abzeichneten und an denen man die wahren Altersjahre abzählen konnte.

Ich sagte ebenso freundlich, aber unverbindlich: »Wenn es Ihnen nichts ausmacht, Mister Cannally, setzen Sie uns jetzt ins Bild. Sie haben Information zu C. B. Cooper?«

Cannally sah Starr von der Seite an. Der FBI-Chef würdigte ihn keines Blickes.

»SAC Starr hat es wohl nicht für nötig gehalten, Sie ins Bild zu setzen. Na gut.« Er stemmte die Hände in die Hüften wie ein Muskelprotz auf dem Jahrmarkt, der die Zuschauer auffordert, sich mit ihm zu messen. »Ich werde Sie zu ihm führen.«

»Klingt interessant«, sagte ich. »Wie genau?«

»Wir werden ganz einfach hinfahren.«

»Zu welcher Adresse, Mister Cannally? Lassen Sie sich bitte nicht alles aus der Nase ziehen.« Phil hatte seine Ungeduld nicht länger zügeln können.

»Das werde ich Ihnen unterwegs verraten, Gentlemen.« Nun klang Buck Cannally wie ein Puppenspieler, der den Kindern erklärt, dass die Vorstellung nun zu Ende ist und er den Vorhang seines kleinen Theaters zuzieht. Wenn ihr brav seid, seht ihr morgen mehr.

»Unterschreiben Sie bitte hier.« Auch Chris Starr machte keine Anstalten, das Treffen zu verlängern.

Ich zeichnete mit dem Zeigefinger meine Initialen auf eine elektronische Empfangsbestätigung, als würde ich ein Paket entgegennehmen. Damit war Buck Cannally offiziell in unserem Gewahrsam.

»Unten steht ein Spezialfahrzeug für Sie bereit.« Starr nickte uns kurz zu. »Agent Cotton. Agent Decker.«

Ich dachte, er würde noch etwas hinzufügen. Aber Starr wünschte uns weder viel Glück noch eine gute Reise. Das eine hätten wir gut gebrauchen können. Denn eine gute Reise stand uns nicht bevor.

»Das ist amerikanische Wertarbeit«, sagte Phil anerkennend.

»Das ist vor allem sehr viel Handarbeit«, erwiderte Timothy O'Malley. »So was macht Mister Ford nicht am Fließband.«

Der schwarz glänzende Cadillac sah aus, als wäre er zur Hochzeit von zwei Prominenten bestellt worden. Doch dieser Luxuswagen hatte sich lediglich verkleidet. Experten bezeichneten ein solches Spezialfahrzeug als Ballistic Resistance Vehicle, ein kugelsicheres Gefährt.

»Wir nennen ihn Caddy 1.« O'Malley warf mir den Schlüsselbund zu.

Ich fing ihn mit der offenen Hand in der Luft.

»Und wir möchten ihn gerne im selben Zustand zurück.«

Ich öffnete Cannally die rechte Hintertür. »Bitte einsteigen.«

Unser Zeuge brauchte nicht mehr über das Fahrzeug zu wissen als notwendig. Der Alte kletterte etwas umständlich hinein. Die schwere Tür fand überraschend sanft den Weg in ihr Schloss.

Mit einer Geste deutete ich auf mein Ohr, um O'Malley zu fragen, ob die Scheiben schalldicht waren.

Er antwortete in unveränderter Lautstärke. »Das ist Panzerglas. Lässt keinen Ton durch. Und auch keine Kugel. Wurde mit Sturmgewehren amtlich beschossen.«

Kritischer als ein Gebrauchtwagenhändler klopfte Phil gegen das chromglänzende Chassis. »Und die Panzerung?«

»Dieses Modell hält Beschuss aus einem Schnellfeuergewehr mit NATO-Munition stand, Gentlemen. Und das bei einer Aufprallgeschwindigkeit von über neunhundert Meilen pro Sekunde.«

»Nicht schlecht«, musste mein Partner zugeben.

»Hab selbst gesehen, wie die Kugel aus einer 44er Magnum daran abgeprallt ist.«

»Sprengstoff?«

»Selbst eine Handgranate macht lediglich eine Beule rein, Agent Decker. Also, ich denke, ihr New Yorker solltet darin sicher sein, vor was auch immer.«

Ich stellte mich vor die Kühlerhaube. »Die ganzen Panzerplatten dürften ihn ziemlich übergewichtig machen. Was hat er denn unter der Haube?«

»Na ja«, druckste O'Malley herum, als müsste er Caddy 1 in Schutz nehmen, »er bringt immerhin 4,5 Tonnen auf die Waage. Dafür hat er da drunter einen V12-Motor. Beschleunigt ein bisschen langsam, hat aber 612 PS.« Er deutete auf den Kofferraum. »Viel Gepäck habt ihr ja nicht dabei.«

Phil zog ein langes Gesicht. »Ich hatte nicht mal Zeit, eine Zahnbürste einzupacken.«

»Gut. Der Kofferraum ist nämlich schon voll.«

»Was habt ihr hinten reingepackt?« Wenn sich das FBI Seattle eine solche Karosse leistete, nahm ich an, dass auch der Kofferraum nicht für Urlaubsreisen gedacht war.

»Eine 870er Remington und eine MP5/10.«

Eine Schrotflinte und eine Maschinenpistole, dazu zwei Blendgranaten sowie ein paar schusssichere Westen. Die Ausrüstung eines SWAT-Teams.

