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Ein heißer Sommer in New York. In der Hitze der Nacht feierten Tausende in den Klubs, es wurde getanzt und geflirtet. Mitten in diesem Hexenkessel suchten wir nach Leonard Cummings, einem Drogenhändler, der seine Ware raffiniert in Kunstwerken versteckt schmuggelte. Wir fanden ihn, aber leider nur als Leiche. Schnell stellte sich heraus, dass er Opfer einer sogenannten Venusfalle geworden war, bei der junge Frauen Männer mit gewissen Versprechen lockten. Doch wer hatte Cummings in die Falle gelockt? War es ein Feind? Ein Konkurrent? Bald spürten wir eine ganze Gang auf, die Mädchengang von Murray Hill. Und die hatte noch mehr Opfer im Visier!
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Seitenzahl: 143
Veröffentlichungsjahr: 2024
Cover
Die Mädchengang von Murray Hill
Vorschau
Impressum
Die Mädchengangvon Murray Hill
Charlene Rosenfeld betrachtete sich im Flurspiegel. Sie war zufrieden. Eine Netzstrumpfhose betonte ihre langen Beine. Der neongrüne Rock war kaum mehr als ein breiter Gürtel. Das pinkfarbene Top setzte einen schrillen Kontrast. Um die viele Haut, die von Charlenes Oberkörper noch zu sehen war, wenigstens etwas abzudecken, hatte sie eine kurze Jeansjacke angezogen. Im Badezimmer waren ihre Freundinnen Susan und Destiny dabei, sich für den Abend aufzubrezeln.
»Kommt ihr, Mädels?«, rief sie.
Die beiden anderen jungen Frauen kamen heraus. Charlene lächelte zufrieden.
»Los geht's«, sagte sie. »Suchen wir uns einen aus.«
Auch Susan und Destiny hatten einiges aufgeboten, um die Blicke der Männerwelt auf sich zu ziehen. Susan trug ein kurzes grünes Kleidchen, das perfekt zu ihrem karottenroten Haarschopf passte. Destiny, die eher der Latinatyp war, hatte als Grundfarbe Schwarz gewählt. Ihre atemberaubenden Beine und ihre wohlgeformten Hüften umschloss eine enge schwarze Hose, dazu trug sie ein Shirt mit einer kurzen Lederjacke darüber. Ihre Füße steckten in Plateaupumps.
»Wahnsinn, dass du an diese Wohnung gekommen bist«, sagte Susan. »Ich frage mich immer noch, wie du das gemacht hast. Steckt vielleicht ein reicher Sugar Daddy dahinter?«
Sie und Destiny kicherten wie zwei kleine Schulmädchen. Im Grunde waren sie das ja auch. Susan war gerade sechzehn geworden, Destiny war ein Jahr älter.
In Charlene verhärtete sich etwas, als sie Susan so reden hörte.
»Dazu sage ich nichts, das wisst ihr doch«, sagte Charlene und bemühte sich um ein vielsagendes Grinsen.
»Hauptsache, wir haben unseren Spaß«, meinte Destiny und fuhr sich vor dem Spiegel noch einmal durchs Haar. »Findest du dein Outfit nicht ein bisschen schrill? Und zu sehr, na ja, vintage?«
»Gehört zum Plan«, sagte Charlene. Sie war mit ihren achtzehn Jahren die Älteste der drei. Und sie war die Anführerin ihrer Gang. Sie strahlte Erfahrung aus. Und sie wusste, wie man dort, wo sie hinwollten, auch hinkam, obwohl der Zutritt erst ab einundzwanzig Jahren erlaubt war. Sie hatte den beiden beigebracht, sich so zu schminken, dass sie deutlich älter aussahen, aber nicht so alt, dass die Männer das Interesse an ihnen verloren.
»Heute ist das Retro Paradise dran«, sagte sie, während sie im Aufzug nach unten fuhren. Die Wohnung, die ihnen als Basis für ihre Ausflüge durch das New Yorker Nachtleben diente, befand sich im sogenannten Corinthian, einem Hochhauskomplex von Murray Hill. Der Stadtteil gehörte zu Manhattan und grenzte an den East River, über den hinweg man aus dem Apartment einen atemberaubenden Blick hatte, zumindest tagsüber. Jetzt war längst der Abend hereingebrochen.
Der Aufzug hielt. Sie stöckelten über die Fliesen der Lobby und traten durch die Glastür auf die Straße. Der warme Hauch der Sommernacht umfing sie. Seit über einer Woche hatte sich in New York die heiße Jahreszeit durchgesetzt. Und auch wenn man die Wärme in der Metropole nur zusammen mit Abgasen und anderen Ausdünstungen der Großstadt genießen konnte, passte das in ihre Pläne. Wenn die Temperaturen stiegen, kreisten auch die Hormone schneller in den Blutbahnen der Männer, vor allem der Männer im besten Alter.
