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In einer alten Industriehalle machte ein Obdachloser einen grausigen Fund. In einem bis zum Rand mit Wasser gefüllten Plexiglasbehälter trieb eine gefesselte männliche Leiche. Die Anordnung erinnerte an einen berühmten Entfesselungstrick des legendären Magiers Houdini. Bei dem Toten handelte es sich um den Jazzmusiker Ryan Delgado. Delgado war in seinem Umfeld für sein privates Interesse an Magie und Zauberei bekannt. Hatte er einen Zaubertrick ausprobieren wollen und war bei diesem Versuch ertrunken? Wir vom FBI glaubten nicht so recht daran. Und schon bald sahen wir uns selbst mit tödlichen Tricks konfrontiert!
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Seitenzahl: 146
Veröffentlichungsjahr: 2024
Cover
Abra Kadaver – Tödliche Tricks
Vorschau
Impressum
Abra Kadaver – Tödliche Tricks
Das Erste, was Ryan Delgado wahrnahm, waren die Stricke, die in seine Handgelenke schnitten. Es kostete ihn Mühe, die Augen zu öffnen, die mit Sekret verklebt waren. Langsam und verschwommen tauchte seine Umgebung aus der Dunkelheit auf. Er befand sich in einer leeren, schlecht beleuchteten Industriehalle.
Sein Blick wanderte an seinem Körper hinab.
Auch seine Beine waren gefesselt.
Jetzt wurde ihm bewusst, dass er weder saß noch lag, sondern wie schwerelos im Raum hing. Nein, Raum war nicht das richtige Wort. Als ihn die Wahrheit mit der Wucht eines Dampfhammers traf, schwanden ihm einen Moment lang die Sinne.
Er hing zehn Fuß über dem Boden in einem durchsichtigen Behälter. Zylinderförmig und so geräumig, dass Delgado in alle Richtungen Platz hatte, ohne mit dem Kopf, den Armen oder den Beinen anzustoßen.
Was war das für ein Material? Plexiglas? Acryl? Echtes Glas wäre zu schwer gewesen.
Er schloss die Augen und versuchte sich zu erinnern. Am Abend hatte er noch einen Auftritt gehabt. Als Saxofonist war er Teil eines Jazzquartetts, das regelmäßig im Birdland, einem der traditionsreichsten New Yorker Jazzklubs, jammte. Nach dem Auftritt nahm er den obligatorischen Drink an der Bar auf Kosten des Hauses zu sich, quatschte kurz mit einigen Stammgästen und brach nach einer halben Stunde auf. Durch einen Hinterausgang steuerte er den Parkplatz an, zog seinen Schlüssel hervor und ...
Jetzt sah er es wieder genau vor sich. Er hatte ein Geräusch gehört, sich umgedreht und eine menschliche Gestalt erblickt, die sich vor dem dunkelvioletten Nachthimmel der Metropole scherenschnittartig abgehoben hatte.
Seltsam hatte sie ausgesehen. Ihr Kopf war klobig und viel zu groß gewesen, als würde er nicht zum Rest des Körpers gehören. Eine Maske?
Dieser Gedanke war das Letzte, woran er sich erinnerte. Hatte er einen Schlag auf den Kopf bekommen? Unwahrscheinlich, denn der würde ihm jetzt noch in Form einer pochenden Beule zu schaffen machen. Wahrscheinlich hatte man ihn auf andere Art und Weise betäubt, ihn hierher verschleppt und ...
Delgado versuchte zu schlucken, aber seine Zunge war rau und trocken wie Sandpapier. Seine Gedanken überschlugen sich, und mit einem Mal fiel ihm ein, woran ihn seine Lage erinnerte. Privat interessierte sich Delgado für Magie und Zauberei. Er hatte Ähnliches in unterschiedlichen Abwandlungen viele Male auf der Bühne gesehen. Und alles ging auf die Entfesselungstricks des legendären Houdini zurück.
