Jerry Cotton 3502 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 3502 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Phil und ich machten uns Sorgen um den verschwundenen Zeerookah. Wie sein Partner Steve Dillaggio wussten wir nur, dass er zuletzt einen Auftrag von Mr High angenommen hatte. Wir wandten uns an unseren interimsmäßigen Vorgesetzten Zachary Dyson. Er lehnte es ab, dass wir mit Mr High sprechen durften, wollte sich aber selbst um die Angelegenheit kümmern. Dyson gab sich außerdem ungehalten darüber, dass Madame Marble offenbar entkommen war, denn nach dem Hubschrauberabsturz war ihre Leiche nicht gefunden worden. Dem nicht genug, zog sich die Schlinge immer enger um John D. Highs Hals ...

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Seitenzahl: 144

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhalt

Cover

Sind Sie schuldig, Mr High?

Vorschau

Impressum

Sind Sie schuldig, Mr High?

Noch immer erschütterten Anschläge unser Land, ohne dass wir den Hintermännern nur einen Schritt näher gekommen wären. Wir hatten die Flucht von Madame Marble verhindert, doch nach dem Hubschrauberabsturz über dem Hudson River war ihre Leiche nicht gefunden worden. Mr High saß an einem uns unbekannten Ort hinter Gittern. Und jetzt war auch noch unser Kollege Zeerookah spurlos verschwunden.

Es hatte schon bessere Zeiten für uns gegeben.

Er öffnete die Flasche Samuel Adams, setzte sie an die Lippen und leerte sie in einem Zug bis zur Hälfte. Während sein Lieblingsbier kalt und erfrischend seine Kehle herunterfloss, blieben seine Augen auf den großen TV-Monitor geheftet, der an der Wand gegenüber dem geräumigen Ledersofa befestigt war. Das gestochen scharfe Bild zeigte Mitch Billger, der an seinem Schreibtisch im Oval Office Platz genommen hatte und mit ernster Miene in die Kamera blickte. Billger trug einen dem Anlass entsprechenden dunklen Anzug und eine weinrote Krawatte. Wie man es von ihm kannte, war sein volles graues Haar sorgfältig frisiert. Im Hintergrund waren die US-Fahne und die Siegelflagge mit dem Weißkopfseeadler zu sehen, die neben dem wandhohen, von goldenen Vorhängen umrahmten Fenster hingen.

Der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika öffnete den Mund und begann zu sprechen.

Rasch nahm er noch einen Schluck Bier. Danach war die Flasche fast leer, aber er stand nicht auf, um sich eine neue aus dem gut bestückten Kühlschrank in der riesigen Küche zu holen. Erst wollte er hören, was Billger zu sagen hatte.

»... ist uns klar, dass wir alle in diesen Tagen schwere Prüfungen zu bestehen haben. Viele gute Amerikanerinnen und Amerikaner sind durch die feigen Anschläge gestorben, die unser Land erschüttern. Die Behörden arbeiten mit Hochdruck daran, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen, und ich bin zuversichtlich, dass es ihnen bald gelingen wird.«

Einen Scheiß bist du, dachte er, trank den letzten Rest Bier und stellte die Flasche auf dem mächtigen Couchtisch aus schwarzem Granit ab. Das Glas klirrte leise, als es die harte, auf Hochglanz polierte Tischplatte berührte. Mit einem Brummen lehnte er sich zurück. Das weiße Leder knarrte unter seinem Gewicht.

»... ist es in mehreren Städten zu Angriffen auf Sicherheitskräfte gekommen. In New Orleans, Miami und Los Angeles wurden Polizeistationen gestürmt und in Brand gesetzt, wobei mehrere Beamte zum Teil schwer verletzt wurden.«

Er leckte sich über die Lippen. Alles traf so ein, wie er es vorausgesehen hatte. Die Leute hatten Angst und waren in Panik, und wer in Panik geriet, der handelte nicht rational. Nüchtern betrachtet, war es nämlich vollkommen unsinnig, ausgerechnet jene anzugreifen, die für den Schutz der Bevölkerung zuständig waren. Als würde man den Deich einreißen, während die Flut bereits auf einen zurollte. Durch die Anschläge jedoch hatten sich bei den Menschen Furcht und Zorn gleichermaßen aufgestaut wie Dampf in einem Kessel, und jetzt brauchte der Dampf ein Ventil, bevor er explodierte.

