Jerry Cotton 3490 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 3490 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

In Brooklyn starben mehrere Personen durch Straftaten, Unfälle oder aufgrund scheinbar natürlicher Ursachen. Einen Zusammenhang vermutete niemand - bis das Telefon auf meinem Schreibtisch klingelte. Bei dem Anrufer handelte es sich um Marco LaVincenzo, den ich bei einem Undercovereinsatz kennengelernt hatte. Der Schmuggler, der mir damals geholfen hatte, bat mich um eine Unterredung. Wir trafen uns im Brooklyn Bridge Park. Dort erzählte Marco mir, dass Amos Stirling, einer seiner Geschäftsfreunde, verschwunden war. Und es dauerte nicht lange, da kam ich einer feindlichen Übernahme auf die Spur ...

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Seitenzahl: 142

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhalt

Cover

Feindliche Übernahme

Vorschau

Impressum

Feindliche Übernahme

Dodo war beinahe so tot wie ihr sprichwörtlicher Namensvetter.

Hätte sie sich die Namensgleichheit mit dem ausgerotteten neuseeländischen Vogel vor Augen geführt, wäre sie sicher auf die Idee gekommen, dass ein solcher Name kein allzu gutes Omen darstellte. Und nun stand sie kurz davor, dessen Schicksal zu teilen, wenn nicht ein Wunder geschah.

Ein Wunder, das Ron, ihr Date an diesem Abend, gerade zu vollbringen versuchte, als er sich an James vorbei in den Flur drängte.

»Du musst ihr helfen, Mann!«, sagte er panisch. »Sonst stirbt sie!«

James rang nach Luft, um den ersten Schock zu überwinden.

Sein alter Kumpel war bereits zu Schulzeiten etwas speziell gewesen. Kein Loser im eigentlichen Sinne als vielmehr ein Magnet für kleinere und größere Katastrophen. Dass er nun mit einer halbtoten Frau im Arm in seiner Diele stand und ihn mit einem Hundeblick bedachte, konnte man allerdings sicher als die Krönung seiner bisherigen Anziehungskraft auf Katastrophen betrachten.

»Dir ist schon klar«, sagte James langsam und in der vagen Hoffnung, auf diese Weise zu seinem verzweifelten Schulfreund durchzudringen, »dass ich Tierarzt bin, oder?«

Dann ergab er sich in sein Schicksal und schloss die Tür hinter ihnen.

New York, einige Monate zuvor

Die ersten Toten erweckten keinen größeren Argwohn. Sie waren Opfer von Straftaten, Unfällen oder scheinbar natürlichen Ursachen. Der einzig offensichtliche Zusammenhang zwischen ihnen bestand darin, dass die Todesfälle zunächst unaufgeklärt blieben, soweit es überhaupt notwendig erschien, irgendetwas daran aufzuklären. Darüber hinaus bestand auf den ersten Blick keine Verbindung zwischen ihnen, außer der, dass alle Opfer in Brooklyn ihr Ende fanden. Was in einem Stadtteil dieser Größenordnung bei Weitem nichts Ungewöhnliches ist.

Und dann klingelte das Telefon auf meinem Schreibtisch, und alles änderte sich.

»Jerry?«

Die Stimme am anderen Ende der Leitung kam mir bekannt vor, ich konnte sie allerdings keinem Gesicht zuordnen. Es war auch noch früh am Tag, und ich hatte erst eine Tasse Kaffee gehabt. Dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen.

»Marco?«

»Ja.«

Marco LaVincenzo war ein Schmuggler. Er belieferte Lokale, Delikatessengeschäfte und sonstige Händler, aber auch zahlungskräftige Privatpersonen mit ausgesuchten Genussmitteln wie Whisky, Zigarren und Lebensmitteln, die niemals auf legale Weise ihren Weg in die USA gefunden hätten, da sie aus den unterschiedlichsten Gründen von der Einfuhr ausgeschlossen waren oder nur zu ansonsten horrenden Preisen erworben werden konnten. Drogen standen nicht auf seiner Angebotsliste und Menschenschmuggel ebenfalls nicht, wenn ich mir auch durchaus vorstellen konnte, dass Marco vielleicht schon einmal dem ein oder anderen Straftäter zur Flucht oder zur Rückkehr ins Land verholfen hatte. Schließlich gehörten einige Mitglieder der Mafia zu seinem Kundenstamm.

