Jerry Cotton 3497 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 3497 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

In New York und Umgebung trieb ein Serienmörder sein Unwesen. Weil er bei seinen Opfern eine entsprechende Signatur hinterließ und Tatortfotos Fox News schickte, nannte ihn die Presse nur noch den Herzkiller. Der Kerl tötete in atemberaubendem Tempo und mit immer anderen Methoden. Er schien die Morde berühmter Serienkiller nachzustellen. Phil und ich leiteten die Sonderermittlungsgruppe Heart. Wir stießen auf einen Satanistenzirkel und einen bösen Nachbarschaftsstreit, in dem ein gehäutetes Kätzchen eine Rolle spielte. Außerdem wurden wir öffentlich diskreditiert. Nur langsam begriffen wir, wie diese Dinge mit unseren Ermittlungen zusammenhingen. Denn das absolute Böse hatte Einzug gehalten im Big Apple!

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Seitenzahl: 143

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhalt

Cover

Das absolute Böse

Vorschau

Impressum

Das absolute Böse

Lynn Mercer erwachte nur langsam aus ihrer Betäubung.

Als sie sich blinzelnd und stöhnend aufrichten wollte, erschrak sie zu Tode. Sie lag mit ausgestreckten Armen und Beinen auf einem Holztisch. Wie ein großes X, nackt und an den Gelenken gefesselt.

Keuchend zog sie an den Fesseln, versuchte, sie abzustrampeln. Vergeblich. Das Adrenalin strömte durch ihren Körper. Sie drehte panisch den Kopf aus dem Gegenlicht und sah nun besser.

Ein Kellerraum aus roten Ziegeln nahm Konturen an. An einem Wandbrett bemerkte sie fein säuberlich aufgehängte Skalpelle, Bohrer, eine Säge, Klemmen und Riemen. Davor stand ein gynäkologischer Stuhl. Es brauchte ein paar Sekunden, bis ihr dämmerte, was hier passierte.

Dann schrie Lynn wie am Spieß, bäumte sich wild auf und wollte sich drehen.

Irgendwann blieb sie schluchzend liegen. Da erlosch schlagartig das Licht. Tiefe Dunkelheit umfing sie.

Irgendwo öffnete sich quietschend eine Tür. Eine Lichtbahn durchschnitt die Finsternis. Lynn hob den Kopf etwas an, drückte dabei krampfhaft das Kinn auf die Brust. Im leuchtenden Viereck vor ihr erschien eine düstere Gestalt. Sie schien kein Gesicht zu haben und wirkte in dem Moment wie ein Dämon aus der Hölle.

Die Gestalt näherte sich.

»Wer ... wer sind Sie?«, fragte Lynn mit zitternder, brechender Stimme. »Und was wollen Sie von mir? Bitte ... bitte lassen Sie mich gehen. Meine Mom wartet auf mich. Sie macht sich sicher schon ...«

Ein brutaler Faustschlag ins Gesicht ließ sie mitten im Satz verstummen.

»Halt die Fresse«, sagte der Mann mit erregter, keuchender Stimme.

Wimmernd spürte sie, wie er ihren Kopf anhob und eine Kapuze darüber zog. Trotzdem konnte Lynn durch das Leinen sehen, dass neben ihr ein weiteres Licht anging. Ein Fernseher.

Zur typischen Fox-News-Titelmelodie verkündete ein Sprecherduo den Beginn der abendlichen Sechs-Uhr-Nachrichten.

»Der Herzkiller, der seit sechs Wochen ganz New York in Angst und Schrecken versetzt, scheint sich ein weiteres Opfer geholt zu haben«, sagte eine Frauenstimme. »Seit gestern Nacht wird die siebzehnjährige Lynn Mercer aus Staten Island vermisst. Ihre Handtasche wurde in der Nähe einer Bushaltestelle gefunden. Von dort wollte Lynn zurück nach Hause fahren, nachdem sie eine Freundin besucht hatte, kam aber nie dort an. Wie bei fünf anderen Toten zuvor wurde das auf einem Horizontalstrich stehende Herz in Lynns Handtasche gefunden, dieses Mal auf einen Zettel gemalt. In Absprache mit dem FBI, das den Serienkiller jagt, bringen wir nun als Topnachricht einen Aufruf der verzweifelten Eltern Mike und Sheila Mercer.«

Lynn erstarrte.

