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Gangster schmuggelten alles Mögliche über New York in die Vereinigten Staaten. Deshalb war es Routine, als ein verdeckter Ermittler uns über eine geheime Übergabe am Harlem River informierte. Die Überwachung, die uns zum Drahtzieher führen sollte, geriet schnell aus dem Ruder. Denn ein unbekannter Bewaffneter funkte dazwischen und kam dabei ums Leben. Der Tote, ein gewisser Leon Miller, war ein unbeschriebenes Blatt und hatte bisher nie mit den Behörden zu tun gehabt. Dann erfuhren wir noch etwas Seltsames. Miller hatte indianische Vorfahren, und die Beute, auf die er es abgesehen hatte, bestand aus Drogen - und aus alten Dokumenten mit explosivem Inhalt!
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Seitenzahl: 141
Veröffentlichungsjahr: 2023
Cover
Wem gehört Manhattan?
Vorschau
Impressum
Wem gehört Manhattan?
Leon Miller erschrak, als sich ein Wagen näherte. Reifen knirschten über den Schotter des Parkplatzes. Millers Herz raste. Er duckte sich unter dem Busch im Spring Creek Park im Süden von Queens. Hier waren selten Menschen unterwegs. Vor allem, wenn es so regnerisch war wie jetzt.
Miller beobachtete, wie ein Mann einen Hund aus dem Wagen ließ und mit ihm über den Pfad zwischen den Wiesen davonging. Miller griff in seinen Hosenbund, wo er eine Neun-Millimeter-Pistole verstaut hatte. Das Gefühl, Gonzales nicht unbewaffnet gegenüberzutreten, beruhigte ihn.
Kurz nachdem der Spaziergänger verschwunden war, setzte Regen ein.
Miller fluchte. Es würde nur ein paar Minuten dauern, und er war völlig durchnässt. Und dann bestand auch noch die Gefahr, dass Gonzales bei dem Wetter hier gar nicht vorbeikam. Aber alle, die er gefragt hatte, hatten behauptet, dass sich der Mann, auf den Miller wartete, durch nichts von seinem Joggingprogramm abhalten ließ. Und er absolvierte es am liebsten abseits der Pfade, die Sportler in Massen benutzten.
Mit einem Donnern, das an den Schrei eines Urzeittiers erinnerte, hob am nahen John F. Kennedy Airport eine Maschine ab und verschwand in den tief hängenden Wolken.
Miller sah ihr nach, und im nächsten Moment bemerkte er eine Bewegung auf der Zufahrt zu dem Parkplatz. Ein Läufer näherte sich. Er trug Sportkleidung in Neonfarben und wirkte in all dem wässrigen Grau des frühen Abends wie eine wandelnde Warnlampe.
Es war Gonzales.
Jetzt musste er handeln. Das war Millers einzige Chance!
Er versuchte sich in Erinnerung zu rufen, was ihm sein Bruder, der sich Tenskwatawa nannte, beigebracht hatte.
Werde eins mit der Umgebung.
Konzentriere dich ganz auf das eine Ziel.
Sei der Pfeil, der sich von der Sehne löst.
Dann findest du dein Ziel von selbst.
Jetzt konnte Miller Gonzales' Schritte hören. Die Sohlen tappten dumpf auf dem platt getretenen Schotter. Und der Sportler keuchte. Wie Miller wusste, hatte er schon einen langen Weg hinter sich.
Miller sprang Gonzales in den Weg. Der Jogger war völlig überrascht, strauchelte und geriet ins Stolpern. Miller nutzte die Überraschung, legte sein gesamtes Körpergewicht auf Gonzales und zog die Waffe heraus.
Gonzales wollte sich wehren, als er den Lauf der Pistole auf dem Bauch spürte, hielt er still.
»Was soll der Scheiß?« Gonzales versuchte, sich herumzudrehen und Miller ins Gesicht zu blicken. »Wer bist du?«, schrie er. »Weißt du, mit wem du dich anlegst?«
»Das willst du gar nicht wissen«, sagte Miller und verstärkte den Druck. Gonzales war ihm körperlich überlegen, aber solange die Waffe verdeutlichte, wer hier das Sagen hatte, spielte das keine Rolle.
Gonzales beeindruckten Millers Worte nicht. »Natürlich will ich das wissen, Arschloch. Damit ich dir die Fresse polieren kann. Willst du mich etwa abknallen? Was hast du davon?«
Miller blieb nichts anderes übrig, als Gonzales den Lauf der Pistole noch stärker in den Bauch zu bohren.
