Jerry Cotton 3501 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 3501 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Phil und ich konnten es kaum fassen: Mr High war verhaftet worden, weil er angeblich daran beteiligt gewesen war, die nordkoreanische Attentäterin Dahee Shin in die Staaten zu schleusen. Wir wollten von Zachary Dyson, unserem neuen Vorgesetzten, wissen, wieso Mr High überhaupt in Verdacht geraten war. Dyson ließ lediglich durchblicken, dass etwas Verdächtiges auf Mr Highs privatem Laptop gefunden worden war. Er untersagte uns, in dieser Angelegenheit tätig zu werden, schließlich seien wir befangen. Außerdem sollten wir unsere Ermittlungen zu den Anschlägen einstellen, die das Land erschütterten. Zumindest in New York glaubte er, der Fall wäre mit dem Tod der Nordkoreanerin abgeschlossen. Und zu allem Überfluss tauchte in dieser prekären Situation auch noch eine frühere Gegnerin von uns auf - Madame Marble!

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Seitenzahl: 145

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhalt

Cover

Madame Marbles Rückkehr

Vorschau

Impressum

Madame Marbles Rückkehr

Es waren furchtbare Zeiten für unser Land. Anschläge in mehreren Städten der USA versetzten die Menschen in Angst und Schrecken. Wir vom FBI in New York hatten in allerletzter Sekunde eine Giftgasattacke auf dem Times Square verhindern können. Die Attentäterin war dabei ums Leben gekommen, und wir hatten nach wie vor keine Hinweise, wer hinter alldem steckte und was er damit bezweckte. Es gab keine Bekennerbriefe, keine Geldforderungen, gar nichts. Und als ob das nicht genug wäre, hatte man Mr High verhaftet ...

Die Wilden, wie er sie zu nennen pflegte, behandelten ihn besser, als er zu hoffen gewagt hatte. Nachdem sie ihn gefangen genommen hatten, hatten sie ihn zunächst um seine Waffen und seine Ausrüstung erleichtert. Anschließend brachten sie ihn in einem Jeep in ihr Camp – das richtige Camp, nicht die Attrappe, auf die The Duke und seine Einheit hereingefallen waren. Dort wurde er in eine fensterlose Hütte eingesperrt. Sie verzichteten darauf, ihn zur Begrüßung windelweich zu prügeln oder ihm Schlimmeres anzutun, worauf er sich eingestellt hatte.

Tagsüber heizte sich sein Gefängnis so stark auf, dass ihm der Schweiß aus allen Poren kroch und seine Kleidung feucht am Körper klebte. Brach ein neuer Tag an, erkannte The Duke das daran, dass durch den schmalen Spalt zwischen Tür und Boden Sonnenlicht hereinfiel. Außerdem stieg die Temperatur so stark an, dass er sich bald wie in einem Backofen fühlte. Es half, wenn er sich bewusst machte, dass es schlimmer hätte sein können. Immerhin war er am Leben und nach wie vor im Besitz seiner sämtlichen Gliedmaßen.

Die kühleren Nächte waren wesentlich angenehmer, weswegen er dazu übergegangen war, tagsüber in einen tiefen Schlaf zu fallen, während er nachts seinen Gedanken nachhing. Sie drehten sich regelmäßig um Birdie. Dann durchströmte ihn der Hass wie ein loderndes Feuer. Das war gut, denn sein Zorn verlieh ihm neue Kräfte. Eines Tages würde er hier rauskommen, und seine Rache würde fürchterlich sein.

Birdie hatte ihn im Stich gelassen.

Birdie hatte seinen eigenen Arsch gerettet, statt ihn aus der Grube zu ziehen, in die The Duke während der Kämpfe gestürzt war.

Birdie hatte den Kodex verletzt, der da lautete: Kein Mann bleibt zurück.

Dafür würde ihm The Duke die Rechnung präsentieren, und sie würde mächtig hoch ausfallen. Manchmal schloss er die Augen und sah Birdies Gesicht vor sich. Dann malte er sich aus, was er mit ihm anstellen würde. In solchen Momenten hallten Birdies Schmerzensschreie in seinem Kopf wie eine liebliche Melodie, an der er sich nicht satthören konnte.

Oft dachte er auch an seine Familie und fragte sich, wie es ihr ging und was sie in diesem Augenblick taten, außer sich schreckliche Sorgen um ihn zu machen. Liefen sie seinen Vorgesetzten die Türen ein? Gaben sie Interviews, in denen sie den Kommandeuren heftigste Vorwürfe machten, weil sie amerikanische Elitesoldaten in eine Mission geschickt hatten, die in einem Fiasko geendet hatte?