»Hi. Wir sind ... Sheila und Mike Mercer aus Staten Island. Und wir wenden uns hiermit an die ... unbekannte Person, die gestern unsere Tochter Lynn ... entführt hat. Wer immer Sie sind und welche ... Motive Sie immer haben mögen, möchten wir Sie doch aus ... aus tiefstem Herzen bitten, unserer Lynn nichts anzutun und sie ... wieder freizulassen. Sie ist noch so jung und hat ... hat das ganze Leben noch vor sich«, hörte die Frau die tränenerstickte Stimme ihrer Mutter, die bei den letzten Worten endgültig in sich zusammengebrochen war.

»Mom!«, schrie Lynn schrill. »Moooooom!«

Sie spürte einen schrecklichen Schmerz im Oberschenkel, der sie wie ein waidwundes Tier aufbrüllen ließ.

»Ja, schrei du nur«, hörte sie die flüsternde Stimme des Mannes direkt an ihrem Ohr. »So macht es noch viel mehr Spaß, findest du nicht? Es ist fast so, als würden deine Eltern zuschauen. Du glaubst ja gar nicht, wie mich das anmacht ...«

Sie spürte eine Hand auf ihrem Körper, die langsam darüberstrich. Klein kam sie ihr vor, fast weiblich. Ihr Winden, um ihr zu entkommen, nützte nichts.

Die Stimme ihres Vaters erklang im Fernsehen.

»Mom, Dad, helft mir bitte, bitte«, wimmerte sie.

»Sie können dir nicht helfen, sie schauen nur zu«, flüsterte die schreckliche Stimme an ihrem Ohr. »Doch, ja, das tun sie, je länger ich es mir überlege. Ein Logenplatz in der ersten Reihe. Ist das nicht niedlich? Nun gut, dann wollen wir ihnen auch etwas bieten. Was meinst du?«

Co-op City, Bronx

Es war später Nachmittag. Die Sonne knallte förmlich auf die Stadt. In unseren Sommeranzügen gingen wir durch weitläufige Grünanlagen, direkt auf eines der fünfunddreißig kreuzförmigen Hochhäuser von Co-op City zu.

»Mann«, sagte Phil stöhnend, »was für ein Moloch. Hier möchte ich schon im Winter nicht leben. Und im Sommer gleich zweimal nicht.«

»War das jetzt das Wort zum Sonntag?«, erwiderte ich grinsend.

»So was Ähnliches, ja. Ich musste das einfach loswerden, Jerry.« Er grinste zurück. »Du weißt ja, dass Mister High mich gelegentlich den Meister der tiefgründigen Weisheiten zu nennen pflegt.«

»Warum bloß habe ich das noch nie gehört?«

»Weil er es immer nur macht, wenn du gerade nicht im Raum bist.«

»Ja klar, weil er nicht will, dass ich mich zurückgesetzt fühle. Wie überaus rücksichtsvoll von ihm.«

Wir lachten und steuerten auf den Haupteingang zu. Als wir noch etwa dreißig Yards entfernt waren, öffnete sich die Tür. Ein mittelgroßer, schlanker Weißer mit schulterlangen Haaren trat ins Freie. Er trug ein blaues T-Shirt, knielange Shorts und Turnschuhe. Er stoppte sofort, als er uns bemerkte. Unschlüssig sah er uns an.

»Na, wenn das kein riesengroßer Zufall ist«, murmelte Phil, während wir weitergingen. »Da haben wir ja unseren Ausreißer, und gleich noch auf dem Silbertablett.«

Randal Endsley wusste natürlich nicht, dass wir wegen ihm hier waren. Er schien uns aber als Polizisten zu erkennen, denen er lieber nicht begegnen wollte. So wich er seitlich aus und ging raschen Schrittes über die Rasenfläche am Haus entlang.

»Bleiben Sie stehen, Endsley, FBI!«, brüllte ich.

Wie erwartet, dachte er gar nicht daran, im Gegensatz zu einigen Passanten, die neugierig herüberstarrten. Endsley drehte kurz den Kopf, dann rannte er weg.

»Oh, bitte nicht bei dem Wetter!«, stieß Phil hervor.

Wir spurteten los. Phil rannte direkt hinter ihm her. Ich hielt mich weiter links. Denn spätestens bei den dichten Büschen, die den Parkplatz des nächsten Hauses begrenzten, war Endstation. Dann musste er nach links ausweichen.

Phil war schnell, Endsley ebenfalls. Trotzdem holte Phil auf. Auch ich konnte meine Fitness auf den Prüfstand stellen. Mein Spurt führte an einigen Bäumen und einem Brunnen vorbei.

Es kam, wie ich es vorausgesehen hatte. Endsley bog schon ein Stück vor der Hecke nach links ab. Damit lief er mir direkt in die Falle. Als ich hinter einem Baum hervorkam, versuchte er, mir auszuweichen und auf den Parkplatz zu entkommen. Ich sprang ab. Mit einem mächtigen Sprung erreichte ich seine Beine und riss ihn nieder.