»Du kennst doch Menotti?«, fragte er.
Die Erwähnung dieses Namens entlockte dem Jogger ein böses Lachen. »Wer kennt ihn nicht?«
»Da soll es einen Deal geben« sagte Miller. »Mit Ware aus Europa. Wann und wo?«
Gonzales erschlaffte kurz und schien nachzudenken.
»Bist du ein Cop?«, fragte er dann.
»Und wenn es so wäre?«, gab Miller zurück.
»Verdammt, nein, du bist kein Cop«, sagte Gonzales. »Cops hätten mich ordentlich mit einer Fessel verschnürt und dann irgendwo hin verschleppt, wo sie mich verhören können. Zum Beispiel in eines ihrer schmierigen Reviere. Verdammte Scheiße, ich ...«
Miller musste sich anstrengen, um den Körper unter ihm im Zaum zu halten.
»Ich hab dich was gefragt«, zischte er. »Sag mir, was du über den Deal weißt.«
»Willst du dich mit Menotti anlegen, Blödmann? Dann viel Spaß. Ich kann dir alles sagen, es wird dir nur nichts nützen.«
»Dann tu es, verdammt!«, schrie Miller.
»Es wird da sein, wo Menotti öfter Ware entgegennimmt«, sagte Gonzales plötzlich ganz ruhig. »Es gibt da eine Stelle am Harlem River.« Er beschrieb sie genau.
»Und wann?«, drängte Miller.
»Morgen Abend. Die genaue Uhrzeit kenne ich nicht. Aber weißt du was? Jetzt will ich mal was von dir, Kleiner.«
Eine Sekunde hatte Miller nicht aufgepasst. Der Jogger nutzte seinen Vorteil und drehte sich mit aller Kraft um. Jetzt konnte er Miller das erste Mal richtig sehen.
»Die Visage merke ich mir«, sagte er grinsend. »Menotti wird mir vielleicht sogar Kohle bezahlen, wenn ich ihm sage, wer ...«
Im nächsten Moment knallte ein Schuss. Ohne darüber nachzudenken, hatte Miller den Abzug der Neun-Millimeter durchgezogen. Gonzales erschlaffte unter ihm, rutschte ein Stück zur Seite und blieb liegen – die starren Augen in den grauen Himmel gerichtet. Eine Mischung aus Regen und Schweiß ließ sein Gesicht glänzen.
Fast eine halbe Stunde arbeitete Miller in dem strömenden Regen daran, Gonzales mit Gras, Ästen und Laub zuzudecken. Ewig würde er so nicht verborgen bleiben, das war klar. Aber wenn es nur ein paar Tage dauerte, reichte das.
Denn dann würde der große Plan erfüllt sein.
Miller und sein Bruder wären am Ziel oder zumindest so nah, dass es keine Rolle mehr spielte. Und bis dann jemand die Verbindung zwischen ihm und Gonzales aufdeckte, würde wieder viel Zeit vergehen.
Endlich war er der Meinung, dass die Leiche gut genug getarnt war. Der Mann mit dem Hund war immer noch nicht zurückgekommen. Wahrscheinlich hatte er sich irgendwo untergestellt und wartete ab, um einigermaßen trocken den Wagen zu erreichen.
Miller war nun völlig durchnässt. Doch das machte ihm nichts aus.
Er folgte dem Pfad nach Norden, wo sich der Belt Parkway ein Stück durch die Landschaft zog. Miller konnte die endlose Kolonne von Fahrzeugen sehen, die nach Long Island rollte. Dahinter begann der Ortsteil Howard Beach, wo Miller einen Bus erwischte, der gerade eine Haltestelle anfuhr.
Da der Regen immer stärker wurde, fiel er wegen seiner durchnässten Kleidung nicht weiter auf. In dem Bus herrschte Gedränge. Nasse Mäntel und Regenschirme schoben sich ineinander.
Erst ein paar Meilen weiter traute sich Miller, sein Handy einzuschalten. Irgendwo in Queens stieg er aus und wählte die Nummer von Tenskwatawa.
Abseits in einer Einfahrt stehend, sprach er leise mit seinem Bruder.
»Es hat leider ein Opfer gegeben«, sagte er. »Es ging nicht anders. Er hätte uns sonst verraten.«
»Es wird nicht das letzte sein«, sagte sein Bruder. »Wir haben auch viele Opfer gebracht. Es ist nur ausgleichende Gerechtigkeit. Hauptsache, du hast die Information, die wir brauchen.«
»O ja«, sagte Miller. »Die habe ich. Morgen Abend ist es so weit. Und dann wird sich in New York alles ändern ...«
Phil und mir blieb nicht verborgen, dass über New York ein großes Regengebiet hinweg zog.
