Jerry Cotton 3484 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 3484 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

In einem Waldstück in der Nähe der idyllischen Kleinstadt Haverhill wurde eine Prostituierte tot aufgefunden. Sie war zum Opfer eines Killers mit unvorstellbar grausamen Fantasien geworden. Bereits eine Woche zuvor hatte eine junge Lehrerin in einem anderen Bundesstaat dasselbe Schicksal erlitten. Offensichtlich handelte es sich um einen Serienmörder, der sein Unwesen trieb. Phil und ich übernahmen die Ermittlungen. Schon bald stellten wir fest, dass es gleich mehrere Anwärter für die Täterschaft gab. Denn in der beschaulichen Provinz hatte eine Menge Leute schmutzige Geheimnisse. Und es begann eine blutige Jagd entlang der Interstate 95!


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Inhalt

Cover

Highway Walker

Vorschau

Impressum

Highway Walker

Es war eine Nacht wie jede andere. Ungewöhnlich warm allerdings für Ende April. Jedenfalls redeten die Leute so darüber, als wäre es auf eine Art bedeutsam. Dabei spielte das Wetter eigentlich keine Rolle. Nicht für das, was er getan hatte, und auch nicht für irgendeinen anderen Scheiß.

Er zog intensiv am Stummel der filterlosen Camel und beobachtete gleichmütig, wie die Glut in der Dunkelheit aufleuchtete. Er saß auf dem moosbedeckten Waldboden, die Beine angewinkelt, die Schultern entspannt.

Fest stand, dass er weitermachen würde.

Er brauchte nicht mal einen Grund dafür.

Lass uns mal sehen, was draus wird! Das war seine Devise.

Er zerquetschte den Rest der Zigarette zwischen den Fingerkuppen. Dann griff er nach der Halogen-Arbeitsleuchte neben ihm und schaltete sie ein. Ihr Licht umfloss die tote Frau wie ein milchiger Strom.

Es gab noch einiges zu tun.

»Willkommen in Haverhill, der friedlichsten Stadt in ganz Massachusetts. Obwohl heute Sonntag ist und ich verdammt lieber in meiner gemütlichen Bude beim Frühstück sitzen würde. Ich sag's Ihnen gleich, ich bin froh, dass Sie sich um die Frau kümmern.«

Bob Wilson, der Chief des Police Department, war ein pummeliger kleiner Mann mit einem dünnen Kranz schwarzer Haare, einem etwas zu stramm sitzenden weißen Uniformhemd nebst schwarzer Krawatte und auf Hochglanz polierten Halbschuhen. Er sprach gedämpft und eindringlich, als wollte er um jeden Preis den Eindruck vermeiden, nicht kooperativ zu sein.

»Verstehen Sie mich nicht falsch«, fuhr er fort, »aber sie war nun mal nicht von hier und eine gottverdammte Nutte.«

»Sie ist tot«, sagte Phil.

»Ja leider. Ich meine, ihr Tod macht mir nur Scherereien.« Er schüttelte missbilligend den Kopf. »Frauen wie sie leben eben gefährlich, dafür kann niemand etwas.« Er seufzte maßvoll. »Was ist mit dieser anderen in Port Chester, hat die sich auch für ein paar Dollars flachlegen lassen?«

Phil und ich saßen Wilson noch keine zwei Minuten in seinem Office gegenüber, und ich wusste schon jetzt, dass ich ihn nicht mochte. Hinter seinem Schreibtisch hing ein Foto des lächelnden amerikanischen Präsidenten. Ich fragte mich, ob er immer noch lächeln würde, wenn er wüsste, wer in der hübschen Stadt am Merrimack River für Sicherheit und Ordnung sorgte.

