Jerry Cotton 3465 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 3465 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Bei uns im Field Office tauchte unerwartet eine syrische Schönheit namens Ezra Faraj auf, mit der ich vor Jahren eine leidenschaftliche Romanze erlebt hatte. Ihre verblüffende Story: Sie war inzwischen verheiratet und ihrem Mann Yusuf zuliebe zum Islam konvertiert. Gemeinsam mit ihm hatte sie sich der Terrororganisation Muharibin Allah, der Krieger Allahs, angeschlossen. Ezra bat mich um unserer alten Liebe willen, sie vor Yusuf zu schützen, der im Auftrag der Organisation Jagd auf sie machte. Denn sie weigerte sich, einen Verräter zu töten. Ich erhörte ihre Bitte und geriet in einen Strudel aus Gewalt, entfacht von konkurrierenden syrischen Terrorgruppen, die ihren Krieg nach New York trugen. Einen wilden grausamen Krieg, der unsere geliebte Stadt an den Rand einer Katastrophe führte ...


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Seitenzahl: 144

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhalt

Cover

Wir und die Gotteskrieger

Vorschau

Impressum

Wir und die Gotteskrieger

Sie standen auf geheiligtem Boden, dort, wo es vor dem Krieg eine prachtvolle Moschee gegeben hatte.

»Vermutlich gehst du dabei drauf«, sagte der unauffällig gekleidete Mann, den alle nur alqadi, den Richter, nannten. »Aber es spielt keine Rolle. In den Gärten des Paradieses wirst du Ruhe finden.«

Vor dem Anschlag, dachte Yusuf, würde er noch weitere Ungläubige zur Hölle schicken. Er hatte eigene Pläne, von denen der Alqadi nichts wusste.

»Allahu akbar«, sagte er.

Er spürte, wie ihm der Schweiß unter der Djellaba über den Körper rann.

Sein Blick wanderte über die Ruinen des zerstörten Vororts von Damaskus, in dem er aufgewachsen war. Unter dem gnadenlosen Blau des Himmels wirkten sie mit ihren seelenlosen Steinhaufen wie das uralte Iram, von dem es im Koran hieß, es sei von Allah zerstört worden, weil die Bevölkerung fremden Göttern huldigte.

»Was deine geliebte Frau betrifft, wirst du sie auch töten?«

»Allahu akbar«, wiederholte Yusuf ausweichend.

Manche Dinge sind rein privater Natur, andere höchst offiziell. Im Fall der einunddreißigjährigen Syrerin, die mir im Büro am Besprechungstisch gegenübersaß, kam beides zusammen.

Sie hieß Ezra Faraj und war genauso betörend wie ihr Name. Wir waren uns drei Jahre nicht mehr begegnet, doch sie hatte sich in gewisser Weise kaum verändert. Nur dass sie jetzt ein Hauch von Melancholie umwehte. Unter dem straff zurückgekämmten, im Nacken zusammengebundenen blauschwarzen Haar bildeten die Konturen des fein geschnittenen Gesichts ein perfektes Oval. Der verhangene Blick aus den großen dunkelbraunen und leicht schräg gestellten Augen wirkte zugleich entrückt und fordernd. Alles in allem hätte Ezra eine prächtige Heilige abgegeben, doch ihre leidenschaftliche Natur hatte ihr einen anderen Weg gewiesen. Ich wusste es, weil wir damals im Urlaub auf Hawaii eine kurze heiße Romanze erlebt hatten, aus der vielleicht mehr hätte werden können. Ezra absolvierte damals ein Auslandsstudium in Politikwissenschaften an der Hawaii Pacific University und stand kurz vor dem Abschluss.

Was ihre Kleidung anging, hatte sie sich deutlich verschlechtert. Sie trug einen räudigen grauen Wollmantel mit Kapuze, darunter fleckige Jeans und einen ausgewaschenen grauen Pullover. Neu war die etwa drei Inch lange blasse und spinnenförmige Narbe auf ihrer linken Wange. Es gab mir einen Stich ins Herz zu sehen, dass ihre Schönheit zwar nicht ausgelöscht, aber beschädigt war.

