Jerry Cotton 3487 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 3487 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

"Hallo, ist da Patty’s Pizza?", fragte die Frau.
Verdammt, klang die Stimme sexy! Bob Patterson hatte täglich viele Kundinnen am Telefon, die etwas bestellten. Kaum eine hatte eine so verführerische Stimme.
"Sie sind hier richtig, Miss", sagte er. "Was kann ich denn für Sie tun?"
"Na, ich möchte was bestellen", kam es gehaucht aus dem Hörer. "Und ich möchte noch etwas", fuhr die Frau fort. "Und das ist mir besonders wichtig ..."

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Inhalt

Cover

Blutiger Verdacht

Vorschau

Impressum

Blutiger Verdacht

»Hallo, ist da Patty's Pizza?«, fragte die Frau.

Verdammt, klang die Stimme sexy! Bob Patterson hatte täglich viele Kundinnen am Telefon, die etwas bestellten. Kaum eine hatte eine so verführerische Stimme.

»Sie sind hier richtig, Miss«, sagte er. »Was kann ich denn für Sie tun?«

»Na, ich möchte was bestellen«, kam es gehaucht aus dem Hörer. »Und ich möchte noch etwas«, fuhr die Frau fort. »Und das ist mir besonders wichtig ...«

Während die Anruferin eine Pause einlegte, traf Patterson der skeptische Blick seiner Ehefrau. Sie schien zu ahnen, dass irgendwas Besonderes mit dem Anruf sein musste. Wahrscheinlich hatte er, den alle Patty nannten, zu auffällig vor sich hin gegrinst.

Die kurze Ernüchterung erinnerte ihn daran, dass er besser die Aufnahmetaste der Vorrichtung drückte, mit der man die Anrufe aufzeichnen konnte. Es war ein Schutz gegen Scherzanrufe, die sie in der Pizzeria hin und wieder erhielten.

»Sie haben doch diesen süßen Boten«, rückte die Anruferin endlich mit ihrem Sonderwunsch heraus. Und sofort konnte sich Patterson denken, worum es hier wirklich ging. Okay, er hatte auch zwei, drei Jahre als Pizzabote gearbeitet und selbst erlebt, dass da manchmal einsame Ladys anriefen, die sich über den Besuch des Boten mehr freuten als über das, was er brachte.

Leider waren diese Zeiten vorbei. Mittlerweile wog Patterson, der an Beleibtheit Loretta in nichts nachstand, fast doppelt so viel wie früher. Außerdem war, wenn er ehrlich war, bei diesen einsamen Herzen ohnehin nie besonders viel gelaufen. Der Zeitdruck für die Auslieferungen war zu groß.

Trotzdem ging Patterson auf das Spiel ein. Man musste Kunden bei Laune halten.

»Welchen meinen Sie denn?«, fragte er. »Unsere Jungs sind alle attraktiv.«

Die Frau begann eine detaillierte Beschreibung. Sie musste also von dem Boten, den sie meinte, schon mal beliefert worden sein.

»Das ist Marc«, sagte Patty. »Marc Rio.«

»Dann schicken Sie mir Marc Rio bitte mal vorbei ...«

Patterson erinnerte sie daran, dass sie ihre Bestellung noch nicht aufgegeben hatte. Sie quittierte das mit einem Kichern.

»Oh, stimmt, da haben Sie recht«, sagte sie, und dann kam er endlich dazu, alles zu notieren. Eine Pizza, einen Salat. Sie gab ihm die Adresse durch, die in Queens lag. Und den Namen. Navarro.

»Ich danke Ihnen, Darling. Sagen Sie Marc, dass er ein besonders hohes Trinkgeld bekommt.« Damit legte sie auf.

Darling.

Schon wie sie das gesagt hatte, ging Patterson durch und durch.

»Alles in Ordnung?«, rief Loretta mit ihrer keifenden Stimme herüber. »Wieso hat die Bestellung so lange gedauert?«

»Hat sie eben!«, rief Patterson ärgerlich und knallte ihr den Zettel mit der Order auf den Tresen.

Marc stand draußen neben dem Motorroller, der das rote Logo des Pizzaladens trug.

»Du hast gleich wieder eine Tour«, sagte er. »Scheint eine einsame Frau zu sein.«

Marc Rio verstand sofort und grinste.

»Halt dich nicht zu lange auf, klar? Es gibt noch viele Touren heute Abend.«

Kurz darauf war die Lieferung fertig. Marc bekam sie in der Styroporverpackung, die er auf dem Gepäckträger des Rollers befestigte. Dann brauste er davon.

