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Alles begann mit dem Überfall auf einen Geldtransporter. Die Umstände deuteten auf den schillernden Schatzjäger Gordon Strachan als Drahtzieher hin, der auf diese Weise womöglich seine kostenintensiven Grabungen finanzierte. Ihm und seinem Sohn Larry galten daher unsere ersten Ermittlungen. Verdächtig machte sich aber auch der Leiter der betroffenen Bankfiliale. Hatte er den Gangstern den streng geheimen Transporttermin verraten und die Zugangscodes zum Panzerraum des Transporters? Weitere Verdächtige erschienen auf der Bildfläche. Und einer davon eröffnete eine wilde Schießerei ...
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Seitenzahl: 137
Veröffentlichungsjahr: 2024
Cover
Im Schatten des Schatzjägers
Vorschau
Impressum
Im Schatten des Schatzjägers
»Schalt mal New York Live ein.«
»Du weißt genau, dass Radiohören während der Arbeit nicht erlaubt ist.«
»Mach schon! Sonst schlaf ich ein.«
Die Uhr am Armaturenbrett zeigte 3:38 Uhr an. Seit sie in Great Neck losgefahren waren, klatschte der Regen wie aus Kübeln gegen die Windschutzscheibe, auf der Fahrbahn stand das Wasser, und die Sichtweite betrug nicht mehr als fünfzehn Yards. Obwohl kein Auto auf der Straße war, kroch der Geldtransporter mit fünfzig Meilen pro Stunde im trüben Schein der Laternen über die Lakefield Road.
Andy Cross drehte das Radio auf. Chartmusik wummerte aus den Subwoofern. Costa Papandreou schloss die Augen und versuchte zu entspannen.
Seit dreiundzwanzig Stunden waren sie auf den Beinen. Kurz vor Feierabend hatte man ihnen diesen Job aufs Auge gedrückt. Sie beide hatten Frau und Kinder zu Hause. Die Extrakohle konnten sie als Security Guards gut gebrauchen.
Plötzlich fuhr Cross zusammen. »Verdammter Idiot! Hast du keine Augen im Kopf!«
Ein Streifenwagen der City Police mit eingeschaltetem Warnlicht überholte sie haarscharf und setzte sich vor den Transporter. Die Fensterscheibe an der Fahrerseite glitt nach unten, und eine rote Kelle mit der Aufschrift STOP wurde herausgehalten.
»Verdammt, die haben uns gerade noch gefehlt!«, zischte Cross und nahm den Fuß vom Gas. Er schaltete in den Leerlauf und brachte den Transporter auf dem rechten Standstreifen zum Stehen.
Für einen Moment herrschte gespenstische Stille über der Straße. Rechts im Eingangsbereich eines schicken Bungalows hatte der Bewegungsmelder die Beleuchtung eingeschaltet. Ein einsames Rotkehlchen begrüßte den anbrechenden Morgen.
»Und jetzt?« Andy Cross kniff angestrengt die Augen zusammen und versuchte zu erkennen, was in dem Einsatzfahrzeug vor ihm vor sich ging.
»Wahrscheinlich sie merken gerade, dass sie den falschen Wagen angehalten haben.« Costa langte nach seiner Thermoskanne, um festzustellen, dass er den letzten Schluck Kaffee schon vor zwei Stunden getrunken hatte.
»Ich glaub, ich spinne!« Genervt wollte Cross die Hupe betätigen.
Costa konnte ihn im letzten Augenblick davon abhalten. »Warte! Da sich was tun.«
Tatsächlich wurde in diesem Moment die Fahrertür des Streifenwagens geöffnet, und ein großer, bulliger Beamter stieg aus, setzte seine Uniformmütze auf, öffnete die hintere Tür, holte eine Stablampe heraus und kontrollierte sie umständlich. Seine Hände steckten in weißen Stulpenhandschuhen.