Doch Phil und ich mussten mit Wilson klarkommen. Wir waren auf seine Kooperation angewiesen. Nachdem vorgestern Morgen in einem entlegenen Waldstück am Fluss außerhalb der City die einundzwanzigjährige Prostituierte Ivy King ermordet aufgefunden worden war, hatte man das New Yorker Field Office eingeschaltet. Denn eine Woche zuvor war im Bundesstaat New York, in der Kleinstadt Port Chester im Westchester County, die junge Lehrerin Lilian Vanderfelt auf dieselbe bestialische Weise getötet worden wie Ivy King. Ihre entblößte Leiche hatte lasziv ausgestreckt an einer entlegenen Stelle des städtischen Summerfield Park gelegen. Eine Familie mit Eltern, Kind und Hund hatte sie dort frühmorgens entdeckt.

Offenbar hatte man es mit einem Serienmörder zu tun. Mr. High hatte Phil und mich mit den Ermittlungen betraut.

Ich sah mich gezwungen, etwas klarzustellen. »Erstens, es gefällt mir nicht, Chief, wie Sie über die Opfer reden. Man könnte glatt meinen, Sie hätten ein gewisses Verständnis für den Täter.«

Er riss empört die Augen auf.

»Sind Sie übergeschnappt, Cotton? Wenn Sie das nicht auf der Stelle zurücknehmen ...« Er war lauter geworden, wodurch seine Stimme dünner und schärfer wurde.

Ich unterbrach ihn. »Sie sollten diesen Eindruck vermeiden. Zweitens, nein, bei dem Opfer in Port Chester handelt es sich nicht um eine Prostituierte, sondern um eine junge Lehrerin.«

»Und drittens«, fügte Phil hinzu, »sollten Sie sich damit abfinden, dass der Tod dieser Frauen eine Menge Staub aufwirbeln wird. Und es wird vermutlich weitere Morde geben, ob Ihnen das gefällt oder nicht.«

Wilson schwieg verärgert.

»Wer hat die Leiche gefunden?«, fragte ich.

»Ein wackeliger alter Knabe, der mit seinem Wagen rein zufällig an der Straße anhielt, um seinen Labrador im Wald pinkeln zu lassen und sich dabei etwas die Beine zu vertreten. Das Erlebnis hat ihn derart erschüttert, dass er in ein Krankenhaus eingeliefert werden musste.«

»Geben Sie mir bitte die Fotos vom Tatort«, forderte ich den Chief auf.

Er schob mir eine graue Klappmappe über den Tisch zu. »Über Fingerabdrücke brauchen Sie gar nicht erst nachzudenken. Dieser Mörder ist sehr gewissenhaft.«

Phil rückte seinen Stuhl dicht neben meinen. Ich öffnete die Mappe, und wir sahen uns die Bilder gemeinsam an.

Die Aufnahmen zeigten eine nackte schlanke Frauenleiche, die mit grotesk gespreizten Beinen auf einem weißen Tuch zwischen Bäumen lag, mit seitlich ausgestreckten Armen, den Kopf mit dem blonden Haar weit zurückgebogen. Das Kunstlicht des Fotografen präsentierte das Opfer in surrealer Helligkeit, während der Wald in ungenauen Grau- und Schwarztönen versank.

Der Körper und das Tuch waren überschwemmt von Blut.

Es gab verschiedene Nahaufnahmen. Die erste säuberlich gefaltete Kleider, offensichtlich die des Opfers. Die nächste eine klaffende Halswunde.

Ich deutete darauf. »Hat der Täter hier das Messer angesetzt?«

Der Chief nickte. »Hat ihr die Hauptschlagader durchschnitten.«

Auf einem Foto konnte man den Text lesen, den der Täter mit schwarzer Farbe auf den Bauch Ivy Kings gekritzelt hatte: Right is right. Auf einem anderen war der Hals einer Colaflasche zu erkennen, die der Täter in die Vagina eingeführt hatte. Das Umfeld hatte er mit niedlichen Blumenaufklebern dekoriert.

Die vorletzte Aufnahme zeigte Ivys weiße, rot getunkte Sneaker.

»Er hat ihre Schuhe in Blut getränkt?«, wollte Phil wissen.