Andererseits wunderte es mich nicht, denn Schönheit provoziert häufig Gewalt. Ich fragte Ezra danach. »Ein eifersüchtiger Liebhaber?«

Sie schüttelte ernst den Kopf: »Schlimmer, Jerry, diesen Liebesbeweis verdanke ich meinem Mann.«

»Wer ist er? Und was stimmt nicht mit ihm?«

Sie schwieg und ließ mir Zeit zum Rätseln, was es mit ihrem Besuch auf sich hatte. Am Telefon hatte sie mir gestern lediglich mitgeteilt, dass sie illegal aus Syrien eingereist sei und dringend meiner Hilfe bedürfe. Vorausgesetzt, dass sie unbehelligt bleiben würde, wäre sie bereit, dem FBI hochbrisante Informationen zu liefern.

Sie sagte, sie werde mich wieder anrufen, um zu hören, wie ich mich entschieden hätte, wollte mir ihre Kontaktdaten jedoch vorerst nicht geben. Notgedrungen war ich darauf eingegangen und hatte auf der Stelle Mr. High informiert. Der Chef entschied, dass ich im Office zunächst allein mit ihr reden dürfe, er danach mit Phil und Steve Dillaggio dazu kommen werde.

Jetzt saß ich hier an einem trüben Dienstagmorgen mit mulmigen Gefühlen. Es gefiel mir nicht besonders, dass mein amouröses Intermezzo ein offizielles Nachspiel haben sollte. Meine Erfahrung sagte mir, dass so was unerwünschte Nebenwirkungen haben konnte.

»Es ist eine komplizierte Story«, meldete sich Ezra schließlich mit gedämpfter Stimme aus ihrer Schweigemeditation zurück. »Ich denke, sie wird dir nicht gefallen.«

»Du bist hier, um sie zu erzählen. Willst du, dass ich dich davon abhalte?«

Sie lächelte. »Ich mochte deinen Humor damals schon.«

Ich hütete mich, darauf zu reagieren.

»Na schön«, sagte Ezra. Ihre Augen fanden seitlich von mir einen imaginären Punkt im Raum, der ihr Halt gab. »Vor anderthalb Jahren, im Anschluss an mein Bachelor-Examen, kehrte ich nach Damaskus zurück. Es war wie ein Schock. Durch meinen luxuriösen Aufenthalt in den Staaten hatte ich vergessen, wie sehr der Krieg mein Land verwüstet hatte. Ich fühlte mich fremd in Syrien, obwohl ich im Haus meiner Eltern in relativem Wohlstand lebte. Ihr privilegiertes Leben erschien mir plötzlich ungerecht und sinnlos inmitten des überall herrschenden Terrors.«

Sie hielt inne, ich gab ihr Zeit.

»Ich hatte mir nie was aus Religion gemacht«, fuhr sie schließlich fort. »Doch aus Protest gegen meine Eltern suchte ich immer häufiger Trost im Besuch verschiedener Moscheen. Dabei freundete ich mich mit einem Mann an, der mich mit seiner fanatischen Gläubigkeit ebenso verschreckte wie faszinierte: Yusuf Khaled. In seiner Gegenwart fand ich mich trotz meines Studiums naiv und bedeutungslos. Klingt vermutlich bescheuert, was ich jetzt sage, aber es kam, wie es kommen musste – ich verfiel ihm.« Sie atmete tief durch, dann reckte sie herausfordernd das Kinn. »Den Rest kannst du dir denken, oder?«

»Ich hoffe, es ist nicht das, was ich befürchte.«

»Doch, genau das ist es, Jerry. Aus Liebe zu Yusuf nahm ich den muslimischen Glauben an und heiratete ihn. Zunächst ahnte ich nicht, dass er mich in der Folge als seinen Besitz betrachten würde. Und es kam noch schlimmer. Nach wenigen Monaten ließ er die Katze aus dem Sack. Er ist ein führendes Mitglied der sunnitischen Terrororganisation Muharibin allah, die weltweit operiert. Der Name bedeutet Krieger Allahs. Ob es in New York Mitglieder gibt, weiß ich nicht. Jedenfalls sehen die Muharibin allah sowohl Amerika als auch die syrische Regierung als ihre Feinde an.«

Sie lehnte sich erschöpft zurück und strich sich mit beiden Händen über Gesicht und Kopf. Ich stellte mir vor, wie sie mit dieser lasziven Geste aus der Dusche trat.