Das alles war nur der Anfang. Da konnte Billger so staatsmännisch daherreden, wie er wollte. Es würde weitere Angriffe geben, und mehr Polizeistationen würden brennen. Die Natur des Menschen war in ihrem Kern wild und wurde von Instinkten beherrscht. War sie erst einmal entfesselt, waren noch so viele wohlgewählte Worte nicht in der Lage, ihr Einhalt zu gebieten.

Was gerade geschah, hatte er von Anfang an so geplant. Das Ziel schien zum Greifen nahe.

»... werden wir nicht zulassen, dass es zu weiteren Vorfällen dieser Art kommt. Um jene zu schützen, die uns schützen sollen, und im Sinne aller gesetzestreuer Bürgerinnen und Bürger werden wir mit entschlossener Härte ...«

Droh ihnen nur, du Narr. Glaubst du, sie werden sich davon beeindrucken lassen? Dafür haben sie zu viel Angst. Sie werden beherrscht von dem Gefühl, bis zur Unterlippe in der Scheiße zu sitzen und dass ihnen oder einem ihrer Lieben früher oder später der Hintern weggebombt werden könnte. Sie sind davon überzeugt, dass du und deine verfluchte Regierung sie im Stich gelassen habt, Billger. Du bist fein raus, wirst auf Schritt und Tritt bewacht, während sich die einfachen Leute kaum noch vor die Tür trauen. Verdammt, wahrscheinlich stehen deine Bodyguards ums Bett herum, wenn du es mit der First Lady treibst, damit dir bloß nichts passiert.

Ein stechender Schmerz hinter seiner Stirn ließ ihn die Augen schließen. Die Stimme des Präsidenten wurde zu einem Klangbrei, aus dem nur vereinzelt verständliche Worte hervordrangen. Er war nicht beunruhigt, dafür hatte er das schon zu oft erlebt. In ein paar Minuten würde der Anfall so schnell verschwinden, wie er gekommen war. Im Laufe der Jahre waren die Erschütterungen in seiner Seele, wie er es nannte, seltener geworden. Trotzdem überfielen sie ihn dann und wann wie ein Raubtier in der Dunkelheit.

Wie stets in einem solchen Moment sah er sich selbst in der armseligen Hütte hocken, die sein Gefängnis gewesen war. Damals, vor über siebenunddreißig Jahren. Die Luft war heiß, trocken und stickig und roch nach einer Mischung aus geröstetem Fleisch, Zigarettenrauch und Metall. The Big Man saß ihm auf dem nackten Erdboden gegenüber und grinste ihn an. Seine blendend weißen Zähne bildeten einen faszinierenden Kontrast zu seinem dunklen, fast schwarzen Gesicht.

Für einen Wilden konnte sich der Anführer der Terroristen erstaunlich gut ausdrücken, und sein Englisch war so gut wie akzentfrei. Er behandelte The Duke mit Respekt, so wie ein Offizier einer regulären Armee einen gegnerischen Offizier behandeln würde. Das schloss ein, dass man ihn kein einziges Mal misshandelt oder auch nur bedroht hatte. Tatsächlich hatte man ihn weitgehend sich selbst überlassen.

The Big Man schüttelte langsam den Kopf, ohne dass das Grinsen auf seinem jungen, beinahe jugendlichen Gesicht erlosch.

»Ihr Land scheint nicht viel von seinen Soldaten zu halten«, sagte er.

»Sie weigern sich zu zahlen?«

»Nach wie vor.«

The Duke hätte die Frage nicht stellen müssen. Er wusste, was die Worte des Mannes bedeuteten. Er wurde wieder wütend. Es war nicht seine Schuld, dass er in Gefangenschaft geraten war. Von der Sache mit Birdie einmal abgesehen, hatten zuvorderst die Schnüffelnasen vom Geheimdienst versagt. Wieso ließen sie ihn dafür büßen?

»Sie haben es erfasst, mein Freund. Kein Lösegeld, keine Gespräche. Sie trommeln sich mit den Fäusten gegen die Brust und markieren die harten Kerle. Ich frage mich, was Ihr Volk dazu sagen würde, wenn es davon wüsste.«

»Die Menschen würden es wohl verstehen«, erwiderte er. Tatsächlich waren die meisten Leute der Meinung, dass man mit Terroristen nicht verhandeln sollte. Zumindest unter denen, die er kannte.

»Was ist mit Ihrer Familie? Wie würde sie es finden, wenn ich Sie nach Hause schicke, mit Ihrem abgetrennten Kopf auf der Brust?«

»Meine Familie wäre stolz, weil ich für mein Land gestorben bin.«

Dafür wiederum hätte er nicht die Hand ins Feuer gelegt. Seine Mutter war strikt dagegen gewesen, dass er zur Armee ging, und sie hatte beinahe durchgedreht, als sie erfuhr, dass er sich einer Spezialeinheit angeschlossen hatte. Wie es seine Art war, hatte sein Vater gelassener reagiert, doch in seinen Augen hatte tiefe Besorgnis gestanden.