»Na los, Junge, gib Gummi!« Cross trommelte ungeduldig mit den Fingern auf dem Lenkrad.
Beim Leeren der Schließfächer hatte es Probleme gegeben. Erst gab der Filialleiter den falschen Entsperrcode ein, und sie mussten zwanzig Minuten warten, bis er ihn erneut eintippen konnte.
Dann fiel beim Verladen der versiegelten Kassetten plötzlich Costas Headsetkamera aus. Eine Ersatzkamera musste installiert werden, weil sonst der Versicherungsschutz weggefallen wäre. Das hatte weitere vierzehn Minuten gekostet.
Sie lagen also schon jetzt über eine halbe Stunde hinter dem eng getakteten Zeitplan hinterher.
Eine kleine Ewigkeit in ihrem Job.
Nun wurde auch die Beifahrertür geöffnet, und der zweite Beamte stieg aus. Langsam gingen die beiden auf den Geldtransporter zu.
»Dann kommt mal her, ihr Hampelmänner! Ich werde euch jetzt mal sagen, was ich von dieser beknackten Aktion halte!« Cross ließ die Seitenscheibe runtersurren und beugte sich angriffslustig hinaus. »Hallo, Officer! Habt ihr Langweile oder warum zieht ihr diese Show ab? Das ist keine Vergnügungsfahrt, Leute, wir tun nur ...«
Weiter kam er nicht. Der uniformierte Cop zog eine Spraydose aus der Tasche und sprühte ihm einmal kurz ins Gesicht.
Andy Cross verspürte ein scharfes Brennen in den Augen. »Was, zur Hölle ...?«
Er sackte zusammen wie ein Luftballon, aus dem man die Luft gelassen hat.
Costa reagierte blitzschnell, Cross hörte, wie er nach dem Alarmknopf unter dem Anzeigenboard griff. Er blinzelte.
Bevor Costa auf den Knopf drücken konnte, hielt der Cop ein Blatt Papier an die Windschutzscheibe.
Auf dem Blatt stand nur ein Name.
Der Name einer Frau.
Wir hatten schon auf dem Weg zur Federal Plaza in den Frühnachrichten von New York Live von dem Überfall auf den Geldtransporter gehört. Darum waren wir nur mäßig überrascht, als Helen uns gleich zum Chef bat, noch bevor wir unsere Computer hochfahren konnten.
»Er hat Besuch«, raunte sie uns zu, während sie mit einer zierlichen Messingkanne die Topfblumen neben ihrem Schreibtisch mit Wasser versorgte.
Wir nickten ihr im Vorübergehen zu und nahmen Kurs auf das Büro von Mr. High. Er saß mit zwei Männern am Konferenztisch, als wir eintraten.
»Agent Cotton, Agent Decker, und das sind Officer Brandson und Sergeant Dowland, zwei Beamte der Nassau County Police.«
Die beiden Männer erhoben sich kurz. Officer Brandson war Mitte fünfzig, groß, kräftig und hatte dichtes Haar, schlohweiß wie Zuckerwatte. Sergeant Dowland sah aus wie sein Enkel, aber der forschende Blick hinter dem grauen Brillengestell war intelligent und zeugte von einem gesunden Selbstbewusstsein.
»Bitte nehmen Sie Platz.« Mr. High wies auf das Arrangement aus Kaffeekanne, Wasserflaschen und Gebäck, das unzweifelhaft Helens fürsorgliche Handschrift trug. »Bedienen Sie sich.«
Während Phil uns Kaffee einschenkte, schloss Mr. High kurz die Augen und faltete die Hände vor der Brust.