»Ja, war es in Port Chester nicht genauso?«

»Doch«, bestätigte Phil. »Nur dass die Frau Stiefel getragen hat. Das Blut stand darin mehrere Inch hoch.«

Wilson schien jetzt beeindruckt. »Alles ist demnach exakt so wie in Port Chester?«

»Nicht ganz«, sagte ich. »Die Worte auf dem Bauch waren andere: Your best. Und Lilian Vanderfelts Kopf war mit grüner Kunststofffolie umwickelt.«

Der Chief lehnte sich zurück und spitzte verdrießlich die Lippen. »Der Schweinhund muss vollkommen verrückt sein. Ich denke, Sie haben recht, er wird weitermachen. Ich hoffe bloß, dass er nicht mehr in meiner Stadt aufkreuzt.«

Ohne darauf einzugehen, fragte ich: »Wann können Agent Decker und ich mit dem Gerichtsmediziner sprechen?«

»Den Doc, der die Leichenschau am Tatort vorgenommen hat, arbeitet am pathologischen Institut des Holy Family Hospital in der Lincoln Avenue. Sein Name ist Kovacev. Die Obduktion wird Chief Fairwether von der Gerichtsmedizin in Boston vornehmen. Soviel ich weiß, kommt er heute Nachmittag nach Haverhill.« Wilson warf einen Blick auf seine Armbanduhr, deren Ziffernblatt die amerikanische Flagge zeigte. »Ich habe Kovacev gebeten, sich gegen elf Uhr Zeit für uns zu nehmen. Das wäre in einer Stunde. Ist das okay für Sie?«

»Klar«, erwiderte Phil. »In der Zwischenzeit könnten wir uns den Tatort ansehen.«

»Von mir aus, aber wollen Sie nicht zuerst Ihr Gepäck im Hotel abgeben?«

»Soweit ich weiß«, sagte ich, »liegt es nicht weit vom Tatort entfernt. Es ist das Travelers Home. Wir könnten auf dem Rückweg einchecken.«

»Oh!« Er schien sich ein Grinsen zu verkneifen. »Nicht unbedingt die erste Adresse. Da gibt's nicht mal eine ordentliche Bar.« Er zuckte mit den Schultern. »Die Zimmer sind sauber, vielleicht reicht Ihnen das ja.«

»Machen Sie sich um uns keine Sorgen«, entgegnete Phil, »wir kommen schon zurecht.«

»Na schön, wie Sie meinen. Ich ordere dann mal einen Wagen.«

Kurz darauf chauffierte uns ein drahtiger junger Officer in einem Ford-Streifenwagen durch die belebte City mit ihren sinnfällig angeordneten Häusern und Straßen. In der Nähe des Merrimack River waren ganze Heerscharen von vergnügten Bummlern zu besichtigen, die das schöne Wetter an diesem Sonntag aus ihren Zimmern ins Freie gelockt hatte.

Am Fluss entlang führte die Straße aus der City hinaus. Bald säumten hohe Fichten die Ufer. Hinter einem Wegweiser zur in der Nähe verlaufenden Interstate 95 tauchte rechts, zurückversetzt von der Straße, das Travelers Home auf. Ein schmuckloser viergeschossiger Ziegelbau in einem vernachlässigten Garten.

Nach etwa fünf Minuten bog der Ford links in einen Schotterweg ab. Der Fahrer hielt an, stieg aus und entfernte das gelbe Absperrband mit der schwarzen Aufschrift Police do not cross, das den Weg abriegelte. Dann nahm er wieder hinter dem Steuer Platz. Zwischen den dicht stehenden Bäumen, auf deren sanftes Grün die Sonnenstrahlen goldflimmernde Reflexe malten, holperte der Ford in gemäßigtem Tempo bis auf eine Lichtung. Der Fahrer stoppte den Wagen.

Wilson, der vorne neben ihm saß, wandte sich zu Phil und mir um. »Ich gehe davon aus, dass der Täter ebenfalls mit seinem Fahrzeug herkam und es hier stehen ließ. Meine Leute haben Reifenspuren eines Pkw entdeckt.«

Wir stiegen aus. Der Officer blieb beim Wagen zurück, während Phil und ich dem Chief folgten, der sich fluchend zwischen den tief hängenden Zweigen durchschlängelte. Dabei vermied er es sogfältig, über die zahlreichen Unebenheiten und Wurzeln auf dem Boden zu stolpern und dabei seine Schuhe zu ruinieren.