»Wir nehmen ihn. Oder was meinst du, Partner?«

»Gekauft.« Phil lachte. »Wir sollten los.«

Als ich den Schlüsselbund nach dem Schloss ausstreckte, machte O'Malley eine bremsende Handbewegung. »Eines noch. Caddy 1 hat Zentralverriegelung. Benutzen Sie nur den Knopf auf dem Schlüsselbund, um die Fahrzeugtüren zu öffnen oder zu schließen, aber nie den Schlüssel.«

Ich sah mir den Schlüsselbund an. Ein herkömmlicher Autoschlüssel, der sich ausklappen ließ. »Warum nicht den Schlüssel?«

»Wer den Schlüssel ins Schloss steckt, kriegt einen zünftigen Stromschlag. Eine kleine Sicherung für den Fall, dass euch unser Wagen abhandenkommt, was wir nicht hoffen wollen.«

Ein nettes kleines Feature. Phil und ich fühlten uns schon fast wie britische Geheimagenten.

»Dann gute Fahrt.« O'Malley sah uns so fasziniert zu, als wären wir Astronauten, die in ihre Raumkapsel steigen, bevor sie mit Druck ins All geschossen werden.

Mein Partner setzte sich auf den Rücksitz neben unseren Zeugen, während ich mich in den Fahrersessel warf. Beinfreiheit war kein Problem. Ich musste den Sessel erst automatisch nach vorne fahren lassen, damit meine Füße überhaupt die Pedale berührten.

»Nun, wohin soll's gehen, Mister Cannally?«, fragte ich wie ein Taxifahrer, der ich in diesem Fall ja auch war.

»Fahren Sie erst die Spring Street hinunter, dann auf die 5er.«

Er kannte sich in Seattle gut aus. Ich startete den Motor per Fingerdruck, denn ich hatte nicht vor, den Schlüssel zu verwenden. Der V12-Motor reagierte temperamentvoll wie ein Rennpferd vor dem Start.

»Nordwärts oder südwärts?«

Der Alte zögerte, als würde er bereits mit dieser Information die Formel von Coca-Cola verraten.

»So viel müssen Sie mir schon sagen, bevor ich auf den Highway auffahre.«

»Nach Süden.«

Ein Klopfen an die Fensterscheibe. SAC Starr.

Ich suchte umsonst nach einer Möglichkeit, das Fenster zu öffnen. Das kugelsichere Glas ließ sich nicht versenken. Die Scheiben würden während der ganzen Zeit geschlossen bleiben.

Ich öffnete die Tür und steckte den Kopf durch den Spalt, ohne Anstalten zu machen, für Starr auszusteigen. »Ja?«

»Trauen Sie dem Kerl nicht, Cotton. Glauben Sie ihm kein Wort. Wenn er Cooper hätte verraten wollen, hätte er das schon vor vielen Jahren tun können.«

Ich war mir sicher, dass Cannally uns auf dem Rücksitz nicht hören konnte. Das Brummen des Motors übertönte unsere Worte.

»Warum hat er für die Eskorte gerade uns angefordert?«, fragte ich. »Haben Sie eine Ahnung?«

»Da unterliegen Sie einem Irrtum, Special Agent Cotton.« Seine Unfreundlichkeit war zurück. »Er hat nicht Sie persönlich angefordert. Er hat lediglich zur Bedingung gemacht, dass es niemand aus Seattle sein durfte. Ihr eigener Chef hat sich den Auftrag geschnappt. Da werden Sie schon Ihren Mister High fragen müssen.«

Ich ließ mich in den Fahrersitz zurücksinken. Starr schloss die Tür. Es hätte mich gewundert, wenn er zum Abschied gewinkt hätte.

Die Limousine mochte einem ein Gefühl von Sicherheit geben, steuern ließen sich die viereinhalb Tonnen jedoch wie ein Backstein. Die Panzerverkleidung und alle anderen Extras gingen zu Lasten der Manövrierfähigkeit. Ich fuhr den Backstein auf vier Rädern auf die Einfahrt des Highway 5 und schlug die südliche Richtung ein.

Die Sonne knallte uns aufs Autodach. Mir klebte bereits das Hemd am Rücken. und ich nahm an, dass es Phil und Cannally ähnlich ging. Ich schaltete die Klimaanlage ein. Direkt daneben war ein Knopf, der bei einem Gasangriff den Sauerstoff in einem inneren Kreislauf halten und filtern konnte.

Im Rückspiegel sah ich Phil neben unserem Zeugen sitzen. »Wenn es Ihnen nicht zu viel ausmacht, Mister Cannally ...«, begann ich.

»Sätze, die so beginnen, machen mir meist sehr viel aus.«

»... dann geben Sie uns bitte Ihre Social Security Number an.«

»Falls Sie sichergehen möchten, dass ich meine Rente pünktlich kriege, sparen Sie sich die Mühe, Agent Cotton. Ich bin pensioniert, und Vater Staat zahlt pünktlich am Monatsletzten keinen Cent mehr, als er muss.«

Phil wiederholte meine Bitte mit mehr Nachdruck. »Ihre SSN, Mister Cannally, bitte.«

Cannally nannte eine neunstellige Nummer. Die ersten drei Ziffern, der Area Code, verrieten mir, dass er ein Einwohner des Bundesstaats Washington war.

Phil rief die Zentrale auf dem Handy. Er gab die Nummer zur Prüfung an. »Ja, ich warte.«