»Da muss man sich ja geradezu freuen, dass man keinen Feierabend hat«, meinte mein Partner, während er aus dem Fenster unseres Büros schaute. »Bei dem Wetter jagt man ja keinen Hund vor die Tür.«
In diesem Augenblick klingelte das Festnetztelefon auf meinem Schreibtisch. Ich erkannte die Nummer von Helen, der Vorzimmerdame unseres Chefs.
»Irgendetwas sagt mir, dass der Feierabend gerade sowieso in weite Ferne rückt«, sagte ich. Damit ging ich dran.
»Mister High erwartet euch«, sagte Helen. »Er hat Besuch von einem Agent aus den Residentys. Offenbar gehts da um eine große Sache.«
Die Resident Agencys, die Helen meinte, waren unterstützende FBI-Büros im Stadtgebiet. Der Mann, der bei Mr. High auf uns wartete, wurde uns als Agent Bruce Hopkins vorgestellt.
Er war höchstens fünfundzwanzig Jahre alt und ziemlich sportlich. Was uns verwunderte, war seine legere Kleidung. Die Vorgaben waren zwar längst nicht mehr so streng wie noch vor ein paar Jahren, aber Hopkins stellte mit einer löchrigen Jeans, einem fleckigen Hoody und ausgelatschten Sneakers alles in den Schatten, was wir uns hätten leisten können.
»Agent Hopkins ist undercover unterwegs«, klärte uns der Chef auf. »Er ist direkt von einem Einsatz hergekommen und hat den geheimen Eingang benutzt.« Mr. High nickte ihm aufmunternd zu. »Berichten Sie meinen Leuten bitte, worum es geht.«
»Mein Spezialgebiet sind Drogendeals im größeren Stil«, sagte er. »Und heute bin ich auf die Information gestoßen, dass es morgen zu einer größeren Übergabe kommen soll. Auf einem Parkplatz in der Nähe des Harlem River in der Nähe des Zugreparaturzentrums. Leider kennen wir den genauen Ort nicht.«
Phil und ich kannten die Gegend. Der Harlem River, der Manhattan im Norden vom Festland abschnitt und so zu einer Insel machte, war vor allem an seiner Mündung in den Hudson von einigen Industriegebieten gesäumt, an dem auch die Gleisanlagen für die Wartung der Züge lagen.
»Die Kollegen haben ermittelt, dass die Ware über ein Netzwerk transportiert wird, das bis nach Europa reicht«, fuhr Hopkins fort.
»Das heißt, sie ist auf einem Schiff?«, fragte ich. »Oder wie ist der Transport genau abgelaufen?«
Der Agent nickte. »Die Ladung kam per Schiff erst mal nach Boston. Dort erfolgte eine Verteilung, und der Teil, der morgen übergeben werden soll, wurde per Truck weitertransportiert.«
»An wen soll sie gehen?«, fragte Phil ungeduldig. »Wer ist der Endabnehmer?«
Hopkins hob die Schultern und sah Mr. High an.
»Genau das müssen wir herausfinden«, sagte der Chef. »Wenn uns das gelingt, könnten wir auf einen Schlag die Vertriebsstruktur zerstören.«
»Natürlich ist auch die DEA, die Drogenvollzugsbehörde, an der Sache dran«, sagte Hopkins. »Aber die haben genug damit zu tun, die Wege in die anderen Bundesstaaten zu überprüfen und Beweise zu finden. Es ist davon auszugehen, dass die Spur ins organisierte Verbrechen von New York führt.«
»Und deswegen ist das genau unser Job«, schloss Mr. High. »Damit ist der Auftrag klar. Die Entgegennahme des Schmuggelguts überwachen und herausfinden, wer der Endabnehmer ist. Und das möglichst, ohne die Täter misstrauisch zu machen. Direkte Zugriffe auf untere Chargen nützen uns nichts. Wir müssen das ganze System verstehen und austrocknen.«
Den weiteren Abend verbrachten wir damit, erste Vorbereitungen für den Auftrag zu treffen. Als wir endlich das Büro verlassen konnten, regnete es immer noch. Und am nächsten Morgen gab es wieder die gleiche Nässe. Mein Partner stand an der Straße, beschützt von einem großen grasgrünen Schirm.