Mit einem schrillen Schrei fiel er auf das kurz gemähte, ausgedörrte Gras. Gleich darauf saßen wir keuchend da. Phil keuchte nicht weniger, während er die Glock auf Endsley richtete. Der hielt sich mit schmerzverzerrtem Gesicht das Handgelenk.

»Los, aufstehen, Endsley!«, befahl Phil.

Ich selbst war deutlich schneller wieder auf den Beinen als der registrierte Sexualstraftäter.

Endsley zitterte, als er wieder stand. Der Schweiß lief ihm in Strömen von der Stirn. Ängstlich starrte er uns an. »Was wollen Sie von mir? Ich, äh, habe nichts gemacht.«

»Was Sie nicht sagen«, erwiderte ich und richtete dabei mein Jackett. »Ich kenne da einen Bewährungshelfer, der schon seit acht Wochen auf Ihren Besuch wartet, Endsley. Und wenn ich mich nicht täusche, haben Sie vom Gericht die Auflage erhalten, Ihre Nachbarschaft in Brooklyn nicht ohne vorherige Meldung bei der zuständigen Polizeibehörde verlassen zu dürfen. Und Ihre Therapie ist auch noch nicht beendet. Das allein ist mehr als ausreichend, um auf der Stelle wieder in den Knast zurückzuwandern, würde ich sagen.«

Endsley schluckte hektisch.

»So. Und jetzt werden Sie uns mal schön berichten, warum Sie abgehauen sind«, sagte Phil. »Und ich will nichts als die Wahrheit hören. Haben wir uns da verstanden, Endsley? Wegen Ihnen schwitze ich wie ein Schwein, da verstehe ich keinen Spaß mehr.«

Endsley verzog weinerlich das Gesicht. »Sie wissen ja nicht, wie das ist, wenn die Polizei deinen Namen, deine Adresse und deine Taten, die man ja eigentlich gar nicht begangen hat, im Internet veröffentlicht. Der ganze Block hat gewusst, was ich gemacht haben soll. Die haben mich beschimpft, die Kinder haben mir ›Sexmonster‹ hinterhergeschrien, und ein Vater hat sogar gesagt, dass er mich totschlagen wird, wenn er sieht, dass ich seiner Tochter hinterherschaue. Ich schwör's, das war so schlimm, dass ich's irgendwann nicht mehr ausgehalten hab und getürmt bin. Das war die Hölle.«

»Mir kommen gleich die Tränen«, erwiderte Phil.

»Und das alles nur, weil ich ein paarmal kleine Kinder getröstet habe«, sagte Endsley und wischte sich mit dem Unterarm den Schweiß von der Stirn. »Das war doch alles ganz harmlos, ich habe die nicht unsittlich berührt. Das würde ich niemals tun. Nie.«

»Natürlich nicht«, höhnte Phil. »Wenn ich mir die Unschuld in Person vorstelle, sehe ich immer gleich den famosen Mister Randal Endsley vor mir. Wir werden Sie jetzt auf eine kleine Stadtrundfahrt auf Staatskosten schicken, Sie Unschuld in Person.«

Er verzog das Gesicht.

»Dann ergründen wir später mal gemeinsam, wo Sie sich die letzten sechs Wochen überall herumgetrieben und was Sie alles getan haben.« Phil verhaftete ihn offiziell, belehrte ihn über seine Rechte und legte ihm Handschellen an. »Das ist nur zu Ihrem Besten, Endsley. Wir wollen Ihnen nur helfen und erwarten deshalb, dass Sie uns tatkräftig unterstützen. Nicht dass wir am Ende noch glauben, dass Sie der Herzkiller sind.«

Endsley erschrak, sein Gesicht wurde schlagartig bleich.

»Nein, nein, damit habe ich nichts zu tun. Das können Sie mir nicht anhängen, Agents«, murmelte er heiser. »Ja, okay, manchmal kann ich meine Hände nicht bei mir behalten. Aber ich bin kein Killer!«

»Jeder Serienkiller hat mal klein angefangen«, sagte ich. »Und Sie sind ungefähr zu der Zeit verschwunden, als die Mordserie begann. Ob das Zufall war, werden wir herausfinden.«

Weil wir nicht mit einer sofortigen Verhaftung gerechnet hatten und mit dem Jaguar angereist waren, in dem keine dritte Person Platz fand, griff ich zum Handy und rief das NYPD an. Captain Boller, der Leiter des 45. Bezirks, der für Co-op City zuständig war, versprach, einen Streifenwagen zu schicken, um Endsley in die Untersuchungshaft ins Metropolitan Correctional Center zu überführen.