Das Lächeln von The Big Man erlosch wie die Flamme einer Kerze, die von einem Windstoß erfasst wurde.

»Ich weiß, dass Sie Angst haben. Das ist keine Schande, jedem ging es so an Ihrer Stelle. Aber ich kann Sie beruhigen. Es liegt nicht in meiner Absicht, Sie umzubringen, auch wenn es mir ein Leichtes wäre und viele meiner Soldaten nach Ihrem Blut dürsten. Allerdings habe ich noch nie einen Amerikaner lebend gefangen, und diese Gelegenheit möchte ich nutzen. Wer weiß, wann sie sich wieder bietet.«

»Von mir erfahren Sie nichts.« Die Worte waren ihm förmlich über die Lippen geschossen.

»Ehrlich gesagt, glaube ich kaum, dass Sie mir etwas verraten könnten, was mich interessieren würde, jedenfalls was das Militärische angeht. Sie sind nur ein kleiner Soldat. Vergessen Sie nicht, wie leicht wir euch übertölpeln konnten. Nein, mir geht es um etwas anderes. Ich möchte wissen, warum ihr seid, wie ihr seid. Aus erster Hand sozusagen.«

»Was meinen Sie damit?«

»Damit meine ich, dass wir uns unterhalten werden. Sie erzählen mir etwas über Ihr Land. Vielleicht erzähle ich Ihnen auch etwas über mein Land. Da gibt es sicher eine Menge, was Sie nicht wissen. Das liegt auch daran, dass Sie es nie interessiert hat, wie ich mir vorstellen kann. In der Zwischenzeit werden meine Unterhändler versuchen, doch noch zu einer Einigung mit Ihrer Regierung zu kommen.«

»Wenn sie nicht verhandeln wollen, ist das wohl endgültig.«

»Wir werden sehen. Fangen wir an?«

Er überlegte, bevor er nickte. »Stellen Sie Ihre erste Frage.«

Das Bild verblasste, der stechende Schmerz verschwand. Er öffnete die Augen. Mitch Billger auf dem Bildschirm redete immer noch. Bloß wurden seine Worte jetzt von den Erinnerungen überlagert wie eine Radiosendung von Störgeräuschen. The Big Man und er hatten eine Menge Gespräche geführt, bei denen eine Menge Fragen gestellt und beantwortet wurden. Der Terrorist war ihm vorgekommen wie ein Lexikon mit leeren Seiten, und er hatte ihn dazu auserkoren, diese Seiten zu füllen. Warum taten die Amerikaner dies, wieso jenes? Wie lebten sie, wie erzogen sie ihre Kinder, wie behandelten sie ihre Frauen? Der Wissensdurst von The Big Man schien grenzenlos zu sein.

Die Tage vergingen, und die Regierung verhandelte nicht. Das hatte sie mehrmals unverständlich klargemacht.

Plötzlich konnte er das Geplapper des Präsidenten nicht mehr ertragen, griff nach der Fernbedienung neben ihm auf der Couch und schaltete ab. Augenblicklich wurde das Bild schwarz. Eine tiefe Stille breitete sich aus, nur unterbrochen von dem einsetzenden Regen, der wie mit spitzen Fingernägeln gegen das Panoramafenster seines Wohnzimmers klopfte.

Nicht mehr lange.

Er stand auf und holte ein neues Bier.

Layla Bottom nahm einen Schluck aus ihrer Kaffeetasse und runzelte die Stirn. Im ersten Moment hatte sie geglaubt, ihre Augen hätten ihr einen Streich gespielt, doch das war ein Irrtum. Klar und deutlich war die Zahl auf dem Monitor zu lesen.

Eine Million Dollar.

Ihr Blick wanderte zu der Stelle, an der normalerweise der Empfänger der Zahlung stand. Spex, las sie. Ob es sich um ein Unternehmen oder um eine Person handelte, ging nicht daraus hervor. Ebenso wenig, aus welchem Grund die Summe überwiesen worden war. Es gab keinen Hinweis auf einen dazugehörigen Beleg, nur die Konto- und Routingnummer.

Das war merkwürdig.