Special Agent Fred Navarro lenkte seinen alten Ford in die Garageneinfahrt. Die Scheinwerfer trafen auf das Tor. Navarro hatte sich immer wieder vorgenommen, es endlich neu zu streichen. Der Job fraß ihn geradezu auf.

Er hatte gerade zwei Tage Urlaub gehabt und war trotzdem nicht dazu gekommen. Er hatte die Zeit gebraucht, um sich ein bisschen zu erholen. Aber sie hatte nicht einmal gereicht, groß wegzufahren. Er war ein bisschen im Flushing Meadows Park gewesen und war noch mal an den Midland Beach von Staten Island gefahren. Und schon hatte ihn der Job wieder gepackt. Es war der reinste Fluch ...

Er stellte den Motor ab, stieg aus und wollte das Tor aufschließen.

Dabei bemerkte er, dass es nur angelehnt war.

Was hatte das zu bedeuten? Hatte er vergessen, es richtig zuzumachen? Auszuschließen war das nicht. Okay, Junge, du bist überarbeitet, sagte er sich.

Er fuhr den Wagen hinein. Drinnen gab es ganz hinten eine Verbindungstür ins Haus. Als Navarro sie öffnen wollte, stellte er fest, dass sie auch nur angelehnt war.

In diesem Moment schrillten in seinem Inneren sämtliche Alarmglocken.

Er hatte das Garagentor bereits von innen verschlossen und Licht gemacht. Es war eine einzelne Neonröhre, die alles in kaltes Licht tauchte.

Navarro drückte den Schalter. Das Licht erlosch. Er tastete nach seiner Dienstwaffe, die er in einem Holster unter der Jacke trug.

Er konnte sich im Dunkeln in seinem Haus bewegen, denn er kannte es sehr gut. Damit war er einem Einbrecher überlegen.

Vorsichtig zog er die Verbindungstür vollständig auf. Eine wenig Licht der Straßenlaternen drang durch die Belüftungslamellen im Garagentor herein, und in diesem matten Schein lag der Eingang vor Navarro wie ein schwarzes Loch.

Die Pistole in der Hand, ging er in sein Haus.

War der Einbrecher noch da?

Von der Garage aus gelangte man in einen Flur, der als Abstellkammer für Nahrungsmittel und Haushaltsgegenstände diente. Hölzerne Regale verliefen an der Wand entlang. Eine weitere Tür folgte, hinter der man gleich neben dem Eingang herauskam.

Navarro hatte schon immer gewusst, dass der Weg durch die Garage eine Schwachstelle war. Eigentlich war er eine echte Einladung an Einbrecher, die genau wussten, wie diese Häuser aus den Siebzigern gebaut waren. Ähnlich wie das Streichen des Garagentors und viele andere Maßnahmen, die in dem Haus nötig waren, hatte Navarro es immer wieder aufgeschoben, daran etwas zu ändern. Er hatte keine Familie, keine Frau, nicht mal eine Freundin. Niemand wartete zu Hause auf ihn. Er lebte nur für seinen Job beim FBI.

Im nächsten Moment raste ein Schatten auf ihn zu.

Er hatte in einer der dunklen Ecken neben der Haustür gewartet.

Der Unbekannte warf ihn zu Boden, versetzte ihm einen Schlag in den Bauch, sodass Navarro die Luft wegblieb. Als er wieder atmen konnte, hatte er seine Waffe nicht mehr.

Der Schatten stand im Eingang zum Wohnzimmer, etwa zweieinhalb Yards entfernt. Navarro merkte sich instinktiv, wie weit die Silhouette nach oben reichte, wie groß der Mann war. Es mussten knapp sechs Fuß sein.

»Steh auf«, zischte der Einbrecher. »Los!«

Navarro war Profi genug, um zu versuchen, sich die Stimme zu merken. Doch was der Eindringling von sich gab, war nur ein unklares Flüstern.

»Was wollen Sie?«, rief Navarro. »Geld? Ich hab fast nichts zu Hause. Und meine elektronischen Geräte sind völlig veraltet. Hauen Sie einfach ab.«

»Aufstehen, hab ich gesagt.« Es gab ein metallisches Geräusch. Der Mann hatte eine Waffe durchgeladen. Bei den Dienstpistolen des FBI war das nicht nötig. Er musste also noch eine Pistole dabei haben. Automatisch überlegte Navarro, was für ein Typ es wohl war. Er tippte auf eine Beretta. Neun Millimeter.

»Wirds bald?«, setzte der Unbekannte nach.

