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Zum ersten Mal fand in New York der Kochwettbewerb La Cuillère d’or statt, an dem sich ein Dutzend Spitzenköche aus aller Welt beteiligte. Nach dem dritten Wettkampftag wurde der ebenso gefürchtete wie unbeliebte französische Kritiker Ethan Chablaux, der in der Jury saß, in seinem Hotelzimmer ermordet. In Verdacht geriet seine Landsfrau Louanne Fremére, die seit Jahren mit Chablaux verfeindet war. Wegen des internationalen Teilnehmerfelds ermittelten wir vom FBI. Dann erschien ein französischer Privatdetektiv im Field Office. Hinter dem Mord an Chablaux musste weit mehr stecken als eine Privatfehde ...
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Seitenzahl: 142
Veröffentlichungsjahr: 2023
Cover
Ein Geschmack nach Mord
Vorschau
Impressum
Ein Geschmack nach Mord
Übers Ohr gehauen, dieser verdammte Kerl hatte ihn tatsächlich übers Ohr gehauen.
Zugegeben, er war nicht ganz unschuldig daran. Er hätte sich besser informieren sollen, bevor er den Deal abgeschlossen hatte.
Aber wer hätte das auch ahnen können?
Er hatte versucht, das Ding zurückzukaufen, hatte sogar einen höheren Preis geboten. Der Hundesohn hatte sich geweigert. Er hatte ihn abblitzen lassen wie einen dahergelaufenen Bittsteller. Natürlich hatte der Kerl den wahren Wert des Objekts gekannt, todsicher sogar. Vermutlich lachte er sich deshalb immer noch ins Fäustchen.
Nun gut, der Bursche hatte es so gewollt. Er würde schon sehen, was er davon hatte, wenn er sich mit ihm anlegte.
O ja, das würde er.
Nachdem sich der Reporter verabschiedet hatte, erlosch Ethan Chablaux' Lächeln so schlagartig, als hätte er einen inneren Schalter betätigt. Wie er diese Journalisten hasste, vor allem die jüngeren. Früher hatten sie sich wenigstens ein klein wenig mit der Materie ausgekannt, über die sie schrieben. Heutzutage musste er froh sein, wenn er an jemanden geriet, der eine Kalbsleber von einem Kotelett unterscheiden konnte. Was mochte dieser Schnösel mit seinen verstrubbelten Haaren und diesem entsetzlichen rot karierten Hemd, der ihn fast eine Viertelstunde aufgeregt dreinblickend befragt hatte, wohl aus dem Gehörten machen? Was würde in seinem Artikel stehen?
Wenn er ehrlich war, wollte er es lieber gar nicht wissen. Zum Teufel, er hatte bisher nie etwas von der Zeitung gehört, für die der Bursche arbeitete. Am Ende war es keine Zeitung, sondern so ein Portal. Heutzutage schrieben doch alle nur noch fürs Internet.
War er am Ende ein Blogger? Bei seiner Seele, es gab nichts, das er so sehr hasste wie Blogger. Eitle Gecken waren das, die sich an ihren unbedeutenden Ergüssen ergötzten und sich nicht darum scherten, wer das Geschreibsel eigentlich las, wenn es denn überhaupt jemand tat, jedenfalls seiner Meinung nach.
Bei dem Gedanken verzog er unwillkürlich das Gesicht. Ärger stieg in ihm auf, was in Verbindung mit seiner notorisch schlechten Laune eine üble Mischung war, wie ihm durchaus bewusst war. Nur konnte er nichts daran ändern.
Er verspürte Lust, etwas Dampf abzulassen, indem er auf den teuren Teppich spuckte. Dummerweise stand in Sichtweite Miles Granger und unterhielt sich mit einer attraktiven Blondine. Granger war ein Schwachkopf, aber er war immerhin der Veranstalter des La Cuillère d'or und damit der Mann, der ihm nach dem Wettbewerb den Scheck überreichen würde. Also beschloss Chablaux sich zusammenzureißen.
Mit verschränkten Armen blieb er neben der Tür des Mandarin Ballroom stehen und beobachtete Granger dabei, wie er der Blondine in den Ausschnitt starrte und dabei ohne Unterlass auf sie einquasselte. Chablaux stellte sich vor, wie ihm seine Glubschaugen aus den Höhlen sprangen und über den Boden kullerten. Was wäre das für ein Spaß! Natürlich passierte das nicht. Stattdessen sah Granger auf, entdeckte ihn und warf ihm einen irritierten Blick zu.
