Jerry Cotton 3488 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 3488 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

"Carl Foster war seit beinahe zehn Jahren Busfahrer. Und fast so lange lenkte er die Linie M1 quer durch Manhattan von der East 9th Street hinauf bis nach Harlem und zurück.
Einige Fahrgäste kannten sogar seinen Namen und grüßten freundlich, wenn sie einstiegen. Foster erwiderte stets ebenso freundlich den Gruß. Er konnte sich Gesichter gut merken.
So fiel ihm auch der nervöse Junge auf, der seinen Bus an der Station beim Madison Square Park bestieg. Vor ihm hatte noch eine Horde Schulkinder lautstark den Fahrgastraum gestürmt. Der Junge folgte den Kindern zögerlich und nannte Foster sein Fahrtziel, während er das Fahrgeld aus den Hosentaschen kramte.
Carl Foster war sich sicher, dass er den etwa siebzehnjährigen Schwarzen zum ersten Mal in seinem Bus chauffierte. Die wenigsten Menschen zahlten bar. Stammkunden hatten ihren mobilen Pass entweder auf ihrem Handy gespeichert, oder sie besaßen eine Plastikkarte.
"Alles in Ordnung mit dir?", fragte Foster höflich, als ihm die Schweißperlen auf der Stirn des Teenagers auffielen.
"Ja klar. Was sollte denn nicht in Ordnung sein?"
Foster wusste nun definitiv, dass mit dem Fahrgast etwas nicht in Ordnung war. Er beobachtete durch den Spiegel, wie sich der Junge zwischen den Schulkindern hindurch nach hinten drängte.
Er hatte inzwischen seinen Rucksack abgenommen und stand ruhig inmitten der umhertobenden Kinder, da die Sitzplätze alle besetzt waren.
Als Foster den Bus anfuhr und die nächste Station ansteuerte, hatte er den jungen Fahrgast fast schon wieder vergessen.

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Inhalt

Cover

Rushhour

Vorschau

Impressum

Rushhour

Carl Foster war seit beinahe zehn Jahren Busfahrer. Und fast genau so lange lenkte er die Linie M1 quer durch Manhattan von der East 9th Street hinauf bis nach Harlem und zurück.

Einige Fahrgäste kannten sogar seinen Namen und grüßten freundlich, wenn sie einstiegen. Foster erwiderte stets ebenso freundlich den Gruß. Er konnte sich Gesichter gut merken.

So fiel ihm auch der nervöse Junge sofort auf, der seinen Bus an der Station beim Madison Square Park bestieg. Vor ihm hatte noch eine Horde Schulkinder lautstark den Fahrgastraum gestürmt. Der Junge folgte den Kindern zögerlich und nannte Foster sein Fahrtziel, während er das Fahrgeld aus den Hosentaschen kramte.

Carl Foster war sich sicher, dass er den etwa siebzehnjährigen Schwarzen zum ersten Mal in seinem Bus chauffierte. Die wenigsten Menschen zahlten bar. Stammkunden hatten ihren mobilen Pass entweder auf ihrem Handy gespeichert, oder sie besaßen eine Plastikkarte.

»Alles in Ordnung mit dir?«, fragte Foster höflich, als ihm die Schweißperlen auf der Stirn des Teenagers auffielen.

»Ja, klar. Was sollte denn nicht in Ordnung sein?«

Foster wusste nun definitiv, dass mit dem Fahrgast etwas nicht in Ordnung war. Er beobachtete durch den Spiegel, wie sich der Junge zwischen den Schulkindern hindurch nach hinten drängte.

Er hatte inzwischen seinen Rucksack abgenommen und stand ganz ruhig inmitten der umhertobenden Kinder, da die Sitzplätze alle besetzt waren.

Als Foster den Bus anfuhr und die nächste Station ansteuerte, hatte er den jungen Fahrgast fast schon wieder vergessen.