»Und dann?«, fragte Navarro, der langsam gehorchte. »Wollen Sie eine Hausführung?«

Er hörte den Einbrecher, den er nach wie vor nur als diffusen Schatten wahrnahm, leise atmen. Navarro konnte sich vorstellen, dass mindestens ein Pistolenlauf auf ihn gerichtet war.

Jeder normale Einbrecher wäre jetzt abgehauen. Der hier tat das nicht. Warum nicht? Er schien abzuwarten oder unschlüssig zu sein, was er als Nächstes tun sollte.

Das war die schlimmste Variante. Die gefährlichste. Vielleicht stand er unter Drogen und war geistig nicht ganz da. Dabei konnte es leicht passieren, dass er zu dem Schluss kam, Navarro abknallen zu müssen. Ohne Sinn und Verstand, ohne dass Navarro auch nur die geringste Bedrohung darstellte.

»Hören Sie ...«, versuchte Navarro, mit ihm zu reden.

Ein gezischter Befehl stoppte ihn. »Still!«

Verdammt, was sollte das?

Zeit verging.

Da ertönte ein Geräusch. Ein Motorrad oder ein Roller. Der Motor erstarb vor Navarros Haus. Schritte näherten sich der Haustür.

Die Klingel schrillte. In der dunklen Stille wirkte sie unnatürlich laut. Navarro hatte keine Ahnung, wer da vor seiner Tür stand. Aber wer immer es war, konnte ihm eine Hilfe sein – oder er geriet selbst in Gefahr.

Es klingelte erneut.

»Was soll ich tun?«, fragte Navarro.

»Was wohl?«, hörte er die Stimme aus dem Dunkel. »Mach die Tür auf.«

Die Sache drohte zu eskalieren. Wollte der Einbrecher noch mehr Leute in seine Gewalt bringen? Geiseln nehmen? Wieso haute er nicht ab? Navarro drehte sich zu der Tür. Der harte Lauf einer Pistole bohrte sich in seinen Rücken.

»Aufmachen«, zischte die Stimme. Der Atem des Mannes traf ihn im Nacken.

Navarro ging die paar Schritte bis zu Haustür. Draußen konnte man über dem Eingang das Licht einschalten, und das hatte der Mann, der da stand, offenbar getan. So konnte Navarro sehen, dass es ein Pizzabote in roter Kluft war. Hinter ihm parkte ein Motorroller.

Navarro versuchte, dem Boten ein Zeichen zu geben, damit er sich in Sicherheit brachte. Bevor es dazu kam, knallte ein Schuss. Und dann noch einer.

Der Bote brach zusammen. Die Styroporverpackung fiel ihm aus der Hand. Der Deckel fiel ab, und der Inhalt verteilte sich im Eingangsbereich.

Der Unbekannte stieß Navarro so fest zur Seite, dass er mit dem Kopf an die Wand neben dem Eingang knallte. Navarro sah einen Moment lang Sterne, schaffte es aber wieder auf die Beine.

Der Schuss aus nächster Nähe hatte das halbe Gesicht des Boten weggefetzt. Für ihn gab es keine Hilfe mehr, das sah Navarro sofort.

Der Unbekannte hatte einen ziemlichen Vorsprung, mindestens fünfzig Yards. Navarro versuchte trotzdem, ihn zu kriegen. An der nächsten Ecke hatte er ihn schon verloren.

Die Gegend, in der Navarro wohnte, war sehr ruhig. In den paar Minuten, in denen er den Täter verfolgt hatte, war niemand vorbeigekommen und hatte den toten Pizzaboten vor seinem Eingang gesehen.

Navarro kehrte ins Haus zurück und wählte den Notruf. In diesem Augenblick spürte er, wie ein Zittern ihn überfiel. Verdammt, so was war ihm noch nie passiert. Normalerweise hatte er immer die Kontrolle über die Situation. Dass er so ausgeliefert war und ohne etwas unternehmen zu können, Zeuge eines Mordes wurde, war völlig ungewohnt für ihn.

Sirenen näherten sich. Streifenwagen vom NYPD. Uniformierte stellten Freddy Navarro Fragen. Kurz darauf traf ein glatzköpfiger Detective vom zuständigen Revier ein. Er stellte sich als William Barnes vor und verlangte von Navarro, dass er die Ereignisse noch einmal schilderte. Währenddessen schrieb Barnes alles in ein schmieriges Notizbuch.

»Und Sie sind Special Agent beim FBI?«, fragte er.