»Könnte ich einen Kaffee haben, Jerry?«

»Klar.«

Ich rief Helen an. Es dauerte nur wenige Minuten, bis sie mit zwei dampfenden Tassen das Office betrat.

»Ich denke, er ist stark genug, um euch wieder in Form zu bringen.«

Ihr wissender Blick deutete an, dass sie die angespannte Stimmung im Raum bemerkte.

Nachdem Helen uns verlassen hatten, nippte Ezra ein paarmal mit geschlossenen Augen an ihrer Tasse, ehe sie sagte: »Die Antwort auf die Frage, die du noch nicht gestellt hast, lautet: Nein, ich habe mich an keiner einzigen Aktion von Muharibin allah beteiligt. Aber ich habe geduldet, dass die Mitglieder ihre Treffen in meiner und Yusufs Wohnung abhielten und dass sie mich zur Mitwisserin ihrer Pläne und Verabredungen machten. Das ist schlimm genug, oder?«

»Nette Story«, sagte ich anerkennend. »Ich frage mich, welcher Teil davon stimmt. Das klingt alles nach verführter Unschuld.«

Sie runzelte ärgerlich die Stirn. »Ich riskiere mein Leben damit, dass ich hier sitze.«

Ich beugte mich über den Tisch und gestattete mir den Anflug eines Lächelns. »Und ich riskiere, dass du meine Zeit verschwendest, falls du mir etwas vormachst.«

Sie rückte vor bis zur Stuhlkante und umfasste mit beiden Händen meinen Unterarm.

»Du musst mir glauben, Jerry«, flehte sie eindringlich. »Okay, ich will dir nichts vormachen, ich bereue mein Verhalten. Aber gibt es nicht immer einen Grund, irgendetwas zu bereuen? Man sollte es damit nicht übertreiben. Keiner kann aus seiner Haut raus.« Sie hielt kurz inne. »Ich habe mich an dich gewandt, weil du meine letzte Hoffnung bist, Jerry. Falls du das für einen Witz hältst, verschwinde ich durch diese Tür, und du siehst mich nie wieder.«

Ich erklärte ihr nicht, dass ich sie auf keinen Fall einfach so hinausspazieren lassen durfte. Das konnte sie sich ohnehin denken.

»Erkläre es mir«, sagte ich.

»Die Mitglieder der Gruppe misstrauen mir. Sie fordern, dass ich zum Beweis meiner Zugehörigkeit und Treue einen Verräter erschieße. Tue ich es nicht, wollen sie mich töten.«

»Du bist auf der Flucht?«

»Ja.«

»Und dein Mann ...?«

»Ist für mich verantwortlich und sucht sicher nach mir.«

»Was wird er tun, wenn er dich findet?«

Sie zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht, er wird mich wohl nach Syrien zurückbringen.«

»Und wenn du dich dagegen wehrst?«

Sie lachte unfroh. »Wird er mir das Herz aus der Brust schneiden und in Tränen ausbrechen. Er ist ein verdammter Scheißkerl.«

»Seit wann bist du in New York?«

»Seit zwei Tagen.«

»Wo hast du geschlafen?«

»An der Central Station, in einem Schlafsack. Es war zu riskant, ein Hotelzimmer zu nehmen. Ich hatte Angst, Yusuf könnte mich da aufspüren. Er ist sehr geschickt in so was.«

Ich löste behutsam ihre Hand von meinem Arm und stand auf. »Es wird Zeit, meinen Chef an unserem Gespräch zu beteiligen.«

Sie nickte. »Kein Problem, Jerry. Danke, dass es möglich war, erst allein mit dir zu sprechen.«

Etwas in ihrem Blick irritierte mich. Etwas, das mich an die Zeit vor drei Jahren erinnerte.