»Wie nett, dass du wenigstens ein bisschen Farbe in den tristen Morgen bringst«, begrüßte ich ihn. »He, pass doch auf!«
Leider war es nicht so einfach, in einem Zweisitzer trocken zu bleiben, wenn man auch noch einen nassen Schirm dabei hatte. Das Wasser tropfte auf Phils Hose, während ich mich in den Verkehr einfädelte. Immerhin gelang es meinem Partner, das grüne Ding so zu platzieren, dass die Sitze trocken blieben. Er bekam es sogar hin, den Tablet aus der Konsole zu nehmen und die Informationen abzurufen, die über Nacht eingegangen waren.
»Die Kollegen von der DEA haben was rausgefunden«, sagte er.
»Haben sie etwa unseren Job gemacht und wissen, an wen die Ware gehen soll? Nicht dass ich etwas gegen ein bisschen Entlastung einzuwenden hätte, aber ...«
»Keine Sorge, Jerry, wir werden nicht arbeitslos. Dennoch haben sie uns einen interessanten Hinweis geliefert. Sie wissen, wie der Truck aussieht, in dem die Ware ankommt.«
»Das ist ja schon mal nicht schlecht«, meinte ich grinsend. »Dann müssen wir nicht die ganzen zehntausend Fahrzeuge überprüfen, die da wahrscheinlich am Harlem River herumstehen.«
Phil nahm den grünen Schirm mit nach oben in den dreiundzwanzigsten Stock. Er war so nass, dass er noch im Aufzug eine kleine Pfütze hinterließ. Im Büro spannte er ihn vor der Heizung auf. Sofort war die Fläche in unserem Arbeitsraum um ein Drittel geschrumpft.
Wir loggten uns in unsere Computer ein und checkten alle Informationen. Außer dem Hinweis über das Aussehen des Trucks gab es nichts Neues. Und das änderte sich auch im Laufe des Tages nicht, sodass wir ihn hauptsächlich damit verbrachten, möglichst viel von dem im Auge zu behalten, was sich in New York tat.
Am Nachmittag ging eine Meldung ein, die einen gewissen Gonzales betraf. Er war der Anführer einer Gang in Brooklyn und galt als einer der besten Kenner der New Yorker Unterwelt. Sein Einflussbereich lag vor allem im Süden von Brooklyn und Queens, und er hatte unseren Leuten gelegentlich als Informant gedient. Am Morgen war mir noch der Gedanke durch den Kopf gegangen, ihn nach dem Drogendeal zu fragen. Mr. High hatte auf Geheimhaltung bestanden. Außerdem lag der Harlem River nicht in Gonzales' Einflussbereich.
Und nun war Gonzales tot. Jemand hatte ihn erschossen, als er gerade im Spring Creek Park gejoggt war.
Ich besprach die Sache mit Phil. Er las auf dem Bildschirm seines Computers, was das NYPD bisher in der Sache ermittelt hatte.
»Sie vermuten einen Raubmord oder einen Kampf zwischen den Gangs«, sagte er. »Das ist allerdings reine Spekulation. Jedenfalls scheint der Mord nicht in unseren Bereich zu fallen.«
»Und wenn doch, muss er warten«, sagte ich und konzentrierte mich wieder auf meinen Rechner.
Gegen vier Uhr traf sich das Team zur Besprechung. Außer Mr. High, Phil und mir bestand es nur noch aus unseren Kollegen Steve Dillaggio und Zeerookah.
»Wo sind Joe und Les?«, fragte ich. »Kommen sie noch?«
Mr. High schüttelte den Kopf. »Das Team muss klein gehalten werden. Außerdem ermitteln die beiden im Mordfall Mario Gonzales.«
»Ist das doch ein Fall für uns?«, wollte Phil wissen. »Ich dachte, das wäre eine Sache für die Stadtpolizei.«
Steve, der Mr. Highs Stellvertreter war, klärte uns nach einem auffordernden Blick des Chefs auf. »Es hat sich gezeigt, dass Gonzales Kontakte nach Manhattan geknüpft hat, und zwar zur Familie Menotti, die wir schon lange wegen verschiedener Dinge verdächtigen. Aber wir haben keine Beweise. Leider. Dabei könnten wir dringend welche gebrauchen. Vielleicht gelingt es Joe und Les, Licht ins Dunkel zu bringen.«
Nach dieser Erklärung ermahnte uns Mr. High, uns nun dem aktuellen Einsatz zuzuwenden.