Als sich das erste Taxi näherte, trat Charlene einen Schritt auf die Straße und gab ein Zeichen. Manchmal konnte es sehr schwierig sein, eines der berühmten Yellow Cabs zu erwischen. Doch bei einem optisch so beeindruckenden Mädchentrio ließ sich kaum ein Taxifahrer lange bitten.
Charlene konnte Susan gerade noch einen Stoß in die Seite verpassen, als ihre Freundin das Retro Paradise als Ziel nennen wollte. Keine klaren Ziele nennen, das war das Gebot. Je nachdem wie die Sache lief, konnte es passieren, dass hinterher Taxifahrer als Zeugen vernommen wurden.
Charlene nannte eine Adresse, die einen Block entfernt lag. Von hier waren es etwa hundertfünfzig Yards zu Fuß zu gehen. Es war wichtig, dass sie den Klub nicht gemeinsam betraten. Jede von ihnen hatte einen gefälschten Ausweis, der jeden Türsteher davon überzeugte, dass sie zweiundzwanzig Jahre alt waren.
Als Erste ging Susan. Nach zehn Minuten schickte sie eine Nachricht auf Charlenes Handy, dass sie im Retro Paradise war. Dann kam Destiny an die Reihe. Auch bei ihr ging alles glatt. Schließlich machte sich Charlene auf den Weg.
Im Inneren des Klubs herrschte eine lockere, ganz dem Konzept des Etablissements gemäße altmodische Atmosphäre. Hier gab es nicht diese modernen Lichteffekte mit Lasern und Videowänden. Und dementsprechend war nicht nur die Musik, sondern auch das Publikum.
Charlene erfasste, dass das Durchschnittsalter etwa bei vierzig lag. Einige Frauen, die in den jungen Besucherinnen sofort Konkurrenz witterten, blickten ihr misstrauisch entgegen. Susan war schon auf der Tanzfläche, wo sie ein bisschen verloren wirkte. Wahrscheinlich würde sich bald einer der Männer um die fünfzig ihrer erbarmen. Destiny hatte an der Bar Platz genommen. Vor ihr stand ein unberührter Cocktail.
Sehr gut, dachte Charlene, ging zur Tanzfläche und ließ sich von der Musik langsam zu Tanzbewegungen anregen.
Das Spiel konnte beginnen.
»Wir sind da«, sagte Phil. »Da drüben ist es. Am besten, du hältst gleich hier an, Jerry.«
Wir saßen zu viert in einem schwarzen Chevrolet Tahoe LS von der Fahrbereitschaft des FBI, außer mir mein Freund und Partner Phil sowie unsere Kollegen Joe Brandenburg und Les Bedell.
Ich stoppte den Wagen am Straßenrand, direkt vor einem Autohaus, zu dem ein großer asphaltierter Platz gehörte, auf dem sich Gebrauchtwagen aneinanderreihten. Neben dem Parkplatz führte eine Stichstraße zu einem Mietblock.
Eine Wohnung im Erdgeschoss war unser Ziel.
»Ist das eine Hitze«, sagte Les, als wir aus dem klimatisierten Wagen ausgestiegen waren.
»Bringen wir's hinter uns«, sagte Joe. »Je schneller wir Cummings festnehmen, desto schneller dürfen wir in unsere Wohnungen, wo es Klimaanlagen gibt. In meiner jedenfalls.«
Leonard Cummings war ein Geschäftsmann, der mit Kunst handelte. Sein Handel hatte einen besonderen Kniff. Bei den Kunstwerken, die er von Südamerika und Europa in die Vereinigten Staaten brachte, konnte man nicht nur mehr oder weniger gelungene Bilder oder Plastiken bewundern. Es gab auch geheime Verstecke darin. In Holz-, Marmor- oder Metallfiguren und in ausladenden Bilderrahmen hatten Fahnder Hohlräume entdeckt, die groß genug waren, um den Stücken einen besonderen Mehrwert in Form von Drogen zu verschaffen. Die Kunstwerke, allesamt eher im mittleren Wertbereich, waren nichts als Fassade.
Cummings hatte sich bisher immer aus allen Vorwürfen herauswinden können, da er sehr gute Anwälte hatte. Ihnen war es gelungen, die Verantwortung auf die Urheber der Werke, die Maler und Bildhauer, abzuwälzen. Als es bei einer Durchsuchung einen Schusswechsel gab, bei dem ein Polizist schwer verletzt wurde, wendete sich das Blatt. Da Cummings es war, der geschossen hatte, gelang es dem Staatsanwalt, einen Haftbefehl zu erwirken.