»Vielleicht haben Sie es schon in den Nachrichten gehört. In der vergangenen Nacht wurde ein Geldtransporter in Great Neck überfallen, genauer gesagt, auf der Lakefield Road, in Höhe des Lake Success Golf Club. Die Besatzung des Transporters, zwei langjährige Mitarbeiter des Unternehmens Security First, werden noch vermisst. Ebenso der Geldtransporter.« Mr. High wandte sich an Officer Brandson. »Sie kommen direkt vom Tatort, Officer. Vielleicht berichten Sie kurz.«
Der Detective wandte sich zu uns. »Officer Brandson vom Sixth Precinct in Manhasset.« Seine Stimme klang fest und ehrlich wie Roggenbrot. »Wir wurden um vier Uhr siebzehn von einem Mitarbeiter von Security First benachrichtigt. Sie konnten keinen Kontakt mehr zu dem Geldtransporter herstellen. Daraufhin sind wir gleich mit zwei Einsatzfahrzeugen rausgefahren.«
»Was haben Sie am Tatort vorgefunden?«, wollte Phil wissen.
Der Enkel schaltete sich ein. »Tatsächlich hatten wir anfangs Schwierigkeiten, den exakten Tatort zu lokalisieren. Die Security First hatte uns zwar die letzten Daten ihres GPS-Trackers durchgegeben. Aber aufgrund der starken Regenfälle waren die Reifenabdrücke der beiden Fahrzeuge nur schwer zu erkennen.«
»Sie sprechen von zwei Fahrzeugen?«, hakte Phil nach.
»Richtig«, bestätigte der Sergeant wichtig, »außer dem Transporter war noch ein zweiter Wagen involviert. Vermutlich der, mit dem die Täter den Geldtransporter angehalten haben.«
Der Sergeant warf einen Blick zu seinem Detective, der nickte zum Zeichen, dass er mit dem Auftritt des jungen Kollegen zufrieden war.
»Haben sich schon Zeugen des Vorfalls gemeldet?«, wollte ich wissen.
»Fehlanzeige.« Officer Brandson schüttelte den Kopf. »Die Lakefield Road ist um diese Zeit kaum befahren. Außerdem hätte man bei dem Sauwetter ohnehin nicht viel gesehen. Es hat die ganze Nacht geschüttet.«
»Was haben Sie sonst am Tatort gefunden? Patronenhülsen? Zigarettenkippen? Abfall?«
»Negativ, Agent Cotton. Der gesamte Tatort war sauber wie ein frisch geputztes Fenster. Und das lag nicht nur am Regen. Die Leute haben schlicht und einfach keine Spuren hinterlassen.«
Das gab es nicht oft, doch es kam vor. Und wenn es vorkam, bedeutete es in der Regel Überstunden und Wochenenden im Büro.
»Wurde von den Mitarbeitern im Transporter Alarm ausgelöst?«
»Ebenfalls negativ. Darum auch die lange Spanne zwischen dem Überfall und dem Anruf bei uns. Nach dem letzten Funksignal des GPS-Trackers ist eine halbe Stunde vergangen, bis der Mitarbeiter in der Firmenzentrale den Vorfall gemeldet hat.«
Mr. High hatte bisher geschwiegen. Jetzt wandte er sich an uns. »Wie Sie vermutlich schon ahnen, Agents, handelte es sich nicht um den Routinetransport von Lohngeldern oder Firmeneinnahmen.«
Denn in dem Fall hätten die Ermittlungen in den Händen der City Police gelegen, und das FBI wäre nicht eingeschaltet worden.
Mr. High nickte Officer Brandson aufmunternd zu, der den Ball aufnahm.
»Eine Filiale der New York Trust Bank in Great Neck wurde aufgelöst. Der Transporter enthielt den kompletten Inhalt der Schließfächer der Außenstelle. Der gesamte Bestand sollte in die neue Zentrale in Queens überführt werden.«
Seit die großen Banken immer mehr dazu übergingen, ihre Transaktionen online abzuwickeln, wurden ihr Filialen auf dem Land und in den Vorstädten zunehmend zu lästigen Kostenfaktoren. Heute spielte die persönliche Ansprache der Kunden keine große Rolle mehr. Niemand hatte mehr Zeit für einen Plausch am Schalter. Alles musste schnell gehen, in dem Punkt war Onlinebanking unschlagbar.