Jill Whelan bestieg den Bus der Linie M1 an der Station in Höhe der 60th Street, grüßte den Busfahrer und stöhnte genervt, als sie sah, wie dicht die Fahrgäste aneinandergepresst standen.

Um diese Zeit ist immer viel los, dachte Jill und war froh, dass sie nur wenige Stationen bis zu ihrer Arbeitsstelle fahren musste. Einige Minuten später, an der 69th Street stieg sie bereits wieder aus und atmete tief durch, als sich die Bustür hinter ihr mit einem Zischlaut schloss.

Sie überquerte die Straße, während der Bus an ihr vorbeifuhr, und wechselte über die Madison Avenue auf die andere Seite hinüber. Die Patisserie, in der sie arbeitete, war nur einen Block entfernt. Nachdem sie die Kreuzung zur 70th Street erreicht hatte, holte sie den Bus sogar wieder ein, der vor der rot leuchtenden Ampel angehalten hatte.

Gerade als sie den Fuß von der Gehsteigkante hob, um den Zebrastreifen vor ihr zu betreten, hörte sie einen ohrenbetäubenden Knall. Bevor sie einen klaren Gedanken fassen konnte, spürte sie, wie etwas sie hochhob und mehrere Yards nach links auf die Straße schleuderte.

Völlig desorientiert hob sie den Kopf, da ein Gegenstand dicht neben ihr aufschlug. Sie hatte den irrealen Gedanken, dass es regnete, weil sie von dicken Tropfen getroffen wurde.

Sie selbst konnte sich zwar in diesem Moment nicht erklären, warum sie auf der Straße lag und ihre Handflächen so brannten. Sie blickte auf ihre Hände und betrachtete erstaunt die aufgescheuerte Haut.

Sie versuchte sich aufzurichten. Schwindel erfasste Jill, und sie kippte wieder auf die Straße zurück. Sie sah nun den Gegenstand neben ihrem Kopf, der sie von oben bis unten vollgespritzt hatte. Vollgespritzt mit Blut! Neben ihr lag ein blutiges Etwas, das ihr Verstand erst Sekundenbruchteile später als einen abgerissenen Arm identifizierte.

Sie hörte Schreie, die dumpf an ihr Ohr drangen. Erst später registrierte sie, dass einer dieser Schreie aus ihrer eigenen Kehle drang.

Jalal Tahmasb quälte sich bereits seit mehr als zwanzig Minuten durch den morgendlichen Verkehr, und das für eine Strecke, die er als Taxifahrer normalerweise in der Hälfte der Zeit geschafft hätte.

Seinen Fahrgast schien das weniger zu stören. Der balancierte, auf dem Rücksitz hockend, seinen Laptop auf den Knien und schnatterte schon die ganze Fahrt über in sein Handy. Offenbar erledigte der Mann bereits seine Geschäfte, während Tahmasb die Warterei im Stau und das Gerede von hinten zunehmend nervöser machten.

Tahmasb sah auf die Uhr. Es war 8:43 Uhr. Er bog von der 69th Street in die Madison Avenue ein. Dort benutzte er die Busspur und reihte sich hinter einem Fahrzeug der Linie M1 ein, das vor der Ampel an der Kreuzung zur 70th Street auf die Weiterfahrt wartete.

Als der Bus vor ihm anfuhr und die Kreuzung überqueren wollte, hörte Jalal Tahmasb einen ohrenbetäubenden Knall. Er befürchtete einen Augenblick lang, dass sein Taxi diesen Krach ausgelöst hatte. Dann sah er einen grellen Blitz vor seinen Augen aufleuchten. Der kam von dem Bus vor ihm, und es schien, als würde er die rechte Seite des Fahrzeugs von innen nach außen drücken. Der Bus blieb schlagartig stehen. Eine Rauchwolke drängte nach draußen, dann folgte eine Stichflamme, die sich nicht nur auf die rechte Seite beschränkte, sondern den ganzen Bus einzuhüllen schien.