Wir hatten nun die Aufgabe, Cummings zu finden und festzunehmen, was nicht einfach war. Der Mann war in vielen Ländern unterwegs und wechselte auch innerhalb der USA immer wieder seinen Aufenthaltsort.
Ein verdeckter Ermittler hatte herausgefunden, dass er in diesen Tagen nach New York reisen wollte. Das war unsere Chance, zumal Cummings hier im Big Apple eine Freundin hatte. Ihr Name war Mary Spooner. Und sie lebte in der Erdgeschosswohnung in Queens, zu der wir jetzt unterwegs waren.
»In einer der unteren Wohnungen brennt Licht«, sagte Les. »Das könnte die von Miss Spooner sein.«
Das Erdgeschoss lag im Hochparterre. Zu der Seite hin, von der wir kamen, gab es einen kleinen Balkon. Hinter zugezogenen Vorhängen brannte eine Lampe. Als wir eingetroffen waren, hatte ich mich orientiert und war mir sicher, dass es sich um die Wohnung von Mary Spooner handelte. Die Balkontür stand angesichts des heißen Wetters weit offen.
Wir verständigten uns durch Zeichen. Das Beste war ein Überraschungsangriff. Phil und ich würden durch die Balkontür in das Apartment gehen und Cummings überrumpeln. Sollte er sich im hinteren Bereich aufhalten und durch den normalen Ausgang zu fliehen versuchen, würde er Joe und Les in die Arme laufen, die die Eingangstür des Hauses im Auge behalten mussten.
Wir ließen den Kollegen Zeit, sich in Position zu bringen. Dann kletterte ich an der Balkonbrüstung hinauf und überwand die sechs Fuß des Hochparterres. Als ich vor der Terrassentür stand, wartete ich, bis Phil mir gefolgt war.
Aus der Wohnung drangen Geräusche, die uns ganz klar sagten, dass Mary Spooner nicht allein war. Sie hatte männliche Gesellschaft und mit ihr wohl gerade ziemlich viel Spaß.
In dieser Situation würde Cummings sicher nicht so schnell auf uns schießen.
Phil und ich zogen unsere Glocks. Ich sah zu meinem Partner, um sicherzugehen, dass er bereit war. Mit einem Ruck zog ich die Stoffbarriere zur Seite und sprang mit vorgehaltener Waffe in den Raum.
»Schluss mit dem Schäferstündchen!«, rief ich. »FBI!«
Die Frau schrie auf, aber nicht vor Lust, sondern vor Schreck. Der nackte Mann, der bei ihr lag, drehte sich erschrocken zu mir, riss eine Decke an sich, um seine Blöße zu bedecken.
»Verdammt, was soll das?«, brüllte er.
Die Frau neben ihm wimmerte.
Sie war Mary Spooner. Ich erkannte sie von Fotos.
So weit passte alles.
Der Mann neben ihr hatte blondes Haar und war höchstens Mitte dreißig.
Cummings war fast zehn Jahre älter und dunkelhaarig.
»Verdammter Mist!«, entfuhr es Phil, der neben mir stand.
Cummings lenkte den schweren Mercedes über den Highway 278 Richtung Williamsburg.
Dort hatte er unter falschem Namen ein Hotelzimmer gemietet, wo er nur eine einzige Nacht verbringen wollte. Er wusste, dass ihm die Feds auf den Fersen waren. Wahrscheinlich fahndeten sie oben in Connecticut nach ihm, wo ihm dieser Mist mit der Schießerei passiert war. Er hatte einfach die Nerven verloren und damit die Strategie seiner Anwälte vermasselt, die ihn bisher vor jeder Verhaftung beschützt hatte. Okay, sein Fehler. Und er würde dafür sorgen, dass die Sache in Ordnung gebracht wurde, natürlich nicht juristisch, sondern in seinem Sinne.
Er würde noch einmal seinen Geschäftspartner Lorenzo della Porta treffen. Der schuldete ihm noch Geld, das er mitnehmen würde, um erst mal von der Bildfläche zu verschwinden. Den Wagen, den er gerade fuhr, hatte er von einem Freund geliehen, der nicht wusste, wo er damit hinwollte. Die Waffe, mit der er oben in New Haven auf den Cop geschossen hatte, lag längst auf dem Grund des Quinnipiac River. Er hatte sie höchstpersönlich von der Grand Avenue Sing Bridge hineingeworfen.
