Jerry Cotton 3479 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 3479 E-Book

Jerry Cotton

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Mr. High erhielt mitten in der Nacht den Anruf des russischen Botschafters in Washington. Er berichtete, dass Jekaterina Sarubin, die Tochter eines russischen Oligarchen, in New York ermordet worden war. Er verlangte, dass das FBI ermitteln sollte. Besonders brisant daran war, dass der Vater der Ermordeten ein Freund des amtierenden russischen Präsidenten war. Der Botschafter eröffnete außerdem, dass Nikolai Sarubin bereits einen Verdächtigen in Gewahrsam hatte. Es handelte sich dabei um Mike Richert, den Lebensgefährten der Toten. Mr. High übertrug den Fall an seine besten Agents - an Phil und mich.


Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 139

Veröffentlichungsjahr: 2024

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Die Tochter des Oligarchen

Vorschau

Impressum

Die Tochter des Oligarchen

John D. High richtete sich kerzengerade auf, als sein Telefon klingelte, das auf dem Nachttisch lag. Er warf einen Blick auf die Leuchtanzeige seiner Uhr, bevor er den Anruf entgegennahm.

3:24 Uhr. Es kam ab und zu vor, dass er nachts angerufen und aus dem Schlaf gerissen wurde. Dabei handelte es sich meist um Angelegenheiten von höchster Dringlichkeit. In seinem Magen breitete sich deshalb ein unangenehmes Gefühl aus, zumal ihm die Telefonnummer unbekannt war.

Er nahm das Gespräch entgegen. »Assistant Director High.«

Er hatte versucht, seiner Stimme einen wachen Klang zu verleihen, und ärgerte sich darüber, dass sie sich in seinen Ohren kratzig anhörte. Als er die Antwort des Anrufers vernahm, war seine Müdigkeit wie abgeschüttelt.

»Hier spricht Anatoli Fedorov. Sie wissen, wer ich bin?«, fragte ihn ein Mann mit russischem Akzent.

»Selbstverständlich kenne ich Ihren Namen«, antwortete er. Das unangenehme Gefühl in seinem Magen verstärkte sich. Was veranlasste den russischen Botschafter in Washington dazu, ihn um diese Zeit anzurufen? Dabei konnte es sich nur ...

»Mister High«, unterbrach der Botschafter seine Gedanken, »es handelt sich um eine Angelegenheit von höchster Dringlichkeit.«

»Ist Ihnen auch der Name Nikolai Iwanowitsch Sarubin bekannt?«, fuhr der Russe fort.

John D. High dachte nach. Er hatte ein ausgezeichnetes Namensgedächtnis, diesen Namen hörte er zum ersten Mal.

»Nein«, antwortete er.

»Dass Sarubin dem FBI nicht bekannt ist, ist ein gutes Zeichen.« Die Stimme des Russen klang humorlos, dennoch war sich John D. High nicht sicher, ob der Mann am Telefon einen Scherz machen wollte. Wenn dem so war, dann war der Humor dieses Russen trockener als die Mojave-Wüste.

Er befürchtete, dass es sich bei besagtem Sarubin um einen russischen Spion auf amerikanischem Boden handeln könnte, der bisher durch das Netz der hiesigen Geheimdienste und Polizeibehörden gerutscht war. Er nahm sich vor, gleich nach dem Gespräch seine Schnittstellen beim CIA zu kontaktieren.

»Keine Sorge«, beschwichtigte Fedorov. »Sarubin ist kein russischer Spion.«

Konnte der Mann Gedanken lesen? Vielleicht sollte man ihn als Vernehmungsspezialisten beim FBI anheuern.

»Sarubin ist ein einfacher, unbescholtener russischer Bürger, der seit zwei Jahren in New York lebt«, redete Fedorov weiter.