Aus diesem Grund hatte ich ihn kennengelernt. Marco, der trotz seines italienischen Familienhintergrunds selbst keiner der New Yorker Familien angehörte, lebte in einer zu einem großen Teil von Mafiamitgliedern bewohnten Mittelschichtsgegend in New Jersey, in die es mich und eine Kollegin vor etwa drei Jahren im Rahmen einer Undercoveraktion verschlagen hatte. Dabei waren wir in das Haus neben Marco und seiner Frau Nicola gezogen, hatten die beiden näher kennengelernt und sie schlussendlich sogar aus den Händen einer Mafiafraktion gerettet, die die zwei dazu benutzen wollte, die herrschenden Bosse der Stadt im Rahmen eines zwischen diesen stattfindenden Treffens umzubringen.

Lange Geschichte. Letztendlich lief sie darauf hinaus, dass Marco mir geholfen hatte, die Ermordung der vier Bosse zu vereiteln, die der absoluten Machtergreifung des fünften Dons im Weg standen. Aufgrund dieser Mithilfe hatte Mr. High beide Augen vor der beruflichen Tätigkeit Marcos zugedrückt. Einer Tätigkeit, von der ich annahm, dass Marco ihr auch heute noch nachging.

»Lange nichts von dir gehört«, sagte ich. »Was kann ich für dich tun?«

Ein paar Herzschläge lang herrschte Schweigen am anderen Ende der Leitung. Dann hörte ich ein stärkeres Atemgeräusch, und Marco sagte: »Ein Freund von mir ist verschwunden, und ich wusste nicht, an wen ich mich sonst wenden sollte.«

»Das NYPD?«, schlug ich vor, obwohl ich ahnte, dass es bestimmte Gründe gab, aus denen genau das für Marco keine Option war.

»Mit dem NYPD ist es so eine Sache ...«, sagte er dann auch erwartungsgemäß.

»Okay«, sagte ich in das erneut entstehende Schweigen. »Wo sollen wir uns treffen?«

Marco saß auf einer Bank am Rand des Empire Fulton Ferry Lawn, einer weitläufigen Wiese, die sich im Brooklyn Bridge Park erstreckte und wunderschöne Aussichten auf die majestätische gleichnamige Brücke und die auf der anderen Seite des East River liegende Skyline von Manhattan bot. Wenn man den Hals ein wenig reckte, konnte man rechter Hand über ein paar grünen Baumspitzen die Pfeiler der Manhattan Bridge ausmachen.

Der dünne Schmuggler hatte sich kaum verändert, seit ich ihn das letzte Mal gesehen hatte. Auf seinen Wangen spross ein Dreitagebart, die Haare waren kurz geschnitten. Die Augen hinter den Brillengläsern sahen mich aufmerksam und mit einer Mischung aus Hoffnung und Besorgnis an.

Ich ließ mich neben ihm auf der Bank nieder, und wir begrüßten uns. Dann kam ich, eingedenk seines Blicks, gleich zur Sache.

»Was ist das Problem, Marco? Du sagtest etwas von einem verschwundenen Freund. Und dass du dich nicht ans NYPD wenden kannst oder willst.« Er öffnete den Mund, um mir zu antworten, doch ich hob die Hand. »Bevor du etwas sagst: Ich kann mich nicht in irgendetwas Illegales hineinziehen lassen. Auch nicht, wenn du mir damals das Leben gerettet hast.«

»Wir haben uns gegenseitig das Leben gerettet. Und die Köpfe der Mafiafamilien dieser Stadt, obwohl du sicher gern gesehen hättest, dass sie jemand aus dem Verkehr zieht.«

»Aber nicht um jeden Preis.«

»Ich weiß. Das sagtest du damals schon.«

Ich wandte mich ihm vollständig zu. »Also, was ist los? Verrate mir einfach so viel du kannst, und wenn ich merke, dass wir in Bereiche vordringen, die dich oder jemand anders, den du schützen willst, in Konflikt mit dem Gesetz bringen, sage ich dir Bescheid, und du kannst entscheiden, ob und was du mir sonst noch weitergibst.«

Marco nickte bedächtig, dann fing er an zu erzählen.

»Ich habe einen Freund, mit dem ich ursprünglich eine rein geschäftliche Beziehung pflegte, denn er ist im selben Bereich tätig wie ich«, begann er vorsichtig.

Vermutlich musste er sich erst einmal an das Thema herantasten, zumal ich ihm ja gewisse Beschränkungen auferlegt hatte. Ich würde jedoch den Teufel tun und ihn am Weiterreden hindern, denn ich mochte ihn, und die Sorge, die ihn umtrieb, war ihm deutlich anzumerken. Folglich nickte ich nur und ließ ihm die Zeit, die er benötigte. Um welche Geschäfte es sich handelte, konnte ich mir auch so ausmalen. Details waren im Augenblick nicht vonnöten.

