Jerry Cotton 3470 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 3470 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Phil und ich reisten nach Mountain View. Der kalifornische Ort nahe San Francisco ist das Epizentrum der Tech-Industrie. Hier sind Google und andere einflussreiche Tech-Giganten angesiedelt. Das Leben ist entsprechend teuer, die Grundstückspreise sind astronomisch. Wir gaben uns als Immobilienmakler aus, da es in den USA üblich ist, dass Hausbesitzer Angebote erhalten, obwohl sie gar nicht verkaufen wollen. So machten wir uns in einer besonders begehrten Straße bekannt, bis wir auf die Adresse von George Bancroft stießen. Er war der Grund für unseren Undercovereinsatz. Denn das FBI verdächtigte ihn der Industriespionage. Und schon bald verwandelte sich die Vorstadtidylle in ein Haifischbecken, in dem sich skrupellose Gangster tummelten ...


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Seitenzahl: 138

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhalt

Cover

Wir jagten einen Spion

Vorschau

Impressum

Wir jagten einen Spion

Ohne menschliches Zutun rollte der Roboter durch die rauchende Trümmerlandschaft. Trotz seiner Panzerung bewegte er sich überraschend agil über Hindernisse. Die Sensoren der selbstständig über ihm kreisenden Drohne meldeten ein Ziel. Die künstliche Intelligenz entschied im Bruchteil einer Sekunde. Das Kriegsgerät entfesselte die Hölle. Lenkwaffen pulverisierten die menschliche Silhouette. Weder Phil noch ich hatten je eine solche Feuerkraft gesehen.

Max Vanderhoorst tätschelte den Raketenturm des Roboters, als handelte es sich um einen Wachhund, den er von der Leine gelassen hatte. »Dieses Baby wird die Rüstungsindustrie revolutionieren.«

»Sieh mal, Jerry, Google.« Mein Partner deutete durch das Fenster des Jaguar, der auf den Amphitheatre Parkway entlangschnurrte.

Tatsächlich, auf Phils Seite der Straße stand der Internetriese, ein Gebäudekomplex unter Glaskuppeln. Der futurisch anmutende Unternehmenssitz von Google sah aus wie ein Spielzeugland für Kinder. Irgendwie war alles in den Erkennungsfarben der Suchmaschine bemalt. Selbst die überall auf dem Gelände nachlässig abgestellten Fahrräder der Angestellten waren blau, rot, gelb und grün.

Schon seltsam, einmal Googleplex zu sehen, das Hauptquartier eines Produkts, das man selbst jeden Tag so selbstverständlich benutzt wie die Luft zum Atmen.

»Wir sollten Mister High vorschlagen, unsere Büros auch so einzurichten.«

Ich wusste, dass Phils Vorschlag nicht ernst gemeint war. FBI Agents, die auf dem Weg zur Arbeit erst die Rutschbahn nehmen, bevor sie sich in einem himmelblauen Konferenzzimmer mit aufgemalten Wolken, auf einem grünen Grasteppich stehend, über den neuesten Mordfall beraten?

Google war nur einer der Tech-Giganten, der sich hier angesiedelt hatte.

Diese kalifornische Stadt im Santa Clara County war nicht bedeutend, weil sie besonders hübsch war, sondern weil sie das Herz von Silicon Valley darstellte. Mountain View war die Heimat von LinkedIn, Mozilla und Ablegern von Nokia und Microsoft.

Nur Minuten später passierten wir das Facebook Building. FBI Agents haben üblicherweise keinen Facebook-Eintrag. Doch selbst das Federal Bureau of Investigation betrieb eine eigene Facebook-Seite. Man musste neidlos anerkennen, die Vernetzungsmaschine bescherte uns neue Rekruten. Und manchmal gingen über den Facebook-Kontakt sogar brauchbare Hinweise ein.

»Schon seltsam, irgendwie«, sagte ich.

»Hm?« Phil war ganz in Gedanken daran versunken.