Die Flammen schossen direkt auf sein Taxi zu. Tahmasb stieg instinktiv auf die Bremse, gleichzeitig schloss er geblendet die Augen. Er ahnte, dass sein Auto vom Feuer überrollt werden würde, und bekam panische Angst davor, in seinem Fahrzeug zu verbrennen.

Der Fahrgast hinter ihm stieß einen lauten Fluch aus. Tahmasb öffnete die Augen, als er einen harten Schlag auf dem Autodach nicht nur hören, sondern sogar spüren konnte. Draußen war nun alles schwarz. Er konnte zwar sehen, dass der Bus vor ihm brannte, ansonsten war die Außenwelt in dunkle Rauchwolken gehüllt.

»Raus hier!«, rief er in seiner Muttersprache.

Sein Fahrgast konnte diese Aufforderung mit Sicherheit nicht verstehen, dennoch hielt ihn nichts mehr im Taxi. Er sprang mit seinem Laptop unter dem Arm aus dem Fahrzeug und Tahmasb hinterher.

Erleichtert registrierte Tahmasb, dass er die Rauchwolke mit einem weiteren Sprung hinter sich lassen konnte. Dennoch sank er auf der Straße in die Knie. Seine Nerven spielten nicht mehr mit, seine Beine gaben einfach nach.

Er drehte sich nach dem brennenden Bus um und vernahm zahllose Schreie aus dem Inneren. Zitternd und wie gelähmt saß Jalal Tahmasb auf der Straße und hatte nicht einmal mehr die Kraft, sich die Ohren zuzuhalten.

Mein Partner Phil Decker und ich schlenderten den Büroflur entlang zum großen Konferenzraum. In wenigen Minuten würde die morgendliche Lagebesprechung stattfinden.

Diese konnte je nach Anzahl der gerade offenen Fälle wenige Minuten bis zu einer Stunde dauern. Phil und ich hatten erst kürzlich einen Fall abgeschlossen und würden dazu zu Wort kommen, bevor wir ihn endgültig zu den Akten legen konnten.

Wir trafen gleichzeitig mit unserem Chef Mr. High ein, der uns die Tür offen hielt und hinter uns den Raum betrat.

»Ladys und Gentlemen, ich wünsche Ihnen einen guten Morgen«, grüßte er freundlich.

Unsere FBI-Kollegen grüßten zurück und diejenigen, die noch herumstanden und sich unterhalten hatten, nahmen ihre Sitzplätze ein. Niemand brauchte sich vorzustellen. Wir sahen ausnahmslos bekannte Gesichter. Ich blickte auf die Uhr, es war Punkt neun.

Mr. High stand nun vor seiner Mannschaft, die wie Schüler in einem Klassenzimmer hinter ihren Tischen saßen und nach vorne blickten.

»Bevor wir über den abgeschlossenen Fall der Agents Cotton und Decker berichten, möchte ich Agent Dillaggio ...«, begann er.

Da wurde die Tür zu unserem Besprechungsraum aufgerissen, und jemand rief aufgeregt: »Mister High, Sir!«

Der Chef blickte zur Eingangstür, wir drehten uns gleichzeitig um.

In der Tür stand Helen, Mr. Highs Sekretärin, mit der Phil und ich uns wenige Minuten vor der Besprechung noch unterhalten hatten. In der Zwischenzeit musste etwas Schlimmes passiert sein, das sagte mir Helens schockierter Gesichtsausdruck.

»Es gab einen Terroranschlag!«, rief sie.

Mir blieb einen Moment lang das Herz stehen. Ein Seitenblick zu meinen Kollegen verriet mir, dass es allen so ging.

»O nein, verdammt«, murmelte Phil.

»Wo? Wann?«, fragte Mr. High.

»Ein Bus«, antwortete Helen. »In der Madison Avenue. Es kommt gerade in den Nachrichten.«

Ich griff zur Fernbedienung des Fernsehers, die zufällig auf dem Tisch vor mir lag.