»Aus dieser reinen Geschäftsfreundschaft hat sich im Laufe der Jahre ein persönlicheres Verhältnis entwickelt. Mittlerweile sind Nicola und ich mit ihm und seiner Frau privat befreundet. Wir treffen uns gelegentlich zum Essen, unternehmen etwas gemeinsam, das Übliche eben.«

Er kam gut damit voran, sich an den Knackpunkt der Geschichte heranzutasten.

»Gestern waren er und ich verabredet. Er tauchte einfach nicht auf, und das ohne ein Wort der Entschuldigung, was ungewöhnlich für ihn ist. Wenn er verhindert ist, meldet er sich üblicherweise und sagt ab.«

»Besonders wenn es um etwas Geschäftliches geht, nehme ich an«, sagte ich.

»Besonders dann.«

»Und euer gestriges Treffen war ...?«

»Privat«, antwortete Marco wie aus der Pistole geschossen. Einen Hauch zu schnell, doch ich ließ die Sache auf sich beruhen. Sollte der Grund für ihre Verabredung noch wichtig werden, würde ich ihn zu gegebener Zeit danach fragen.

»Jedenfalls«, fuhr er fort, »versuchte ich zunächst, ihn auf seinem Handy zu erreichen. Als er nicht darauf reagierte, rief ich seine Frau an, um zu hören, was ihm dazwischengekommen sein könnte. Wie gesagt, dieses Verhalten kenne ich nicht von ihm und ich machte mir ein bisschen Sorgen, dass ihm etwas passiert sein könnte. Er hat zwar keine gesundheitlichen Probleme, die mir bekannt sind, ist aber schon in den Sechzigern. Da kann ja immer mal was sein.«

»Und sein Beruf birgt vermutlich auch einige Risiken.«

Marco zögerte, dann räusperte er sich. »Ja.«

»Seine Frau hatte vermutlich nichts von ihm gehört, richtig?«

»Seit dem Vortag nicht mehr. Er wollte noch etwas erledigen, kam aber abends nicht nach Hause. Selbstverständlich versuchte sie, ihn anzurufen, ohne Ergebnis. Und von selbst meldete er sich auch nicht. Zu dem Zeitpunkt, als ich sie anrief, ging bei jedem Anruf gleich die Mailbox dran, und Textnachrichten jedweder Art wurden überhaupt nicht mehr zugestellt.«

Das klang unter den gegebenen Umständen in der Tat alles andere als gut.

»Heather war natürlich total durch den Wind, denn sie weiß, womit Amos seine Brötchen verdient. Und da Amos seinerseits weiß, wie sehr sie sich aufgrund seiner Tätigkeit um ihn sorgt, trägt er immer dafür Sorge, dass etwas wie das hier gerade nicht passiert«, fuhr Marco fort.

»Amos ...?«

»Stirling«, sagte Marco. Nun kannte ich zumindest endlich den Namen des Mannes.

»Und weiter?«

»Heather und ich fingen an, alle Krankenhäuser im Großraum New York anzurufen, doch in keinem war jemand dieses Namens wegen eines Unfalls oder gar Schlimmerem eingeliefert worden. Heather kontaktierte darüber hinaus ein paar Freunde, die hatten ebenfalls nichts von Amos gehört.«

Marco zögerte. Ich ließ ihm Zeit.

»Das NYPD konnten wir allerdings schlecht anrufen. Um eine Vermisstenanzeige aufzugeben, muss die vermisste Person mindestens drei Tage lang verschwunden sein, und das war Amos ja nun mal nicht. Und wir konnten den Cops wohl schwerlich erklären, dass aufgrund von Amos' Tätigkeit trotz allem ein verstärkter Grund zur Sorge besteht, wobei wir ja nicht einmal wissen, ob Amos' Verschwinden mit seinem Job zusammenhängt oder eine völlig andere Erklärung hat.«

Ich nickte langsam, denn ich verstand die Zwickmühle, in der Stirlings Frau und Marco steckten. Für einen Moment schloss ich die Augen und atmete tief durch, denn das, was ich nun tun würde, käme einem Hochseilakt gleich. Einem Hochseilakt zwischen Pflichterfüllung gegenüber dem FBI und Hilfe für jemanden, mit dem mich eine gemeinsame und in unserem Fall sehr gefährliche Geschichte verband.

»Ich kann verstehen, wenn du wegen deines Jobs nichts tun kannst«, sagte Marco leise. In seiner Stimme schwang ein gerüttelt Maß Resignation mit.