Sie waren hereingelegt worden und wie blutige Anfänger in eine Falle getappt.

Wie war so etwas möglich? Wie hatte das geschehen können?

Eine Menge Leute würden eine Menge unangenehme Fragen beantworten müssen, vor allem die Versager vom Geheimdienst. Sofern sie nicht versuchten, alles unter den Teppich zu kehren, was natürlich nicht auszuschließen war. The Dukes Vater war ein robuster Mann, der sich nicht so leicht den Mund verbieten ließ, doch die Zauberkarte der Leute mit den dicken Orden an der Brust hieß nationale Sicherheit. In der Regel genügte es, diese Karte zu ziehen, damit sich ein Mantel des Schweigens über dem großen Scherbenhaufen ausbreitete, den sie verursacht hatten.

Wie lange saß er jetzt schon in seinem Gefängnis? Anfangs hatte The Duke die Sonnenaufgänge gezählt, bis er es eines Tages vergessen und es danach aufgegeben hatte. Die Einsamkeit machte ihm zunehmend zu schaffen. Die einzigen Menschen, die er zu Gesicht bekam, waren seine Bewacher, die ihn mit Wasser und Essen versorgten und den Eimer austauschten, in den er seine Notdurft verrichtete. Sie zeigten keinerlei Interesse an ihm und verschwanden stets so schnell wieder, wie sie gekommen waren.

Manchmal hörte er von draußen Stimmengewirr und das Röhren von Automotoren. An manchen Tagen schien in dem Camp einiges los zu sein, an anderen herrschte eine nahezu gespenstische Stille.

Zu seiner Verwunderung hatten sie ihn nicht verhört. Für Terroristen war ein amerikanischer Gefangener normalerweise wie Weihnachten und Thanksgiving an einem Tag, sofern sie mit diesen Begriffen etwas anfangen konnten. Hier schien es anders zu sein. Ob sie ihn dazu benutzen wollten, um Geld oder einen Gefangenenaustausch zu erpressen? Dann waren die Verhandlungen bestimmt in vollem Gange, während er in dieser elenden Hütte hockte und nicht mehr tun konnte, als auf den schmalen Streifen Sonnenlicht unter der Tür oder in die Dunkelheit zu starren. Oder darüber nachzudenken, was er Birdie alles antun könnte.

Die Tür wurde geöffnet, und ein Mann trat ein, der weder einen Eimer noch einen frischen Kanister Wasser oder einen Topf Essen bei sich hatte. Er war hochgewachsen und musterte The Duke aus dunklen, neugierigen Augen. The Duke erkannte ihn sofort. Die froschgesichtige Schnüffelnase vom Geheimdienst hatten beim letzten Briefing vor dem Zugriff ein Foto von ihm gezeigt.

Vor ihm stand The Big Man und damit der Grund dafür, warum ihre Einheit in die Wüste gescheucht worden war. Ihr Auftrag hatte gelautet, den Anführer der Terroristen einzusacken und auf den Flugzeugträger zu schaffen, der vor der Küste dieses von Gott verlassenen Landes auf sie wartete. Bloß hatte sich The Big Man als ein kleines bisschen schlauer als die Schnüffelnasen entpuppt.

Er ließ sich The Duke gegenüber auf dem nackten Boden nieder. Hinter ihm betrat ein zweiter Mann die Hütte und richtete den Lauf einer Maschinenpistole auf The Duke. Ein unmissverständliches, in allen Sprachen verständliches Signal, dass er besser keine Dummheiten versuchte.

»Wir sollten uns unterhalten«, sagte The Big Man in überraschend akzentfreiem Englisch. »Sie besitzen einen gewissen Wert für uns, nur ist der geringer, als Sie wahrscheinlich glauben. Jedenfalls schließe ich das aus dem Verhalten Ihres Landes uns gegenüber.«

The Duke nickte. »Ich hatte heute sowieso nichts vor. Worüber wollen Sie mit mir sprechen?«

Siebenunddreißig Jahre später

Die Blondine machte ihm schöne Augen. Sollte ihn der Teufel holen, wenn er sich irrte.

Vince Travis nahm sein Glas und prostete ihr zu, als ihm auffiel, dass er es bereits geleert hatte. Hoffentlich hatte sie es nicht bemerkt, sonst hielt sie ihn jetzt vermutlich für einen Schwachkopf, der ein paar Drinks zu viel gehabt hatte. Zu seiner Erleichterung lächelte sie ihm zu und nippte an ihrem eigenen Glas, das mit einer giftgrünen Flüssigkeit gefüllt war.

