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Eine geheime US-Forschungseinrichtung schien unmittelbar vor einem entscheidenden experimentellen Durchbruch in der Kernfusionsforschung zu stehen. Dadurch könnten in naher Zukunft Fusionsreaktoren von der Größe konventioneller Atomkraftwerke gebaut und so die Energieprobleme der Menschheit für alle Zeiten gelöst werden. Die einzige Person, die diese hochkomplexe Materie durchschaute und daher die Forschungen leitete, war der geniale, aber etwas weltfremde und schrullige Professor Siebziger. Unvorsichtigerweise hatte er in einer wissenschaftlichen Zeitschrift den aktuellen Stand seiner Untersuchungen angedeutet. Damit war der Mann zur Zielscheibe rivalisierender Interessensgruppen geworden, die nicht vor Gewalt zurückschreckten. Und Phil und ich gerieten mitten in den Spionagefall Siebziger!
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Seitenzahl: 137
Veröffentlichungsjahr: 2024
Cover
Spionagefall Siebziger
Vorschau
Impressum
Spionagefall Siebziger
Bob O'Neal umklammerte mit beiden Händen das Steuerrad seiner Segeljacht. Dolly legte sich weit nach backbord. So ging es seit Stunden. Zum Glück blieb das Ruderhaus trocken. Missmutig lugte er durch die Frontscheibe. In Bächen floss Wasser herab. Die Sicht betrug zehn Yards bei Windstärke 6 und bis zu sieben Fuß hohen Wellen.
Seit gegen Mittag heftiger Regen eingesetzt hatte, war die Temperatur gefallen, und O'Neal steckte in einer kompakten Nebelsuppe, die das Boot wie in Watte hüllte. Der Atlantik vor der Ostküste der USA zeigte sich von seiner unangenehmen Seite. Zu allem Überfluss hatten vor zwei Stunden sämtliche elektronischen Geräte ihren Geist aufgegeben. Nur der Kompass funktionierte noch.
O'Neal schüttelte den Kopf. Die Werft hatte kürzlich zwei Techniker mehrere Tage lang für teures Geld damit beschäftigt, Radar, GPS und das Funkgerät auszutauschen. Die Brüder konnten sich auf was gefasst machen. In drei Stunden setzte die Dämmerung ein. Bis dahin musste er den Hafen erreichen, sonst würde es richtig ungemütlich werden.
Er warf einen Blick durch das Steuerbordbullauge und erstarrte. Hatte er Halluzinationen? Was war das für ein Stab? Ungläubig rieb er sich die Augen und schaute genauer hin. In einer Entfernung von wenigen Yards schob sich der schwarze Funkmast eines U-Boots höher und höher aus den grauen Wogen.
Er streifte Einmalhandschuhe über, öffnete die Tür des geheimen Raums, trat ein und verriegelte von innen. Misstrauisch blickte er sich um. War irgendetwas verändert? Das letzte Abendlicht fiel durchs Fenster herein. Schemenhaft erkannte er Tisch und Stuhl, die einzigen Einrichtungsgegenstände.
Er ließ die Rollläden herunter, tastete nach dem Lichtschalter und schloss geblendet die Augen. Der grelle Schein einer schmucklos vom Deckenkabel hängenden Glühbirne fiel auf steril weiße Wände und Bodenfliesen. Unschlüssig stand er da. Bis zur nächsten Funksendung blieben noch einige Minuten.
Gedankenverloren starrte er ins Leere. Wie war er in diese Geschichte hineingeraten? Vor sechs Monaten war Jim in einem Pub auf ihn zugekommen. Sie tranken zusammen. Jim bot ihm hunderttausend Dollar für Informationen, die er auf seiner Arbeitsstelle beschaffen sollte. Geld konnte er damals brauchen. Das verdammte Glücksspiel. Noch am selben Tag betrat er den geheimen Raum. Jim arbeitete als Agent für ein anderes Land.