Chablaux zwang sich zu einem Lächeln, hob grüßend eine Hand, drehte sich um und trottete davon. Er überlegte, ob er einen Drink an der Bar nehmen sollte, immerhin war es erst kurz nach zehn. Dann fielen ihm die schrecklichen, mit Kuhfellimitaten bespannten Barhocker ein. Als er sie gestern Abend entdeckt hatte, hatte er seinen Augen kaum trauen können. Wenn ihm seine Erinnerung keinen Streich spielte, gehörte das Mandarin Oriental nach wie vor zu den besten Häusern in New York. Wie passte das mit Kuhfellimitaten zusammen?
Nein, er würde sich lieber in sein Zimmer zurückziehen. Die Flasche Rotwein, ein Willkommensgeschenk des Hauses, stand unberührt auf dem Sofatisch. Er würde sich ein Glas oder mehrere davon gönnen, in der Hoffnung, dass der Sommelier nicht unter derselben Geschmacksverwirrung litt wie der Inneneinrichter. Und dabei würde er das Treiben auf dem spätabendlichen Columbus Circle beobachten. Schade nur, dass es regnete.
Es gab – seiner bescheidenen Meinung nach – zwar kaum ein vernünftiges Restaurant in der Millionenstadt, jedoch liebte er die gewaltige Energie, die von ihr ausging. Sie durchflutete ihn regelrecht. Wenn er sich im Big Apple aufhielt, fühlte er sich zwanzig Jahre jünger, womit er dreiundvierzig gewesen wäre.
Schade, dass das nur ein Gefühl und nicht die Realität war. In dem Fall hätte er nämlich eine echte Chance gehabt, sich wie Granger ein kleines Flittchen für eine Nummer im Hotelzimmer an Land zu ziehen. Wenn er wollte, konnte er durchaus charmant sein, und er war früher ein gut aussehender Bursche gewesen. Nur half ab einem gewissen Alter der größte Charme nichts mehr.
Während er mit dem Aufzug in den dreiundzwanzigsten Stock hinauffuhr, dachte er darüber nach, bei seinem Sekretär anzuklopfen und nachzuhören, ob es etwas Neues gab, Korrespondenz eingegangen war oder Ähnliches. Jean Ducasse bewohnte ein Zimmer gleich neben seiner Suite. Nach kurzer Überlegung verwarf er den Gedanken. Die Arbeit war für heute getan, und Jean konnte zuweilen eine schreckliche Quasselstrippe sein. Dafür hatte er jetzt keinen Nerv mehr.
Mit einem leisen Rumpeln glitt die Fahrstuhltür zur Seite. Chablaux wandte sich nach links und stapfte durch den mit einem feinen Teppich ausgelegten Flur, der auf beiden Seiten von Zimmertüren gesäumt war. Als er die Suite erreicht hatte, zückte er seine Magnetkarte, hielt sie vor den Türknauf und drehte gleichzeitig daran. Mit einem leisen Klacken sprang die Tür auf.
Drinnen hatte ein Mitarbeiter des Hotels bereits das Licht eingeschaltet. Chablaux befreite sich aus seinem Jackett, ging ins Schlafzimmer, nahm einen Bügel aus dem Kleiderschrank und hängte es ordentlich auf. Danach kehrte er ins Wohnzimmer zurück, griff nach der Flasche, entkorkte sie mit geübten Handgriffen, schenkte einen Schluck ein und probierte.
Als der Wein seine Kehle hinabrann, schloss er genießerisch die Augen. Offenkundig wusste der Sommelier, was er tat. Einen ausgezeichneten Pinotage hatte er da ausgesucht, samtig und aromatisch. Genauso, wie er es liebte.
Er beschloss, eine heiße Dusche zu nehmen. Anschließend würde er einen Sessel ans Fenster rücken und mit Blick auf den Columbus Circle die Flasche Glas für Glas leeren. Mit etwas Glück hörte es sogar auf zu regnen. Ja, das war ein guter Plan.
Ein scharfer Schmerz in seinem Rücken. Chablaux wollte sich umdrehen, aber seine Füße waren wie angenagelt. Ihm blieb die Luft weg, das Weinglas rutschte ihm aus den plötzlich kraftlos gewordenen Fingern.
Dann fühlte er nichts mehr.
»Italiener oder Asiate?«, fragte Phil.
Ich schürzte die Lippen. »Bei Max waren wir lange nicht mehr«, antwortete ich nach kurzer Überlegung. »Ich hätte Appetit auf die hervorragenden Gnocchi alla Sorrentina, die sie da servieren.«
»Also italienisch?«
»Also italienisch. Gehen wir, es ist bereits Mittag durch.«
»Unbedingt. Ich habe Hunger wie ein Wolf. Ach was, wie ein ganzes Rudel Wölfe.«
Wir hatten uns gerade von unseren Schreibtischen erhoben, als mein Telefon klingelte. Ich warf einen Blick aufs Display und runzelte die Stirn.
