Jerry Cotton 3485 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 3485 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Zwei Mitglieder des New Yorker Chapters der Rockergruppe Pagans wurden aus einem schwarzen SUV heraus mit einer MP erschossen. Ein dritter Mann konnte entkommen und wurde nach einer kurzen Verfolgungsjagd ebenfalls getötet. Das FBI war alarmiert. Denn über eine Verkehrskamera konnte das flüchtende Tatfahrzeug identifiziert werden. Es gehörte dem Boss der mexikanischen Rockergang Fat Mexican, die sich erst vor Kurzem im Big Apple niedergelassen hatte. Griffen die Fat Mexicans die Pagans etwa frontal an? Drohte ein Rockerkrieg? Wir vom FBI übernahmen den Fall und brachen bis an die Zähne bewaffnet zum Hauptquartier der Mexikaner auf ...


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Inhalt

Cover

Rockerkrieg

Vorschau

Impressum

Rockerkrieg

Rose M. Singer Center, Rikers Island, New York

Ihre Augen füllten sich mit Tränen, als sie durch das schmale Gefängnisfenster auf die nächtliche Skyline Manhattans starrte. Die glitzernde Stadt war so nahe und doch weiter weg als der Mond. Für sie zumindest. Dort drüben schien der Himmel zu sein. Hier saß sie in der Hölle.

Bereits am ersten Tag war Danielle Romanek von fünf ihrer Mitgefangenen unter der Dusche vergewaltigt worden. Zwei Tage später hatten sich drei Aufseher an ihr vergangen. Und es hatte nicht aufgehört. Gewalt und Demütigung waren ihr Alltag geworden. Es stimmte, was öffentlich gesagt wurde: Rikers Island war der schrecklichste Ort der Welt.

Sie schluckte ihre Bitternis herunter. Ihre Hoffnungen auf einen Freispruch hatten die Geschworenen des Bezirksgerichts jäh zunichte gemacht. In zwei Tagen würde sie nach Mable Bassett verlegt, wo sie den Rest ihres Lebens verbringen sollte. Dann lieber tot sein.

Es war nicht schwierig, auf Rikers Island ein Messer zu bekommen. Und man musste es nicht einmal in bestimmten Körperöffnungen in die Zelle schmuggeln. Es interessierte einfach niemanden. Danielle Romanek legte sich seitlich aufs Bett. Sie zögerte einen Moment. Dann schnitt sie sich die Pulsadern auf.

Interstate 95, Fort Lee, New Jersey

Sie überquerten den Hudson River auf der George Washington Bridge und fuhren zu zweit nebeneinander. Das Quadrat aus Pagans bewegte sich mit exakt dreißig Meilen Richtung Fort Lee, New Jersey. Drei von ihnen klemmten sich Victory Jackpots unter den Hintern. Lediglich Billy Jay Riggs, der die Position rechts hinten einnahm, fuhr eine Indian Dark Horse. Mit diesem Tempo hätten die Pagans normalerweise als Verkehrshindernis fungiert. An diesem frühen Nachmittag war die Interstate 95 allerdings nur mäßig befahren, sodass es genügend Platz zum Überholen gab. Autos und Trucks rauschten in schöner Regelmäßigkeit links an ihnen vorbei.

Der kleine Tross wirkte auf Außenstehende irgendwie gemütlich, da war sich Riggs sicher. Aber die hatten auch keine Ahnung, was tatsächlich hinter dieser Ausfahrt steckte. Riggs erlaubte sich ein kurzes Grinsen und zog die schwarze Basecap tiefer ins Gesicht. Es war schon verflucht kalt, eine Jacke hätte sicher nicht geschadet. Wirklich warm anziehen mussten sich demnächst die Dreckskerle von den Compadres, die neben den Highwaymen zu ihren Erzfeinden zählten.