Bei späteren Treffen sagte Jim ihm seine Meinung über Amerika. Sie war anders als alles, was er bisher gehört und für wahr gehalten hatte. Zweifel begannen, an ihm zu nagen. Was war richtig? Monate vergingen, bis er einsah, dass Jim für die bessere Sache kämpfte. Von da an war er Feuer und Flamme. Von nun an verriet er aus freien Stücken Geheimnisse der Vereinigten Staaten von Amerika. Das war nicht mehr sein Land. Sofort nach diesem Auftrag würde er in Jims Heimat ein neues Leben beginnen.
Vor ihm auf der Tischplatte stand das Funkgerät, ein flacher grauer Metallkasten, von dem ein schwarzes Kabel zur Wandsteckdose führte. Er zog eine Plastikfolie aus der Tasche, breitete sie über den harten Holzschemel, setzte sich und steckte den mitgebrachten Kopfhörer in die Öffnung am Gerät. Nach der Funksendung würde er ihn wieder an sich nehmen und die Folie verbrennen, um keine DNA-Spuren und Kleidungsfasern zu hinterlassen. Das rote Lämpchen an der Frontseite des Funkgeräts zeigte, dass die Stromversorgung funktionierte.
Er stülpte den Kopfhörer über und versetzte dem On-off-Schalter einen leichten Schlag nach unten. Mehrere Leuchten sprangen auf Grün, die Anlage war betriebsbereit. Am Display regelte er die heutige Empfangsfrequenz ein, holte Notizblock und Stift aus der Westentasche und legte sie bereit. Er lehnte sich zurück, schloss die Augen und lauschte dem gleichbleibenden Hintergrundrauschen.
Plötzlich schreckte er hoch. War er eingenickt? Mehrere kurze Sinustöne im Abstand von zwei Sekunden kündigten den Beginn einer neuen Funkbotschaft an. Augenblicke später drang aus dem Kopfhörer eine leise roboterhaft unpersönliche Männerstimme. Sie sprach langsam, monoton, Silbe für Silbe.
»Dreiundzwanzig an Elf. Aktion fünf Strich sieben. Alpha minus fünfzehn. Transport eins.«
Konzentriert schrieb er mit.
»Vier, zwei, neun ...«, fuhr die Stimme fort.
Minutenlang folgte Zahl auf Zahl. Dann schwieg sie abrupt. Nur das Rauschen im Äther blieb.
Er nahm den Kopfhörer ab und spannte ihn über seinen Oberschenkel. Dann riss er die mit Zahlenkolonnen beschriebenen Seiten vom Block, ordnete sie in einer Reihe und machte sich ans Dechiffrieren der Mitteilung, so wie Jim es ihm beigebracht hatte. Unter jeder Zahlenreihe war Platz, um den Klartext einzutragen. Der Code war kompliziert.
Er brauchte eine Viertelstunde. Hastig überflog er den Inhalt und pfiff durch die Zähne. Endlich ging es los. Auf diese Nachricht hatte er seit Monaten gewartet.
Er verstellte die Frequenz, schaltete das Funkgerät aus und zog den Kopfhörer ab. Sämtliche Papiere raffte er zusammen, entzündete sie zusammen mit der Folie im offenen Kamin, sah zu, wie die Flammen sie in Asche verwandelten und stocherte mit dem Schürhaken nach, um keine entzifferbaren Rückstände zu hinterlassen.
Leise verließ er den Raum. Auf der Straße streifte er die Einmalhandschuhe ab und stopfte sie zwei Häuserblocks weiter in eine der überquellenden Mülltonnen am Straßenrand.
Was für eine Fahrt! Das Wochenende war ein totaler Reinfall, von Angeln keine Rede. Als abends der Sturm abflaute und sich der Nebel verzog, machte Bob O'Neal zwei Meilen backbord voraus Bass Harbor Head Light aus, den Leuchtturm von Mount Desert Island. Unglaublich, wie weit ihn Wind und Wellen nach Norden versetzt hatten. Er ging auf Südkurs und schipperte unter den Küsten von Maine, New Hampshire und Massachusetts bis nach Newport am äußersten Ende von Rhode Island.