Mit dieser Erkenntnis wurde Delgado von einem Zittern erfasst, und Schweiß perlte in dicken Tropfen auf seiner Stirn.
Erwartete sein Entführer von ihm, dass er sich aus eigener Kraft aus seiner Lage befreite? Oder war das Ganze nur ein geschmackloser Scherz von jemandem, der sein Interesse für derartige Auftritte kannte?
Hektisch begehrte Delgado gegen seine Fesseln auf. Professionelle Entfesselungskünstler ließen sich in der Regel in Handschellen legen. Sein Entführer hatte dankendwerterweise darauf verzichtet, denn im Gegensatz zu den bekannten Illusionisten hatte er vermutlich keinen Zweitschlüssel im Saum seines Ärmels versteckt. Ein Strick ließ sich auch ohne Hilfsmittel entknoten, was möglicherweise ein Hinweis darauf war, dass man ihm eine faire Chance geben wollte.
Delgado schloss die Augen und tastete mit Daumen und Zeigefinger nach einem der Knoten, mit denen seine Hände an den Gelenken zusammengebunden waren. Er saß sehr fest. Vielleicht gelang es ihm, ihn zu lockern, wenn man ihm etwas Zeit gab. Er ...
Ryan Delgado hielt inne und öffnete erschrocken die Augen. Bisher war es in seinem durchsichtigen Gefängnis so still gewesen wie unter einer Taucherglocke. Jetzt hörte er ein leises Plätschern. Und obwohl es klang, als käme es aus unmittelbarer Nähe, war es aufgrund der merkwürdigen Akustik in dem Zylinder im ersten Moment schwer zu orten. Es schien von überallher zu dringen. Sein Blick sank nach unten – und ihm rutschte das Herz in die Hose.
Die Öffnung im Boden des Plexiglasbehälters war so klein, dass er ihn bei seiner ersten Inspektion übersehen hatte. Jetzt wo er darauf achtete, sah er deutlich den durchsichtigen Schlauch, der wenige Inch in den Behälter hineinragte. Er bewegte sich leicht, und daraus plätscherte langsam und gleichmäßig eine farblose Flüssigkeit.
Wasser!, schrie es in ihm. Wer immer in diesem grausamen Spiel die Fäden zog, wollte den Behälter fluten!
Delgado gestand sich nur wenige atemlose Sekunden zu, um den Schock zu verdauen. Er schloss die Augen. Sein Brustkorb hob und senkte sich wie ein Blasebalg, als er ein weiteres Mal nach dem Knoten tastete. Er saß wirklich verdammt fest. Delgado bezweifelte, dass es ihm ohne Hilfsmittel gelang, ihn zu lösen. Versuchen musste er es trotzdem. Ihm blieb keine Wahl.
Minuten vergingen, in denen er immer wieder abrutschte, einen Fingernagel abbrach, und dennoch nicht innehielt. Irgendwann hatte er den ersten Knoten gelöst. Das Seil saß allerdings noch immer so straff wie am Anfang.
Leise fluchend tastete er die weiteren Knoten ab. Es waren fünf an der Zahl.
Zum ersten Mal in den letzten Minuten öffnete er die Augen und blickte zu Boden. Was er sah, ließ ihn keuchen. Das Wasser hatte schon fast seine Schuhsolen erreicht. Lange würde es nicht mehr dauern, dann stand es ihm bis zu den Knien.
Delgado dachte scharf nach. In der Zeit, in der es ihm gelungen war, einen Knoten zu lösen, hatte sich der Behälter zu einem Fünftel gefüllt. Fünf Knoten lagen noch vor ihm. Wenn er für die anderen genauso lange brauchte, würde es für den letzten verflucht knapp werden.
Ohne noch mehr Zeit zu verlieren, machte er sich wieder an die Arbeit. Als er den zweiten Knoten gelöst hatte, reichte ihm das Wasser bereits bis zur Hüfte. Entweder hatte er diesmal länger gebraucht, oder das Wasser wurde mit höherer Geschwindigkeit in den Behälter gepumpt als zuvor.