»Wenn er so ein einfacher Bürger ist, warum bemüht sich dann der russische Botschafter höchstpersönlich um ihn?«, fragte John D. High und versuchte gelassen. In Wahrheit waren seine Nerven zum Zerreißen gespannt.

»Sarubin hat sehr gute Beziehungen zum Kreml«, antwortete Fedorov. »Seine Tochter Jekaterina war das Patenkind des amtierenden russischen Präsidenten.«

»War?«, fragte er besorgt.

»Ja, war. Denn sie wurde diese Nacht ermordet, Mister High. In Ihrer Stadt.«

Unwillkürlich atmete er tief ein.

Fedorov schien das zu bemerken. »Ja, Assistant Director. So erging es mir vorhin auch.«

»Wurde das NYPD bereits verständigt?«, fragte er.

»Nein. Wir möchten, dass das FBI den Fall übernimmt«, sagte der Botschafter. Sein Tonfall duldete keine Widerrede.

»Das FBI ist für normale Mordfälle nicht zuständig, wir ...«

Fedorov unterbrach ihn brüsk. »Wollen Sie mir tatsächlich eine Absage erteilen? Mir? Dem russischen Botschafter? Dem Vertreter des russischen Präsidenten?«

»Botschafter, bei allem nötigen Respekt, aber wollen Sie mir drohen? Es gibt gewisse Zuständigkeiten innerhalb der amerikanischen Behörden. Ich kann nicht ...«

»Ich erkläre persönlich diesen gewöhnlichen Mordfall zu Ihrer Sache, verstehen Sie? Nikolai Sarubin wird es nicht dulden, dass ein unterbezahlter und unmotivierter Detective von der Mordkommission den Fall übernimmt. Und sowohl ich als auch der russische Präsident ebenso wenig. Wir wollen das FBI, ist das klar? Und wir wollen, dass Sie Ihre besten Männer darauf ansetzen.« Der Botschafter machte eine kurze Pause. Da John D. High nichts erwiderte, versetzte er: »Zumal wir den schwierigeren Teil der Ermittlungen ohnehin schon für Sie erledigt haben.«

»Den schwierigeren Teil?«, hakte High nach. »Was meinen Sie damit?«

»Den Mörder«, erwiderte Fedorov. »Wir haben ihn. Sie brauchen ihn nur noch vom russischen Konsulat in New York abzuholen.«

Die Nacht war kurz für meinen Partner Phil Decker und mich. Viel zu kurz.

Wir hatten den Sonntagabend nach unserem freien Wochenende zusammen im Madison Square Garden verbracht, um ein Eishockeymatch der New York Rangers gegen die Pittsburgh Penguins zu besuchen.

Zum Spielende gab es einen Gleichstand von 3:3, und da die Rangers erst in der dritten Overtime den entscheidenden Punkt holten, dauerte nicht nur das Spiel ungewöhnlich lange. Wir setzten uns anschließend noch in eine Bar in der Nähe der Sportarena. Normalerweise mache ich mir nicht viel aus Eishockey, doch der spannende Spielverlauf und der Jubel danach rissen Phil und mich mit. Hätten wir gewusst, wie früh uns der Chef aus den Federn holen würde, hätten wir die Bar wohl ausgelassen. Aber bei uns hatten sich noch andere G-men befunden, und es hatte sich fast wie ein Betriebsausflug für uns angefühlt.

Was sich weniger gut anfühlte, war mein Kopf, als Mr. High mich aus dem Schlaf klingelte. Ich unterdrückte einen Fluch, hörte mir an, was der Chef zu sagen hatte, und war sofort hellwach. Nach dem Gespräch überbrachte ich Phil telefonisch die schlechte Nachricht.

Keine halbe Stunde später holte ich ihn an unserer üblichen Ecke ab, und wir fuhren zum Field Office. Wir hatten es eilig, ins Büro zu kommen, dennoch verzichtete ich um diese Uhrzeit auf Warnlicht und Sirene.