»Keine Ursache«, sagte ich und ging hinaus.

Am Mittag traf Yusuf Khaled nach drei Zwischenlandungen und achtunddreißig Stunden Flugzeit mit einer Maschine der United Airlines am JFK Airport in New York ein. Mit seinen gefälschten Dokumenten, die auf den unauffälligen Namen Mohammed Nasser ausgestellt waren, passierte er problemlos alle Kontrollen. Vor Antritt der Reise hatte er sich unter großer Überwindung seines struppigen schwarzen Vollbarts entledigt, seine schulterlangen Haare gebleicht und kurz geschnitten. Ein Opfer, das gebracht werden musste, um zu verhindern, dass ihn die Amerikaner sofort als Muslim identifizierten. Der Islam war bei diesen Einfaltspinseln gleichbedeutend mit religiösem Fundamentalismus und dieser mit blutigem Terrorismus. Erstaunlich, wie ungebildet diese Ungläubigen waren.

Was ihn betraf, waren ihre Schlussfolgerungen allerdings zutreffend.

Während der Taxifahrt zu seiner Unterkunft in Harlem musterte er von der Seite immer wieder den Fahrer, einen kleinen Puerto-Ricaner mit schiefer Visage, der wie ein Affe über dem Lenkrad hing und mit leerem Blick auf die Straße starrte. Am Rückspiegel baumelte ein metallisches Kreuz, das darauf hindeutete, dass der Bursche dem christlichen Aberglauben anhing.

Yusuf versuchte vergeblich, irgendein Anzeichen dafür zu entdecken, dass der Fahrer Misstrauen geschöpft haben könnte. Es gab keine, oder Yusuf erkannte sie nicht. Er hätte einen Eid darauf geleistet, dass er mit Bart längst Verdacht erweckt hätte.

Es beruhigte ihn, dass sich dieser giaur nicht die Bohne für ihn interessierte.

Als der Wagen hielt und Yusuf in der Tasche seines olivgrünen Trenchcoats nach dem Fahrgeld kramte, bemerkte er plötzlich, dass der Puerto-Ricaner ihn aufmerksam beobachtete.

»Was ist?«, fragte er unwirsch. »Geht es Ihnen nicht schnell genug?«

»Nein, kein Problem, alles cool, Mann. Es ist nur wegen ihres komischen Akzents, klingt arabisch. Kommen Sie da irgendwo her?«

»Geht dich einen Scheißdreck an.« Yusuf streckte dem Mann das abgezählte Geld hin.

Der Fahrer klaubte es ihm mit spitzen Fingern aus der Hand und verstaute die zerknitterten Scheine so nachlässig in seine Hosentasche, als wären es benutzte Taschentücher.

»Regen Sie sich ab«, schnarrte er, während er Yusuf nicht aus den Augen ließ. »Ist nur wegen meiner kleinen Schwester. Die hängt mit 'nem Araber rum.«

»Na und?«

»Na ja, ist eben so, hab mich damit abgefunden.«

Eine Ader an Yusufs Schläfe begann heftig zu pochen »Wenn deine Schwester so scheiße aussieht wie du, hat sie Glück, wenn jemand es ihr besorgt.«

Yusuf wollte aussteigen, bevor ihm alle Gäule durchgingen, aber der Fahrer hielt ihn am Ärmel zurück.

»Hey, Mister, was Sie da von sich geben, ist übel. Ich besteh drauf, dass Sie's zurücknehmen.« Sein Oberkörper beschrieb eine halbe Drehung, er konnte Yusuf jetzt direkt in die Augen blicken.

»Deine Schwester ist eine Schlampe«, knurrte Yusuf gehässig. Seine rechte Hand schoss vor und schraubte sich um den dürren Hals des Fahrers. Zu spät nahm Yusuf wahr, dass die kühle Schneide eines Messers seine Halsschlagader bedrohte. Der Fahrer hatte die Waffe aus dem Nichts herbeigezaubert.