Steve und Zeerookah sowie Phil und ich nahmen in der Fahrbereitschaft je einen neutralen Toyota. Die Fahrzeuge sahen aus wie normale New Yorker Privatwagen, waren jedoch mit einigen Finessen ausgestattet wie zum Beispiel Digitalfunk, über den wir in Verbindung bleiben konnten. Außerdem besaßen die Wagen GPS-Tracker, die nur vom FBI zu verfolgen waren. So konnten wir über die Zentrale genau wissen, wo der andere Wagen war.
Um möglichst unauffällig zu bleiben, fuhren wir in einem größeren zeitlichen Abstand.
Wir hatten uns zwei strategische Punkte zugewiesen. Sie lagen an den Zufahrten des Parkplatzes, auf dem die Übergabe stattfinden sollte. Beide befanden sich am oberen Ende der Tenth Avenue, allerdings waren sie etwa eine knappe Meile voneinander entfernt. Irgendwo dort musste der Truck auftauchen. Wir wussten, dass er eine dunkle Plane besaß, auf der in gelben großen Buchstaben der Schriftzug K Logistics zu lesen war. Wir hatten ermittelt, dass die Firma vor einem halben Jahr pleitegegangen war und ihre Trucks verkauft hatte.
»Dieser verdammte Regen«, sagte Phil. »Kannst du überhaupt sehen, wo du hinfährst?«
»Ach, weißt du, ich kenne mich so gut in New York aus, da könnte ich glatt blind zum Harlem River fahren.«
Der Witz kam bei meinem Partner nicht gut an. Kein Wunder. Auch mir war klar, dass ein solches Wetter den Einsatz zu einem wahren Roulettespiel machte. Millionen Regentropfen prasselten vom dunklen Abendhimmel auf die Windschutzscheibe und verwandelten sich in einen diffusen Wassernebel, in dem sich die vielen Lichter brachen. Die Scheibenwischer arbeiteten auf Hochtouren, und wurden der Flut, die da vom Himmel kam, kaum Herr.
»Wir sind am Einsatzort«, sagte Steve aus dem Funkgerät. »Ich glaube, wir packen am besten gleich die Schwimmwesten aus.«
»Wir haben unsere leider vergessen«, meinte Phil und drehte den Kopf, um mit Mühe das nächste Straßenschild zu erkennen. »Wir müssten in ein paar Minuten ebenfalls vor Ort sein.«
Es dauerte tatsächlich nicht lange, bis wir unseren Warteplatz erreichten. Phil gab die Meldung gleich durch. Ich parkte den Toyota am Straßenrand.
»Nun heißt es warten«, sagte ich.
Die Tenth Avenue war voll rollendem Verkehr, der sich vor allem stadtauswärts bewegte. Wenn der Truck hier vorbeikam, mussten wir uns schon anstrengen, um ihn zu erkennen. Die Stelle war gut von Straßenlampen ausgeleuchtet, und es gab eine Ampel inklusive einer Fahrbahnverengung, sodass man langsam fahren musste. Das erleichterte die Sache. Außerdem saß Ben in der Zentrale und behielt die Überwachungskameras im Blick, die sich in der Umgebung befanden.
Wir hatten mit Steve und Zeerookah vereinbart, dass wir uns jede halbe Stunde anfunkten.
»Nichts Neues hier unten«, sagte ich. »Der Verkehr scheint nachzulassen.«
»Hier oben noch nicht«, gab Steve zurück. »Allerdings habe ich das Gefühl, der Regen ist nicht mehr so stark.«
Das hatte ich bei uns auch schon beobachtet.
»Wenigstens etwas«, sagte ich.
Steves nächster Funkspruch folgte schnell. »Der Truck nähert sich. Er ist von Norden her von der Broadway Bridge über den Harlem River gekommen und fährt nach Süden.«
»Also zu uns?«, fragte ich. »Dann nehmen wir ihn in Empfang.«
»Wir haben uns an ihn drangehängt, Jerry. Dann können wir ihn in die Zange nehmen ... Nein, halt, warte mal. Jetzt ist er in die 215th West eingebogen. Vielleicht ist da irgendwo der Platz, wo der Deal steigen soll.«
»Wir kommen auch dahin«, sagte ich und startete den Motor.
Sekunden später waren wir nach Norden unterwegs. Phil hielt Funkkontakt mit dem anderen Team. Der Truck war nördlich der Bahnanlagen einmal um den Block gefahren, hielt aber nicht an, sondern schien sich wieder in nördlicher Richtung zu bewegen.