Obwohl New York die Stadt ist, die angeblich niemals schläft, rollten wir durch fast leere Straßen und erreichten in Rekordzeit die Federal Plaza.

Es war knapp vor fünf Uhr morgens. Als wir den Lift im dreiundzwanzigsten Stock verließen, waren wir einigermaßen erstaunt, dass uns um diese Zeit bereits Kaffeeduft entgegenwehte.

»Guten Morgen, Helen«, begrüßten wir Mr. Highs Sekretärin, die ebenfalls unausgeschlafen aussah.

»Guten Morgen, Jerry, Phil«, erwiderte sie kurz angebunden.

»Schönes Wochenende gehabt?«, scherzte Phil und erntete einen vernichtenden Blick. Helen war heute ungewöhnlich schlecht gelaunt. Wer konnte es ihr verdenken?

»Etwas zu kurz. Am besten, wir halten uns gar nicht lange auf. Nehmt euch eine Tasse Kaffee, und dann rein mit euch.«

Wir befolgten ihren Rat, und ich klopfte mit der freien Hand an die Bürotür unseres Chefs.

Mr. High machte im Gegensatz zu uns einen ausgeschlafenen Eindruck.

»Setzen Sie sich, Gentlemen.« Er sah Phil an. »Hat Jerry Sie in Kenntnis gesetzt, worum es geht?«

Mein Partner nickte. »Offenbar hat ein russischer Oligarch Selbstjustiz verübt und den vermeintlichen Mörder seiner Tochter entführt.«

»So ist es«, bestätigte Mr. High. »Ich habe inzwischen einige zusätzliche Informationen erhalten, die mir teilweise von Detective Lieutenant Vatrano von der Crime Scene Unit bestätigt wurden.«

»Vatrano?«, fragte ich. »Der Name ist mir unbekannt, Sir.«

Mr. High hob die Schultern. »Anscheinend ein neuer Kollege, wurde erst vor zwei Wochen von Long Island nach Manhattan versetzt.«

Ich nickte.

»Ein gewisser Mike Richert, fand seine Lebensgefährtin heute Nacht gegen zehn Uhr tot in ihrer Wohnung auf«, berichtete der Chef. »Bei der Toten handelt es sich um eine Russin, dreiundzwanzig Jahre alt. Sie studierte seit zwei Jahren Wirtschaftswissenschaften in New York. Ihr Name lautet Jekaterina Nikolajewna Sarubin. Todesursache eindeutig Fremdeinwirkung. Als ihr Lebensgefährte die Leiche fand, beging er einen großen Fehler. Er wandte sich nämlich nicht sofort an die Polizei, sondern verständigte zuerst ihren Vater. Dabei handelt es sich um Nikolai Iwanowitsch Sarubin. Sagt Ihnen der Name etwas?«

Ich schüttelte den Kopf.

»Sarubin?«, fragte Phil. »Ja, den Namen kenne ich.«

»Woher kennen Sie ihn? Ich dachte eigentlich, der Mann hätte sich in den USA bisher nichts zuschulden kommen lassen«, sagte Mr. High.

»Hat er vermutlich auch nicht«, erwiderte Phil. »Aber ich habe seinen Namen vor Kurzem in einem Sportmagazin im Fernsehen gehört, Sir. Er versucht gerade, sich in die NHL einzukaufen und ...«

»NHL? Eishockey?«, fragte Mr. High.

»Ja, Sir«, antwortete mein Partner.

»Gut. Ich weiß nicht, ob Eishockey irgendetwas mit diesem Fall zu tun hat, aber behalten Sie diese Möglichkeit im Auge, Phil.« Unser Chef nahm einen Schluck Wasser aus dem Glas vor ihm und sprach weiter. »Sie haben jedenfalls recht. Sarubin hat viel Geld. Sehr viel Geld. Und sehr viel Einfluss. Und jetzt kommt's: Die Tote war ein Patenkind des russischen Präsidenten.«

»Welcher russische Präsident?«, entfuhr es mir.