Jemand klopfte energisch gegen die Fensterscheibe auf der Fahrerseite. Yusuf sah, dass es ein elegant gekleideter weißhaariger Mann war.

»Der Typ hat was mitgekriegt«, zischelte er durch die Zähne.

Der Fahrer reagierte schnell. Er schob das Messer unter den Sitz und ließ lachend das Fenster herunter: »War nur 'n Spaß, Grandpa. Keine Aufregung. Wir probieren 'ne Szene für 'nen Film.« Er wandte sich zu Yusuf um. »Hab ich recht, Mullah?«

Yusuf antwortete nicht. Er entriegelte die Tür, stieg aus und ging die Gasse hinunter, ohne sich noch einmal umzusehen.

Sollte sich der braunhäutige Affe doch um den Alten kümmern.

Er beschleunigte seine Schritte. Hoffentlich versuchte niemand, ihn zurückzuhalten. Er verfluchte sich dafür, dass er sich zu einer dämlichen Pöbelei hatte hinreißen lassen.

Wenn er seinen Auftrag vermasselte, würde der Alqadi ihn persönlich in die Mangel nehmen. Der Richter war gut darin, anderen Menschen Schmerzen zuzufügen. Besser als jeder andere, den Yusuf kannte. Und Allah war mit ihm. Mit beiden durfte man es sich nicht verderben.

Yusuf war vorsichtig genug gewesen, den Fahrer an einer Stelle halten zu lassen, von der aus er noch ein ganzes Stück zu gehen hatte.

Er brauchte eine Viertelstunde, um mit seinem wackligen Rollkoffer vor der Tür eines verfallen wirkenden Hauses in der Nähe des Harlem River anzukommen. Die Nachbarhäuser waren in einem noch schlechteren Zustand. Auf einer verwitterten Bank hockte ein ausgemergelter Junkie mit entblößtem Oberkörper und setzte sich eine Spritze.

Yusuf musste mehrmals klopfen, ehe ihm geöffnet wurde.

»Tahiaati lak ›akhi, sei gegrüßt, mein Bruder«, empfing ihn der schmierbäuchige, ewig kichernde Bastard, dessen Wohnung die Organisation der Muharibin allah zu Yusufs Unterkunft in New York bestimmt hatte. Er trug ein ausgewaschenes kariertes Hemd und eine altmodische Hose. Um seine Halbglatze kräuselte sich ein verfilzter Haarkranz.

Er nannte sich Rafik, was Freund bedeutete. Nun, Yusuf würde diese Kreatur niemals als seinen Freund betrachten.

Rafik besaß einen sogenannten Antiquitätenladen, in dem es in Wirklichkeit nur Gerümpel, altmodische Ölschinken und baufälligen Nippes zu besichtigen gab. Lukrativer war sein illegaler Handel mit Waffen.

Rafiks richtiger Name lautete Lenny Hogan, denn er war ein waschechter Amerikaner, den lediglich eine geistige Verwirrung dazu verleitet hatte, sich zum muslimischen Glauben zu bekennen. Rafik Hogan hatte sich nach Yusufs Überzeugung auf die Seite der Gotteskrieger geschlagen, um seinem verpfuschten Leben einen Sinn einzuhauchen. Als Sohn drogenabhängiger Eltern, die kurz nach seiner Geburt wegen einer Überdosis Heroin vorzeitig gestorben waren, war Rafik in einem christlichen Heim aufgewachsen, in dem er nach eigenem Bekunden vor allem herausfand, wie man sich als Underdog durchbiss, um am Leben zu bleiben. Yusuf hielt Rafik für verschlagen, heimtückisch und geistig zurückgeblieben. Allah, dachte er, musste dieser ungebetene Sohn verabscheuenswürdig erscheinen.

Rafik hatte niemals eine Seite aus dem Koran gelesen. Schon deshalb nicht, weil er lediglich ein paar halbgare Sätze auf Arabisch daherstammeln konnte. Und eine Übersetzung des Korans, so hatte Rafik Yusuf einmal gesagt, käme für ihn nicht infrage, da Mohammed die Worte des Herrn schließlich auf Arabisch und nicht auf Englisch empfangen habe.

