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In New York tauchten plötzlich hochgiftige Schlangen in Wohnhäusern, Gärten und in einer vollbesetzten U-Bahn auf. Es gab Panik und Tote. Am nächsten Tag ging ein Erpresserschreiben beim Bürgermeister ein. Der Absender forderte hunderttausend Dollar. Ansonsten werde er nicht mehr Braunschlangen in der Stadt aussetzen, sondern die ebenso giftigen, jedoch weitaus aggressiveren Sandrasselottern, die Menschen sofort angriffen. Auch New Jersey werde dann zum Ziel. Damit übernahmen Phil und ich den Fall - und hatten es schon bald mit einer Menge Giftschlangen zu tun!
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Seitenzahl: 143
Veröffentlichungsjahr: 2023
Cover
Schlangenterror in NYC
Vorschau
Impressum
Schlangenterror in NYC
Father Alan Burdziak verließ die Trinity Church und ging den abendlichen Broadway hoch. Die zur Kirche gehörende St. Paul's Chapel lag nur vier Blocks entfernt an der Ecke Fulton Street. Er betrat den kleinen Friedhof und steuerte, an den uralten Grabsteinen vorbei, die Hoffnungsglocke an. Burdziak wollte das verschmutzte Messingschild putzen, damit schon die ersten Touristen sie morgen früh makellos glänzend vorfanden.
Er stutzte. Vor der Glocke stand zwischen den üblichen Blumensträußen, Heiligenbildchen und Rosenkränzen ein kleines Paket mit einer aufgeklebten Schleife.
»Was haben wir denn da?«, murmelte er und hob es vorsichtig hoch. Im Lichterschein Manhattans konnte er die Buchstaben auf dem aufgeklebten Blatt problemlos identifizieren. »Für die Opfer von Nine Eleven«, las er halblaut. »Wie nett. Dann wollen wir mal sehen ...«
Er nahm den Deckel ab und beugte das Gesicht neugierig darüber. Etwas bewegte sich in der Schachtel und zuckte nach oben. Burdziak brüllte entsetzt, als er den scharfen Schmerz an seiner Lippe spürte. Er ließ die Schachtel fallen.
Etwas Unheimliches kroch zwischen den Grabsteinen davon.
Subway Station Canal Street, Manhattan
In der Schwärze des Tunnels wirkten die Lichter des Q-Zugs wie zwei riesige Augen. Mit einem mulmigen Gefühl, das sie hier sonst nie gehabt hatte, stand Melinda Kidder im dicksten New Yorker Feierabendgewühl ganz vorne an der Bahnsteigkante. Die Leute um sie herum schubsten und drängelten. Für einen Moment plagte sie die dumpfe Furcht, dem Druck der wogenden Menge nicht mehr standhalten zu können und vor den einfahrenden Zug gestoßen zu werden. Ob das besser war, als im Zug erschossen zu werden?
Sie seufzte innerlich, als sich eine der Türen zischend vor ihrer Nase öffnete. Melinda Kidder musste sich nach hinten stemmen, um dem Strom der Aussteigenden wenigstens ein bisschen Platz zu gewähren. Jetzt hieß es schnell zu sein. Um diese Zeit gab es immer nur einige wenige Glückliche, die in die überfüllten Wagen zusteigen konnten. Und der Kampf um diese Plätze war im Allgemeinen gnadenlos.
Neben den beiden letzten Aussteigenden drückte sich Melinda Kidder in den Wagen und vorbei an den vier jungen Latinos, die die Ausstiegsplattform besetzten und sich schweigend an den Stangen festhielten. An der Kopfwand erspähte sie einen freien Platz. Ein Wunder, dachte sie und setzte sich neben eine junge Asiatin, die auf ihrem Handy herumspielte und keinerlei Notiz von ihr nahm. Der massige, schwer schnaufende Schwarze mit dem Vollbart zu ihrer Rechten rückte dagegen ein wenig zur Seite, um ihr Platz zu machen.