Ich unterbrach ihn. »Das habe ich nicht gesagt. Ich werde mich umhören, soweit es möglich ist. Aber es muss dir klar sein, dass ich offiziell tätig werden muss, wenn sich herausstellen sollte, dass das Verschwinden deines Freunds mit etwas Illegalem verbunden ist.«

»Das ist schon klar.« Auf Marcos Gesicht lag ein ernster Ausdruck, doch es spiegelte sich auch Erleichterung darauf. »Danke, Jerry.«

»Dank mir noch nicht. Bisher habe ich nichts herausgefunden, und selbst wenn ich das tue, wissen wir nicht, ob uns das Ergebnis gefallen wird.«

Marco lächelte kaum merklich. »Glaub mir, alles ist besser als die Ungewissheit.«

Ich nickte und hoffte wirklich, dass er das noch so sehen würde, sollten meine Nachforschungen etwas ergaben.

Nachdem ich mir von Marco die Adresse von Amos und Heather Stirling hatte geben und ein Bild aufs Smartphone hatte schicken lassen, das Amos und Heather gemeinsam mit Marco und Nicola in deren Garten zeigte, machte ich mich auf den Rückweg ins Federal Building. Dort angekommen, stellte ich den Jaguar in der Tiefgarage ab und nahm den Lift in die dreiundzwanzigste Etage.

Phil befand sich nicht in unserem gemeinsamen Büro, worüber ich ganz froh war. So war ich nicht gezwungen, ihm sofort über mein Gespräch mit Marco zu berichten, nach dem er andernfalls sicher gefragt hätte.

Zunächst überprüfte ich, ob Amos Stirling bei uns oder beim NYPD aktenkundig war. Und richtig, sein Name tauchte in den Akten des NYPD auf. Wenn man bedachte, womit der Mann seinen Lebensunterhalt verdiente, war das kaum überraschend.

Erstaunlich war eher, dass ihm im Lauf seines fragwürdigen Berufslebens nicht mehr zur Last gelegt und dass er nur einmal wegen der Einfuhr nicht verzollter Ware tatsächlich belangt worden war.

Außerdem war er wegen zwei Auseinandersetzungen mit Personen angeklagt worden, die ihn, wenn man beim Aktenstudium zwischen den Zeilen las, wohl zur Zahlung von Schutzgeld zwingen wollten oder die versucht hatten, ihn aus dem Geschäft zu drängen. In einem Fall war das Ende vom Lied gewesen, dass die Erpresser oder Konkurrenten im Krankenhaus gelandet waren, während Stirling den Gerichtssaal als freier Mann verließ, da man ihm nicht hatte nachweisen können, dass er etwas mit dem Krankenhausaufenthalt zu tun hatte. In diesem und im zweiten Fall, dessen Gerichtsakten ich ebenfalls überflog, waren darüber hinaus während der Verhandlungen Beweise für anderweitiges kriminelles Verhalten seiner Konkurrenten ans Licht gekommen, die diese im Zuge separater Strafverfahren letztendlich ins Gefängnis befördert hatten. Ich kam nicht umhin zu vermuten, dass Stirling am Auftauchen dieser Beweise nicht ganz unschuldig gewesen war.

Ich grinste. Ganz augenscheinlich war Amos Stirling ein vorsichtiger und darüber hinaus sehr geschickter Mann, der es verstand, unter dem Radar zu bleiben und der, wenn er mit einer bedrohlichen Situation konfrontiert wurde, bereit war, sowohl mit harten Bandagen zu kämpfen als auch mit List zu agieren.

Blieb nur zu hoffen, dass ihm das jetzt ebenfalls gelang, denn die Geschichte, die Marco mir erzählt hatte, klang ganz danach, als könnte Stirling ein weiteres Mal in der Bredouille stecken. Ich kannte ihn zwar nicht, nach dem kurzen Aktenstudium konnte ich durchaus nachvollziehen, dass Marco ihn sympathisch fand. Mir war er auch nicht unsympathisch, zumal aus den Aussagen der trockenen offiziellen Berichte ein gewisser Humor Stirlings durchschimmerte.

Ich fragte mich, wie sich Stirling und Marco kennengelernt hatten, denn Marco und seine Frau wohnten im nordöstlichen New Jersey, Amos und Heather Stirling hingegen in Brooklyn. Das bedeutete, dass sie rein örtlich ziemlich weit voneinander getrennt lebten, doch vermutlich kannte man sich, wenn man im selben Ballungsraum einer nicht legalen, aber sehr ähnlich gelagerten Tätigkeit nachging, die vermutlich trotz der Größe New Yorks nicht allzu viele Menschen ausübten.