Navarro zeigte seine Marke. »Das habe ich Ihren Kollegen schon erzählt. Auch FBI Agents können Besuch von Einbrechern bekommen.«

»Wo ist denn Ihre Dienstwaffe?«, fragte Barnes.

»Das wissen Ihre Kollegen auch schon«, gab Navarro zurück.

»Dann erzählen Sie es mir eben noch mal«, forderte der Detective.

Navarro erklärte, dass der Einbrecher sie ihm abgenommen, jedoch wahrscheinlich mit einer anderen Waffe geschossen hatte.

»Das haben Sie gesehen?«, fragte Barnes. »Dann können Sie den großen Unbekannten sicher auch beschreiben, oder nicht?«

»Nein, das kann ich nicht«, sagte Navarro. »Ich habe nur so eine Ahnung. So wie die Schüsse geklungen haben ... Aber sicher bin ich nicht.«

Er war es tatsächlich nicht. Als er das Durchladen gehört hatte, war er überzeugt gewesen, dass es eine Beretta war. Doch die Schüsse ...

»Unglaubwürdig, das Ganze«, brummte Barnes. »Verhält sich so ein Einbrecher? Warum ist er nicht getürmt?«

»Vielleicht stand er unter Drogen und konnte durch seine beschränkte Wahrnehmung die Situation nicht richtig einschätzen. Vielleicht hat er den Pizzaboten als Bedrohung empfunden.«

Barnes blieb skeptisch. Er ließ sich alles zeigen. Das Garagentor. Den Durchgang. Den Weg bis zur Haustür.

»Also noch mal von vorne«, sagte er. »Sie kamen nach Hause. Sie haben angerufen und Pizza bestellt ...«

»Nein«, sagte Navarro. »Das wissen Ihre Kollegen ebenfalls. Ich habe keine Ahnung, was der Pizzabote bei mir wollte. Ich habe nichts bestellt. Das muss ein Irrtum gewesen sein.«

Barnes blätterte in seinem Büchlein. »Das haben meine Leute schon recherchiert. Es gab definitiv eine Bestellung. Auf den Namen Navarro. Ihr Haus war die angegebene Lieferadresse.«

Als die Leiche abtransportiert, die Spuren gesichert und die Ermittler abgezogen waren, war es tiefe Nacht.

Eigentlich hätte Navarro nun zur Ruhe kommen sollen. Doch in ihm tobten die Gedanken. War Barnes wirklich der Meinung, er hätte die Geschichte von dem Einbrecher erfunden? Und den Mann mit der Pizza selbst erschossen?

Je mehr er darüber nachdachte, desto deutlicher formte sich in ihm ein Szenario, in dem er selbst als Schuldiger dastand ...

Du bist übermüdet, sagte er sich. Du bist übermüdet, und da entstehen in deinem Kopf Gespenster.

Es gelang ihm nicht sich zu beruhigen. Unruhig lief er in seinem Wohnzimmer hin und her. Eine Stunde lang und noch eine.

Schließlich gelangte er zu dem Schluss, dass er Hilfe brauchte.

Am besten von einem Kollegen. Keiner vom New York Police Department, sondern von seiner eigenen Behörde. Dem FBI.

Und da kam nur einer infrage.

Es wirkte fast beruhigend auf Navarro, als ihm dieser Plan durch den Kopf ging. Es war spät, aber er konnte darauf keine Rücksicht nehmen.

Er nahm sein Telefon und wählte die Privatnummer von Jerry Cotton.

José Mendez folgte der Myrtle Avenue in Queens, bis sie zwischen den dunklen Bäumen des Forest Park verschwand.

Mitten in der Nacht war hier wenig los. Er parkte den Wagen und ging das letzte Stück zu Fuß. Hinter einem Denkmal begannen die Spazierwege, die in den Park führten. Als Mendez dort eintraf, trat ein Mann aus dem Dunkel.

»Da sind Sie ja endlich«, sagte er. Er wirkte ungehalten, was Mendez sofort sauer aufstieß. Schließlich machte er die ganze Drecksarbeit. Und der Mann, mit dem er sich traf, würde eine Menge Geld durch ihn verdienen.

»Manchmal dauert es eben etwas länger«, sagte Mendez. »Aber es ist alles erledigt. Von Gonzales geht keine Gefahr mehr aus.«

Der Mann lachte hämisch. »Gefahr für Sie oder für mich?«

»Für uns beide, wenn Sie mich aus allem komplett heraushalten.«

»Sie wissen, dass das, was Sie gerade gesagt haben, ein Schuldeingeständnis ist?«, fragte der Mann.