Er konnte sich entspannen. Morgen war das Treffen mit della Porta.
Als er am Hotel eintraf, sich dort als Bob Smith vorstellte, beschloss er, diese Sommernacht im Big Apple ganz auf seine Art zu genießen.
Normalerweise hätte er sich ja mit Mary in Queens getroffen, aber die hatte vor einem halben Jahr mit ihm Schluss gemacht. Und warum? Weil er in einem Klub in Springfield ein paar nette Mädels aufgerissen hatte, die für ein paar Drinks zu einigem bereit waren. Sollte Mary doch froh sein, dass er bei ihr blieb. Schließlich hatte sie die dreißig überschritten, was man ihr deutlich ansah.
Cummings brachte sein Gepäck ins Zimmer. Er ging wieder hinunter und unterhielt sich mit dem Mann an der Rezeption. Solche Leute wussten, wo in New York etwas los war, wo die jungen Frauen nicht so verklemmt waren.
»Ich glaube, das Retro Paradise wäre was für Sie«, sagte er.
»Sicher?«, fragte Cummings. »Für mich klingt das nach Tanztee.«
Der Mann grinste übers ganze Gesicht.
»Lassen Sie sich überraschen«, sagte er und beugte sich mit verschwörerischer Miene über den Tresen. »Es gibt so manche junge Mädels, die genau auf dieser Weide grasen ... Alles klar?«
Cummings runzelte die Stirn. Was für ein bescheuerter Vergleich. Er wusste, was gemeint war. Und ihm war klar, dass niemand frei über Prostitution sprach, weil sie verboten war. Nur wo fing sie an, wo hörte sie auf? Durfte man sich nicht spontan mit einer freizügigen Frau anfreunden und ihr ein Geschenk machen?
Dann sollte es eben das Retro Paradise sein. Wenn er dort nicht fündig wurde, konnte er es immer noch woanders versuchen. Der Big Apple war groß.
Der Reinfall war nicht schönzureden.
Nachdem der erste Schrecken überwunden war, blieb uns nichts weiter übrig, als uns zu entschuldigen. Wir nahmen von dem Mann, den wir an Mary Spooners Seite vorgefunden hatten, die Personalien auf. Er war ein Kollege der Frau namens Ken Bradley. Sie arbeiteten in einer Mall am Queens Boulevard. Das ging uns nichts an. Er suchte seine Klamotten zusammen, zog sich an und verließ das Apartment.
»Bis morgen dann, Mary«, sagte er, bevor er verschwand.
Sie sah ihm sehnsüchtig hinterher. Sie richtete ihren Blick auf mich. »Ich habe Leonard seit Monaten weder gesprochen noch gesehen. Ich war mit ihm etwa zwei Jahre zusammen, dann habe ich mit ihm Schluss gemacht.«
»Weil er kriminell wurde?«, fragte Phil.
»Kriminell? Nein, davon weiß ich nichts. Er hatte ständig Affären, vor allem mit sehr jungen Frauen.« Erst jetzt schien ihr der Sinn dessen, was mein Partner gesagt hatte, klar zu werden. »Suchen Sie ihn etwa, weil sie ihn festnehmen wollen?« Sie stockte. »Nicht als Zeugen oder so was? Hat er etwas verbrochen?«
Ich klärte sie auf, dass ihr Ex-Freund tatsächlich gesucht wurde, und bat sie, uns sofort zu verständigen, falls er sich bei ihr melden sollte.
Sie schüttelte den Kopf. »Das passiert nicht. Nicht nach dem Krach, den wir hatten.«
Trotzdem fragte ich sie, ob sie uns sagen könnte, wohin sich Cummings in New York wenden würde, wenn er hier war. Sie wusste es nicht.
Ich ließ ihr meine Visitenkarte da. Wir verabschiedeten uns und verließen die Wohnung, diesmal durch die normale Tür. Als wir an dem Balkon vorbeikamen, hörten wir sie telefonieren.
»Steve«, sagte sie deutlich hörbar. »Kannst du nicht wieder herkommen? Die Beamten sind weg. Jetzt stört und niemand mehr ...«
Während wir zum Wagen zurückgingen, fluchte Joe über die Hitze. Mein Handy brummte. Es war Ben, unser Computerexperte. Ich ging dran.
»Hast du nicht längst Feierabend?«, fragte ich.