»Wenn man bedenkt, wie diese Internetfirmen dafür gesorgt haben, dass die Welt zum Dorf wird. Dank ihnen bleibt man über riesige Distanzen miteinander verbunden.«

»Und?«

»Und wie sie dann hier in Mountain View alle nur einen Steinwurf voneinander leben.«

Die Tech-Hauptquartiere waren eine Mischung aus Hippie-Utopie und Managementtheorie. Die Auftraggeber wollten ausdrücken, dass die Arbeit – und die Arbeiterinnen und Arbeiter – immer in Bewegung sind, genauso wie das Internet. Immerhin, alle Gebäude waren nachhaltig gebaut.

Die Navigation im Jaguar lenkte uns zu unserem Bestimmungsort Silicon Valley Heights, einer feinen Wohngegend. Hier wohnten einige der klügsten Köpfe dieser Branche.

Ich parkte an der El Camino Real. Wir gingen direkt zur Arbeit.

Phil strich sich das Sakko glatt, wo es durch die lange Fahrt zerknautscht war, während ich an einem schmucken, ovalen Haus klopfte, das keinerlei Ecken aufwies. Selbst die Tür, die sich öffnete, besaß einen Rundbogen.

»Bitte entschuldigen Sie, wenn wir stören«, sagte ich zuvorkommend.

»Sie stören nicht«, sagte die Frau, die aussah, als hätte sie immer genügend Zeit.

»Wir sind Real Estate Agents«, sagte Phil so glaubhaft, dass sogar ich ihm beinahe selbst glaubte, wir hätten ins Immobilienfach gewechselt.

»Wir haben eben unser Office aufgemacht«, sagte ich im Plauderton, als hätte auch ich den ganzen lieben langen Tag Zeit. Ich deutete die El Camino hinab zu einem gläsernen Büroturm, wo tatsächlich seit heute unser Firmenschild prangte: Decker Real Estate Inc. Mr. High hielt es für eine gute Idee, wenn einer von uns mit seinem echten Namen für die Firmeneröffnung herhielt.

»Sie sind Immobilienmakler?«, fragte die Frau. Sie trug ein himmelblaues Kleid und Designerjeans, die an den Knien kunstvoll zerrissen waren.

Phil nickte pflichteifrig, immerhin war er der Firmeninhaber.

»Wenn es Sie interessiert«, führte ich unser Verkaufsgespräch fort, »dann schätzen wir Ihr Haus. Kostenlos.«

Nun, da die Katze aus dem Sack war, lächelte die Frau wissend, aber weiterhin freundlich. Mountain View war das Becken, in dem sich die Immobilienhaie tummelten. Gebäudepreise schossen hier schnell in die Höhe. Deshalb war es keine Seltenheit, dass Makler wie wir anklopften.

»Wir haben nicht vor zu verkaufen«, meinte die Dame des Hauses, machte jedoch keine Anstalten, die Tür zu schließen.

»Wenn Sie wüssten, wie oft wir das jeden Tag hören«, sagte Phil und vergass dabei völlig, dass wir unsere allererste »Kundin« vor uns hatten. »Sobald die Preise anziehen, kann man schon in Versuchung geraten.«

Die Frau verlor nicht ihre Nonchalance. Das sei völlig zutreffend, sagte sie. »Die Preise explodieren ja förmlich. Die Mieten in Mountain View sind sogar schon höher als in der Bay Area bei San Francisco. Und das will was heißen.«

Schnell wie ein Kartendealer aus Vegas schnippte ich aus einem metallenen Visitenkartenetui unsere Geschäftskarte. »Für den Fall, dass Sie es sich anders überlegen.«

»Oder Ihr Mann.«

»Oh, mein Mann arbeitet bei Apple.«

Mehr brauchte sie nicht zu sagen. Dieses Ehepaar war nicht auf einen kurzfristigen Immobilienverkauf angewiesen, selbst wenn die Preise durch die Decke gingen.