»Danke«, murmelte sie.
Melinda Kidder machte es sich einigermaßen bequem, während sich der Waggon mit weiteren Fahrgästen füllte. Als sie ihre Beine unter dem Sitz nach hinten streckte, stieß sie auf Widerstand. Etwas lag da, wahrscheinlich eine Tasche, die jemand vergessen hatte.
Melinda beachtete sie nicht weiter und zog die Beine wieder nach vorne. Ihr mulmiges Gefühl blieb bestehen. Es hing mit dem Killer zusammen, der vor neun Tagen genau hier im Q-Zug um sich geschossen hatte, nur zwanzig Minuten, bevor sie selbst zugestiegen wäre. Da war die Haltestelle Canal Street schon komplett gesperrt gewesen, sie hatte auf ein Taxi ausweichen müssen.
Der Zug fuhr ruckelnd an, die starke Beschleunigung drückte sie kurz in den Sitz, da sie in Fahrtrichtung saß. Sieben Tote, sechzehn Schwerverletzte ... Der Q Train Killer, wie die Medien ihn nannten, war entkommen. Bis heute war er trotz der allgegenwärtigen Videoüberwachung auf freiem Fuß.
Die New York Times hatte zwei Tage nach dem Blutbad berichtet, dass in der ganzen Station nicht eine Videokamera ordentlich funktionierte und deswegen keine brauchbaren Aufnahmen des Q Train Killer existierten. Das machte sie fassungslos. Dass die Subway in einem derart schlechten Zustand war, hätte sie nicht erwartet, auch wenn man Dementsprechendes immer wieder hörte ...
Die Oberschenkel begannen zu spannen. Melinda Kidder streckte die Beine erneut nach hinten. Ein stechender Schmerz fuhr durch ihre rechte Wade. Ein zweiter, ein dritter. Sie schrie erschrocken auf und zog die Beine nach vorne. Die Leute vor ihr drehten sich und starrten sie verwundert an, ihr Sitznachbar ebenfalls. Nur die junge Asiatin ließ sich noch immer nicht stören. Was war das gewesen?
Der Schmerz ließ nicht nach. Melinda Kidder hielt sich mit Yoga fit und beugte sich geschmeidig nach vorne, um unter dem Sitz nachzusehen.
»Kann man Ihnen irgendwie helfen, Lady?«, hörte sie eine männliche Stimme. Sie nahm sie nur am Rand wahr.
Etwas unter dem Sitz bewegte sich, neben dem schwarzen Rucksack, der dort lag.
In diesem Moment schob sich etwas aus der dunklen Ecke ins Licht. Der Schock fuhr Melinda Kidder in alle Glieder.
Ein Schlangenkopf!
Starre schwarze Augen fixierten sie. Hinter dem braunen Kopf spreizte das Reptil eine Haube ab. Aus dem leicht geöffneten Maul zuckte eine gespaltene Zunge. Melinda Kidder sprang hoch.
»Eine Kobra! Da ist eine Kobra!«, schrie sie panisch und versuchte, sich zwischen die Leute vor ihr zu drücken. Es gelang nicht.
Weitere Schreie ertönten, die Menschen vor ihr versuchten ebenfalls auszuweichen. Auch der Schwarze schrie nun schrill wie eine Sirene.
»Das Biest hat mich auch gebissen!«, brüllte er und schaffte es nicht, aus dem Sitz hochkommen.
In diesem Moment kroch die Schlange unter der Sitzbank hervor und wollte entlang der Wand entkommen. Melinda Kidder schätzte sie auf eine Länge von über fünfeinhalb Yards. Weil die Menschen direkt neben dem Tier auswichen, richtete es seine Kopfhaube erneut auf und biss blitzschnell in das Bein vor ihr.