»Wie haben Sie mich überhaupt gefunden?«, fragte Endsley, während wir warteten.

»Wir waren schon damals die besten Feds unseres Jahrgangs«, antwortete Phil grinsend.

»Das auf jeden Fall«, sagte ich. »Und Sie haben Ihrem Arbeitgeber gegenüber mal erwähnt, dass Sie eine Freundin namens Misook haben, die in Co-op City wohnt. Daran hat sich Mister Newman vom Brooklyn Pizza Express erinnert. Weil wir tatsächlich eine Misook Wang im Einwohnerregister von Co-op City gefunden haben und es diesen seltenen Vornamen hier nur einmal gibt, dachten wir, schauen wir doch mal vorbei und versuchen unser Glück. Mit einem derart durchschlagenden Erfolg haben wir allerdings, ehrlich gesagt, nicht gerechnet.«

»Und warum ausgerechnet ich?«

»Das wissen Sie ganz genau, Mister Unschuld in Person«, antwortete Phil. »Wenn Sexualverbrechen passieren, überprüfen wir automatisch jeden registrierten Sexualstraftäter in der Nähe. Und da Sie verschwunden waren, waren Sie für uns natürlich besonders interessant. Möglicherweise haben Sie ja Ihre Neigungen weiterentwickelt.«

Ein Streifenwagen näherte sich. Ich winkte. Zwei Cops transportierten Endsley ab.

Ich schaute auf die Uhr. »Josua Puddicombe machen wir heute auch noch. Aber später, würde ich sagen. Halb sechs Uhr. In einer halben Stunde wird zum ersten Mal die Mercer-Ansprache ausgestrahlt. Die würde ich gerne sehen.«

Phil nickte. »Ich auch. Tablet im Jaguar? Oder Bar mit Fernseher? Ich schlage Zweiteres vor. Mein Durst ist so groß, dass ich locker den ganzen Hudson River aussaufen könnte. Mit Nebenflüssen selbstverständlich.«

Wir landeten schließlich in Popeyes Louisiana Kitchen an der Baychester Avenue, Ecke Bartow Avenue. Der Fernseher lief, eine Menge Leute warteten auf die Nachrichten, denn die Mercer-Ansprache war schon den ganzen Tag über immer wieder angekündigt worden. Wir fanden trotzdem noch Plätze an der Theke und bestellten uns Brathähnchen und sehr viel Wasser.

Während des ersten Schlucks starteten die Sechs-Uhr-Nachrichten von Fox News. Nach der Ankündigung der Nachrichtensprecherin wurde das Ehepaar Mercer eingeblendet. Es saß auf einer blauen Couch, an der Wand dahinter hing ein modernes Aquarell. Wir wussten, dass das Video bei den Mercers zu Hause aufgenommen worden war.

Den Text, den sie gleich abwechselnd sprechen würden, hatte unsere Serienkillerspezialistin Dr. Iris McLane aufgesetzt. Er sollte aus dem anonymen Opfer Lynn Mercer ein menschliches Wesen mit Namen und einem sozialen Umfeld machen und so an die Menschlichkeit und das Mitgefühl des Entführers appellieren, auch wenn der Erfolg wahrscheinlich überschaubar sein würde.

Der weitaus bessere Effekt dieses Appells bestand darin, dass die Mercers etwas tun konnten und sich so nicht komplett hilflos fühlten. Gleichzeitig erhofften wir uns durch die Veröffentlichung des Fotos Hinweise aus der Bevölkerung, denn die Jagd nach dem Herzkiller hatte Mr. High uns beiden als seine »besten Pferde im Stall« anvertraut. Wir leiteten die Sonderermittlungsgruppe Heart, der insgesamt zwölf Agents angehörten.

Sheila Mercer war eine gut aussehende Vierzigjährige mit halblangem blondem Haar, das sie links gescheitelt trug und zu einem Pferdeschwanz gebunden hatte. Sie steckte in einem hellgelben Sommerkleid mit aufgedrucktem blauem Blumenmuster. Die Frau arbeitete als Arzthelferin in einer angesehenen Gemeinschaftspraxis in Brooklyn.

Mike Mercer, der die Hand seiner Frau fest umklammert hielt, gehörte ebenfalls in die Kategorie gut aussehend. Seine halblangen dunkelbraunen Haare waren noch voll, auch wenn sich an den Schläfen erste Geheimratsecken zeigten. Ein sandfarbenes T-Shirt mit Kragen schmiegte sich an seinen muskulösen Oberkörper. Mercer war etwas größer als ich. Er betrieb eine Servicefirma, die sich um die technische Wartung von Solaranlagen kümmerte.