Travis tat, als würde er trinken, bevor er sich an Willard wandte und ihn zum Nachschenken aufforderte. Der alte Barkeeper nickte kaum merklich, griff, ohne hinzusehen, nach einer Flasche Scotch aus dem Regal hinter ihm und füllte das Glas zwei Finger breit.

Die Blondine lächelte. Ihr glattes Haar umrahmte ihr blasses Gesicht mit den blauen Augen, der zu großen Nase und dem schmalen Mund mit dem leichten Überbiss. Sie würde nie als Model Karriere machen, doch da war etwas an ihr, was Travis nahezu magisch anzog.

»Scheiße, hat der Kerl Schmieröl an den Fingern, oder was?«, polterte Jerome auf dem Hocker neben ihm. »Keine Defense weit und breit, und der Bursche lässt den Ball fallen wie eine heiße Kartoffel.«

»Third-round pick«, brummte Nante, der auf der anderen Seite neben Jerome saß. »Was willst du da erwarten?«

»Quatsch keinen Blödsinn, Nante. Als ob's darauf ankäme. First round oder third round, entscheidend ist auf dem Platz. Was sagst du dazu, Vince?«

Da Travis damit beschäftigt war, mit der Blondinen zu flirten, hatte er dem Spielzug nicht folgen können. Sie befanden sich in ihrer bevorzugten Bar im Stadtteil Jamaica, um sich das Footballspiel der New York Giants gegen die Seattle Seahawks anzusehen. Wie so häufig, waren sie dabei unter sich, wenn man von der Frau und dem Barkeeper absah. Das mochte daran liegen, dass der Fernseher, der über dem Tresen hing, nicht eben groß war und die Zeiten, in denen man auf den Barhockern halbwegs bequem gesessen hatte, lange zurücklagen.

Der alte Willard mit seiner maulfaulen, zuweilen grantigen Art trug seinen Teil dazu bei, dass die meisten Gäste nicht herkamen, um sich zu amüsieren, sondern um sich volllaufen zu lassen. Ab einem gewissen Pegel scherten einen seine Launen nicht mehr. Travis war es ein Rätsel, wieso die Bude nicht längst pleite war.

Trotzdem kehrten sie gerne hier ein. Sie hatten spitzgekriegt, dass sich Willard nie merken konnte, wer was bestellt hatte, und das hatte ihnen schon so manchen kostenlosen Drink beschert.

Die Blondine in ihrem eleganten schwarzen Kleid schien hier nicht hinzugehören, so wenig wie ein Eisbär auf einer Wanderdüne oder ein Beduine am Nordpol. Sie saß dort, wo der Tresen eine Biegung beschrieb, sodass Travis einen ungehinderten Blick auf sie hatte. Bei seinem Eintreten war sie ihm sofort aufgefallen. Kurz nach Beginn des Spiels hatten sie zum ersten Mal Blickkontakt aufgenommen. Sie sah nur gelegentlich zum Fernseher, wobei ihr kein besonderes Interesse an dem Geschehen darauf anzumerken war. Aus dem Winkel konnte sie sowieso so gut wie nichts erkennen.

»Führe ich Selbstgespräche, oder was ist los?«, vernahm Travis Jeromes raue Stimme dicht neben seinem Ohr.

Er wandte sich ihm zu. Jerome sah an ihm vorbei und stieß ein wissendes Brummen aus.

»Scheint, als hättest du dir eine Auszeit genommen«, sagte er, für Travis' Geschmack eine Spur zu laut. »Zugegeben, die Bälle von der Kleinen würde ich auch gerne übers Spielfeld tragen.«

»Nach dem Quarter gehe ich zu ihr rüber«, erwiderte Travis leise genug, damit sie es nicht mitkriegte. »Bis dahin wäre ich dir sehr verbunden, wenn du deine Lautstärke etwas drosseln könntest.«

Jerome grinste von einem Ohr zum anderen. »Schon gut, Mann. Bei deinem persönlichen Touchdown will ich dir nicht in die Suppe spucken.«

»Ich auch nicht, was das angeht«, mischte sich Nante ein und grinste mit Jerome um die Wette.

Travis stieß ein leises Seufzen aus und richtete die Augen wieder auf die Blondine. Sie zwinkerte ihm zu. Ein schneller Blick auf den Fernseher sagte ihm, dass noch knapp vier Minuten zu spielen waren. Im Football konnte das eine verdammt lange Zeit sein, denn die Uhr wurde ständig angehalten. Er entschied, doch nicht das Ende abzuwarten.