Die Compadres hatten den Pagans in New Jersey eine illegale Spielhölle auseinandergenommen. Das durfte nicht ungerächt bleiben. Zum Glück hatten die Cops den Überfall nicht mitgekiregt, sonst wäre eine Racheaktion deutlich schwieriger geworden. Nun war die Abordnung des Pagans Long Island Chapter zu den Brüdern in Fort Lee unterwegs, um Gegenmaßnahmen zu besprechen. Nach dem Rachekodex der Pagans musste mindestens ein Compadre dran glauben. Feuerüberfall aus dem Hinterhalt, wenn das ausgewählte Opfer an nichts Böses dachte. Ja, das Leben kann mitunter sehr schnell vorbei sein, dachte Riggs und grinste hämisch.

Ein schwarzer GMC Yukon, der zum Überholen ansetzte, schob sich in Riggs Blickfeld. Als der SUV seine Geschwindigkeit drosselte und sie dem Motorradquartett anpasste, drehte Riggs erstaunt den Kopf, genauso wie seine Brüder.

Die seitlichen Scheiben waren nach unten gelassen. Zwei MP-Läufe schoben sich heraus und richteten sich direkt auf sie. Die Typen, die sie hielten, trugen Skimasken. Sonnenbrillen verdeckten ihre Augen. Riggs wollte schreien. Tiger neben ihm kam ihm zuvor. Dessen heiserer Schrei mischte sich mit dem Rattern der Uzis. Ein tödliches Bleigewitter brach über die Pagans herein.

Billy Jay Riggs sah die folgenden Szenen wie in Zeitlupe. Die Geschosse schüttelten seine Brüder durch. Sie tanzten förmlich auf ihren Maschinen und verzogen die Lenker. Schon stürzten sie mit ihren Motorrädern auf den Asphalt. Die beiden vorderen schlidderten ein paar Yards und krachten ineinander. Pazzano, der links vorne gefahren war, kam zwischen die Maschinen, während Sanborn verkrümmt auf dem Asphalt liegen blieb. Überall war plötzlich Blut. Auch Tiger neben ihm stürzte. Seine Maschine schlidderte seitlich auf Riggs zu. Er selbst war wie durch ein Wunder noch nicht getroffen worden.

Mit einem Reflex zog er seine Dark Horse nach rechts. So konnte er der rutschenden Maschine tatsächlich ausweichen. Der flüchtige Eindruck von Tigers zerschmettertem Schädel setzte sich in seinem Hirn fest, während er sich schon wieder nach vorne konzentrierte. Verzweifelt versuchte er, an Sanborns liegendem Motorrad vorbeizukommen. Der Weg war viel zu kurz. Er krachte hinein. Seine Dark Horse stürzte ebenfalls. Riggs verabschiedete sich über den Lenker nach vorne. Hart schlug er auf der Fahrbahn auf. Schmerzen verspürte er dennoch kaum. Die nächste Salve aus den Uzis ging knapp über ihn hinweg. Er spürte den Luftzug der Kugeln.

Riggs wollte aufspringen und die selbst gebastelte Handgranate, die er immer bei sich trug, aus der Hosentasche ziehen. Dass er sich nicht mehr bewegen konnte, versetzte ihn in eine unglaubliche Wut. Der schwarze Yukon stand jetzt, hinter ihm fuhr schlingernd ein Oldsmobile vorbei. Riggs nahm es wie in Zeitlupe wahr. Er wusste, dass er keine Chance mehr hatte. Die nächste Salve traf ihn voll. Er spürte die Einschläge am ganzen Oberkörper. Eine Kugel fetzte ihm die Kniescheibe weg. Das Leben kann mitunter sehr schnell vorbei sein, ging es ihm ein zweites Mal durch den Kopf, ohne dass diesmal ein hämisches Lachen folgte.

Eine Kugel traf die Handgranate in seiner Hosentasche. Eine grelle Explosion begleitete Riggs' letzten Gedanken, mit dem er sich in einem Regen aus Fleischfetzen und Blut in die Ewigkeit verabschiedete.