»Weitermachen!«, schrie er sich an und kam sich dabei vor wie ein Unbeteiligter, der seinen Todeskampf nicht am eigenen Leib erfuhr, sondern von außen beobachtete.
Als ihm das Wasser bis zu den Schultern reichte, hatte er vergessen, wie viele Knoten er bisher gelöst hatte. Das war auch egal, denn durch das Wasser waren die Seile durchweicht und zogen sich so sehr zusammen, dass er den Kampf unmöglich gewinnen konnte. Das hatte er bei seinen Überlegungen nicht bedacht. Jetzt blieb ihm nur noch eines – nach Hilfe rufen.
Er schrie aus Leibeskräften, auch wenn er ahnte, dass der Behälter annähernd schalldicht sein musste und vermutlich irgendwo hing, wohin sich sowieso keine Menschenseele verirrte. Er schrie, bis seine Stimme kippte und ihm den Dienst versagte.
Mehr ging sowieso nicht, denn das Wasser erreichte bereits seine Lippen. Für den Moment konnte er dem tödlichen Nass entkommen, wenn er den Kopf hob, es war jedoch eine kurze Galgenfrist. Ein Wettlauf, den er nicht gewinnen konnte.
Panik wallte in Ryan Delgado auf. Während er sich gurgelnd und zappelnd gegen die Fesseln stemmte, blitzten Schlaglichter seines Lebens vor seinem inneren Auge auf. Die Konzerte, die er gegeben, die Drinks, die er genossen, und die Frauen, die er geliebt hatte. Er hatte sehr viel in ein kurzes Leben gepackt, dennoch wollte er nicht, dass es vorbei war. Er wollte weiterleben, einfach nur leben ...
Delgado hielt den Atem an, als der Pegel über seine Nasenwurzel kroch.
Als ihm die Luft ausging und seine Sinne langsam schwanden, sah er einen diffusen Schatten, der sich dem Behälter näherte. Erst glaubte er an eine Halluzination, doch aus dem Schatten wurden menschliche Umrisse. Die Person trat dicht an den Behälter heran. Drückte sich förmlich die Nase daran platt wie ein Kind an einem Aquarium. Und dann, in den letzten Sekunden seines Lebens, erkannte Ryan Delgado das Gesicht.
Seine Augen wurden noch größer.
Du?, versuchte er zu sagen. Heraus kamen nur Luftblasen im Austausch gegen das Wasser, das seine Lunge füllte.
Schwindel erfasste ihn, und sein Bewusstsein trudelte dahin, als würde es an einen anderen Ort getragen. Einen Ort, an dem nur Dunkelheit herrschte.
Detective O'Malley hustete schwindsüchtig, als er über Abfall und Glasscherben die weitläufige Halle betrat. Früher waren hier Papierwaren gefertigt worden. Diese Zeiten waren vorbei, seit die Produktion nach Asien ausgelagert worden war. Der Industriekomplex am Rand von Hoboken war einer jener Lost Places, für den sich bevorzugt Obdachlose und feierwütige Teenager interessierten.
O'Malley hustete noch einmal, nieste, und seine Augen begannen zu tränen.
»Gesundheit, Sir«, sagte ein junger Officer, der ihm entgegentrat.
O'Malley nahm ihn durch den Tränenschleier nur unscharf wahr. Was er erkannte, waren ein pausbäckiges Gesicht und ein blonder Schopf, der unter einer Uniformmütze des NYPD hervorragte.
»Verdammte Stauballergie«, schimpfte O'Malley. Er war überzeugt, dass das der Grund war. Im Sonnenschein, der durch das Licht einer Deckenluke fiel, sah er die Partikel wie winzige Tiere durch die Luft tanzen. Allein der Anblick brachte ihn zum Niesen.
Dankbar ergriff er das Taschentuch, das der junge Kollege ihm reichte, hielt es sich vor die Nase und schnäuzte einmal fest. Er knüllte es zusammen und drückte es dem verdutzten Cop wieder in die Hand.