Jetzt war die Panik komplett. Unbeschreibliches Geschrei malträtierte Melinda Kidders Ohren, der Druck der Menge wurde unerträglich. Plötzlich war sie eingequetscht, bekam kaum Luft. Verzweifelt versuchte sie, sich die anderen vom Leib zu halten. Vergeblich. Sie sah einen jungen Muskelmann mit weit aufgerissenen Augen, der sich am Querholm der Haltegriffe hoch und die Beine an den Bauch zog. Einige der Stehenden stürzten über die Sitzenden auf den Seitenbänken, quittiert von wütenden Schreien. Ein älterer Mann mit Lederstiefeln trat nach der Schlange, ohne sie zu treffen.
Das alles beeindruckte die Stimme nicht, die die nächste Haltestelle nach einem Glockenton ansagte.
Vor Melinda Kidders Augen tanzten rote Kreise. Sie sah noch, dass der Zug in die DeKalb-Station einfuhr, sich weitere Menschen an den Querholmen nach oben zogen, dann verschlang die Bewusstlosigkeit sie.
FBI Field Office, Manhattan
Mit einem SWAT-Team zusammen hatten wir Sam Pazzano nach einem heißen Tipp in Queens verhaftet und im Metropolitan Correctional Center abgeliefert. Der lang gesuchte Millionenbetrüger würde vor einem Bundesgericht angeklagt werden. Nun ging es ins Büro zurück, das nur zwei Blocks von dem Staatsgefängnis entfernt lag. Phil öffnete die Tür meines Jaguar und beugte sich in den Wagen hinein.
»Was machst du da?«, fragte ich. »Hast du deine Kontaktlinsen verloren? Ich dachte immer, du hättest gar keine.«
Phil richtete sich wieder auf und grinste mich an.
»Kobras«, erwiderte er gewichtig. »Ich habe nur geschaut, ob sich keines von diesen Biestern in deinen Jaguar verirrt hat. Im Moment muss man da ja höllisch vorsichtig sein. Ich habe keine Lust, einen Biss zu kassieren.«
»Biologie war schon immer deine Schwäche«, gab ich ebenfalls grinsend zurück. »Wenn du in der Schule aufgepasst hättest, wüsstest du, dass Jaguare keine Schlangen fressen.«
»Haha, sehr witzig.« Phils Grinsen verbreiterte sich ein wenig, sofern das überhaupt noch möglich war. »Pass mal auf, kennst du diesen Witz? Kommt ein kleines Mädchen ins Zoogeschäft und sagt: ›Ich hätte gerne ein Kaninchen.‹ Daraufhin fragt der Verkäufer: ›Möchtest du das kleine braune da mit den niedlichen Knopfaugen? Oder das kuschelige weiße?‹ Und weißt du, was dann die Kleine sagt?«
»Keine Ahnung.«
»Meinem Python ist das völlig egal.« Phil schlug sich vor Lachen auf die Oberschenkel. »Der ist doch super, oder?«
»Geht so. Immerhin hast du dir einen Giftschlangenwitz verkniffen.«
»Willst du einen hören?«
»Bloß nicht.«
Auf dem kurzen Rückweg gab es einen Burgerladen, in dem wir uns für die Mittagspause versorgten. Die hatten wir uns redlich verdient. Nachdem ich in der Tiefgarage des Jacob K. Javits Federal Building geparkt hatte, fuhren wir mit unserer Verpflegung in der Hand in den dreiundzwanzigsten Stock. Als wir den Flur betraten, kam ein Abfangjäger namens Helen auf uns zu.