Solange es noch Bargeld gab, musste es allerdings umziehen, wenn eine Filiale geschlossen wurde, und zwar in großen Mengen, ebenso die Dokumente und Wertgegenstände in den Schließfächern. Es gehörte nicht allzu viel kriminelle Energie dazu zu erkennen, dass der Transport die Schwachstelle in diesem System war.
Ich wechselte einen Blick mit Phil. Erst im vergangenen Jahr hatten wir mit ähnlichen Überfällen auf Geldtransporte zu tun gehabt. Was wir bisher gehört hatten, entsprach exakt dem bekannten Muster.
Mr. High erriet unseren Gedanken.
»Sehr richtig, Agents. Alles deutet darauf hin, dass wir es in Great Neck wieder mit den Leuten von Gordon Strachan zu tun haben. Der Ablauf des Überfalls, die Situation am Tatort, der hohe Grad an Professionalität, all das entspricht der Vorgehensweise, die wir schon von Raubüberfällen in anderen Staaten kennen, an denen der Schatzjäger beteiligt war.«
Gordon Strachan war eine exzentrische Figur im schillernden Goldfischteich des organisierten Verbrechens. Geboren in Medina im Schatten der Prophetenmoschee, war er im Alter von drei Jahren mit seiner ganzen Familie, die zu dem Zeitpunkt einundsiebzig Mitglieder zählte, nach Queens gezogen.
Hier hatte er sich im Laufe der Zeit zu einem geradezu fanatischen Sammler verschollener Antiquitäten entwickelt. Wenn er von einem Piratenschiff hörte, das angeblich vor fünfhundert Jahren auf den Grund des Golfs von Mexiko gesunken war oder von einem sagenhaften Goldschatz, der zur Zeit der Inka bei einem Trial durch die Mojave-Wüste unter rätselhaften Umständen verloren gegangen war, organisierte Gordon Strachan aufwendige Expeditionen, in die er sein gesamtes Vermögen steckte. Viele davon endeten erfolglos.
Das tat seiner Leidenschaft keinen Abbruch.
Ganz im Gegenteil.
Und um diese Unternehmungen finanzieren zu können, war Strachan äußerst kreativ bei der Beschaffung der nötigen Reisespesen, selbstverständlich jenseits der legalen Geldströme.
Der Überfall auf Geldtransporte im Zusammenhang mit der strategischen Zusammenlegung von Bankfilialen war Gordon Strachans neueste Einnahmequelle.
Und an dieser Stelle kam das FBI ins Spiel.
Natürlich war alles, was mit diesen Transporten zusammenhing, topsecret. Sämtliche Details wurden von den Verantwortlichen bis zum letzten Moment unter Verschluss gehalten.
Und doch gelangten solche brisanten Informationen immer wieder in die Hände von Kriminellen. Entweder wurden die Computer der Bank gehackt oder die verantwortlichen Leute bestochen, erpresst oder mit mehr oder weniger sanften Mitteln zur Preisgabe sensibler Daten, nun ja, ermuntert.
Der unumstrittene Meister dieser modernen Postkutschenüberfälle war Gordon Strachan. Allein sechs solcher Coups im letzten Jahr gingen auf sein Konto.
In der vergangenen Nacht hatte er offenbar wieder zugeschlagen.
Mr. High erhob sich und blickte aufmunternd in die Runde. »An die Arbeit, Gentlemen. Ich erwarte Ergebnisse. Je schneller, desto besser.«
Die Bankfiliale, die quasi bis aufs Hemd geplündert worden war, war nicht größer als ein kleiner Bungalow. Sie gehörte zur New York Trust Bank und lag an der Great Neck Road in unmittelbarer Nachbarschaft einer Tankstelle mit angeschlossener Waschanlage.