»Wo befindet sich der Tote?«, fragte er heiser, während sein Sichtfeld wieder etwas aufklarte. Sein Blick folgte dem ausgestreckten Zeigefinger des jungen Mannes schräg nach oben.
Manchmal übersah man das Offensichtliche, aber den gläsernen Zylinder, der an einem Stahlseil befestigt über dem Boden baumelte, hätte er ohne seine gesundheitliche Einschränkung schon beim Eintreten bemerken können. Er war deutlich größer als der Mensch, der sich darin befand. Er hing dort in einer aufrechten Pose, verschnürt wie ein Postpaket.
O'Malley trat näher heran. Der Kollege ließ das Taschentuch achtlos fallen und versuchte, Schritt zu halten.
»Ein Landstreicher hat ihn heute Morgen gefunden«, erklärte er.
Landstreicher. O'Malley stutzte. Diese Bezeichnung hatte er auch schon lange nicht mehr gehört. Aus welcher Zeit war der junge Kollege gefallen?
O'Malley blieb erst stehen, als er den Behälter fast berühren konnte. Er musste nur die Hand danach ausstrecken, worauf er dankend verzichtete.
»Er besteht aus Acryl«, redete der Cop weiter. »Bis zum Rand mit Wasser gefüllt. Wir haben bewusst nichts angerührt, sondern alles so gelassen, wie wir es aufgefunden haben.«
»Gute Arbeit«, meinte O'Malley, auch wenn die eigentlich nur aus Abwarten bestanden hatte.
»Der Mann ist bestimmt schon einige Stunden tot. Der Gerichtsmediziner steckt noch im Stau, deshalb ...«
O'Malley blendete die weiteren Worte aus und beugte sich noch näher heran. Der Tote war offensichtlich eine Wasserleiche. Bleich und aufgedunsen, mit weit geöffneten Augen, das Entsetzen im Moment seines Todes für die Nachwelt konserviert.
»Wir haben seine Brieftasche gefunden. Der Mann heißt Ryan Delgado und ...«
O'Malleys Blick wanderte an dem Behälter nach unten bis zum Boden. Etwas befand sich darin.
»Ein Ventil«, erklärte der Officer, bevor O'Malley in die Hocke ging, um es von unten zu betrachten. »Darüber muss das Wasser in den Behälter gepumpt worden sein. Der Pegel ist wahrscheinlich langsam gestiegen, sodass der Mann noch die Chance hatte ...«
»Harry Houdini«, unterbrach O'Malley ihn und richtete sich wieder auf.
»Sir?« Der Uniformierte sah ihn an, als hätte er Chinesisch gesprochen.
»Harry Hou...«, setzte O'Malley an, doch der Rest wurde ihm von einem weiteren Nieser von den Lippen gerissen.
»Gesundheit.«
O'Malley nahm ein weiteres Taschentuch entgegen. »Ein bekannter Entfesselungskünstler, der solche Auftritte vor Publikum aufgeführt hat. Er hat es allerdings jedes Mal geschafft sich zu befreien ...«
»Ich gehe selten ins Theater«, meinte der Kollege schulterzuckend. Er ließ die Hände demonstrativ hinter dem Rücken verschränkt.
O'Malley suchte nach einer Entsorgungsmöglichkeit für sein Taschentuch. Schließlich stopfte er es in seine eigene Jackentasche. So schmutzig wie es hier war, hätte er es auch einfach fallen lassen können, aber er wollte den Tatort nicht verunreinigen, bevor die Spurensicherung ihre Arbeit getan hatte.
»Sonst irgendwelche Spuren?«, fragte er.