»Des amtierenden, Jerry.«

Ich nickte und nippte an meinem Kaffee.

»Zurück zu Mike Richert. Er fand die Tote und verständigte ihren Vater. Er verdächtigte sofort seinen Schwiegersohn in spe.«

»Die Mordkommission hätte ihn wohl auch als ersten Verdächtigen in Gewahrsam genommen und vernommen«, sagte Phil.

»Stimmt. Normale Vorgangsweise. Nur mit dem Unterschied, dass die Mordkommission das darf. Sarubin nicht. Dennoch hat er den Mann offenbar in einem Akt der Verzweiflung entführt. Und dabei dürfte einiges schiefgelaufen sein.«

»Inwiefern?«, fragte ich.

»Nun, der russische Botschafter hat mich darüber in Kenntnis gesetzt, dass Sarubin den Verdächtigen gefoltert hat. Oder foltern hat lassen. Plötzlich soll er Gewissensbisse bekommen haben und hat Zuflucht im russischen Konsulat gesucht. Von dort nahm er Kontakt mit dem Botschafter in Washington auf. Und der wiederum mit mir. Ich selbst habe das NYPD verständigt und die Crime Scene Unit angefordert. Detective Lieutenant Vatrano hat mir kurz vor Ihrem Eintreffen bestätigt, dass er Spuren eines Kampfes und eine Menge Blut in der Wohnung des Opfers gefunden hat.«

»Keine Leiche?«, fragte ich.

»Nein. Die Leiche hat Sarubin mitgenommen. Und den Lebensgefährten.«

»Wo hält sich der Mann gerade auf?« Ich war inzwischen richtig wach. Ob es an Helens Kaffee lag oder am Ernst der Lage, konnte ich nicht beurteilen.

»Vermutlich ebenfalls im russischen Konsulat. Obwohl Sarubin behauptet, dass ihn Gewissensbisse quälen, würde ich nicht so weit gehen zu sagen, dass deshalb besser mit ihm Kirschen zu essen wäre. Er verlangt, dass der Mord an seiner Tochter sofort aufgeklärt und der Mörder hart bestraft wird. Alternativ, dass er an Russland ausgeliefert wird. Ansonsten würde er mit dem Kreml in Kontakt treten und daraus eine Politaffäre machen. Es ist nämlich nicht auszuschließen, dass der Mord an seiner Tochter politisch motiviert sein könnte, aufgrund seiner guten Kontakte zum Präsidenten.«

»Politisch motiviert?«, fragte ich nach. »Wenn sich Sarubin so sicher ist, dass der Schwiegersohn seine Tochter getötet hat, warum sollte das politische Ursachen haben? Wahrscheinlich sind viel profanere Motive, wie zum Beispiel Eifersucht, im Spiel.«

»Sarubin ist sich eben nicht mehr sicher, ob er den Richtigen erwischt hat oder ob Richert nicht sogar gekauft wurde. Der Botschafter konnte mir nicht sagen, was genau der Russe mit seinem Schwiegersohn angestellt hat, aber ...« Mr. High hielt kurz inne. »Sarubin ist der Meinung, dass Mike Richert ein Weichling ist. Der Typ, der eher einen Mord gestehen würde, den er gar nicht begangen hat, als sich weiter foltern zu lassen. Richert streitet alles ab. Und das hat Sarubin nachdenklich gemacht. Daher wahrscheinlich auch sein schlechtes Gewissen. Der Russe ist unsicher geworden und will, dass wir den Fall für ihn lösen.«

»Wir machen uns sofort auf den Weg, Sir«, sagte Phil.