»Ja, Jerry, aber ich dachte mir, ich könnte euch ein bisschen behilflich sein. Ich kann bei der Hitze sowieso nicht schlafen.«
»Moment«, sagte ich. »Wusstest du etwa, dass Cummings nicht hier in Queens ist?«
»Na ja, er kann schlecht an zwei Orten gleichzeitig sein. oder? Die Idee, ihn bei Miss Spooner zu vermuten, war nicht schlecht. Doch ich habe ja heute Mittag schon ein Programm geschrieben, das mir sofort meldet, wenn jemand, der ihm nur ähnlich sieht, in den Bereich von irgendeiner New Yorker Überwachungskamera gerät. Du weißt schon, man hackt erst mal die Kameras, dann lädt man das Programm in den Zentralserver, ohne allerdings ...«
»Ben!«, stoppte ich den Kollegen, der in der Lage war, in Windeseile irgendwelche Hackerangriffe zu starten und komplizierte Programme zu schreiben. Leider machte er immer wieder den Fehler, uns seine Methoden vorzutragen, anstatt gleich zum Ergebnis zu kommen. »Wir haben bei Miss Spooner Mist gebaut, uns ist warm, und wir wollen mit Cummings endlich Feierabend machen. Was hast du rausgekriegt?«
Ben verriet es mir, und Sekunden später waren wir wieder unterwegs. Cummings war gefilmt worden, wie er ein kleines Hotel in Williamsburg betreten hatte. Das war gerade mal eine halbe Stunde her.
Ich kümmerte mich nicht um Höchstgeschwindigkeitsregeln, während wir zu dem Stadtteil fuhren, der zu Brooklyn gehörte. Zu viert stürmten wir die kleine Lobby, wo uns ein Rezeptionist erschrocken ansah. Er hatte gerade etwas auf seinem Handy gelesen. Vor Schreck wäre ihm das Gerät beinahe aus der Hand gefallen.
»FBI«, sagte ich.
Wir zeigten unsere Marken. Dann holte ich mein Telefon hervor und sorgte dafür, dass Cummings' Bild auf dem Display zu sehen war. Ich hielt es dem Rezeptionisten hin.
»Ist dieser Mann hier Gast?«, fragte ich.
Er nickte. »Mister Smith. Er ist vor einer Stunde angereist.«
»Mister Smith«, lachte Joe dröhnend. »Na, der hat ja Fantasie.«
»Ist er auf seinem Zimmer?«, fragte ich.
Der Mann schüttelte den Kopf. »Er ist weggefahren.«
»Mit seinem Fahrzeug?«, wollte Phil wissen. »Kennen Sie das Kennzeichen?«
»Nein, nein«, sagte der Mann. »Das Auto von Mister Smith steht auf dem Parkplatz, hinter dem Hotel. Er ist mit einem Taxi gefahren.«
»Und Sie wissen natürlich nicht, wohin er ist«, polterte Joe los. »Verdammter Mist! Wenn wir wenigstens die Nummer des Taxis hätten oder so was.« Er griff in die Tasche. »Wir versuchen es am besten mit der Taxizentrale. Vielleicht haben wir ja Glück.«
Ich runzelte die Stirn. Es gab über dreizehntausend Yellow Cabs im Big Apple. Das würde schwierig werden.
»Moment, Moment«, schaltete sich der Rezeptionist ein. »Ich kann Ihnen wahrscheinlich sagen, wohin er gefahren ist. Wir haben uns über New Yorker Klubs unterhalten, weil er noch ein bisschen Spaß haben wollte. Und da habe ich ihm das Retro Paradise in Murray Hill empfohlen.«
Das Taxi brachte Cummings in den Osten von Manhattan, in die Nähe des riesigen rechteckigen UNO-Gebäudes. Als er ausstieg und sich in die Schlange einreihte, die sich vor dem Retro Paradise gebildet hatte, wurde ihm klar, warum sich dieser Klub gerade hier befand.
Das Publikum bestand vor allem aus älteren Männern, von denen viele im Hauptjob in der internationalen Behörde arbeiteten oder in einem der Konsulate, die sich ebenfalls in diesem Stadtteil befanden. Oft waren sie von ihren Familien getrennt, bewohnten die Woche über oder sogar länger Dienstwohnungen und suchten nach Feierabend Abwechslung. Es war mitten in der Woche, und eigentlich hätte man seinen Schlaf gebraucht, um am nächsten Morgen wieder seinen Dienst anzutreten.
Cummings wusste allerdings, dass viele jenseits der fünfzig an Schlaflosigkeit litten und auf ein, zwei Stunden Schlaf verzichten konnten. Außerdem war es ein offenes Geheimnis, dass auch in Behördenkreisen gewisse Aufputschmittel verbreitet waren.
Man tat eben alles, um dem grauen Büroalltag zu entfliehen.