»Phil, Jerry, da seid ihr ja«, sagte Mr. Highs Sekretärin und setzte dabei ihr berüchtigtes Haifischlächeln auf, das sie vorzugsweise in Phils Nähe zeigte. »Gerade wollte ich euch anrufen. Zu meinem größten Bedauern muss ich euch mitteilen, dass eure Mittagspause flachfällt. Der Chef will euch sofort sehen. Ich glaube, es gibt Arbeit. Und außer euch sind alle Agents unabkömmlich oder im Urlaub.«
»Du bist so süß, wenn du lügst, Helen«, flötete Phil und nestelte an seiner Krawatte herum. »Von wegen Bedauern. Willst du nicht doch mal mit mir ausgehen, was meinst du? Dann könnte ich dich locker davon überzeugen, dass ich nicht annähernd so schlimm bin, wie du immer glaubst.«
Sie legte ihm den Zeigefinger aufs Kinn und intensivierte ihr Haifischlächeln. »Gib's endlich auf, Philly. Du weißt ja, dass ich ausschließlich auf schwerreiche Männer stehe. Wenn du fünf Sportwagen in der Garage und eine Luxusjacht im Hafen von Monaco liegen hast, darfst du dich gerne wieder bewerben. Und jetzt ab in Mister Highs Luxusloge. Das Essen bleibt aber hier. Gebt es mir, ich stelle es in euer Büro.«
Mein lautes Lachen hallte durch den Flur.
Die gute Laune, an der Sam Pazzanos Verhaftung den größten Anteil hatte, verging uns ziemlich schnell. Steve Dillaggio saß in Mr. Highs Büro. An den ernsten Gesichtern sah ich sofort, dass etwas Außergewöhnliches vorgefallen sein musste.
»Jerry, Phil, ich gratuliere Ihnen zu Pazzanos Festnahme«, sagte Mr. High freundlich. »Setzen Sie sich bitte. Viel Zeit zum Feiern bleibt Ihnen allerdings nicht.«
»Was ist passiert, Sir?«, fragte ich.
»Die ganzen Spekulationen der Medien, ob die Giftschlangen, die seit zwei Tagen die Stadt terrorisieren, irgendwo ausgerissen sind oder ob irgendein Verrückter sie einfach ausgesetzt hat, sind obsolet«, antwortete der Assistant Director in Charge. »Es ist noch viel schlimmer, denn es handelt sich um einen Terroranschlag. Heute Vormittag ist im Rathaus ein Erpresserschreiben eingegangen, an den Bürgermeister persönlich adressiert. Einer seiner Mitarbeiter hat es uns sofort vorbeigebracht, es wird gerade erkennungsdienstlich behandelt.«
»Was ist das für ein Schreiben, Sir?«, fragte ich.
Steve nahm die Fernbedienung, die auf dem Tisch lag, und drückte einen Knopf. Der Beamer sprang an und projizierte ein Foto auf die weiße Wand vor uns. Ein aus verschieden großen Zeitungsbuchstaben und Wörtern zusammengeschnipselter Text erschien.
Es ist so einfach, ganz New York in Schrecken und Panik zu versetzen. Dabei haben wir nur zehn Braunschlangen in der Stadt hinterlassen bisher. Sozusagen als kleine Geschenke. Freiheitsglocke, Q-Linie, Central Park, Brighton Beach, Queensbridge Houses, Castle Hill, Riverdale, Woodrow, Great Kills, Utica Avenue. Braunschlangen sind hochgiftig und beißen schnell zu, aber für Menschen sind sie nicht sehr gefährlich.
Um weitere Panik im Big Apple zu vermeiden, zahlen Sie uns 100 000 Bucks in 50-Dollar-Scheinen. Die müssen übermorgen an uns übergeben werden, und zwar von Myra Terry als Geldbotin. Ohne Polizei!
Gehen Sie nicht auf unsere Forderungen ein, werden wir als Nächstes Sandrasselottern auf die Leute loslassen. Die haben größere Giftzähne, und jährlich kommen fünftausend Menschen an ihnen zu Tode.
Wie das Mädchen das Geld übergeben soll, dazu bekommen Sie morgen nähere Informationen. Nehmen Sie uns ernst. Sonst wird es unter den Leuten hier und auch in New Jersey die ersten Toten geben. Wir melden uns wieder.