»Kennen Sie zufällig die Bancrofts?« Mit meiner einstudierten Miene des Unschuldslamms nickte ich zum Nachbargrundstück. »Vielleicht haben die ja Interesse.«

»Ich kenne sie leider nicht«, sagte unsere Gesprächspartnerin höflich. »Man sieht sie nur selten.« Sie blickte auf die Vacheron Constantin an ihrem Handgelenk, ohne die Zeit abzulesen. »Nun muss ich langsam.«

»Danke für Ihre Zeit.« Phil ging zwei Schritte rückwärts wie ein Höfling, der einer royalen Persönlichkeit nicht den Rücken zudrehen darf. Nun übertrieb er wirklich.

»Ich wünsche Ihnen gute Geschäfte, Gentlemen.«

Als wir auf den sauberen Gehsteig zurückkehrten, atmete Phil hörbar die kühle kalifornische Luft ein und aus. »Mountain View ist wunderbar. Jeder nimmt sich Zeit, sogar wenn er dringend zum Yoga muss.«

»Dann kauf dir doch selbst gleich ein Haus hier«, schlug ich vor, etwas eingeschnappt, dass mein Partner unserem schönen New York so schnell den Rücken zukehren konnte.

»Dafür dürfte meine Pension leider nicht ausreichen. Eine Zunahme von 24 Prozent der Immobilienpreise, und das allein im letzten Jahr.«

Irgendwie roch alles in Mountain View nach frischer Farbe, als wäre die ganze Stadt erst gestern entstanden.

»Du wirst die hupenden Taxis am Broadway noch vermissen, alter Knabe.«

Als wir das Nachbargrundstück betraten, ließen wir uns nicht anmerken, dass wir nur wegen der Bancrofts hier waren. Falls jemand uns durchs Fenster beobachtet hatte, ahnte er, dass wir lediglich zwei Hausierer waren. Unsere Tarnung war perfekt. Zwei Immobilienmakler aus New York, die den Anwohnern anboten, einen Hausverkauf für sie zu regeln. Für eine fette Provision natürlich. Um den Schein zu wahren, hatte das FBI sogar ein großkotziges Büro unten an der El Camino Real angemietet.

Auch dieses Haus sah aus, als wäre es von jemandem entworfen worden, der sich sein Architekturstudium mit Gitarrespielen und dem Anbau von Marihuana finanziert hatte. Ich hatte keine Ahnung, wie man diesen urbanen Baustil nannte.

Auf dem Türschild standen zwei Namen: Doris und George Bancroft. Seinetwegen waren wir in Silicon Valley. Als ich an die Tür klopfte wie zuvor, hoffte ich inständig, dass man mir die Anspannung nicht durch den Maßanzug hindurch ansehen konnte, den das FBI bezahlt hatte, da sich keiner von uns einen so teuren Anzug leisten würde.

Die Frau war das pure Gegenteil ihrer unbekümmerten Nachbarin. Doris Bancroft öffnete die Tür nur eine Handbreit. Gerade weit genug, um mit einem ihrer dunkelbraunen Augen hindurchblicken zu können. Sie hatte die Türkette vorgelegt. In New York, auf der falschen Seite des East River, hätte mich solcher Argwohn nicht verwundert. Aber im schönen Mountain View?

»Ja?« Eine Wolke von billigem Raumspray drang durch den Spalt, der Geruch von Nadelholz.

Phil begann mit der Entschuldigung, die wir vorhin schon eingeübt hatten, gefolgt von unserer Vorstellung als Abgesandte der Decker Real Estate Inc.

Anders als ihre Nachbarin verstand Doris nicht auf Anhieb, worum sich die Sache drehte.

»Wir wären interessiert, Ihr Haus zu kaufen«, half ich nach.

»Was, jetzt gleich?«

Die gute Doris war nicht die Hellste. Sie war wie das Ebenbild von Doris Day, die die gepflegte Hausfrau spielte.