»Bin gleich wieder da«, raunte er Jerome zu. »Oder auch nicht.«

»Viel Erfolg, Kumpel.« Nante, der Idiot, schnalzte mit der Zunge und kicherte wie ein durchgeknallter Professor in einem alten Horrorstreifen.

Travis rutschte vom Hocker, nahm seinen Scotch und gesellte sich zu der Blondinen. Ihr einladendes Lächeln sagte ihm, dass sie nur darauf gewartet hatte.

»Das Spiel scheint Sie nicht sonderlich zu interessieren«, eröffnete er die Unterhaltung.

»Sie sind ein scharfer Beobachter.« Ihre Stimme klang samtig, weich und warm. Bestimmt fühlte sich ihre Haut genauso an. »Spendieren Sie einer Lady einen Drink? Ich sitze auf dem Trockenen.«

»Willard!«, rief er und deutete auf ihr Glas, das so gut wie leer war. »Noch mal das Gleiche für die Lady.«

Willard nickte, schlappte zum Tresen und begann, den Cocktail zu mixen.

»Sind Sie öfter hier?«, wollte sie von Travis wissen.

»Hin und wieder. Ich glaube, wir sind uns noch nicht begegnet.«

»Das könnte damit zusammenhängen, dass ich zum ersten Mal hier bin. Meine Scheidung liegt genau drei Wochen und fünf Tage zurück. Ich habe mich einsam gefühlt und dachte, eine Bar wäre der geeignete Ort, um ein wenig Zerstreuung zu finden. Mein Apartment ist ganz in der Nähe, wissen Sie? Ich heiße übrigens Deliah.«

»Vince. Vince Travis.«

»Freut mich, Sie kennenzulernen, Vince.«

Willard schlurfte heran, stellte den Cocktail vor ihr auf dem Tresen ab und trottete auf seinen üblichen Platz am anderen Ende zurück.

Deutlich stieg Travis der Geruch nach Gin in die Nase. Die giftgrüne Mischung schien es in sich zu haben.

»Sind Sie ein Mann, bei dem ich finden könnte, was ich suche?«, nahm Deliah den Faden wieder auf, nachdem sie einen ordentlichen Schluck genommen hatte.

»Zerstreuung, meinen Sie? Ich denke schon. Man sagt, ich sei ein ausgezeichneter Gesellschafter.«

»Touchdown!«, schrie Jerome. Er und Nante klopften sich gegenseitig auf die Schultern und lachten wie kleine Jungs.

Travis sah Deliah tief in die Augen. »Ziemlich laut hier, finden Sie nicht?«

Sie leerte ihr Glas in einem Zug. »Wie ich schon sagte, mein Apartment ist nicht weit entfernt. Mein Fernseher ist nicht das neueste Modell, aber ...«

»Ich denke nicht, dass mich das stören wird.«

»Sie mögen Scotch. Meine Bar ist gut gefüllt. In einsamen Stunden kann Alkohol ein recht passabler Begleiter sein.«

»Wem sagen Sie das?« Er setzte das Glas an die Lippen und ließ den restlichen Schnaps seine Kehle herabfließen, während er in der linken Hosentasche nach seinen Dollars kramte. Nachdem er ausgetrunken hatte, stellte er es auf dem Tresen ab und legte die Scheine daneben. Das sollte für ihre Drinks reichen. »Wollen wir?«

Ihr Blick richtete sich auf etwas hinter ihm. Ihre Augen wurden groß. »Du meine Güte, was haben die vor?«

Travis wirbelte herum. Wie von selbst glitt seine Hand unter seine Jacke und tastete nach dem Kolben der Colt Defender. Drei Männer hatten die Bar betreten. Einer von ihnen kam Travis bekannt vor. Angesichts der Pistolen, die sie in ihren Händen hielten, blieb ihm keine Zeit, darüber nachzudenken.

Jerome und Nante waren so in das Geschehen auf dem Fernseher vertieft, dass sie die Neuankömmlinge nicht bemerkt hatten. Bevor Travis reagieren konnte, trat der Anführer hinter Nante und schoss ihm in den Hinterkopf. Jerome fuhr herum, doch da war der zweite Angreifer heran und verpasste ihm eine Kugel zwischen die Augen.

Der dritte näherte sich Travis mit großen Schritten. Er war derjenige, der ihm bekannt vorkam.

Deliah kreischte, dass Travis die Ohren klingelten. Noch während er die Defender unter der Jacke hervorriss, wusste er, dass er zu langsam reagiert hatte. Ein Schuss krachte. Ein heftiger Schlag traf seine Brust und warf ihn von den Füßen. Stöhnend landete er auf dem Rücken. Er wollte seine Waffe heben und musste feststellen, dass er sie verloren hatte. Dann war der Schütze über ihm.