»Bisher nur Reifenspuren. Wir lassen sie analysieren.«
O'Malley nickte, sein Blick wanderte wieder an dem Toten hinauf. »Glauben Sie, er hat sich an eine Entfesselungstrick versucht, der in die Hose gegangen ist?«
»Wenn, dann war er nicht allein. Irgendjemand hat ihm assistiert.«
»Warum hat der den Tank nicht geöffnet, als er gemerkt hat, dass es brenzlig wird?«
»Vielleicht hat er es noch versucht und nicht rechtzeitig geschafft.«
»Hm«, brummte O'Malley. »Ein Unfall also?« Daran konnte er nicht so ganz glauben. Aber wenn es Mord war, war das eine sehr umständliche Methode, jemanden loszuwerden.
Als er erneut niesen musste, zerriss es ihn fast. Schnell wandte er sich ab und ging Richtung Ausgang.
»Ich muss hier raus. Ich erwarte Ihren Bericht so bald wie möglich in meinem Büro.«
Dass es in dieser Gegend Zeugen gab, war unwahrscheinlich. Also gab es auch niemanden, dessen Aussage man aufnehmen konnte. Alles, was hier noch zu tun war, würden die Spurensicherung und der Gerichtsmediziner auch ohne seine Hilfe erledigen. Dass der Fall höchst merkwürdig war, wusste er schon jetzt. Die Verrückten wurden nicht weniger. O'Malley konnte es kaum erwarten, ins Office zu kommen, seine Bürotür zu schließen und die Tage bis zu seiner Pensionierung zu zählen.
Es war Anfang Oktober und die Sonne brannte von einem wolkenlosen Himmel, als hätte sie sich im Datum vertan. Zumindest um die Mittagszeit herrschte eine Gluthitze wie im sprichwörtlichen Backofen. Wäre der Weg noch etwas weiter, wären Phil und ich an seinem Ende »gut durch« gewesen.
Der Mann, dem wir über die Baustelle folgten, hatte zum Glück ein Einsehen und winkte uns in den Schatten einer Wellblechhütte. Die Arbeiter, die auf Stahlgerüsten und Betonblöcken saßen, warfen uns misstrauische Blicke zu.
Dass wir Detective O'Malley zur Mittagspause getroffen hatten, war Absicht. So störten wir niemanden bei der Arbeit oder kamen ihm in die Quere.
Wir bauten uns rechts und links des Zivilpolizisten auf. Unserer Jacketts hatten wir uns bereits im Auto entledigt. Dennoch war Phil rot wie eine Tomate, er wischte sich im Zehnsekundentakt mit einem Taschentuch über die Stirn. Ich nahm an, dass ich keinen besseren Anblick bot.
»Dort drüben wurde der Tote gefunden«, sagte O'Malley und richtete seinen spitzen Finger auf einen Baukran, der wie ein Urzeitkoloss träge in der Sonne stand und schlief. »Der zweite Tote«, fügte er betont hinzu.
Ich nickte verstehend. Mr. High hatte uns zuvor in seinem Büro davon unterrichtet, dass wir möglicherweise am Beginn einer Mordserie standen. Zumindest war es innerhalb der letzten sechs Tage zu zwei Taten gekommen, die zu starke Gemeinsamkeiten auswiesen, um sie zu ignorieren. Was es mit diesen Gemeinsamkeiten auf sich hatte, wussten wir bisher jedoch nicht.
»Der Tote hieß Tyler Patricks«, fügte O'Malley hinzu. Der Kollege war etwas älter, drahtig und braun gebrannt, aber mit einem Wohlstandbäuchlein, das er uns unter seinem Hemd entgegenreckte, ohne auch nur den Versuch zu unternehmen, es zu kaschieren. »Er war der Inhaber einer kleinen Künstleragentur in SoHo.«
»Der Tote hing an dem Kran?«
Ich war dankbar für die Frage meines Partners, denn der genaue Fundort hatte sich auch mir nicht vermittelt.
»Erst hing er, dann fiel er«, gab O'Malley kryptisch zurück. »Zunächst war er mit Seilen an der äußersten Spitze befestigt.«
»Und die haben sich gelöst?«, tippte ich.