Als Dolly mit gemächlich tuckerndem Diesel dem Steg entgegenstrebte, war die See wie verwandelt, die Sicht klar, kein Lüftchen regte sich. Über dem Schiff spannte sich die sternenübersäte schwarze Himmelskuppel. Die Wohnhäuser ringsum lagen friedlich in der Dunkelheit, nur wenige Lichter der Hafenanlage spiegelten sich im unbewegten Wasser vor dem Bug.
O'Neal verringerte die Leistung und gab Gegenschub, bis Dolly ohne Fahrt längsseits am Steg lag. Er stellte den Motor ab. Die plötzliche Stille war ungewohnt. Er verließ die Kajüte, vertäute das Schiff an den Pollern, blieb einen Moment lang stehen und atmete die klare Nachtluft, die die Erinnerung an niedergegangenen Regen in sich trug, und blickte in den Himmel. Er kannte kaum ein Sternbild. Irgendwann würde er sich damit befassen, allein um ohne Elektronik und Kompass navigieren zu können.
Er packte seinen Kram zusammen und trottete zum Auto. In der kalten Luft verflog die Müdigkeit. Er beschloss, zuerst seine Beobachtung zu melden, bevor er sich zu Hause eine warme Mahlzeit zubereitete und endlich aufs Ohr legte. Seit Stunden hatte er nichts gegessen und keinen Moment Ruhe gefunden.
Im Gebäude der Hafenpolizei brannte Licht, die Tür war verschlossen. Er klingelte.
»Was kann ich für Sie tun, Sir?«, drang eine Männerstimme aus dem Lautsprecher der Gegensprechanlage.
Zwei Überwachungskameras waren auf O'Neal gerichtet.
Er beugte sich vor und sprach ins Mikrofongitter. »Ich möchte eine Meldung machen.«
Der Türöffner summte. Er trat ein. Ein schmuckloser Gang, links und rechts Stühle, hier und da hingen Fahndungsfotos und Werbeposter für Polizeiarbeit. Aus einer der Türen am Ende des Gangs trat ein schlaksiger junger Officer und blickte ihm aufmerksam entgegen. O'Neal ging auf ihn zu. Der Kerl war riesig, das Namensschild an seiner Brust hing unübersehbar auf O'Neals Augenhöhe.
»Guten Morgen, Officer Miller, mein Name ist Robert O'Neal.«
»Bitte kommen Sie ins Büro, Mister O'Neal«, sagte Miller freundlich, wies den Weg, setzte sich an seinen Schreibtisch und bot ihm einen Platz an. »Was möchten Sie melden, Sir?«
»Tja«, druckste O'Neal herum, plötzlich unsicher, ob man ihn nicht auslachen würde. »Ich weiß nicht, ob die Sache wichtig ist. Ich habe so was noch nie erlebt.«
»Ob es wichtig ist, werden wir sehen, Sir«, erwiderte der Officer verbindlich. »Bitte berichten Sie, was vorgefallen ist.«
»Also, ich war die letzten Tage mit meinem Kahn draußen und geriet in den Sturm. Plötzlich sehe ich einen U-Boot-Mast neben mir auftauchen.«
Miller, der mitgetippt hatte, sah von seinem Rechner auf und hob die Brauen. Sein Blick war keineswegs belustigt.