»Ich habe gute Neuigkeiten für dich«, sagte er leise. »Du wirst diesen Abend überleben. Allerdings nur, wenn du keine Dummheiten versuchst. Hast du vor, Dummheiten zu machen?«

Travis starrte in das kleine, runde Loch der Mündung und schüttelte, so gut er es zustande brachte, den Kopf. Seine Brust schmerzte, und ihm war übel. Deliahs schrille Schreie waren in ein Schluchzen übergegangen. Er konnte sie hören, aber nicht sehen.

»Ich habe eine Botschaft für Darren Hicks, deinen Boss«, fuhr der Schütze fort. »Sie lautet, dass sich Hicks aus der Stadt verpissen soll, und zwar so schnell wie möglich, wenn er nicht der Nächste sein will. Die rothaarige Schlampe kann er mitnehmen. Das hier ist die letzte Warnung. Hast du das kapiert?«

»Ka... kapiert ...«

Schwarzer Nebel breitete sich von den Rändern her in Travis' Blickfeld aus. Das Bild des Mannes vor seinen Augen verschwamm. Er hörte einen dumpfen Knall, gefolgt von einem Poltern. Neben ihm fiel etwas zu Boden. Aus dem Augenwinkel erkannte er eine blonde Haarsträhne, bevor er das Bewusstsein verlor.

Wie jeden Morgen holte ich Phil am vereinbarten Treffpunkt ab, und wie gewohnt fuhren wir mit dem Jaguar in die Tiefgarage des Field Office an der Federal Plaza, nahmen den Aufzug ins dreiundzwanzigste Stockwerk und betraten unser Büro.

Alles war wie immer. Und doch war alles anders.

Mr High war verhaftet worden. Entsprechend gedrückt war die Stimmung im Hauptquartier. Durch seine besonnene und gleichzeitig entschlossene Art, verbunden mit einer hohen Wertschätzung für seine Mitarbeiter, erfreute sich Mr High nicht nur bei den Agents großer Beliebtheit. Auch Helen war untröstlich. Bei unserer letzten Begegnung gestern Nachmittag war mir der feuchte Schimmer in ihren Augen nicht verborgen geblieben. Die Tür unseres Chefs war verschlossen gewesen, sein Büro dahinter leer.

Es war ein seltsames, beinahe unwirkliches Gefühl.

Niemand hatte eine Ahnung, was ihm vorgeworfen wurde. Es überstieg meine Vorstellungskraft, dass Mr High in etwas Ungesetzliches verwickelt sein sollte. Jeder wusste, dass er sein Leben dem Kampf gegen das Verbrechen gewidmet hatte. Sich ihn auf der anderen Seite vorzustellen, war so absurd, als würde der Weihnachtsmann den Kindern die Geschenke stehlen, statt sie ihnen unter den Baum zu legen.

Für den heutigen Tag hatte sich der Mann angekündigt, der zumindest vorläufig seinen Platz einnehmen würde. Zachary Dyson war Special Agent in Charge in Washington und sollte den dortigen Assistant Director in Charge ablösen, wenn der in einigen Wochen in den Ruhestand ging.

Soviel mir über Dyson bekannt war, handelte es sich bei ihm um einen ebenso gewissenhaften wie ehrgeizigen Beamten, der schon als junger Agent auf sich aufmerksam gemacht hatte. Ich hatte der Versuchung widerstanden, meinen früheren Kollegen Tom Britt in Washington zu kontaktieren, um mehr über unseren – hoffentlich nur vorübergehenden – künftigen Vorgesetzten herauszufinden. Stattdessen wollte ich mir zunächst selbst eine Meinung von ihm bilden.

Die Besprechung war für in einer halben Stunde anberaumt. Neben mir rutschte Phil nervös auf seinem Stuhl herum. Genau wie ich war er von einer inneren Unruhe erfüllt und brannte darauf, von Dyson etwas Konkretes über die Anschuldigungen gegen Mr High zu erfahren.

Um die verbleibende Zeit zu überbrücken, sah ich mir ein weiteres Mal die Fotos an, die unsere Kollegen von der Crime Scene Unit von der toten Attentäterin vom Times Square angefertigt hatten. Bisher war es uns nicht gelungen, sie zu identifizieren. Aufgrund einer Zeugenaussage hatten wir den Verdacht, dass es sich um eine nordkoreanische Agentin handelte.