FBI Field Office, Manhattan

Unser tägliches Briefing am Spätnachmittag stand an. Wir saßen zu zwölft in der Runde und warteten auf SAC Steve Dillaggio, der die Austauschrunde leiten sollte. Ein dringendes Gespräch nagelte ihn in seinem Büro fest. Mr. High blickte bereits zum dritten Mal auf seine Uhr, als endlich die Tür aufging. Anstatt des allseits erwarteten SAC schob sich Kollege Zeerookah in den Besprechungsraum. Ihm schien eine Laus über die Leber gelaufen zu sein. Der Cherokee machte erst gar keinen Versuch, seine Übellaunigkeit zu verbergen.

»Hi«, sagte er nur und setzte sich schnaufend neben Phil Decker.

»Was ist los, Häuptling Cochise?«, wollte Phil mit einem breiten Grinsen wissen. »Du siehst aus, als wäre dir deine Skalpsammlung abhandengekommen.«

»Ja. Und mit deinem fange ich eine neue Sammlung an, weißer Mann«, erwiderte Zeerookah schlagfertig. Damit löste er ein Kichern bei einigen Kollegen aus. »Aber vielleicht hast du ja Glück und ich nehme den von Vickery als Ersten.«

»Was ist passiert, Zeerookah?«, wollte Mr. High wissen. »Sie waren doch heute als Zeuge unterwegs, wenn ich mich richtig erinnere.«

»Ja, Sir, das war ich.« Zeerookah nickte. »Vor dem Bezirksgericht in Manhattan wurde der Mordfall Michelle Spencer verhandelt.«

»Ist das die Frau, die ihre beiden kleinen Kinder getötet hat?«, fragte ich.

»Genau die, Jerry. Das war Steves und mein Fall. Die Spencer hatte ja zunächst behauptet, der Vater, von dem sie getrennt lebt, habe die Kinder in den Iran entführt, bevor wir sie dann grausam ermordet in einem Waldstück gefunden haben.« Der Gedanke daran ließ sein Gesicht versteinern. »Ich habe die Spencer viele Male vernommen«, fuhr Zeerookah fort. »Und mit all der Menschenkenntnis, die ich habe, sage ich euch, dass sie eine eiskalte psychopathische Killerin ist. Sie wollte die Kinder loshaben, um frei für ihren neuen Liebhaber zu sein, der die Kids gehasst hat. Ja, und dann kam Vickery.«

Mr. High musterte ihn. »Sie sprechen von Chris Vickery, dem bekannten forensischen Gutachter, nehme ich an.«

»Ja, Sir, von dem. Vickery hat die Spencer begutachtet. Und er hat ihr eine schwere Persönlichkeitsstörung attestiert und sie für vermindert schuldfähig erklärt. Er sagte, sie habe die Kinder in einer Art wahnhafter Zeremonie geschlachtet, als Opfer für ihren neuen Liebhaber. Dabei sei ihr weder bewusst gewesen, dass es sich um ihre Kinder handelte, noch, was sie überhaupt getan habe.« Er stieß ein verächtliches Grunzen aus. »Bei allem, was mir heilig ist, Sir, ich weiß, dass Vickery da völlig danebenliegt.«

Der Chef nickte.

»Wie kann man sich bloß so in einem Menschen irren, wenn man Psychiater ist? Dummerweise sind die Geschworenen Vickerys Argumentation gefolgt. Sie kommt jetzt in eine Psychiatrie. Aus meiner Sicht wäre lebenslänglich im härtesten Frauenknast das bessere Urteil gewesen.«

»Vielleicht, vielleicht auch nicht«, erwiderte Mr. High. »Ich möchte nur anmerken, dass Mister Vickery einer der renommiertesten Gerichtsgutachter unseres Landes und über jeden Zweifel erhaben ist. Vickery hat seine Brillanz oftmals unter Beweis gestellt. Nehmen Sie's also sportlich, Zeerookah.«

»Natürlich, Sir. Ich bleibe allerdings bei meiner Einschätzung.«

»Das ist Ihnen unbenommen.« Mr. High lächelte fein.