Ah, dachte Mendez. Jetzt kommt er mir auf diese Tour. Er lachte leise. »Niemand kann mir etwas beweisen. Nur weil ich weiß, was mit Gonzales passiert ist, heißt das noch lange nicht, dass ich damit was zu tun habe.«

Der Mann schien nachzudenken. Die Frage, die er dann stellte, hatte Mendez erwartet. Mein Gott, diese Amerikaner waren so vorhersehbar. Man konnte in ihnen lesen wie in einem offenen Buch. In Mendez' Heimat Mexiko war das alles anders. Anderseits war das auch der Grund gewesen, warum Mendez hergekommen war. In den Staaten war alles einfacher.

»Was wollen Sie von mir?«, fragte der Mann.

»Können Sie sich das nicht denken? Ich will in die Fußstapfen von Gonzales treten. Ich liebe das Land, aus dem ich hergekommen bin. Aber ich liebe auch Amerika, besonders New York. Ich mache gerne Geschäfte hier und möchte mir etwas aufbauen.«

»Das haben Sie ja gut auswendig gelernt«, kam es spöttisch zurück. »Das können Sie bei der Einwanderungsbehörde aufsagen, wenn Sie die amerikanische Staatsbürgerschaft beantragen. Die stehen auf patriotisches Geschwätz. Ihnen ist schon klar, dass ich Sie ohne Weiteres den Behörden übergeben könnte? Die kriegen im Nullkommanichts heraus, wer hinter dem Schicksal von Gonzales steckt. Was haben Sie eigentlich mit ihm gemacht?« Er lachte leise. »Ach, ich will es gar nicht wissen.«

Mendez ließ die Worte einen Moment sacken. Plötzlich spürte er, wie eine unbezähmbare Wut in ihm aufstieg. Er packte den Mann beim Kragen, kam ihm ganz nah. Und er spürte, dass den Mann Angst überfiel. Er war letztlich ein Weichling, der sich nicht wehrte.

»Jetzt hören Sie mir mal zu«, zischte er. »Sie können diese Sprüche lassen. Was wir hier zusammen machen, ist ein Geschäft. Und gar kein schlechtes für Sie. Sie kriegen mehr von mir, als Gonzales Ihnen gezahlt hat.«

»Schon gut«, sagte der andere und machte sich los. »Sie brauchen nicht so impulsiv zu reagieren. Ich habe nur ein bisschen Spaß gemacht.«

Mendez schnaubte. Das war kein Spaß gewesen, sondern eine Demütigung ersten Ranges. Er hatte vergessen, dass die Amerikaner nicht nur leicht durchschaubar, sondern auch hochnäsig und arrogant waren. Dabei hatten sie keine Ahnung, was in den Menschen aus anderen Ländern vorging. »Wissen Sie, ich kann auch wieder nach Mexiko verschwinden.«

Den letzten Satz hatte Mendez gesagt, weil er wusste, wie der andere reagieren würde. Wenn Mendez die USA verließ, platzte das Geschäft und damit eine Menge Geld. Und auf Geld waren diese Amerikaner ja immer versessen.

»Vergessen wir das, ja? Mir ist auch an einer Zusammenarbeit gelegen. Sprechen wir lieber über die Details.«

Endlich, dachte Mendez. Das hätte ich gerne von Anfang an gemacht. Sie vereinbarten, was Mendez dem Mann zahlen würde. In bar, bei regelmäßigen Treffen, mit möglichst wenig Telefonkontakt.

»Dafür halte ich Sie aus der Sache mit Gonzales heraus«, sagte der Mann.

»Das wäre eine Bedingung«, erklärte Mendez. »Und ich hoffe, Sie kriegen das hin. Wichtig ist vor allem ein Beweisstück.« Er erklärte ihm, welches das war.

»Alles klar«, sagte der Mann. »Das war gut eingefädelt, sehr gut sogar. Brillant.«

Ich befand mich gerade in einem tiefen, traumlosen Schlaf, als mein Handy seinen elektronischen Klingelton in die Nacht schickte.

Das Gerät war immer eingeschaltet, falls es etwas Wichtiges geben sollte, was leider oft genug der Fall war.

Sofort war ich hellwach, machte Licht und sah aufs Display.

Es war nicht die Dienststelle, die mich anrief, weder Mr. High noch Phil oder ein anderer Kollege. Was ich erkannte, war eine unbekannte Nummer.

Drangehen oder nicht drangehen?

Ich meldete mich und hatte Freddy Navarro an der Strippe.