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Als uns eine Meldung aus dem Ort Hastings-on-Hudson nördlich von New York erreichte, schrillten bei uns sofort die Alarmglocken. Carlos Rivera, ein bekannter Drogendealer, war mit seinem Mercedes auf der Flucht vor einer Polizeistreife in den Hudson gefahren. Er hatte sich retten können, war jedoch so schwer verletzt, dass er im Koma lag und wir ihn nicht nach seinen Kontakten befragen konnten - Informationen, die für das FBI sehr wertvoll waren. Während die Behörden noch nach dem versunkenen Wagen suchten, klapperten wir Riveras Verbindungen ab und kamen einer weiteren Legende im Drogenhandel auf die Spur. Einem Mann, der sich nur der Reverend nannte. Und dann zeigte sich, dass es nicht nur um Informationen über Rivera ging, sondern auch um seinen Mercedes im Hudson und dessen Fracht, auf die längst eine regelrechte Jagd entbrannt war ...
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Seitenzahl: 144
Veröffentlichungsjahr: 2024
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Das Gesicht in der Menge
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Impressum
Das Gesicht in der Menge
Die Scheinwerfer des Streifenwagens bohrten sich in die Schwärze der Nacht. Officer Kelly Stuart und ihr Partner David Bishop fuhren Streife. Und das hieß in dem kleinen Ort Hastings-on-Hudson nördlich der Metropole New York vor allem eines – Langeweile.
»Wir haben gleich Dienstschluss«, sagte Bishop, als sie die Werbetafel eines Fastfoodrestaurants passierten. »Verbringen wir den Rest der Schicht doch hier.«
Das war eigentlich nicht okay, aber Stuart setzte den Blinker und bog ab.
»Was ist da los?«, rief Bishop plötzlich. »Bleib stehen ...«
Mehrere Gestalten huschten auf einem Parkplatz unter dem Licht der Straßenlampen hindurch. Und was sie vorhatten, musste unbedingt verhindert werden ...
Kelly Stuart hielt an. Schon war David Bishop hinausgestürmt.
Verdammt! Immer musste er mit dem Kopf durch die Wand. Besonnenheit war nicht gerade seine Stärke.
Als sie den Motor abgestellt hatte, sah sie Bishop nur noch als dunklen Schemen auf der anderen Seite des riesigen Parkplatzes, der zu dem Fastfoodrestaurant gehörte, das rund um die Uhr geöffnet war. Jetzt war es sehr früh am Morgen.
Stuart stieg aus und rannte in die Richtung, in die ihr Partner verschwunden war.
Drei Männer in dunkler Kleidung hatten sich an einem Wagen zu schaffen gemacht, der ganz hinten auf der freien Asphaltfläche stand. Officers mit Erfahrung erkannten einen versuchten Autodiebstahl, wenn sie einen sahen.
Mittlerweile waren die Gestalten offenbar vor dem sich nähernden Streifenwagen geflüchtet. An dem Wagen, um den es ging, stand ein Mann. Er hatte den Kofferraum geöffnet und schien etwas zu überprüfen. Bishop sprach ihn an. Der Mann reagierte erschrocken und rammte die Klappe des Wagens wieder hinunter.
David Bishop sprach ein paar Worte mit ihm, dann wandte er sich Stuart zu. »Alles in Ordnung, Kelly. Gehen wir zum Wagen zurück.«
»Was ist passiert?«, fragte sie.
»Nichts«, gab Bishop zurück. »Gar nichts. Wir müssen zum Wagen zurück. Schnell.«
»Was ist mit dem Mann?«, beharrte sie. Hinter Bishop konnte sie verfolgen, wie er in seinen Wagen stieg. Er hatte eine Tüte in der Hand, auf der das Logo des Restaurants zu sehen war.
»Was machst du?«, rief Stuart, als Bishop sie zum Streifenwagen schob.
»Später. Wir müssen uns beeilen.«
»Ich dachte, wir wollten Pause machen ...«, begann Kelly Stuart, aber sie merkte sofort, dass Bishop etwas anderes vorhatte.