Die Tür öffnete sich erneut. Diesmal kam Steve herein. Er hielt einen Zettel mit handschriftlichen Notizen in der Hand. Der SAC ließ sich auf einen Stuhl plumpsen und nickte seinem Partner Zeerookah kurz zu.

»Wir reden nachher, Zeery. Der Spencer-Fall, ich hab's gerade vorhin in den Fox News gehört.« Sein Blick schweifte in die Runde. »Ladys und Gentlemen, der Witz des Tages zum Einstieg fällt heute flach. Gerade vorhin hat sich die New Jersey State Police bei mir gemeldet. Es geht um den Fall der vier erschossenen Pagans. Da gibt es Entwicklungen, die mir große Sorge bereiten ...«

»Fahren Sie fort, Steve, wir sind alle gespannt«, sagte Mr. High.

»Ja.« Steve schlug die Beine übereinander. »Noch mal kurz zur Rekapitulation. Die vier Rocker wurden am helllichten Tag von einem schwarzer GMC Yukon überholt und aus dem Auto heraus mit Maschinenpistolen erschossen. Danach ist der Fahrer im Höchsttempo geflüchtet und bei Fort Lee abgefahren. Obwohl die Fünfundneunzig zu diesem Zeitpunkt eher schwach befahren war, gibt es jede Menge Zeugen.«

Ich fuhr mir durchs Haar.

»Einige haben sich die Autonummer gemerkt. Aber die Nummernschilder waren falsch, sie stammen von einem vor zwei Wochen in Staten Island gestohlenen Oldsmobile. Das war zu erwarten. Und wegen der getönten Scheiben konnte niemand die Insassen des Tatfahrzeugs erkennen. Der Yukon wurde noch zweimal von Verkehrskameras aufgenommen, einmal in Hackensack und einmal in Rochelle Park. Danach verliert sich seine Spur. Die Killer sind also Richtung Nordwesten geflüchtet. Das scheint ein Täuschungsmanöver gewesen zu sein ...«

»Jetzt wird's richtig spannend«, sagte Phil. »Lass mich raten, Steve. Die Auswertung der Funkzellendaten liegt vor.«

»Hast du hier irgendwo eine Glaskugel stehen, Phil? Deiner Kombinationsgabe allein kann diese Erkenntnis ja wohl kaum entsprungen sein.« Steve grinste.

»Auch ein blindes Huhn findet mal ein Korn«, erwiderte Phil in einer Bescheidenheit, die ihm keiner hier abnahm.

»Auf jeden Fall stimmt es«, fuhr Steve fort. »Die Auswertung der Funkzellendaten hat etwas höchst Beunruhigendes ergeben. Denn eines der Handys, die zum fraglichen Zeitpunkt in der Funkzelle bei Fort Lee eingeloggt waren, ist auf eine Decynda Osorio zugelassen. Und diese Lady wurde von Señor Ramirez Osorio geehelicht ...«

»Müssen wir die beiden kennen?«, fragte Joe Brandenburg.

»Nicht unbedingt. Denn Osorio ist der Boss der Rockergang Fat Mexicans, die erst vor einem guten Dreivierteljahr im Big Apple aufgeschlagen ist.« Steves Augen verengten sich. »Und jetzt ratet mal, was für ein Wagen auf Osorio zugelassen ist.«

»Ein schwarzer Yukon«, antwortete ich.

»Genau, Jerry. Ein schwarzer Yukon.« Steve nickte. »Wenn das kein Zufall ist. Die Fat Mexicans haben sich wirklich Mühe gegeben, ihre Spuren zu verwischen und dabei einen ganz blöden Fehler gemacht. Möglicherweise lag das Handy von Señora Osorio irgendwo unentdeckt im Tatfahrzeug. In der Hackensack-Funkzelle hat es sich plötzlich ausgeschaltet, wahrscheinlich ist der Akku ausgegangen. Den Anfahrtsweg können wir über das Handy nur ungefähr rekonstruieren. Laut den Funkzellendaten bewegte es sich die letzten Tage vor dem Anschlag kreuz und quer durch New York.«

»Aha«, sagte ich.