»Das ist Mister High«, erklärte ich und ging dran.
Ich hörte Phil seufzen, dann hatte ich unseren Chef am Ohr. Das Gespräch war nach zehn Sekunden beendet.
»Lass mich raten: Die Pasta muss warten«, sagte mein Partner mit Leidensmiene, nachdem ich aufgelegt hatte.
Zwei Minuten später hatten wir vor Mr. Highs Schreibtisch Platz genommen. Als wir sein Büro betreten hatten, hatte er gerade herzhaft in ein Club Sandwich gebissen. Geduldig warteten wir, bis er gekaut und heruntergeschluckt hatte.
»Entschuldigen Sie, Gentlemen, ich habe den ganzen Tag nichts gegessen«, begrüßte er uns schließlich. »Wenn ich gewusst hätte, dass Sie sich so beeilen, hätte ich das Sandwich in der Schublade gelassen.«
»Kein Problem«, erwiderte Phil tonlos. »Es ist ja schon Mittag durch.«
Ich verkniff mir ein Grinsen. »Worum geht es, Sir?«
Mr. High öffnete eine Akte, die auf seinem Schreibtisch lag, und zog das Foto eines etwa sechzig Jahre alten Mannes hervor. Das Gesicht unter dem dünnen eisgrauen Haar war scharf geschnitten, seine blauen Augen funkelten angriffslustig.
»Kennen Sie diesen Gentleman?«, wollte er wissen.
Synchron schüttelten wir die Köpfe.
»Sein Name war Ethan Chablaux. Ein französischer Restaurantkritiker, dessen Wort viel Gewicht in der gastronomischen Welt hatte.«
»Da Sie in der Vergangenheitsform von ihm sprechen, nehme ich an, dass er nicht mehr unter uns weilt«, merkte ich an.
»Damit liegen Sie richtig, Jerry. Er wurde gestern am späten Abend in seiner Suite im Mandarin Oriental ermordet, von hinten mit einem Messer erstochen.« Er zog ein zweites Foto hervor, das einen Mann zeigte, der bäuchlings auf einem beigefarbenen Teppichboden lag. Sein weißes Hemd war rot von Blut. »Mister Chablaux war beruflich in New York, er gehörte der Jury des La Cuillère d'or an.«
»Des was?«, hakte Phil nach.
»Das bedeutet Der goldene Löffel. Es ist der Titel eines neuen internationalen Kochwettbewerbs, der in unserer Stadt Weltpremiere feiert. Internationale Spitzenköche treten zehn Tage lang gegeneinander an. Die Jury ist mit namhaften Kritikern und Gastronomen aus verschiedenen Ländern hochkarätig besetzt. Veranstalter ist ein Mann namens Miles Granger. Ihm gehören mehrere gehobene Restaurants im ganzen Land, außerdem sitzt er regelmäßig bei diversen Fernsehkochshows in der Jury.«
»Verzeihen Sie, Sir, inwiefern fällt dieser Mord in unseren Zuständigkeitsbereich?«, erkundigte ich mich.
»Wie ich bereits erwähnte, war Mister Chablaux Franzose. Außerdem sind die Hälfte der Teilnehmer und zwei Drittel der Jurymitglieder keine amerikanischen Staatsbürger. Bei einer solchen internationalen Beteiligung möchte man den Fall nicht dem NYPD überlassen.«
»Ich verstehe. Gibt es Hinweise auf den Täter oder ein Motiv?«
Er schüttelte den Kopf. »Da tappen wir leider völlig im Dunkeln. Jean Ducasse, der Sekretär des Opfers, bewohnt das Nachbarzimmer. Gegen halb elf hörte er aus Chablaux' Suite einen dumpfen Schlag. Zuerst versuchte er, ihn anzurufen. Als Chablaux nicht abhob, ging er nach nebenan. Die Tür stand offen, den Toten hat er im Wohnzimmer gefunden. Der Täter war über alle Berge. Es gibt keine Einbruchsspuren.«
»Hm«, machte Phil. »Also kannte Chablaux seinen Mörder und hat ihn reingelassen.«
»Möglich. Oder er hat sich unbemerkt Zugang verschafft, zum Beispiel mit einer Kreditkarte. Die Kollegen vom NYPD haben das ausprobiert, und es hat problemlos funktioniert, sehr zum Leidwesen der Direktion, wie ich gehört habe. In dem Fall könnte der Täter Chablaux überrascht haben.«
»Dass er von hinten erstochen wurde, spricht dafür«, meinte ich.