»Ist Ihr Mann vielleicht zu Hause?«, fragte Phil argloser als ein Pfadfinder, der Kekse für einen guten Zweck verkauft. Dabei war George Bancroft unser Hauptverdächtiger. Ihn würden wir gerne kennenlernen.

»Er ist hier, aber«, druckste sie herum, »er hat keine Zeit. George hat nie Zeit, wenn er arbeitet.«

»Wir wollen nicht stören«, kam ich Phil zuvor. Zu interessiert durften wir nicht wirken. »Wann würde es denn besser passen?«

Eine Männerstimme. Sie schien von weiter unten zu kommen, vielleicht aus dem Keller. »Doris? Doris, wer ist denn da?«

»Da sind zwei Gentlemen, die unser Haus kaufen wollen!«, schrie sie zurück, als befände sich ihr Mann im nächsten Staat.

Er murmelte etwas Unverständliches. Dann waren Schritte auf einer Treppe zu hören.

Wir traten von einem Fuß auf den anderen, freundlich zum Türspalt hin grinsend, darauf wartend, dass sich die Tür zu George Bancroft öffnen würde. Manchmal wird man voreingenommen, wenn sich Indizien gegen jemanden auftürmen. Manchmal fasst man zu früh eine Meinung. Im Fall von George Bancroft lagen uns jede Menge Hinweise vor, dass er in Rüstungsspionage verwickelt war. Der Fall war delikat, weil die Tat noch gar nicht begangen war.

Jemand rüttelte an der Türkette. Geschickte Finger lösten sie aus dem Schloss, während der Mann zu seiner Frau sprach.

»Warum sagst du ihnen denn nicht, Doris, dass das Haus uns gar nicht gehört?«

Bancroft machte auf, während seine Frau noch protestierte, das gehe schließlich niemanden etwas an. Er trug ein blau kariertes Hemd und eine bequeme beigefarbene Hose von Abercrombie & Fitch.

»Also bitte?«

Phil sagte seinen Spruch auf.

Bancroft machte Anstalten, noch während der Ansprache die Tür zu schließen. »Das Haus ist nur gemietet, Sie haben sich leider umsonst bemüht.«

Phil reagierte schnell. »Wenn der Schätzpreis so schnell steigt, wird Ihr Vermieter bald die Miete erhöhen.«

Es war, als hätte mein Partner den Fuß in die Tür gestellt. Sie blieb bei einem unsichtbaren Türstopper stehen.

Doris' Ehemann legte die Stirn in Falten. Er schien zu überlegen, ob seine Firma ihn vor die Tür setzen würde, weil sich damit ein besserer Profit machen ließe. »Wir wohnen mietfrei. Das Haus gehört meinem Arbeitgeber.«

Doris lugte über seine Schulter. Sie war bei genauerer Betrachtung nicht unattraktiv. Blonde Haare, streng in der Mitte zur Seite gekämmt. Sie trug kein Make-up, sie hatte ja auch keinen Besuch erwartet. Sie wirkte etwas blässlich. Gute Figur. Das war sicher auch Phils Kennerblick aufgefallen. Laut unseren Akten war Doris gerade vierunddreißig geworden, für eine Frau ohne Kinder ein problematisches Alter.

»Defense Industries, nicht wahr?« Ich stellte ihn auf die Probe.

George Bancrofts Augen lagen hinter randlosen Brillengläsern, die Art, wie Steve Jobs sie getragen hatte. Lunor Classics. Er verengte die Augen zu Schlitzen, als müsste er sie scharf stellen, obwohl ich direkt vor ihm stand. »Woher wissen Sie das?«

»Mister Bancroft, bitte, wir sind Immobilienhändler. Natürlich haben wir den Grundstückseintrag von jedem Haus an dieser Straße, das wir aufkaufen möchten, vorher geprüft. Als Besitzer ist Defense Industries eingetragen, eine Rüstungsfirma in der Bay Area, ist das nicht richtig?«

Er machte auf mich den Eindruck eines ertappten Jungen. Schämte er sich dafür, in der Rüstung zu arbeiten?