Der Großbildschirm im Besprechungsraum brauchte einige Sekunden, die mir endlos schienen, dann flackerte er endlich auf und zeigte uns ein schockierendes Bild. Einen Linienbus, der völlig in Rauch und Flammen eingehüllt war.

Feuerwehrmänner, die gerade dabei waren, das Feuer zu löschen. Menschen, die am Boden lagen oder panisch hin und her liefen. Leider auch einige Leute, die mit ihren Handys am Gehsteig standen und die Tragödie filmten.

Die Nachrichtensprecherin fasste zusammen, was bisher über die Situation bekannt war beziehungsweise das, was sich der Reporter vor Ort zusammenreimte.

Im Laufband, das am unteren Bildschirmrand vorbeihuschte, wurde ein Terroranschlag erwähnt.

Die Moderatorin fragte bemüht ruhig, ob ein Unfall ausgeschlossen werden könne.

Der Reporter vor Ort räumte die Möglichkeit ein, wechselte aber thematisch wieder zu der Frage nach den Hintermännern dieses Attentats. Jede nur erdenkliche Gruppe wurde als mögliche Verantwortliche genannt.

Ich ärgerte mich darüber, denn im ersten Moment führen solche Anschuldigungen zu nichts.

Auch einige meiner Kolleginnen und Kollegen ließen sich dazu hinreißen, Verdächtigungen und Rückschlüsse auszusprechen. Auf einmal war es laut im Raum geworden.

»Ladys und Gentlemen, bitte!«, ermahnte Mr. High uns.

Wir beruhigten uns etwas, er hatte nun unsere volle Aufmerksamkeit.

»Wir verschieben unsere heutige Besprechung auf später. Vorrangig ist dieser vermeintliche Terroranschlag. Wir werden wahrscheinlich ohnehin bald zu diesem Fall hinzugezogen. Ich möchte daher lieber gleich damit beginnen, Erkundigungen einzuholen und mit den zuständigen Stellen im NYPD Kontakt aufzunehmen.« Er sah zu Phil und mir herüber. »Jerry, Phil, Sie haben erst einen Fall abgeschlossen und noch nichts Neues auf dem Schreibtisch. Bitte halten Sie sich auf Standby. Ich möchte, dass Sie den Fall übernehmen, falls es sich um einen Anschlag handeln sollte.«

»Ja, Sir«, sagte ich und sah ihm hinterher, als er mit Helen den Besprechungsraum verließ.

Wenige Minuten später sahen wir unseren Chef wieder, diesmal in seinem Büro.

»Die schlimmsten Befürchtungen scheinen sich zu bewahrheiten«, eröffnete er unsere Besprechung. »Und es gibt viele Todesopfer, leider auch Kinder.«

Ich hielt die Luft an.

»Und ein Unfall ist mit Sicherheit auszuschließen, Sir?«

»Noch ist nichts sicher, Phil, aber alles deutet darauf hin.«

»Um welche Buslinie handelt es sich?«, fragte ich.

»Um die Linie M1. Warum?«

»Nun, ich habe mich gerade gefragt, ob es sich hierbei vielleicht schon um einen elektrischen Bus handeln könnte. Ich habe von Fällen gehört, in denen elektrische Busse ...«

»... in Flammen aufgegangen sind?«, vollendete Mr. High meinen Satz. Er hob die Schultern. »Die Möglichkeit besteht. Ich kenne mich damit zu wenig aus, um mir darüber ein Urteil bilden zu können. Die Ursache der Explosion müssen unsere Spezialisten klären.«

Ich nickte.

Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Detective Lieutenant Vatrano vom NYPD befindet sich vor Ort. Das Unglück geschah um etwa 8:45 Uhr an der Kreuzung East 70th Street und Madison Avenue. Vatrano hat mit einigen Augenzeugen gesprochen, die sich zur Zeit der Explosion in der Nähe befunden haben. Ich konnte mit Vatrano selbst noch nicht sprechen, aber ich möchte, dass Sie das übernehmen. Sie haben mit ihm schon einmal zusammengearbeitet, in diesem Sarubin-Fall.«*

»Stimmt, Sir«, sagte ich. »Unter anderen Umständen würde ich sagen, dass ich mich darüber freue, wieder mit ihm zusammenarbeiten zu können.«

»Solange der Brand noch nicht gelöscht ist, wird man wenig über die Ursache der Explosion herausfinden können«, warf Phil ein. »Gibt es vielleicht in der Nähe Überwachungskameras, die das Geschehen gefilmt haben? Vielleicht kann man da bereits Rückschlüsse ziehen.«

»Ich lasse das sofort von Ben überprüfen«, versprach unser Chef.

Wir erhoben uns.

»Ich werde Detective Vatrano über unser Erscheinen informieren«, sagte ich. »Ich habe seine Nummer noch im Handy gespeichert. Wahrscheinlich wird es nicht einfach sein, während der Rushhour direkt an die Unfallstelle zu gelangen, trotz Warnlicht und Sirene. Vielleicht kann Vatrano für einen Korridor sorgen, der uns die Zufahrt einigermaßen freihält.«

»Viel Glück, Gentlemen«, sagte unser Chef und nickte.

Der Fall ging ihm bereits an die Nieren. Uns ebenso. Selbst wenn es sich um einen »gewöhnlichen« Unfall handeln sollte, war das schlimm genug. Ich dachte an die zahlreichen Kinder unter den Todesopfern.

Es fühlte sich wie eine Ewigkeit an, bis wir von der Federal Plaza aus den Unglücksort erreichten. Unabhängig von der Busexplosion, von der wohl inzwischen fast jeder New Yorker Bürger gehört haben musste, waren die Straßen immer noch durch den täglichen Berufsverkehr verstopft.

Dass man aufgrund des Unglücks nun auch die Madison Avenue weiträumig umfahren musste, verbesserte die Situation keineswegs.

Im Schneckentempo schlichen wir trotz Sirene und Warnlicht mit meinem Jaguar durch Manhattan. Je näher wir dem Tatort kamen, umso schlimmer wurde es.

Wir hatten Vatrano vom Wagen aus angerufen, und er hatte tatsächlich dafür gesorgt, dass wir mehr oder weniger ungehindert zu ihm vorfahren konnten. Ein uniformierter Polizist winkte uns an der Kreuzung zur 68th Street heran und schob für uns eines dieser niedrigen Metallgerüste zur Seite, das als Absperrung diente.

Ab hier konnten wir auf der Busspur einige Fahrzeuge passieren, die herrenlos auf der Straße abgestellt worden waren. Sicher waren die Besitzer von den Einsatzkräften aufgefordert worden, diese zu verlassen.

Die Rauchsäule hatten wir bereits von Weitem gesehen. Hinter einem Yellow Cab, das hinter dem rauchenden Bus stand, stoppte ich den Jaguar.

Die Feuerwehrleute rollten ihre Wasserschläuche ein. Ich trat in eine Wasserpfütze, als ich aus dem Jaguar stieg. Schaulustige oder gar verletzte Personen sah ich keine mehr. Die Ambulanzen hatten die Opfer inzwischen weggebracht. Bis auf die Toten, die sich noch im Bus befanden, fürchtete ich.

Phil deutete mit dem Kopf zu Detective Lieutenant Vatrano, der von der anderen Straßenseite auf uns zukam.

»Hi, Jerry. Hallo, Phil«, begrüßte er uns freundlich, schien jedoch angesichts der Lage verständlicherweise bedrückt.

Der sympathische Ermittler, der mich an den Schauspieler Mark Ruffalo erinnerte, dabei aber in seinem Trenchcoat wie Inspektor Columbo aus dem Fernsehen aussah, reichte uns die Hand zum Gruß.

»Kannst du uns schon irgendetwas sagen, Nick?«, fragte ich. Wir waren nach dem Sarubin-Fall vor ein paar Monaten zu einer vertraulicheren Anrede übergegangen und sprachen uns seither mit Vornamen an.