Ich schnaufte tief durch. »Nicht das allerelegantste Englisch. Wie ernst ist dieses Schreiben tatsächlich zu nehmen? Ich meine, überall in den Medien ist von Kobras die Rede. Und da steht was von Braunschlangen.«
»Und, wer zum Teufel, ist Myra Terry?«, fragte Phil.
»Zunächst mal zu Ihrer Frage, Jerry. Der Brief ist sehr ernst zu nehmen«, antwortete Mr. High. »Das Büro des Bürgermeisters hat ihn uns sofort nach Erhalt zugestellt. Wir müssen im Moment davon ausgehen, dass eine Terrororganisation hinter dem Schlangenanschlag steckt.«
»Hm, ich finde es reichlich seltsam, dass in dem Brief etwas von Braunschlangen steht«, sagte Phil. »In den Medien war immer von Kobras die Rede, wie Jerry schon sagte. Das dürfte denen kaum entgangen sein. Wieso springen die nicht auf diesen Zug auf? Wissen die tatsächlich mehr?«
Steve nickte bedächtig. »Du bist schon nahe dran, Phil. In diesem Schreiben gibt es einige Details, die nur die Täter wissen können. Ich komme gleich noch darauf. Zunächst einmal, heute Nacht sind zwei der gebissenen Opfer im Krankenhaus gestorben. Der Geistliche aus der Trinity Church und die Frau aus der Q-Linie, die dort wohl als Erstes gebissen wurde, haben es nicht geschafft. Zumindest bei dem Priester wurde das Gegengift viel zu spät injiziert. Das zum Thema, dass Braunschlangen nicht so gefährlich für Menschen seien.«
Ich nickte stumm.
»Dass eine der Schlangen direkt vor der Freiheitsglocke abgesetzt wurde, war uns bisher nicht bekannt. Der Priester konnte noch auf die Straße taumeln und stammeln, dass er von einer Schlange gebissen wurde. Dann ist er zusammengebrochen, ins Koma gefallen und nicht mehr daraus erwacht. Ich habe gerade vorhin Captain Nowlin vom First Precinct gebeten, eine Streife dort vorbeizuschicken. Sie hat unter der Freiheitsglocke eine offene Schachtel gefunden, adressiert an die Opfer von Nine Eleven. Darin war wohl Kot, den das NYPD gerade analysieren lässt ...«
»Extrem niederträchtig, wenn sich das bewahrheitet«, murmelte Phil. »Der Priester dürfte sich dabei nichts Böses gedacht haben ...«
»Sehe ich auch so«, erwiderte Steve nickend. »Das NYPD wertet die Überwachungsvideos für uns aus. Und wenn in der Schachtel tatsächlich Schlangenkot ist, ist das ein weiterer Beweis für die Echtheit des Schreibens.« Er atmete tief durch. »Die Schlange in der Sub wurde zerquetscht, nachdem in der Panik drei Menschen auf sie gefallen sind. Ein Mann wurde dabei gebissen, zuvor noch ein Mädchen.«
Die Szene wollte ich mir lieber nicht ausmalen.
»Der Kadaver in dem dann leeren Wagen wurde umgehend vom NYPD gesichert, nachdem alle Passagiere in Panik auf den Bahnsteig gerannt waren. Medienvertreter haben die Schlange nicht gesehen. Dann wurde auch noch in Castle Hill die Sichtung einer Kobra in einem Vorgarten gemeldet. Davon wissen die Medien aber noch nichts, weil es sich bei dem Zeugen um einen Kollegen handelt. Die Schlange wurde nicht mehr gefunden.«
»Was ist jetzt mit den Braunschlangen?«, drängte Phil. »Ich denke, dass du uns da noch eine Erklärung schuldest, Steve.«
»Okay, ich habe euch lange genug auf die Folter gespannt. Eine Braunschlange kann, ganz ähnlich wie eine Kobra, eine Haube hinter dem Kopf aufrichten, wenn sie sich bedroht fühlt. Deswegen werden Braunschlangen auch Australische Scheinkobras genannt. Laien können diese Schlangen ohne Weiteres verwechseln.«
»Was du nicht sagst«, murmelte Phil.