»Ich habe das Ding nur kurz gesehen«, fuhr O'Neal fort. »Es verschwand im Nebel.«
»Kann es etwas anderes gewesen sein? Vielleicht eine Boje?«
»Nein, nein.« Miller schüttelte den Kopf und winkte ab. »Wissen Sie, ich interessiere mich für Marine-Angelegenheiten. Das Ding war riesig und schwarz, mit Rohren und Antennen, eindeutig ein U-Boot. Und wenn Sie mich fragen, keines von unseren.«
»Wurde Ihr Schiff gerammt?«
»Nein, ich hatte Glück.« Vor seinem geistigen Auge erlebte O'Neal die entscheidenden Sekunden noch einmal. »Es kam so schnell nach oben«, fügte er hinzu und streckte illustrierend den Arm in die Höhe. »Ganz dicht an der Steuerbordseite.«
»Wie weit entfernt ungefähr?«
O'Neal wiegte den Kopf. »Ich schätze, zehn Yards.«
Miller tippte auf seinem Rechner. »Können Sie mir sagen, wo sich das abgespielt hat?«
»Leider nicht. Im Sturm hat die Elektronik gestreikt, und ich musste nach Kompass fahren.« O'Neal überlegte. »Fünfzig Seemeilen vor der Küste ging ich auf Heimatkurs, zwei Stunden später kam Nebel auf, und die Geräte fielen aus.« Er hob entschuldigend die Schultern. »Es war irgendwo weit draußen, östlich oder nordöstlich vor Rhode Island. Bei dem Geschaukel im Nebel habe ich die Orientierung verloren.«
»Wie schnell fuhren Sie, bevor das Unwetter losbrach?«
»Mit voller Motorleistung. Mehr als zehn Knoten sind bei Dolly aber nicht drin.«
»Dann rechnen wir mal.« Miller schaute zur Decke. »Wenn Sie zwei Stunden lang mit zehn Knoten fahren, ergibt das eine Strecke von rund zwanzig Seemeilen.« Er ging zur Wandkarte und deutete auf eine Stelle im Atlantik. »Also haben Sie das U-Boot zwischen diesem Punkt und der Küste gesichtet.«
O'Neal nickte.
Miller ließ ihn das Aussehen des U-Boots beschreiben, hakte immer wieder nach und bat O'Neal sogar, eine Skizze anzufertigen. Anschließend nahm er seine Personalien auf und erhob sich.
»Mister O'Neal, ich danke Ihnen für Ihr Kommen. Ich werde Ihre Meldung umgehend weiterleiten.«
»Das freut mich. Mein Kompliment übrigens. Sie lassen nicht locker, bis Sie alles aus einem Zeugen rausgeholt haben.«
Miller lächelte. »Besten Dank, Sir.«
Als O'Neal auf den Flur hinaustrat, hörte er Miller bereits am Telefon. »Bitte geben Sie mir die Küstenwache.«
Bis zu den Sechs-Uhr-Morgennachnichten brachten sie im Radio die Aufzeichnung einer Diskussion vom Vorabend. Der Bürgermeister erörterte mit Fachleuten Für und Wider alternativer Energiequellen für die Stromversorgung des Big Apple.
Die Moderatorin ergriff das Wort. »Bürgermeister, unsere Sendezeit neigt sich dem Ende zu. Darf ich Sie um ein kurzes Schlusswort bitten?«
»Sehr gerne.« Sekundenlanges Schweigen. »Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, die offenen Fragen der Energiegewinnung stellen die Politik weltweit vor gewaltige Herausforderungen. Wir nehmen diese Herausforderung an und setzen uns nach guter alter amerikanischer Tradition mit vereinten Kräften für unser Gemeinwesen ein, um auch dieses Problem in den Griff ...«
Ich hörte nur noch mit halbem Ohr hin. Skeptisch kostete ich Helens Spezialmüsli, dessen Rezept mir die Chefsekretärin gestern verraten hatte. Überrascht hob ich die Brauen. Das Zeug war fast so lecker wie Helens Kaffee. Vergnügt kauend schaute ich zum Fenster hinaus. Es war ein herrlicher New Yorker Sommermorgen. Das Gold der Sonnenstrahlen überzog die obersten Etagen der gegenüberliegenden Hausfassade, und unten auf den Straßen pulsierte das Leben.