»Ob der Täter Ivy auf diesem Weg getragen hat?«, überlegte Phil laut, nachdem wir bereits eine ganze Weile unterwegs waren.

»Ich nehme an, er hat sievor sich her getrieben.« Wilson schnaufte. »Oder er ist verdammt gut in Form.«

Schließlich kamen wir an eine kreisförmige Stelle von etwa vier Yards Durchmesser, die ebenfalls von einem gelben Band abgesperrt war.

»Keine Zeugen«, sagte Wilson. »Niemand hört was, niemand sieht was. Niemand kommt her, erst recht nicht bei Nacht.«

»Dort in der Mitte ...?«, fragte Phil.

»Ja, wo die Bäume etwas weiter auseinanderstehen«, bestätigte Wilson, »da lag die tote Lady auf einem hübschen weißen Laken.«

Ich ließ den Eindruck des stillen Ortes schweigend auf mich wirken und versuchte zu ergründen, was dessen Wahl über den Täter aussagte.

Als hätte er meine Gedanken gelesen, fragte Phil: »Was hat den Kerl dazu veranlasst, sich mit Ivy King hierher zurückzuziehen, Jerry?«

»Ich weiß nicht, womöglich fühlte er sich hier sicher.«

»Kann sein, ja. Oder er mochte das, weitab von der Stadt, unter dem Sternenhimmel, ein Stück Wildnis ...«

»Du meine Güte.« Wilsons Stimme troff vor Hohn. »Halten Sie diesen Freak etwa für einen Romantiker? Ganz ehrlich, so einen Mist habe ich lange nicht gehört. Und selbst wenn er es wäre, was würde das schon bedeuten?«

Zum zweiten Mal an diesem Morgen erhielt Wilson keine Antwort.

Stattdessen fragte Phil: »Hat die Spurensicherung außer den Kleidern der Frau und ihren Schuhen noch etwas anderes gefunden?«

»Auf Ivy Kings Wange klebte ein schwarzes Haar. Da sie eine klassische Pin-up-Blondine war, stammt es nicht von ihr, aber möglicherweise vom Täter.«

»Das wissen wir erst, wenn wir einen Vergleich haben.«

Ich schaltete mich wieder ein. »Woher weiß man, dass Ivy King anschaffen ging?«

Der Chief grinste anzüglich. Das Thema schien ihm Laune zu machen. »Es gibt hinter dem Travelers Home noch ein dazugehöriges Restaurant, das Travelers Diner. Gäste machten die Besitzer Martha und Earl Ashwin darauf aufmerksam, dass dort neuerdings eine junge Frau ihre Liebesdienste anbot. Es hieß, wenn sie sich jemand geangelt habe, hätte sie es ihm in seinem Auto oder in ihrem Campingwagen besorgt. Angeblich nach allen Regeln der Kunst. Miss Ashwin beschwerte sich bei mir. Sie war verständlicherweise extrem aufgebracht. Ich stellte Ivy King zur Rede. Sie leugnete natürlich und meinte, sie werde ohnehin bald abreisen.«

»Wie lange ist das her?«

»Keine zwei Wochen.«

»Wo wohnte sie?«

»In diesem Campingwagen, den sie auf einem offiziellen Abstellplatz am Fluss geparkt hatte.«

»Das heißt, sie zog damit herum?«

»Ja, sie war eine von diesen Nomaden, die nirgendwo hingehören. Gott weiß, wo sie überall ihrem Geschäft nachgegangen ist.«

»Haben Sie den Wagen durchsuchen lassen?«

»Ja, pro forma, hab aber nicht damit gerechnet, dass sich da außer zerknüllter Wäsche und anderem Kram groß was finden ließe. Und so war's dann auch.«