»Möglicherweise haben die Mexikaner die Pagans ausgekundschaftet und eine günstige Gelegenheit für den Mord abgewartet. So wie es scheint, hat da eine Rockergang die andere angegriffen. Das fällt in den Bereich des organisierten Verbrechens und ist damit ein Fall für uns. Ich bin in großer Sorge, dass wir kurz vor einem Rockerkrieg stehen.«

»Was ist denn über die Fat Mexicans bekannt?«, meldete sich nun erstmals Les Bedell zu Wort. »Meines Wissens sind die eher in Texas und Mexiko aktiv. Die Ostküste ist nicht so ihr Beritt.«

»Stimmt, Les«, erwiderte Steve. »Ich habe mich gerade vorhin noch mit Detective Harry Hoover unterhalten, dem größten Spezialisten des NYPD für Motorradklubs. Der sagte mir, dass sich die Fat Mexicans zu den Outlaw-Motorradklubs zählen, aber nicht so kriminell sind wie etwa die Pagans, Hells Angels, Compadres oder Highwaymen. Normalerweise dulden die etablierten Klubs keine Eindringlinge in ihre Reviere. Doch Hoover meinte, dass es sich bei den Fat Mexicans um einen Unterstützerklub der Highwaymen handelt, weswegen sie von den anderen in Ruhe gelassen werden. Vor allem auch deswegen, weil sie bisher wohl keine kriminellen Aktivitäten an den Tag legen und so niemandem ins Handwerk pfuschen. Irgendeinen Grund muss es allerdings haben, dass sie quasi aus heiterem Himmel hier aufgetaucht sind.«

»Die Pagans und die Highwaymen sind Erzfeinde«, warf ich ein. »Könnte es sein, dass die Highwaymen ihre Unterstützer hergeholt haben, um sie als Hitmen einzusetzen? Vielleicht hatten sie noch eine Rechnung mit den Pagans offen und wollten nicht selbst in Erscheinung treten.«

»Durchaus möglich«, sagte Steve. »Finden wir es heraus. Jerry und Phil, ihr habt den Fall. Und falls tatsächlich ein Rockerkrieg im Raum stehen sollte, verhindert ihn um Gottes willen. Nicht auszudenken, wenn die mit schweren Waffen aufeinander losgehen sollten. Dann nehmen die für gewöhnlich auch keine Rücksicht auf Unschuldige.«

Harding Park, South Bronx

Wir hatten ein SWAT-Team im Schlepptau und waren nach Harding Park in der South Bronx unterwegs. Die Fat Mexicans hatten ihr Hauptquartier an der Gildersleeve Avenue, einer schmalen Straße, die von teilweise heruntergekommenen Einfamilienhäusern mit kleinen Gartengrundstücken dominiert wurde. Soweit wir wussten, wurden die unteren Räume als Klubhaus genutzt, im oberen Stockwerk wohnten Osorio und seine Frau.

Es war bereits dunkel. Die Straßenlaternen leuchteten, auch hinter zahlreichen Fenstern brannte Licht. Ungefähr fünfzig Yards vor dem Klubhaus fuhren wir an den Straßenrand und stiegen aus. Hinter uns strömte das schwer bewaffnete SWAT aus dem Mannschaftswagen. Manche Passanten blieben stehen und verfolgten das Schauspiel, andere gingen schnell weiter.

Commander Pamela Martin und ihre elf Leute gingen im Laufschritt voraus, die Sturmgewehre schussbereit im Anschlag. Phil und ich hetzten hinterher. Wir trugen schusssichere Westen unter den Mänteln, denn auch heute war es empfindlich kalt. Vor allem hier in der South Bronx, wo ein eisiger Ostwind über den East River wehte.