Ein seltsamer Ausdruck trat in O'Malleys Blick, als er sagte: »Sie sind verbrannt.«
»Verbrannt? Sie meinen geschmolzen?« Ich ging davon aus, dass wir hier von Gummiseilen oder Ähnlichem sprachen, und dachte dabei an die hochsommerlichen Temperaturen, die schon seit Tagen andauerten.
»Nein, ich meine verbrannt. Sie wurden angezündet.«
Ich kratzte mich am Nacken. Nicht nur aus Verwunderung, sondern auch weil gerade ein dicker Schweißtropen seinen Weg unter meinen Hemdkragen fand.
»Umständliche Art, jemanden umzubringen«, sagte ich. »Weshalb sollte man sich die Mühe machen ...?«
»Einfacher, als ihn in einem eigens dafür aufgebauten Wassertank zu ertränken«, unterbrach O'Malley mich mit wissendem Lächeln.
In meinem Kopf begann es zu rattern, und ich ahnte, worauf der Detective damit anspielte. Der Fall war durch die Presse gegangen, aber ich hatte ihn nur am Rand verfolgt. Ein einfacher Mord, so skurril die Umstände auch waren, war ein Job für die Kollegen des NYPD. Und wir vom FBI hatten selbst genug an den Hacken, um uns auch noch mit Fällen außerhalb unseres Zuständigkeitsbereichs zu beschäftigen.
»Sie reden von diesem Saxofonspieler«, kam Phil mir zuvor.
O'Malley nickte und wischte sich mit einem Taschentuch über die Stirn. Sein Gesicht glänzte wie mit Schweineschmalz eingerieben.
»Beide Tötungsarten erfüllen einen bestimmten Zweck«, meinte er voller Überzeugung. »Der Täter will eine Botschaft übermitteln. Die Situation mit dem Wassertank war offensichtlich einem Entfesselungstrick nachempfunden.«
»Wie die des großen Houdini?«, sagte ich.
O'Malley stach einen Finger in meine Richtung. »Danke! Ich dachte schon, ich bin der einzige halbwegs Gebildete.«
Ich lachte leise. Der Name des Illusionisten war mir natürlich ein Begriff, auch wenn ich mich nie eingehender mit ihm befasst hatte. Showvarieté gehörte nicht unbedingt zu meinen größten Interessensgebieten.
»Houdini begab sich auf der Bühne in lebensgefährliche Situationen, ließ sich in Handschellen legen und musste sich innerhalb eines bestimmten Zeitraums aus eigener Kraft befreien«, referierte ich das wenige, das ich wusste. »Andernfalls ...«
»... wäre es ihm ergangen wie Mister Delgado und nach ihm Mister Patricks«, ergänzte O'Malley.
Ich sah ihn stirnrunzelnd an. »Sie meinen, bei diesen Todesfällen handelt es sich um missglückte Entfesselungstricks?«
»Über diesen Verdacht sind wir lange hinaus. Die Kollegen der CSI sind felsenfest davon überzeugt, dass es sich hierbei um inszenierte Entfesselungstricks handelt. Und dass an beiden Tatorten eine zweite Person anwesend war. Vermutlich der Mörder. Und das ist der Grund, warum wir den Fall an euch abtreten.«
»Sie denken also, der Mörder will es so aussehen lassen, als handelte es sich bei seinen Taten um missglückte Showaufführungen?«, hakte ich nach.
O'Malley wiegte den Kopf. »Darüber herrscht bei uns im Department noch Uneinigkeit. Ich bezweifle es, ehrlich gesagt, denn dann hätte sich der Täter mehr Mühe gegeben, seine Mitwirkung zu verschleiern. Tatsache ist, dass weder Delgado noch Patricks in der Lage gewesen wären, sich allein in diese tödlichen Situationen zu bringen.«
»Dann muss es einen anderen Grund geben, warum der Täter ausgerechnet diese Tötungsarten gewählt hat«, überlegte Phil laut.