Ich nickte. »Haben Sie überprüft, ob sie allein dort lebte?«

»Warum sollte ich? Ich wusste, sie würde sich wieder verziehen, das war's. Warum hätte ich mich für ihr Privatleben interessieren sollen?«

»Jetzt nachdem sie ermordet wurde, sollten Sie sich dafür interessieren.«

»Kling verdammt unlogisch, Decker. Falls die gute Ivy so was wie einen Zuhälter hatte, wird er sich wohl kaum als unser Serientäter entpuppen. Ich meine, warum, um Himmels willen, hätte er ausgerechnet die Frau abschlachten sollen, die seinen Lebensunterhalt finanzierte?«

Phil lächelte spöttisch. »Macht Spaß, Ihnen beim Denken zuzusehen, Chief. Sie haben schnell die passenden Schlussfolgerungen parat.«

Wilson verzog keine Miene. »Keine Sorge, ich bin nicht scharf darauf, Ihnen die Arbeit abzunehmen. Mir reicht's völlig, wenn in Haverhill bald wieder Ruhe einkehrt.«

Wir gingen zum Auto zurück. Der Officer brachte uns zum Hotel. Durch den Garten führte ein betonierter Weg zwischen Beeten mit weißen und lilafarbenen Anemonen zu einem mickrigen Abstellplatz vor dem viergeschossigen Gebäude. Dort standen einige Klein- und Mittelklassewagen.

Wilson und der Officer stiegen mit Phil und mir aus und warteten am Fahrzeug, während Phil und ich mit unseren Koffern zum Eingang hinübergingen. Durch eine hölzerne Drehtür betraten wir einen schlecht beleuchteten Vorraum, in dem uns an der mit grünem Samt ausgeschlagenen Rezeption ein gebeugter hagerer Mann in einem zerknautschten braunen Anzug erwartete. Hinter ihm an der Wand hing ein verblasstes Ölgemälde in einem verschnörkelten Rahmen. Es stellte die Kreuzigung Jesu dar.

Ein fader Duft von billigem Parfüm hing in der Luft.

»Sie sind also die G-men aus New York, was? Na, ich hoffe, dieses Etablissement wird Sie nicht enttäuschen.« Er lachte meckernd. »Keine Ahnung, welchen Luxus Sie gewöhnt sind. Jedenfalls treffen Sie hier nur ehrliche Leute an. Und das ist ja auch schon was, oder?« Der forschende Blick aus seinen rotgeränderten Fischaugen verriet Unbehagen und Argwohn.

»Wirklich hübsch hier, Sir«, gab sich Phil begeistert. »Ich bin mir sicher, die Zimmer sind genauso gemütlich. Würde es Ihnen etwas ausmachen, unser Gepäck dorthin bringen zu lassen? Agent Cotton und ich müssen gleich weiterziehen.«

»Immer schön langsam«, giftete der Alte, »erst mal füllen Sie die Formulare aus.«

»O ja, natürlich, Sir.« Phil zwinkerte mir vergnügt zu. »Wie konnte ich das bloß vergessen?«

Der Alte verstummte und zog sich in seine Verbitterung zurück wie eine Schnecke in ihr Gehäuse.

Nachdem alles geregelt war, verließen Phil und ich das Hotel mit dem Eindruck, dass es seine besten Jahre bereits hinter sich hatte. Aber es lag immerhin verkehrsgünstig am Highway, außerdem sparte das FBI einen Haufen Geld bei dieser Art der Unterbringung.

»Und?«, erkundigte sich der Chief schadenfroh. »Habe ich Ihnen zu viel versprochen? Ist doch ein nobler Schuppen.«

»O ja«, erwiderte Phil ernst, »der Service ist ausgezeichnet.«

Wilson gab dem Officer Anweisung, dem Ford ordentlich einzuheizen, sodass wir auf die Sekunde genau im Holy Family Hospital eintrafen.

Doc Kovacev empfing uns in seinem sachlich eingerichteten Büro in dritten Stock. Ich schätzte ihn auf Mitte vierzig. Bürstenhaarschnitt, randlose Brille, gerade Haltung. Ein aufmerksames, unaufdringliches Lächeln.