Das zweistöckige Holzhaus mit einer alten Eiche davor stand auf einem verwilderten Rasengrundstück. Im Erdgeschoss brannte Licht hinter den verhängten Fenstern. Rund um die Eiche parkte ein Dutzend schwere Motorräder, allesamt Chopper der Marken Yamaha und Suzuki. Die Tür in dem alten Holzzaun, der das Grundstück umgab, stand offen. Die SWAT-Leute betraten das Grundstück. Zwischen den Motorrädern hindurch huschten wir zur Eingangstür, die auf zwei Holzstufen thronte. Auf Commander Martins Handzeichen hin verteilten sie sich links und rechts der Eingangstür. Wir standen dahinter. Lärm und lautes Lachen drang aus dem Haus. Dazwischen glaubten wir Stöhnen zu vernehmen. Phil und ich sahen uns an. Wir hatten längst unsere Glocks gezogen.

Das SWAT-Team führte einen unterarmlangen Rammbock mit. Auf ein weiteres Handzeichen des Commanders hin nahmen ihn zwei Männer und donnerten ihn gegen die Tür. Es knackte und splitterte. Ein zweiter Stoß ließ die Tür krachend auffliegen. Die SWAT-Mitglieder stürmten mit schussbereiten Gewehren in den Raum und verteilten sich dort.

»FBI! Sofort aufhören und die Hände hoch!«, schrie Commander Martin in einer Lautstärke, die ich ihr nicht zugetraut hätte. Sie musste lautes Brüllen und spitze Schreie übertönen. »Ruhe jetzt, sofort!«, schob sie hinterher.

Tatsächlich verstummte der Lärm.

Phil und ich betraten den Raum. Es stank nach Schweiß, Alkohol und billigem Parfüm. Wir waren mitten in eine Sexorgie geplatzt. Wahrscheinlich hatten sich die Rocker Prostituierte ins Klubhaus bestellt. Nun lagen und standen sie kreuz und quer durcheinander, einige nackt oder nur spärlich bekleidet. Eine der Frauen lag rücklings auf einem Billardtisch, ein übergewichtiger Rocker stand zwischen ihren Beinen. Dahinter war ein mittelgroßer, drahtiger Mittvierziger mit mexikanischem Einschlag. Er steckte in der Fat-Mexicans-Kutte, hatte lange graue Haare und einen ebenso langen grauen Bart, den er als Zopf trug und mit einem Knoten verflochten hatte. Eine uralte zerfranste Cap saß auf seinem Kopf. Wie die Kutte zeigte sie das Abzeichen des Klubs, einen grinsenden Totenkopf mit einem bunten, schief sitzenden Sombrero, darüber den halbrund angelegten Klubnamen in einem blutroten Feld. Unter dem Totenkopf war kunstvoll verschnörkelt das Wort President aufgenäht.

Ich hätte Ramirez Osorio auch ohne diesen Hinweis erkannt, weil wir zuvor Fotos von ihm gesehen hatten. Nicht zuletzt die feuerrote Narbe, die sich quer über seine rechte Gesichtshälfte zog, gab ihm ein unverwechselbares Aussehen.

»Ihr Scheißdreckscops, was wollt ihr hier?«, schrie ein schlanker, muskulöser Latino mit gepflegtem Schnauzbart.

Der Kerl war sichtlich angetrunken. Er stand mit nacktem Oberkörper hinter einer noch angezogenen Frau, die die Hände bis beinahe unter die Decke streckte und uns mit panisch aufgerissenen Augen anstarrte. In ihrem Schutz versuchte der Rocker nach einer Pistole zu greifen, die neben ihm lag. Sofort richtete ich die Glock auf ihn.

»Ich würde es nicht mal versuchen!«, sagte ich laut. »Sonst haben Sie schneller ein Loch im Schädel, als Sie Muh sagen können!«

So viel Verstand brachte er immerhin noch auf, dass er meine Worte begriff. Er unterbrach seine Bewegung und starrte mich hasserfüllt an. Die Frau vor ihm begann zu zittern.