Der Starkregen der vergangenen Nacht war mittlerweile in einen mürrischen Nieselregen übergegangen. Dazu fegten heftige Böen durch die Straßen und trieben alte Zeitungen und Plastikverpackungen von Streetfood vor sich her.
Die sieben Angestellten, die beim Frühstück von dem Überfall erfahren hatten, hatten einen weißen Plastikstehtisch aus dem Eingangsbereich unter das Vordach gestellt und überboten sich bei Automatenkaffee und einer ungeschickt aufgerissenen Keksmischung in Katastrophenszenarien von Jobsuche und drohender Obdachlosigkeit.
Ich parkte den Jaguar in taktvoller Distanz und erfuhr, dass Mike Scott, der Filialleiter, gerade in einem Videocall mit der Zentrale in New York City war.
»Die werden ihn grillen«, bemerkte ein blonder Anzugträger mit starker Akne trocken.
»Und anschließend an die Fische im Hudson River verfüttern«, ergänzte eine Brünette nicht ohne Häme.
Wer immer dieser Mike Scott war, die Wahl zum Chef des Monats würde er in dieser Filiale nicht gewinnen, abgesehen davon, dass seine Karriere an diesem kühlen Februarmorgen wohl ohnehin Geschichte war.
Wir betraten die Geschäftsräume. Der unverwechselbare Geruch von Toner und unbarmherzig gepflegten Gummipflanzen schlug uns entgegen.
Durch eine offene Tür, die zu den hinteren Büroräumen führte, war die schnarrende Stimme eines Bankvorstands zu hören, hin und wieder unterbrochen von den knappen Antworten eines Mannes, der vor den Trümmern seines Lebenswerks stand oder dessen, was er bisher dafür gehalten hatte.
Wir warteten die üblichen Abschiedsfloskeln ab, bevor Phil an die Weißlacktür klopfte.
»Mister Mike Scott?«
Der Mann blickte auf. Er sah müde aus. Vermutlich war er die ganze Nacht nicht im Bett gewesen. Um Zeit zu gewinnen, stand er auf und kam angestrengt lächelnd auf uns zu.
»Gentlemen ...«
Offensichtlich kramte er angestrengt in seinem Gedächtnis, wo er uns hinstecken sollte.
Wir zückten unsere Dienstausweise.
»FBI. Ich bin Agent Cotton, das ist mein Partner Agent Decker. Wir haben in paar Fragen zu dem Überfall auf Ihren Geldtransporter in der vergangenen Nacht.«
Ein Schatten huschte über sein Gesicht. »Natürlich, bitte nehmen Sie Platz.«
Wir setzten uns auf die gepolsterten Besucherstühle.
Mike Scott ließ sich hinter seinem Schreibtisch nieder, faltete die Hände über dem aufgeschlagenen Wirtschaftsteil einer Tageszeitung und nickte uns auffordernd zu. »Wie kann ich Ihnen helfen, Agents?«
»Seit wann leiten Sie diese Filiale?«, begann ich.
»Seit sieben Jahren. Etwas mehr, siebeneinhalb.« Er musste nicht nachrechnen. Er hatte die Zahl parat.
»Gab es in der Vergangenheit schon Geldtransporte zwischen Ihrer Filiale und der Bankzentrale?«
Scott lehnte sich zurück und musterte uns eindringlich, als witterte er einen Hinterhalt.
»Nun, es gibt selbstverständlich den regelmäßigen Transfer von Banknoten, wenn unser Geldautomat aufgefüllt werden muss«, erklärte er gedehnt. »Aber das sind vergleichsweise kleine Beträge, und die Auslieferung wird in der Regel durch Zivilfahrzeuge abgewickelt, um Aufsehen zu vermeiden.«
»Einen Transport in dieser Größenordnung gab es also während der letzten siebeneinhalb Jahre nicht?«
»Das wäre mir sicher nicht entgangen«, versuchte der Filialleiter einen müden Scherz, was seine desolate Stimmung nur unterstrich.