Ohne ein einziges Mal in seinen Notizblock zu blicken, legte er los.

»Die Explosion muss um 8:45 Uhr passiert sein. Es gibt eine Menge Augenzeugen. Einige von ihnen konnte befragen. Eine junge Frau, die gerade die Straße überqueren wollte, als der Bus explodierte. Sie hatte Glück, denn sie war gerade erst an dieser Station da vorne ausgestiegen.« Er deutete in die Richtung, wo sich die Haltestelle befand. »Dann haben wir noch den Fahrer des Taxis hier und seinen Fahrgast. Der Fahrgast hat nichts mitbekommen außer einem lauten Knall. Der Cab Driver hat die Explosion direkt vor sich gesehen.«

Phil bückte sich etwas, um in das Innere des Yellow Cabs zu blicken. Da das Auto und seine Fenster stark verrußt waren, war nichts zu erkennen.

»Falls du nach einer Dashcam Ausschau hältst, kann ich dich vorerst beruhigen«, sagte Vatrano. »Der Fahrer hat mir erzählt, dass er tatsächlich eine in seinem Wagen montiert hat. Ich habe das Taxi bisher nicht angefasst, das überlasse ich der Spurensicherung. Wollen wir hoffen, dass wir Bilder bekommen, die uns über den Unfallhergang Aufschluss geben.«

»Du glaubst, es war ein Unfall?«, fragte Phil.

»Ich glaube lieber noch gar nichts, bevor ich es nicht sicher weiß. Ich möchte aber auch noch keine Pferde scheu machen. Obwohl ...«

»Obwohl was?«, fragte ich.

»Der Busfahrer hat vorhin etwas gemurmelt, das sich nach ›Der Junge ... es war der Junge‹ anhörte.«

»Der Busfahrer lebt?«, wunderte ich mich.

»Ja, zum Glück. Er war unter den Überlebenden, die es von selbst herausgeschafft haben. Allerdings ist er schwer verletzt. Ich konnte ihm keine Fragen stellen. Er wurde sofort ins Krankenhaus gebracht. Mit schweren Verbrennungen, so wie die meisten. Ich habe nur gehört, was er murmelte, als er an mit vorbeigetragen wurde.«

»Wie viele Tote bisher?«, wollte Phil wissen.

»Das lässt sich nicht genau sagen«, bedauerte Vatrano. »Aber es sind sehr viele. Eine Menge Kinder. Sie waren auf dem Weg zur Schule.«

Jetzt blätterte Vatrano doch in seinem Notizblock herum.

Ich war mir sicher, unsere Profilerin Dr. Iris McLane hätte dieses Blättern als Ersatzhandlung bezeichnet.

Die Busexplosion war Tagesthema in den Medien. Während im Internet bereits die Rede von einem neuen 9/11 war, versuchten wenigstens einige Fernsehsender, den Ball flach zu halten, und erwähnten zumindest die Möglichkeit eines Unfalls.

Es gab auch einige Sender, die lieber auf den Zug der Panikmacher aufsprangen. Sie schürten die Ängste der Bevölkerung, indem sie an jeder Ecke islamistische Terroristen vermuteten und vor weiteren explodierenden Bussen warnten.

Die Taxifahrer freuten sich an diesem Tag über gute Umsätze. Die öffentlichen Verkehrsmittel hingegen blieben fast leer.

Am nächsten Tag mussten wir uns eingestehen, dass die Panikmacher ansatzweise recht hatten. Denn die Sprengstoffexperten von der Forensic Investigations Division bestätigten die traurige Gewissheit, dass die Sprengung des Busses mutwillig herbeigeführt worden war.

Da das FBI die Ermittlungen offiziell übernommen hatte, erhielten wir als Erste den Bericht des Sprengstoffspezialisten, der am Tatort mit der Spurensicherung beschäftigt gewesen war.