Ich schnappte mir Dienstwaffe und Handschellen, warf mir ein marineblaues Jackett mit silbernen Knöpfen über und verließ mein Apartment. Wenig später saß ich am Steuer meines roten Jaguar.
Phil Decker, mein Freund und Partner, stieg an der üblichen Ecke zu. Wir plauderten. Er berichtete von einem Computerspiel, das ihn bis in die Nacht beschäftigt hatte. Ich erzählte begeistert von meinem Frühstück.
Sein Blick sprach Bände. »Jerry, Junge, geht's dir gut?«
Ich lachte.
Als wir die dreiundzwanzigste Etage des Jacob K. Javits Federal Building betraten, sah Helen uns lächelnd entgegen. »Ihr beiden sollt gleich zum Chef kommen.«
»Weißt du, worum es geht?«, erkundigte sich Phil.
»Leider nicht. Vor einer halben Stunde habe ich einen Anruf aus Washington zu ihm durchgestellt. Director Fuller. Vielleicht hat es damit zu tun.«
Ich spitzte die Ohren. James E. Fuller war der oberste Chef der FBI-Behörde und Mr. Highs unmittelbarer Vorgesetzter.
Wir traten vor die Tür mit der Aufschrift Assistant Director in Charge John D. High. Mein Partner klopfte.
»Ja bitte!«, kam es von drinnen.
Das Chefzimmer war leicht abgedunkelt. Mr. High saß kerzengerade an seinem Schreibtisch.
»Phil, Jerry, bitte nehmen Sie Platz.«
Er trug einen dunkelbraunen Anzug mit weinroter Krawatte und fuhr mit der Computermaus hin und her. Auf der Wandprojektionsfläche hinter ihm erschien die Luftaufnahme eines Flugzeugträgers, der sich einsam durch die weite graue See kämpfte. Das Foto war keine zwei Wochen alt, wie aus dem Datum an unteren Rand hervorging.
»Gentlemen, das ist die Maryland«, begann er und drehte seinen Stuhl in Richtung der Abbildung, »ein atomgetriebener Flugzeugträger der U. S. Navy. Vor vier Jahren rüstete das Pentagon ihn mit erheblichen Finanzmitteln zu einer streng geheimen Forschungsstation für Kernfusion um.« Er legte eine Pause ein und wandte sich uns zu. »Unsere Sonne setzt mittels Kernfusion riesige Energiemengen frei. Wenn es der Menschheit gelingt, Kraftwerke zu bauen, in denen derselbe Prozess kontrolliert abläuft, stehen für alle Zeiten unbegrenzte Energiemengen zur Verfügung, eine fantastische Vorstellung. Hinzu kommt, dass Kernfusion die Umwelt nicht belastet.«
Wir nickten.
»Die Umbauarbeiten der Maryland wurden nach Vorgaben von Professor Doktor mult. Victor Siebziger durchgeführt.«
Das Bild des Flugzeugträgers verschwand und machte dem geröteten Gesicht eines etwa sechzigjährigen Mannes mit ungebändigter grauer Lockenmähne Platz, der einen weißen Laborkittel trug. Hellwache blaue Augen funkelten angriffslustig zwischen buschigen Brauen und einem über der Oberlippe auseinandergezwirbelten Vollbart, dessen Enden wie spitze Dolche nach beiden Seiten abstanden.
Ein Feuerkopf, schoss es mir durch den Sinn. Vielleicht war der Mann Choleriker.
»Was bedeutet mult., Sir?«, erkundigte sich Phil.
»Das ist die Abkürzung für multiplex. Man verwendet sie, wenn jemand mehr als zwei Doktortitel hat.«
Mein Partner stülpte die Lippen vor und nickte anerkennend.