Alles in allem war Rafik nichts weiter als ein Heuchler und Schwächling, dessen man sich so lange bediente, wie es geboten erschien. Irgendwann würde man sich seiner entledigen.

»Freut mich auch, dich zu sehen, Bruder.« Die Lüge ging Yusuf leicht von den Lippen, da er sie gegenüber einem Nichtwürdigen äußerte.

»Komm, wir gehen erst mal nach hinten. Ich habe Tee vorbereitet.« Rafik watschelte in seinen ausgetretenen Filzpantoffeln voran durch die enge, nach ranzigem Fett riechende Diele, mit der behäbigen Gangart eines betagten Mannes, dabei war er gerade mal Ende zwanzig. In einem muffigen, kärglich eingerichteten Raum bot er Yusuf Platz an einem Holztisch mit bestickter Decke an. Durch die schadhaften Lamellen einer gelblichen Jalousie floss graues Licht herein. Undeutlich waren im Hinterhof die abgestorbenen Äste einer Platane zu erkennen.

Nachdem Yusuf seinen Koffer abgestellt, den Mantel ausgezogen hatte und sie sich beide gesetzt hatten, goss Rafik umständlich Tee aus einer geblümten Plastikkanne in zwei Becher mit abgebrochenen Henkeln.

»Und«, erkundigte sich Rafik kichernd, »wie gefällt dir die große Stadt der Teufel?«

»Ich bin nicht hier, um mir diese Frage zu stellen«, erwiderte Yusuf streng. Er trank etwas von dem Tee, der sich als lauwarm und geschmacksfrei entpuppte.

»Kann ich mir denken«, erwiderte Rafik. Er selbst nahm einen großen Schluck, spülte sich damit lautstark den Mund um und spuckte die Flüssigkeit anschließend in die Tasse zurück. Eine Angewohnheit, für die allein Yusuf ihn schon hätte erwürgen können.

Rafik hatte viele eklige Angewohnheiten. Yusuf kannte sie alle, weil sich Rafik vor einem Jahr in einem geheimen Lager in Syrien einer militärischen Ausbildung unterzogen hatte, die unter Yusufs Kommando stand.

»Also«, sagte Rafik, und die Neugierde ließ seine kleinen flinken Augen verräterisch aufblitzen, »dann rück mal damit raus, was hast du vor?«

»Was Größeres.«

Rafik klatschte sich vergnügt auf die fetten Oberschenkel. »O Mann, das ist mal 'ne gute Nachricht. Ich hab noch nie bei was Großem mitgemacht. Wird Zeit, oder? Ich meine ...«

»Zunächst«, unterbrach Yusuf ihn schroff, »erledigst du für mich ein paar Kleinigkeiten, verstanden?«

»Ist mir eine Ehre, Bruder. Aber mir kannst du doch verklickern, worum es geht.«

»Erfährst du noch früh genug.«

»Hey, Bruder«, wehrte sich Rafik, »das ist nicht fair. Hab ich dich schon mal enttäuscht?«

»Nein, bisher hattest du keine Gelegenheit.«

»Soll das etwa heißen ...?«

Wieder fuhr ihm Yusuf in die Parade. »Das soll heißen, umso weniger du weißt, umso weniger Scheiße kannst du bauen, Bruder.«

Rafik verzog schmollend die fleischigen Lippen und schwieg. Seine Lider zuckten unmerklich.

Yusuf traute ihm nicht über den Weg, er war jedoch auf ihn angewiesen. »Ich brauche Waffen, Bruder Rafik.«

»Fuck, Mann, kein Ding. Was soll's denn sein?«

»Für den Anfang eine Pistole und ein Kampfmesser.«

Rafik grinste selbstzufrieden. »Ich kann dir eine jugoslawische Zastava CZ-99 besorgen. Mit der Kanone kannst du 'ne Menge Schaden anrichten.«

»Genau das, was ich benötige. Wie lange wird's dauern?«

»Ein, zwei Stunden.«

»Klingt gut.«