»Sie fahren am besten direkt ins Konsulat«, gab der Chef zurück. »Sarubin ist trotz seiner bisher weißen Weste ein harter Brocken, fürchte ich. Sie beide sehen zu, dass Sie Sarubin aus dem Konsulat und Mike Richert zu uns in ein Vernehmungszimmer bringen. Ich werde Steve und Zeerookah bitten, ebenfalls den Tatort zu besichtigen und mit Detective Lieutenant Vatrano Kontakt aufzunehmen.«

Der morgendliche Verkehr hatte zugenommen, als wir das Field Office verließen und auf dem Broadway Richtung Norden fuhren. Mein Jaguar schaffte die Strecke trotzdem innerhalb von zwanzig Minuten. Ich parkte vor dem Haupteingang des Konsulats, wo normalerweise nur das Abstellen von Fahrzeugen mit Diplomatenkennzeichen erlaubt war.

Sofort trat ein Wachmann auf uns zu, dem Phil seinen FBI-Ausweis vor die Nase hielt.

»Agent Cotton und Agent Decker, FBI. Wir werden erwartet.«

Der Sicherheitsbeamte sah sich Phils ID Card genau an und wollte auch meinen sehen. Erst dann nickte er, sperrte die Tür des Haupteingangs auf und ließ uns ein. Da das Konsulat um diese Uhrzeit für den normalen Parteienverkehr noch geschlossen war, standen wir mit dem Wachmann allein im Foyer.

Er sprach auf Russisch in sein Funkgerät, da öffnete sich schon eine Tür. Ein glatzköpfiger kleiner Mann im Anzug kam uns mit ausgestrecktem Arm entgegen und reichte uns die Hand. Er lächelte, und ich muss zugeben, dass das das erste freundliche Gesicht war, das wir an jenem Morgen sahen.

»Witaly Iwanowitsch Voronin«, stellte er sich vor. »Ich wurde von Botschafter Anatoli Fyodory Fedorov beauftragt, mich um die Angelegenheiten von Nikolai Iwanowitsch Sarubin zu kümmern.«

»Das sind eine Menge Namen.« Phil stöhnte.

»Ich bitte Sie, Sie müssen sich nicht alle merken«, gab der freundlich lächelnde Russe zurück. »Nennen Sie mich einfach Witaly.«

»Vielen Dank, Witaly. Ich bin Agent Cotton, das ist Agent Decker. Wir würden gerne mit Mister Sarubin sprechen. Befindet er sich in diesem Gebäude?«

»Selbstverständlich. Ich führe Sie zu ihm. Folgen Sie mir.«

Das Lächeln verschwand plötzlich aus seinem Gesicht. Er drehte sich um, und er führte uns in einen Nebenraum. Dort öffnete er eine Tapetentür und deutete auf die Treppen, die dahinter nach unten führten.

»Nach Ihnen, Witaly«, forderte ich ihn zum Weitergehen auf.

Wir stiegen die Stufen in einen Kellerraum hinunter, der sehr luxuriös und komfortabel eingerichtet war. Holzgetäfelte Wände, Ledersofas und Fauteuils. Auf einem saß Nikolai Iwanowitsch Sarubin. Ich erkannte ihn wieder, weil Phil während der Fahrt hierher ein Bild von ihm auf dem Tablet aufgerufen hatte. Das Gesicht auf dem Foto erinnerte mich an den Schauspieler Mikael Nyqvist. In natura verstärkte sich die Ähnlichkeit sogar.

Er hielt ein Whiskyglas in der Hand. An den Knöcheln gab es Abschürfungen und offene Stellen, als hätte er mit bloßer Faust auf etwas oder jemanden eingeschlagen. Seine Augen waren rot geädert, und ich vermutete, dass daran nicht der Alkohol in seinem Glas schuld war. Sarubin sah aus, als hätte er die ganze Nacht geweint.

»Die Gentlemen vom FBI«, stellte Witaly uns vor, und wir nannten unsere Namen.

Sarubin machte keine Anstalten aufzustehen, um uns zu begrüßen.