Mr. High nickte. »Nehmen Sie Kontakt mit Detective Colin Lords auf, er war am Tatort und kann Ihnen weitere Details liefern. Lords ist nicht begeistert, dass wir den Fall übernehmen, hat aber seine uneingeschränkte Kooperation zugesagt. Ich schicke Ihnen seine Kontaktdaten per Mail.«
»Was wissen wir über das Opfer?«, fragte Phil. »Außer dass er Restaurantkritiker war.«
»Ethan Chablaux war dreiundsechzig Jahre alt, geboren in Lyon, lebte seit vierundvierzig Jahren in Paris. Nach der Schule hat er eine Kochlehre in einem Sternelokal absolviert. Anschließend ist er fünf Jahre lang durch die halbe Welt getingelt und hat in Deutschland, Schweden, Japan und in den USA gekocht, bevor er in Wien sein eigenes Restaurant eröffnet hat. Womit er sehr erfolgreich war. An seinem fünfundvierzigsten Geburtstag hat er den Laden verkauft und hat danach die Seiten gewechselt. Ab diesem Zeitpunkt schrieb er über seine Kollegen, anstatt selbst am Herd zu stehen.«
»Ich könnte mir vorstellen, dass man sich als Kritiker nicht nur Freunde macht.«
Mr. High zeigte mir ein schmales Lächeln. »Damit haben Sie recht, Jerry. Nach allem, was wir bislang wissen, hätte Chablaux bei seinen ehemaligen Kollegen wohl keinen Beliebtheitspreis gewonnen. Seine Kritiken sollen gefürchtet gewesen sein. Nur kann ich mir nicht vorstellen, dass jemand so weit geht, einen Menschen wegen einer schlechten Restaurantbesprechung zu ermorden.«
»Ich habe mal im Fernsehen eine Reportage über einen französischen Koch und Restaurantbesitzer gesehen, der sich mit seinem Gewehr erschossen hat«, meldete sich Phil zu Wort. »Angeblich, weil ihm kurz zuvor ein Stern aberkannt wurde.«
Mr. High hob eine Braue. »Das scheint mir eine ziemlich extreme Reaktion zu sein. Allerdings kenne ich mich in der Branche auch nicht besonders aus. Bringen Sie Licht ins Dunkel. Ich schlage vor, Sie sprechen zuerst mit Lords und suchen dann Miles Granger auf. Vielleicht ist während des Wettbewerbs etwas vorgefallen.«
Ein vernehmliches Knurren war zu hören. Phil legte eine Hand auf seinen Bauch und schaute verlegen drein.
»Sie sollten etwas essen, Phil«, kommentierte unser Chef. »Es ist immerhin schon Mittag durch.«
Nachdem wir vom Lunch zurückgekehrt waren, griff ich nach meinem Telefon, wählte die Nummer von Detective Lords und schaltete den Lautsprecher ein, damit Phil mithören konnte. Lords hob nach dem ersten Läuten ab.
»Ich habe Ihren Anruf erwartet«, sagte er freundlich, nachdem ich mich vorgestellt hatte. Wenn er darüber verstimmt war, dass er den Fall an uns abtreten musste, ließ er es sich nicht anmerken.
Ich setzte ihn darüber ins Bild, was wir bis jetzt wussten.
»Dann habe ich einige Neuigkeiten für Sie«, erklärte er, als ich geendet hatte. »Wir haben heute Morgen die Aufnahmen aus den Überwachungskameras ausgewertet. Kurz vor halb elf am Abend betrat ein Mann das Foyer des Hotels und ging schnurstracks zu den Aufzügen. Eine andere Kamera hat ihn erfasst, als er den Fahrstuhl in dem Stockwerk verließ, in dem Chablaux seine Suite bewohnte. Wenige Minuten später kehrte er eilig zurück und verließ das Gebäude wieder.«
»Könnte sich also um den Täter handeln«, folgerte ich. »Kann man den Mann auf den Aufnahmen erkennen?«
»Leider nein, Agent Cotton. Er trug einen langen Regenmantel und hatte die Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Was nicht besonders auffällig war, denn es hat um diese Uhrzeit stark geregnet. Ehrlich gesagt, kann ich nicht einmal mit Sicherheit behaupten, dass es sich um einen Mann gehandelt hat. Ich vermute das nur aufgrund der stämmigen Statur. Könnte auch eine kräftige Frau gewesen sein.«
»Schade. Schicken Sie mir die Aufnahmen bitte trotzdem zu.«
»Das erledige ich direkt nach unserem Gespräch. Da ist noch etwas, das Sie vermutlich nicht wissen. Als der Sekretär Jean Ducasse seinen Chef gefunden hat, hat er noch gelebt.«
Phil beugte sich in seinem Stuhl vor. Ein Ausdruck gespannter Erwartung war in sein Gesicht getreten.