Sheila Mercer versuchte, in die Kamera zu lächeln, was gründlich misslang. Sie schluckte ein paarmal krampfhaft und starrte dabei auf den Zettel in ihrer Hand. Dann hob sie den Kopf und begann stockend zu sprechen. Das Make-up schaffte es nicht, ihre rot geweinten Augen auch nur einigermaßen zu kaschieren. Ihr Mann starrte mit steinerner Miene geradeaus. Er hatte ebenfalls tiefe Ringe unter den Augen.

Sheila Mercer wandte sich direkt an »die unbekannte Person«. Die forensischen Untersuchungen der vorhergehenden Opfer sprachen zwar mit neunzigprozentiger Sicherheit für einen Mann als Täter, weil zumindest drei von ihnen brutal vergewaltigt worden waren.

Und die Kraft, mit der sich der Killer an seinen Opfern ausgetobt hatte, deutete stark auf einen Mann hin. Allerdings hatten wir bisher nur an einem Opfer DNA-Spuren sicherstellen können, und da gleich vier verschiedene, was deswegen wenig aussagekräftig war, da es sich um eine junge Prostituierte gehandelt hatte. Bei den Messerstichen gab es einige wenige, die mit nicht ganz so großer Kraft ausgeführt worden waren. Iris war sich trotzdem sicher, dass sie den Opfern rein zum Zweck der Folterung beigebracht worden waren.

Die Verzweiflung Sheila Mercers wurde aus jedem Wort ersichtlich. Sie musste sich immer wieder zusammenreißen. Schließlich stockte ihre Stimme, sie konnte nicht mehr.

Mike Mercer strich seiner schluchzenden Frau zärtlich über das Haar und nahm ihr den Zettel aus der Hand. Er räusperte sich und erzählte Geschichten und Anekdoten aus dem Leben ihrer Tochter, was sie als Baby gesagt und getan hatte, wie sie zum ersten Mal in die Schule gegangen war, welche Hobbys sie hatte, welche Urlaube sie gemeinsam mit ihr verbracht hatten und dass sie unendlich geliebt wurde.

Ich hatte schon viel erlebt, doch jetzt kämpfte selbst ich mit den Tränen. Einige Frauen im Restaurant schluchzten laut und tupften sich die Augen.

Schließlich brach Mercers Stimme ebenfalls. Seine Augen schimmerten feucht, als er sagte: »Wir bitten Sie noch einmal ... inständig, tun Sie unserer Lynn nichts an, und lassen Sie sie wieder ... gehen. Und falls Sie ... das hören sollten, hören Sie jetzt bitte genau ... hin. Wir machen wirklich alles, um unsere Tochter, unsere Lynn ... wieder zurückzubekommen. Wir wären bereit, ein Lösegeld von«, er atmete einmal tief durch, »von einer halben Million Dollar zu bezahlen. Sie müssen uns nur ein Zeichen geben, dass es unserem Sonnenschein, ich meine, dass sie noch am Leben ist und es ihr gutgeht. Dann rufen Sie mich auf dem Handy an. Lynn wird Ihnen meine Nummer geben, sie ... sie kennt sie auswendig. Ich danke Ihnen schon jetzt ... im Voraus, danke.«

Damit beendete Mercer den Appell.

»O verflucht«, sagte Phil leise. »So was verkrafte ich nur schwer. Jetzt können wir bloß noch hoffen, dass es sich in diesem Fall tatsächlich um einen Trittbrettfahrer handelt und dass er auf das Lösegeldangebot eingeht. Sonst ...«

Ich nickte und leerte mein Glas in einem Zug. Über das »sonst« wollte ich lieber nicht nachdenken.

Tempel der Astarte, Sheepshead Bay, Brooklyn

Der Magus Maximus trat gemessenen Schrittes hinter einer der sechs großen Säulen hervor in den Tempelraum. Ein bodenlanges schwarzes Gewand floss um seine hochgewachsene, schlanke Gestalt. Das Gesicht des Magus wurde von einer Teufelsmaske mit zwei langen Hörnern verdeckt, bei denen es sich um Schlangen mit entsprechenden Köpfen handelte. Das weibliche Bocksgesicht wirkte weder hässlich noch tückisch, sondern eher philosophisch weise. In der Hand hielt er ein Zepter, das von einem goldenen Skarabäus gekrönt wurde.

»Gesandter der Astarte, wir begrüßen dich«, ertönte es ehrfürchtig murmelnd aus den Reihen der Jünger. Sie knieten nieder und streckten ihre Hände nach dem Magus aus.