»Setzen Sie sich«, sagte er stattdessen. Er hatte einen ausgeprägten russischen Akzent. »Bitte«, fügte er hinzu, nachdem wir uns einige Sekunden lang nicht gerührt hatten.

Wir nahmen gegenüber von Sarubin Platz.

»Wollen Sie auch einen Drink?«, fragte er.

»Dafür ist es noch ein bisschen zu früh«, sagte ich. »Zuerst möchte ich Ihnen unser herzlichstes Beileid aussprechen, Mister Sarubin. Aber wir haben auch ein paar Fragen an Sie.«

Er nahm einen Schluck.

»Das ist selbstverständlich«, murmelte er und stellte das Whiskeyglas vor sich auf den Glastisch. »Schießen Sie los.«

»Wo befindet sich Mike Richert?«, begann Phil.

Sarubin sagte nichts. Stattdessen nickte er Witaly zu. Der verließ den Bereich hinter unseren Rücken und ging an Sarubin vorbei. Er klopfte an eine der Holzwände. Eine weitere darin verborgene Tür öffnete sich, und aus dem Raum dahinter traten zwei breitschultrige Männer in schwarzen Lederjacken. Zwischen ihnen hing ein Mann, dessen Gesicht so von Blut verschmiert war, dass man seine Züge kaum erkennen konnte.

Die beiden, wahrscheinlich Sarubins Leibwächter, zogen den Mann in den Raum und ließen ihn vor unseren Füßen auf den schweren Teppichboden fallen. Der Verletzte gab dabei keinen Ton von sich.

»Da ist Mike Richert«, sagte Sarubin trocken.

»Ich hoffe für Sie, Mister Sarubin, dass der Mann noch am Leben ist«, stellte ich mit einem leichten Zittern in der Stimme fest.

»Sollte am Leben sein. Noch«, entgegnete er eisig.

»Er braucht einen Arzt.«

»Dann rufen Sie ihm einen, Agent Cotton.«

Phil zog sein Handy hervor und wählte den Notruf.

»Haben Sie noch eine Frage? Wenn nein, hätte ich nämlich welche«, sprach Sarubin weiter.

»Die Fragen stellen wir, Mister Sarubin«, sagte ich. Offenbar war es der Russe gewohnt, dass jeder nach seiner Pfeife tanzte. Das mussten wir ihm rasch abgewöhnen. »Wir sind nämlich nicht nur dazu da, den Mord an Ihrer Tochter aufzuklären, sondern möchten Sie darauf hinweisen, dass auch Sie mehrere Straftaten begangen haben. Deshalb fordern wir Sie nicht nur auf, uns Mike Richert auszuhändigen, sondern auch, uns zu begleiten.«

»Richert können Sie haben«, knurrte der Russe. »Ich bleibe hier.«

»Das werden Sie nicht, Mister Sarubin. Sie kommen entweder mit uns mit, oder ...«

»Oder was!«, schrie Sarubin unerwartet, dass sogar seine Leibwächter zusammenzuckten. »Ich befinde mich hier im russischen Konsulat, auf russischem Boden. Ist das nicht so, Witaly?«

»Es ist so, Nikolai«, antwortete der Vertreter des Botschafters pflichtbewusst.

»Der Notarzt wird gleich da sein«, unterbrach Phil den Streit, der noch gar nicht richtig begonnen hatte. Er steckte das Handy zurück. »Besser, Sie sagen Ihrem Wachhund da oben Bescheid, Witaly«, sagte er und lächelte den kleinen Mann mit der Glatze an.

»Was haben Sie mit Mike Richert gemacht?«, fragte ich und unterdrückte meinen Zorn.

»Das, was nötig ist«, antwortete Sarubin.

»Und was hat das gebracht?«

»Nichts. Darum habe ich Sie ja auch rufen lassen.«

»Was verlangen Sie von uns? Dass wir ihn verhaften? Hat er die Tat gestanden?«