»Zwar wird von verschiedenen Ländern Kernfusionsforschung betrieben, aber Professor Siebziger ist weltweit der Einzige, der zu wissen scheint, welche Experimente notwendig sind, um in naher Zukunft Reaktoren von der Größe traditioneller Atomkraftwerke bauen zu können«, fuhr fort Mr. High. »Solche Reaktoren wären geeignet, Armut, Hunger und Umweltzerstörung zu überwinden. Außerdem würde ein Vorsprung der USA in dieser Technologie märchenhafte Summen in die Finanzkasse spülen.«
Der Chef ließ seine Worte sacken. Die Mundwinkel fuhren kaum merklich in die Breite, bevor er fortfuhr.
»Professor Siebziger ist zweifellos ein äußerst genialer Wissenschaftler, leider vollkommen weltfremd. Arglos und ohne sich mit dem Pentagon abzustimmen, veröffentlichte er vor wenigen Monaten den Stand seiner Forschungen in einem Zeitschriftenaufsatz.« Ein trauriges Lächeln glitt über Mr. Highs Gesicht. »Im Pentagon ist man not amused.«
»Verständlicherweise«, sagte ich.
»Ja. Nach CIA-Informationen sind Geheimdienste verschiedener Länder in dieser Angelegenheit aktiv geworden. Das Pentagon befürchtet, dass fremde Agenten Siebziger entführen wollen, um mehr Informationen aus ihm herauszupressen oder ihn zu zwingen, die ausstehenden entscheidenden Experimente außerhalb der USA durchzuführen.«
»Was sind das für Experimente?«, fragte ich.
»Im Detail weiß das niemand, Jerry, nicht einmal die engsten Mitarbeiter des Professors. Entsprechende Planungen scheinen nur in seinem Kopf zu existieren.«
Mein Partner machte große Augen. »Und wann finden diese Experimente statt?«
»Laut unseren Informationen innerhalb der nächsten Woche, Phil. Sie und Jerry werden den Professor in dieser Zeit auf Schritt und Tritt folgen und im Auge behalten.«
»Und danach?«, fragte Phil. »Die Gefahr einer Entführung bleibt doch darüber hinaus bestehen.«
Mr. High nickte.
»Auch danach steht Siebziger unter Polizeischutz. Aber er ist nicht mehr interessant für fremde Nachrichtendienste. Entweder ist sein Forschungsansatz falsch und seine Experimente scheitern, oder sie gelingen. In letzterem Fall wird sofort eine größere Gruppe von Forschern und Technikern in Kenntnis gesetzt, die sich mit industrieller Fusionsreaktorenfertigung befasst. Auf diese Leute werden sich die fremden Geheimdienste stürzen. Man bewacht sie natürlich.«
»Warum erforscht man Kernfusion eigentlich auf See, Sir?«, fragte Phil. »Einen Flugzeugträger umzubauen, ist sicher aufwendig.«
Mr. High nickte. »Der Standort verringert die Gefahr von Industriespionage, Phil. Da die Maryland im Atlantik innerhalb der Hoheitsgewässer der USA kreuzt, können fremde Agenten das Schiff kaum erreichen. Und feindliche Marineeinheiten werden es nicht wagen, innerhalb dieses Gebiets zu operieren, zumal Küstenwache und Navy in großem Radius um die Maryland Patrouille fahren.«
»Okay«, sagte Phil.
»Der Kurs des Flugzeugträgers unterliegt strengster Geheimhaltung. Seine Sonaranlage registriert jede Annäherung von U-Booten. Und auch Taucher, dressierte Delfine und Torpedos haben keine Chance, die Bordwand zu erreichen, da das Schiff von einem Unterwasserstahlnetz umgeben ist.«
Der Chef sah von einem zum anderen und rief das nächste Bild ab.
»Und falls trotz dieser Vorsichtsmaßnahmen Agenten an Bord gelangen sollten, könnten sie die ausgespähten Informationen nicht weitergeben, denn jedes Überbordwerfen einer Flaschenpostnachricht wird von auf Deck installierten Überwachungskameras registriert. Außerdem verhindern bordeigene leistungsstarke Störsender die Übermittlung von Funkbotschaften.«
»Delfine«, murmelte ich so leise, dass es niemand hören konnte.