Erneut warf ich einen Blick auf Stirlings Bild, das Marco mir aufs Smartphone geschickt hatte, und verglich es mit dem in Stirlings Polizeiakte.

Auf dem in der Akte war er einige Jahre jünger als auf dem Schnappschuss aus Marcos Garten, denn in den letzten fast zwanzig Jahren war er polizeilich nicht wieder auffällig geworden. Da ich dank der Akte sein Geburtsdatum kannte, rechnete ich kurz nach und kam zu dem Ergebnis, dass er mittlerweile sechsundsechzig sein musste. Das sah man ihm auf dem neueren Privatfoto nicht an.

Amos Stirling war ein drahtiger Afroamerikaner, dem ich heute noch ohne Probleme zutraute, mit ein paar Kerlen fertigzuwerden, die ihm auf die Füße zu treten versuchten. Seine Augen wirkten auf beiden Aufnahmen wach und aufmerksam, als wäre er sich aller Dinge bewusst, die gerade um ihn herum vorgingen. In seinem Job wäre alles andere fahrlässig gewesen. Seine Wangenknochen waren hoch, unter seiner Unterlippe prangte ein kleines Bärtchen.

Auf dem Foto in Marcos Garten saß, passend für einen Mann seiner Profession, eine umgedrehte Schiebermütze auf Amos' Kopf, die ihren Namen schließlich ihrer Beliebtheit bei Schwarzmarkthändlern und Schmugglern zu Beginn des letzten Jahrhunderts verdankte. Den Arm hatte Amos um Nicola LaVincenzo und seine Frau gelegt, die vermutlich ein paar Jahre jünger war als er und deren breites Lächeln zeigte, dass sie den Tag gerade sehr genoss. Anders als ihr Mann war Heather Stirling weiß. Ihr dunkles Haar, in dem man nur hier und da ein silbernes Fädchen ausmachen konnte, fiel ihr in vollen Wellen über die Schultern. Ich nahm an, dass sie im Augenblick weit weniger glücklich aussah.

Ich drückte das Foto auf meinem Handy weg und schloss auf dem Computer die Akten des Vermissten. Ich hatte mir ein erstes Bild von Amos Stirling machen können, nun blieb mir keine Wahl mehr, als mich dem unangenehmeren Teil meines Versprechens zu widmen.

Zunächst einmal überprüfte ich, ob die Männer, die dank Stirling im Knast gelandet waren, wieder auf freiem Fuß waren. Nur die waren seit einigen Jahren frei. Einen Racheakt schloss ich daher zunächst aus. Natürlich war es denkbar, dass sie etwas Zeit hatten vergehen lassen, um unverdächtig zu erscheinen, doch das erschien mir relativ unwahrscheinlich. Sollten sich entsprechende Hinweise auf ihre Verwicklung ergeben, konnte ich mich immer noch mit dieser möglichen Spur befassen. Erst einmal tat ich das, was Marco und Stirlings Frau Heather bereits getan hatten: Ich telefoninerte mich durch sämtliche Notaufnahmen der Krankenhäuser des Großraums New York und New Jersey. Dann wandte ich mich den Leichenschauhäusern zu. Alles ohne Ergebnis – wie bei Marco und Stirlings Ehefrau. Weder war an diesen Orten ein Patient namens Amos Stirling erfasst noch ein John Doe, also ein den Behörden nicht namentlich Bekannter, der Stirling glich.

Was mich im nächsten Schritt zum New York Police Department brachte. Ich rief ein paar mir bekannter Detectives diverser New Yorker Reviere an, um mich bei ihnen nach Stirling und eventuellen John Does zu erkundigen, die seit vorgestern entweder tot oder verletzt aufgefunden worden waren. Hier hatte ich ebenfalls kein Glück, was, betrachtete man die Sache aus einem anderen Blickwinkel, natürlich positiv betrachtet werden konnte. Offenbar hatte man Amos Stirling zumindest nicht in irgendeiner dunklen Gasse aufgefunden. Blieb nur zu hoffen, dass er nicht, wie es im Paten so schön hieß, bei den Fischen schlief, was ein Auffinden erheblich erschwert hätte.

Und dann landete ich bei Detective Gallagher. Sein Revier lag in Brooklyn, wir waren uns in einem länger zurückliegenden Fall begegnet. Als ich nach Stirling fragte, merkte ich, wie er mit einer Antwort zögerte.

Die Alarmglocken in meinem Kopf schrillten.