»Würde es Ihnen sehr viel ausmachen«, begann Phil, und damit richtete er sich an Doris, als hätte sie allein zu entscheiden, »wenn wir schon einmal einen Blick ins Haus werfen dürften? Sie würden uns damit einen Weg ersparen, denn bestimmt hätte Ihr Boss nichts dagegen, wenn er von unserem Angebot erfährt. Nur auf einen Sprung, Mrs. Bancroft?«

Für Doris klang das mit Sicherheit, als wäre eine fremder Ritter vor der Burg angetrabt, um für sie im Turnier anzutreten. Sie zog die Burgbrücke für Phil hoch. »Aber natürlich, das ist kein Problem.«

»Stören wir auch wirklich nicht?«, sagte Phil noch, als er schon eintrat.

»Wenn Ihnen die Unordnung nichts ausmacht? Das Mädchen kommt erst Mittwoch.« Die Hausfrau hatte also eine Putzhilfe, obwohl Doris nirgends beschäftigt war. Vielleicht war Hausarbeit einfach nicht ihr Ding. Vielleicht half sie lieber in einer Suppenküche aus, auch wenn mir Mountain View nicht danach aussah, als müsste man hier Obdachlose verköstigen.

»Nur das Erdgeschoss«, schränkte Bancroft ein, »ich arbeite unten im Keller.« Damit kehrte er uns beschäftigt den Rücken zu.

Unter der Wendeltreppe, die zu einem offenen Studio führte, gab es eine einfache Falltür mit Holztreppe. George Bancroft stieg die Stufen hinunter und verschwand in seinem geheimen Reich.

»Den Keller brauchen Sie ja nicht zu sehen, nicht wahr, Gentlemen?«, flötete Doris.

»Natürlich nicht.« Phil flirtete zurück, der alte Süßholzraspler. Dabei war das Untergeschoss für uns am interessantesten.

»Schön geräumig. Nur für Sie zwei?«

»Ja, George und ich haben leider keine Kinder.«

Das wussten wir bereits, nur nicht, dass das keine Absicht war.

Ich konnte Phil ansehen, dass ihm der Satz »Sie sind ja noch jung« auf der Zunge lag. Glücklicherweise schluckte er ihn herunter. Sich anzubiedern, dass sie noch mindestens zwei, drei Kinder gebären könnte, bevor die biologische Uhr ausgetickt hatte, wäre dann doch zu dick aufgetragen.

Ich hatte die Hände hinter dem Rücken verschränkt, wie ein Museumsbesucher, der nicht in Versuchung geraten will, einen wertvollen Kunstgegenstand anzufassen und allenfalls kaputtzumachen. Allerdings gab es im Haushalt der Bancrofts nichts Wertvolles kaputtzumachen. Die Wände waren schmucklos, und die Möbel wirkten auf mich auch nicht gerade antik. Es handelte sich um Möbelstücke, die man in jedem Baumarkt bekommen konnte, wenn man mit einem Inbusschlüssel umzugehen verstand und die Arbeit nicht scheute, die Dinger selbst zusammenzubauen. Anders als ihre schmucke Nachbarin trug Doris auch keine Luxusuhr oder Designerklamotten.

Die Küche sah aus wie aus dem Katalog – unbenutzt. Vielleicht schwang Doris nicht gern den Kochlöffel.

Ihre Haushaltshilfe hatte außer Staub zu wischen nicht viel zu tun.

»Ihr Mann arbeitet wohl sehr viel?«, fragte ich im zwanglosen Plauderton, während ich den Anschein machte, als mäße ich die Küche mit meiner Schrittlänge aus.