»Und?«, hakte ich nach.
»Leider kann er sich nicht daran erinnern, was er gesagt hat. Oder ob er überhaupt etwas gesagt hat, bevor er starb.«
»Er kann sich nicht erinnern?«
»Er stand unter Schock, war ein reines Nervenbündel, hat am ganzen Körper gezittert. Es war ein Wunder, dass wir überhaupt ein Wort aus ihm herausgebracht haben. Die Sanitäter haben ihn schließlich mitgenommen. Er wurde zwar heute Morgen aus dem Krankenhaus entlassen, und nach eigener Aussage geht es ihm besser. Diesbezüglich hat er nach wie vor eine Gedächtnislücke. Ich habe ihm das Versprechen abgenommen, dass er sich sofort bei uns meldet, wenn ihm etwas einfällt. Das war, kurz bevor ich erfahren habe, dass das NYPD von dem Fall abgezogen wird.«
Ich beschloss, nicht auf die letzte Bemerkung einzugehen. »Verstehe. Wir werden Mister Ducasse auf jeden Fall einen Besuch abstatten. Hält er sich in seinem Hotelzimmer auf?«
»Ich nehme es an. Ich habe ihm erklärt, dass er die Stadt vorerst nicht verlassen darf.«
»Gut. Was ist mit dem Tatort? Haben Sie Spuren gefunden?«
»Jede Menge Fingerabdrücke, aber die stammen fast alle von Chablaux selbst. Bis auf einen, den wir noch nicht identifiziert haben. Könnte vom Zimmermädchen sein. Es gab außerdem keine Anzeichen eines Kampfs. Wenn Sie mich fragen, wurde er von hinten überrascht.«
»Ich vermute, es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, um was für ein Messer es sich gehandelt hat.«
Lords lachte trocken auf. »Tja, Agent Cotton, bei einem Mord mit einem Schießeisen findet man in der Regel wenigstens die Kugel. Bei einem Messer bleibt nur die Wunde, sofern es der Täter nicht am Tatort zurücklässt. Der Gerichtsmediziner war der Ansicht, der Mörder müsse eine große und teuflisch scharfe Klinge verwendet haben. Ist durch den Körper durchgegangen wie durch warme Butter. An Chablaux' linkem Hosenbein befand sich eine zwei Finger breite Blutspur. Vermutlich hat der Täter das Messer notdürftig daran abgewischt.«
»Könnte es sich um ein Küchenmesser gehandelt haben?«
»Glauben Sie, dass es einer der Köche war, die bei diesem Wettbewerb dabei sind?«
»Zumindest sollten wir das in Betracht ziehen. Nach dem, was wir bislang wissen, war Mister Chablaux wenig zimperlich, was seine Kritiken anging. Er könnte sich Feinde gemacht haben.«
»Hätte ihn deshalb jemand ... Na ja, was soll's? Das braucht mich nicht mehr zu interessieren. Ich lasse Ihnen unsere Ermittlungsergebnisse zukommen, Agent Cotton. Eine Bitte hätte ich allerdings. Es würde mich brennend interessieren, was dahintersteckt. Macht es Ihnen etwas aus, mich auf dem Laufenden zu halten?«
»Ich denke, das geht in Ordnung, Detective Lords.«
»Dann wünsche ich Ihnen viel Erfolg.«
»Danke«, erwiderte ich, da hatte er bereits aufgelegt.
»Er hörte sich an, als hätte ihm jemand in die Suppe gespuckt«, kommentierte Phil.
»In gewisser Weise ist das ja auch so. Wir sollten los. In zwanzig Minuten haben wir unseren Termin bei Miles Granger.«
Phil griff nach seiner Jacke. Kurz darauf saßen wir in meinem Jaguar und fuhren Richtung Murray Street.
»Ich finde, wir sollten den Wettbewerb abbrechen.«
Elias Bengtsson verschränkte die Arme vor seinem mageren Körper und presste die Lippen aufeinander, was ihm das Aussehen eines schmollenden Kindes verlieh, wie Tom Bellengardt fand. Er musste sich zurückhalten, um nicht die Augen zu verdrehen. Von allen Teilnehmern beim La Cuillère d'or