»Bitte schildern Sie uns den genauen Ablauf der Ereignisse vom Eintreffen der Mitarbeiter von Security First bis zur Abfahrt des Geldtransporters.«
Mike Scott schloss kurz die Augen. »Die Leute von der Sicherheitsfirma trafen gegen zwei Uhr hier ein.«
»Haben Sie die Personendaten?«
Der Filialleiter warf einen Blick in seine Unterlagen. »Andrew Cross, zweiunddreißig Jahre alt, seit acht Jahren Fahrer bei Security First. Der Beifahrer ist Costa Papandreou, fünfunddreißig Jahre alt, seit drei Jahren bei der Firma.«
Ich notierte mir die Namen.
Scott fuhr fort. »Zu dem Zeitpunkt war der Inhalt sämtlicher Schließfächer bereits ordnungsgemäß in die Safebags verpackt.«
»Und das Bargeld?«
»Das war zwei Wochen vorher im Rahmen eines turnusmäßigen Werttransports in die Zentrale transferiert worden.«
»Verstehe. Im Geldtransporter befanden sich also lediglich die Wertsachen aus den Schließfächern.«
»Richtig. Wichtige Dokumente, Familienschmuck, Wertpapiere, Goldreserven, einige Originalkunstwerke und andere Edelmetalle.«
»Wer hat Ihnen beim Verpacken geholfen?
»Wir sind ... wir waren eine kleine Filiale. Insofern war der Arbeitsaufwand überschaubar. Ich habe lediglich zwei Mitarbeiter angefordert.«
Phil und ich wechselten einen irritierten Blick.
»Angefordert? Handelte es sich dabei denn nicht um Ihre eigenen Angestellten?«
»Keineswegs. Es existieren da sehr präzise Vorschriften.«
»Helfen Sie uns auf die Sprünge.«
Scott ließ sich in den Stuhl zurückfallen und verschränkte die Füße unter dem Tisch. »Hintergrund ist natürlich die absolute Geheimhaltung, Agent Cotton. Termin und äußere Umstände der Überführung werden bis zum Ende der Vorbereitung streng unter Verschluss gehalten ...«
»... um die Wahrscheinlichkeit eines Überfalls so gering wie möglich zu halten«, sagte Phil.
»Richtig. Wie Sie wissen, waren solche Geldtransporte in den letzten Jahren immer wieder das Ziel von kriminellen Banden. Darum sind nur wenige Verantwortungsträger in das komplizierte Procedere eingeweiht.«
»Wer wusste in Ihrem Fall Bescheid?«, fragte Phil.
»Nur Mister Callum aus dem Vorstand und ich. Wir beide haben die einzelnen Schritte des Prozesses jeweils festgelegt und evaluiert. Mister Callum ist im Vorstand der New York Trust Bank der Verantwortliche für die Zusammenlegung der Filialen. Für ihn ist das Ganze längst Routine.«
»Aber für Sie war es das erste Mal«, meinte ich.
»Und vermutlich auch das letzte Mal«, konstatierte Mike Scott trocken.
»Haben Sie schon die Kündigung bekommen?«, wollte Phil wissen.
»Noch nicht. Nur ich kann mir nicht vorstellen, dass man hier weiter Verwendung für mich hat.«
Ich beugte mich vor. »Tatsache ist, dass die Täter den Termin der Überführung kannten, und zwar früh genug, um den Überfall professionell vorzubereiten.«
»Da stellt sich natürlich die Frage, wer ihnen den Termin verraten hat«, folgerte mein Partner. »Nach Ihren Angaben kommen dafür nur zwei Leute infrage. Mister Callum – und Sie.«
Mike Scott fuhr sich mit beiden Händen durchs Haar.