Doris verdrehte die Augen zur weißen Decke hin. »Och. Ununterbrochen. Wenn der Tag fünfundzwanzig Stunden hätte, würde George trotzdem keine Stunde Pause einlegen.«

»Dann ist das, woran er arbeitet, wohl sehr wichtig.«

Doris zog das Näschen kraus. Ich hatte eine Grenze überschritten. Sie wandte sich lieber wieder ihrem strahlenden Ritter zu, der sie der Langeweile eines normalen Wochentags entrissen hatte: Phil Decker, Chef der Immobilienfirma Decker Real Estate Inc. Ja, mein Partner war ein guter Fang. Und er war ledig. Das hätte die gute Doris sogar rausgekriegt, wenn sie den absolut legalen Firmeneintrag seines Immobilienunternehmens überprüft hätte. Phil Decker war der einzige Eigentümer. Ich war lediglich Angestellter.

»Dann würden Sie das Haus wirklich kaufen, Mister ...?«

»Decker.« Er lächelte gewinnend. »Bitte nennen Sie mich Phil.«

»Nur wenn Sie mich Doris nennen.«

»Gern.«

Das Küchenfenster war leider zu klein für mich, um hindurchzuspringen. Dabei hätte mir die Glasscheibe nicht einmal viel ausgemacht.

»Wann seid ihr denn nach Mountain View gezogen?«

Wieder die verdrehten Schulmädchenaugen. »Och, erst vor einem halben Jahr. Aber ich hab jetzt schon die Nase voll!«

Sie war offenbar auf der Suche nach jemandem, dem sie ihr Herz ausschütten konnte. Phil stand dafür gern zur Verfügung. »Ist doch sehr hübsch hier. Alles so sauber und ordentlich.«

Wieder der Teenagerjammerton. »Och, wie in einem Disneyfilm! Alles so adrett, als ob die Stadt von einem Algorithmus geschaffen worden wäre. Zu Tode kann man sich hier langweilen!«

»Klingt gefährlich. Wie sind ja gerade erst angekommen.«

»Oben ist noch ein Studio?«, fragte ich nach. Ich wollte immerhin den Anschein wahren, dass wir tatsächlich am Haus interessiert waren, nicht nur an der Hausfrau.

»Ja, nur das benutzen wir gar nicht. Da oben ist nur ein Bistrotisch und mein Laptop, wenn ich selbst mal etwas schreiben will.«

»Wir haben Sie lange genug aufgehalten, Mrs. Bancroft«, stellte ich geschäftlich fest.

Phil bedankte sich überschwänglich für die Zeit, die sie uns für die Hausbesichtigung gewidmet hatte.

Ich konnte es gar nicht erwarten, mit meinem Partner in unser neues Immobilienmaklerbüro zurückzukehren, um ihn persönlich zu fragen, ob er unserem Hauptverdächtigen die Ehefrau abspenstig machen wolle.

»Natürlich nicht«, empörte sich mein Partner. »Das dient alles unserer Tarnung!«

Unser Office bestand aus zwei Schreibtischen, die möglicherweise im selben Baumarkt erworben worden waren, wo George Bancroft seine Möbel kaufte. Einfach und zweckmäßig und nicht auf einen längeren Aufenthalt ausgerichtet. Das FBI hatte eine Einrichtungsfirma damit beauftragt, das Büro einzurichten. Die Schreibtischschubladen waren leer, bis auf die Glocks, die wir sicher eingeschlossen hatten.

Auf Facebook würden Interessierte eine Seite finden, die zu unserer Geschäftstätigkeit Auskunft gab. Wir hatten sogar Follower und Likes. Alles fingiert, selbst die Testimonials von fingierten Kunden, die mit unserem Service zufrieden waren. Ein zufriedener Kunde sagte über Phil, meinen Chef, es sei die reinste Freude, mit ihm Geschäfte zu machen. Phils Foto war mit Photoshop bearbeitet. Unsere Künstler hatten sogar seine Zähne gebleacht, wirklich der Traum jeder Vorstadthausfrau.