In einem Konzern wie Broome Industries wurden jeden Tag Millionen Dollar bewegt, aber ein solch hoher Einzelbetrag kam in ihrer Abteilung selten vor, zumal ohne Angaben zu einer Rechnung. Allein die Summe erschien ihr ungewöhnlich. Welches Unternehmen berechnete genau eine Million Dollar?

Sie öffnete ein anderes Programm und klickte sich durch das Register aller registrierten Zahlungsempfänger. Eine Person oder eine Firma mit Namen Spex war nicht darunter. Es gab eine Sperx Corporation in Atlanta, die laut den Stammdaten Schaumstoffteile herstellte, doch deren Rechnungen waren bislang nicht einmal in die Nähe eines Millionenbetrags gekommen. Außerdem war die Bankverbindung eine andere.

Erneut rief sie die Buchung auf. Die Zahlung war vor zwei Wochen angewiesen worden. Aber von wem? Darauf gab es ebenfalls keinen Hinweis, was normalerweise unmöglich war. Niemand konnte mal eben so eine Million Dollar von einem der Firmenkonten überweisen.

Nur war offenbar genau das geschehen.

Als Mitarbeiterin in der Buchhaltung von Broome Industries war sie es gewohnt, ab und an Rätsel lösen zu müssen. Dass sich Rechnungen nicht nachvollziehen ließen, unvollständig waren oder Beträge nicht übereinstimmten, gehörte zu ihren täglichen Herausforderungen. In der Regel genügte eine E-Mail oder ein Anruf, um die Unstimmigkeit aufzuklären. So etwas wie das hier war ihr noch nie untergekommen.

Gedankenverloren strich sie eine Strähne aus der Stirn. Das konnte sie unmöglich so stehen lassen. Sobald ein Wirtschaftsprüfer einen Blick in die Bücher warf, würde die Transaktion vor seinen Augen aufleuchten wie ein Warnsignal, und das war nie gut. Das bedeutete, dass sie es Paul Hames melden musste, ihrem Vorgesetzten.

Bei dem Gedanken stieß sie innerlich ein Seufzen aus. Sie hasste es, mit Paul zu sprechen. Wer dem Glauben anhing, dass Buchhalter trockene Typen waren, die sich nur für Zahlen interessierten, hatte Paul Hames nie kennengelernt. Er schien im Gegenteil alles Mögliche – Autos, Klamotten, die Footballergebnisse vom vergangenen Sonntag – weit spannender zu finden und hielt damit auch nicht hinter dem Berg. Ein Gespräch bestand für ihn darin, dass der andere zuhörte und er redete, wobei er die anstrengende Neigung hatte, ständig vom Thema abzukommen, was jede noch so kleine Nachfrage zu einer Geduldsprobe werden ließ.

Außerdem starrte er ihr auf den Hintern, sobald sie ihm den Rücken zuwandte. Zwar hatte sie ihn nie dabei ertappt, doch sie glaubte seinen Blick stets so deutlich zu spüren, als würde er ihre Kehrseite mit seinen langgliedrigen Fingern betatschen. Mit ihren sechsundzwanzig Jahren gehörte sie zu den jüngeren Mitarbeiterinnen in der Buchhaltung. Für besonders attraktiv hatte sie sich nie gehalten. Ihrer Einschätzung nach war ihre Nase zu groß, das Gesicht zu rund, die Brüste zu klein, die Beine zu kurz. Einzig mit ihrem Po war sie voll und ganz zufrieden. Eine Zufriedenheit, die Paul Halmes zu ihrem Leidwesen zu teilen schien.

Schon in ihrer ersten Arbeitswoche hatte sie sich gefragt, wie es dieser Kerl zum Abteilungsleiter geschafft hatte. Ein halbes Jahr, nachdem sie bei Broome Industries angefangen hatte, hatte sie sich Emily Myers in dieser Angelegenheit anvertraut. Emily war über sechzig, näherte sich mit großen Schritten dem Ruhestand und galt als Mutter der Abteilung. Mit ihr konnte jeder über alles reden, und die meisten Kollegen machten Gebrauch davon.

»Kindchen«, hatte sie gesagt, als Layla ihr das Herz ausgeschüttet hatte. »Kindchen, in meinem langen Arbeitsleben habe ich mit einer Menge Vorgesetzten zu tun gehabt, und wenigstens die Hälfte von ihnen waren angehende Psychopathen, fortgeschritten verhaltensgestört oder schlichtweg vollkommen irre. Paul ist wenigstens nur ein fauler Hund, der sich gerne reden hört, also sei dankbar. Sofern du nicht bald heiraten und Hausfrau und Mutter werden willst, wirst du in deiner Karriere weit Schlimmeren als ihm begegnen, glaub mir.«

Emilys Analyse hatte sie amüsiert, nur hatte das die Situation nicht verbessert.