Während er Phil und mich mit wohlwollender Neugier begrüßte, war er bei Wilson auf förmliche Zurückhaltung bedacht. Ich nahm an, dass der Doc seine speziellen Erfahrungen mit dem Chief hatte.

Wir nahmen an einem runden Tisch mit hellgrauer Resopalplatte Platz.

»Mir ist nicht bekannt, inwieweit Sie bereits informiert sind«, wandte sich der Doc an Phil und mich. »Aber ich würde gerne die Ergebnisse meiner Untersuchung zusammenfassen, ehe Sie Ihre Fragen stellen. Wäre das okay für Sie?«

»Selbstverständlich«, stimmte ich zu.

»Die Tat muss zwischen ein und drei Uhr in der Nacht von Donnerstag auf Freitag begangen worden sein. Todesursache war das Durchtrennen der Schlagader auf der linken Halsseite. Vermutlich mit einem Messer mit extra scharfer Klinge. Man kann das an dem Schnitt erkennen. Danach muss der Tod innerhalb von zwei bis drei Minuten eingetreten sein. Sie haben sicherlich die gespreizten Beine des Opfers auf der Fotografie gesehen. Der Täter hat die Hüftgelenke des Opfers gebrochen, womöglich, um diesen grotesken Eindruck herzustellen. Das Motiv herauszufinden, ist natürlich Ihre Sache.«

»Ich denke, dass Sie mit Ihrer Vermutung richtig liegen«, sagte Phil. »Hat der Täter den Geschlechtsakt mit dem Opfer vollzogen?«

Kovacev zuckte unschlüssig mit den Schultern. »Kommt darauf an, was man darunter versteht. Es fanden sich keine Spuren von Sperma in der Scheide. Gleichwohl aber massive Verletzungen, die er dem Opfer mit der Flasche zugefügt hat.«

»War das«, fragte ich, »ehe er Ivy King tötete?«

Kovacev schwieg einen Moment, ehe er sagte: »Es gibt keine Anzeichen dafür, dass sie sich großartig wehrte. Ziehen Sie daraus Ihre Schlüsse.«

»Zum Teufel«, meldete sich Wilson zu Wort, »was soll man da lange rätseln, Doc? Er hat sich an der Leiche vergangen. So was soll's ja geben, oder?«

Kovacev ignorierte Wilsons Einwurf. »Mir ist noch etwas aufgefallen. Die Haut des Opfers weist eine Anzahl von Hämatomen auf, deren Ursache länger zurückliegen muss. Ich schätze mal, diese Frau hatte kein leichtes Leben.«

»Tja, immerhin hat sie es wohl so gewollt.« Wilson blickte auf seine Stars-and-Stripes-Armbanduhr. »War's das, Doc? Sorry, ich muss dringend zurück ins Office.«

Kovacev runzelte die Stirn und sah Phil und mich fragend an.

»Von mir aus können wir uns auf den Weg machen«, entschied ich. »Es sei denn, Sie hätten noch weitere aufschlussreiche Details für uns, Doc.«

»Ich schlage vor«, erwiderte Kovacev, »wir warten ab, zu welchem Ergebnis Professor Fairwether bei der Autopsie heute Nachmittag kommt.«

Phil und ich bedankten uns bei Kovacev. Wir tauschten noch ein paar freundliche Worte. Wilson war bereits vorausgeeilt und außer Sicht, als Phil und ich mit dem Doc auf den Flur traten. Er lachte, als er unsere verblüfften Gesichter bemerkte.

»Wundern Sie sich nicht über den Chief, er hat es immer eilig. Manchmal denke ich, er läuft vor irgendwas davon.«

Als Phil und ich zum Parkplatz des Hospitals zurückkehrten, stand der Chief schon da und trommelte mit den Fingern ungeduldig auf das Autodach. »Du meine Güte, was gab's denn noch groß zu bereden da drin?«

»Sie sagen manchmal komische Dinge«, sagte Phil. »Man könnte sich glatt daran gewöhnen, Ihnen nicht zu antworten.«