»Da siehst du mal. Zu der toten Schlange in der Sub kommt eine weitere vor einem Hotel in der Utica Avenue. Sie hatte sich hinter einem Container verkrochen. Der Hotelbesitzer hatte sie entdeckt und die Polizei alarmiert. Weil er um den Ruf seines Hotels besorgt ist, hat er sich gehütet, die Medien zu informieren. Auf jeden Fall handelt es sich bei beiden Tieren tatsächlich um Braunschlangen, nicht um Kobras. Das können nur die Täter wissen.«
»Was ist mit der Utica-Schlange passiert?«, fragte ich.
»Es war anscheinend kein großes Problem, sie einzufangen.«
Phil staunte. »Kann das NYPD so was?«
Steve grinste. »Sie sind zwar New Yorks Finest, beim Schlangenfangen haben sie eher Defizite. Nein, das hat ein Fachmann gemacht. Jason Terry, den das NYPD nach dem Auftauchen der ersten Schlangen als Experten konsultiert hat. Ihm gehört die größte Schlangenfarm der Staaten ...«
Ich nickte. »Ah ja, ich erinnere mich dunkel, das schon mal gehört zu haben. Irgendwo bei Sleepy Hollow, glaube ich.«
Steve nickte.
»Das ist nicht nur eine Schlangenfarm, die heißt auch so, richtig?«
»TR Snake Farm«, präzisierte Steve.
»Moment mal, du sagtest eben ein paarmal Terry«, warf Phil ein. »Eine Myra Terry soll die Geldbotin spielen. Das ist sicher keine zufällige Namensgleichheit, oder?«
»Tatsächlich heißt Jason Terrys sechzehnjährige Tochter Myra«, sagte Mr. High. »Allerdings ist der Name allein in New York und New Jersey gleich neunmal registriert. Steve und ich sind uns aber vollkommen sicher, dass Terrys Tochter gemeint sein muss.«
»Da stinkt was zum Himmel«, murmelte ich. »Dass eine Terrororganisation mit Schlangen angreift, kann ich ja noch nachvollziehen. Nur warum soll ausgerechnet die Tochter eines Schlangenexperten das Geld übergeben? Das könnte denen völlig egal sein. Das kommt mir so seltsam vor, dass ich bereits jetzt an der Terroristenversion zweifele.«
»Ich weiß nicht, ob Sie recht haben, Jerry«, gab Mr. High zurück. »Doch so etwas Ähnliches habe ich auch schon gedacht. Nun, viel mehr wissen wir noch nicht. Es ist nun an Ihnen, Phil, Jerry, mehr herauszufinden und vor allem abzuklären, ob Myra Terry überhaupt bereit ist, sich als Geldbotin missbrauchen zu lassen.«
»Zunächst werden wir wohl ihre Eltern überreden müssen«, sagte mein Partner.
»Ich habe jetzt schon Magendrücken, wenn ich daran denke.« Mr. Highs schlanken langen Finger drehten einen Stift. »Ich jedenfalls würde es meiner Tochter verbieten. Andererseits wage ich mir nicht auszumalen, welche Panik entsteht, wenn weitere Giftschlangen auftauchen, die noch aggressiver und erfolgreicher sind, was Giftbisse anbelangt.«
»Kriegen wir das Geld denn überhaupt?«, fragte ich.
»Director Fuller hat es genehmigt. Die Summe wird bereits beschafft.«
Isabella Center for Rehabilitation and Nursing Care, Upper Manhattan
Rebecca Terry parkte an der Amsterdam Avenue direkt am Highbridge Park und ging durch den weitläufigen Innenhof des Isabella Center for Rehabilitation and Nursing Care. Der riesige elfstöckige Gebäudekomplex mit den endlos langen Fensterreihen strahlte gelb in der Sonne. Sie wusste genau, wohin sie gehen musste.