Es führte kein Weg daran vorbei, warum es also aufschieben? Layla druckte die Buchung aus und verließ das Zimmer. Paul hatte sein Büro am anderen Ende des Flurs. Wie stets stand seine Tür offen, sodass sie ihn schon von Weitem hinter seinem Schreibtisch hocken sah. Er trug ein weißes Hemd mit blauen Streifen und darüber graue Hosenträger. Auf seiner langen Nase saß eine Brille mit runden Gläsern, die in einem klobigen roten Gestell eingefasst waren. Auf Layla machte sein Outfit den Eindruck, als hätte er sich als Investmentbanker verkleiden wollen.

Sie klopfte gegen den Türrahmen und trat ein, ohne seine Aufforderung abzuwarten. Überrascht sah er von der Zeitschrift auf, in der er gelesen hatte. Wenigstens schien es sich um ein Fachmagazin zu handeln, wie sie mit einem schnellen Blick auf die aufgeschlagenen Seiten feststellte. Viel Text und Diagramme, keine Fotos von nackten Frauen oder Ähnliches.

»Layla?«, fragte er und schaute sie aus großen Augen an, als wäre sie monatelang verschwunden gewesen und nun völlig überraschend vor seinem Schreibtisch aufgetaucht.

»Ich habe hier etwas, über das ich mit dir reden muss«, begann sie und schwenkte den Ausdruck in ihrer Hand. »Es geht ...«

»Wie findest du mein neues Hemd? A&F, nur fünfzehn Dollar. Hab's kaum glauben können. Dafür kriegst du bei denen normalerweise nicht mal ein Taschentuch.«

»Es ist toll, Paul«, antwortete sie, obwohl sie es eine Nummer zu klein für ihn fand. Aus Erfahrung wusste sie, dass man Paul am ehesten zum Schweigen brachte, indem man ihm zustimmte. Schnell sprach sie weiter, bevor ihm etwas Neues einfallen konnte. »Es geht um diese Überweisung. Eine Million Dollar an eine Firma oder eine Person namens Spex.«

»Und?«

»Nun, zunächst ist das für unsere Abteilung ein recht hoher Betrag. Weiter existiert kein Beleg. Keine Nummer, kein nichts. Außerdem ist nicht dokumentiert, wer die Transaktion autorisiert und wer sie durchgeführt hat. In den Stammdaten existiert Spex nicht.«

»Und?«

Layla spürte, wie sich ihre Wangen röteten und Ärger in ihr aufstieg. Und?, war seine typische Reaktion, wenn er an etwas kein Interesse hatte. Aber eine solche Summe musste ihn einfach interessieren.

»Ich habe mich gefragt, wie ich das verbuchen soll.«

»Sprich mit Cassie darüber.«

Cassie Brickton war Pauls Stellvertreterin und hätte es zehnmal mehr als er verdient, auf dem Abteilungsleiterstuhl Platz zu nehmen. Derzeit befand sie sich in Baltimore, wo sie sich um ihre kranke Mutter kümmerte. Das konnte er unmöglich vergessen haben.

»Sie ist nicht hier«, erinnerte sie ihn, ihren Groll mühsam unterdrückend. »Sie ist in Baltimore.«

Er schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn und hätte sich dabei um ein Haar die Brille von der Nase gefegt.

»Stimmt, du hast recht. Wir haben erst gestern miteinander telefoniert. Ihrer Mutter geht es besser. In spätestens einer Woche ist sie zurück.«

»Willst du mir damit sagen, dass ich eine Woche warten soll, um diese Sache zu klären?«

»Das Geschäftsjahr hat gerade erst begonnen. Wen sollte es jucken?«

Dich zum Beispiel, dachte sie, sprach es aber nicht aus. Wie konnte er sie nur ignorieren? Es ging hier nicht um zehn Dollar. Es war seine Pflicht, sich darum zu kümmern. Schließlich kassierte er ein großartiges Gehalt. Ganz im Gegensatz zu Cassie, wie Layla wusste.

»Es ist eine hohe Summe«, sagte sie, als spräche sie mit einem begriffsstutzigen kleinen Jungen.

»Erinnerst du dich daran, wie Nobby Knoxtown anderthalb Millionen verschlampt hat?«, fragte er. »Es hat zwei Monate gedauert, sie wiederzufinden. Trotzdem hat er seinen Job behalten.«

»Das war etwas anderes.«

»Wenn du meinst.«

»Also warte ich auf Cassie?«