»Am besten fahre ich jetzt«, sagte er, als sie am Streifenwagen angelangt waren. »Steig ein.«
»Ich hoffe, ich kriege irgendwann mal die Lösung für dieses Rätsel.« Sie gab sich geschlagen und setzte sich auf den Beifahrersitz.
Kaum hatten sie die Türen geschlossen, leuchteten die Scheinwerfer des Wagens auf dem Parkplatz auf. Der Motor wurde angelassen. Das Fahrzeug drehte und hielt auf sie zu. Es war ein Mercedes. Er rauschte an ihnen vorbei und glitt durch die Ausfahrt auf die Hauptverkehrsstraße.
Bishop ließ den Motor an, wendete ebenfalls und folgte ihm.
Stuart griff zum Funkgerät.
Bishop fiel ihr in den Arm. »Nicht. Warte noch.«
»Was immer du vorhast, wir müssen es der Zentrale melden«, sagte sie scharf. »Oder willst du Ärger mit Sergeant Graham kriegen?«
»Graham ist mir so was von egal«, sagte Bishop.
Der Mercedes vor ihnen hatte an Tempo zugelegt. Einen Moment lang dachte Kelly Stuart noch, der Fahrer hätte es einfach eilig und führe deshalb so riskant. Dann wurde ihr klar, dass er vor dem Streifenwagen floh.
Sie drehte sich kurz zu ihrem Partner und erschrak, als sie in seinen Augen ein seltsames, gieriges Leuchten sah.
»Wer sitzt in dem Wagen, David?«, fragte sie.
Ihr Partner blickte starr auf die Fahrbahn. Er hatte kein Warnlicht und keine Sirene eingeschaltet. Das wäre bei einer polizeilichen Verfolgung eigentlich Vorschrift gewesen.
»Später, wie gesagt.« Bishop wirkte seltsam ruhig.
Das Ende der Nacht war gekommen. Milchiges Grau lag über der Straße, die am Hudson entlangführte. Der Streifen zwischen dem Wasser und der Fahrbahn war meist mit Industriegebäuden verbaut. Ab und zu war das dunkle Wasser jedoch zu sehen.
Plötzlich versuchte der Mann in dem Mercedes etwas Verzweifeltes. Rechts tauchte eine Einfahrt auf. Er war schon fast daran vorbei, dann bog er in letzter Sekunde ab. Reifen quietschten. Fast wäre der Wagen ins Schleudern geraten, konnte sich dann fangen und gab Gas auf einer abschüssigen Fahrbahn.
»Mit mir nicht, mein Freund!«, rief Bishop triumphierend. Er riss das Lenkrad herum, meisterte die Abzweigung und gab ebenfalls Gas.
In Kelly Stuarts Kopf überschlugen sich die Gedanken. Gleichzeitig wuchs in ihrem Inneren die Angst.
Während sie Richtung Fluss preschten, sah sie, dass die Straße kurz vor dem Ufer einen Knick machte und direkt am Wasser entlangführte. Es handelte sich um eine Parallelroute zur Hauptstraße.
Sie hatten gerade das untere Ende erreicht und waren um die Kurve gebogen, da sah Stuart etwas, das ihr einen gehörigen Schrecken versetzte.
Der Mercedes hatte den Knick zwar absolviert, war jedoch ins Schlingern geraten. Er hatte einem parkenden Truck ausweichen müssen. Plötzlich stellte sich der Wagen deutscher Bauart quer, überschlug sich und segelte auf das Wasser des Hudson zu.
»Verdammter Mist!«, brüllte Bishop und legte eine Vollbremsung hin.
Als der Wagen stand, trieb der Mercedes auf dem Wasser und bewegte sich mit der Strömung weiter. Er war mindestens dreißig Yards vom Ufer entfernt.
»Wir müssen ihn irgendwie retten!«, rief Kelly und begann, ihre Uniformjacke auszuziehen.
David Bishop hielt ihren Arm fest. »Bist du verrückt? Das Wasser ist eiskalt, das schaffst du nicht.«
Trotzdem rannten sie ans Ufer. Hilflos sahen sie zu, wie der Wagen weiter abtrieb. Ein Stück weiter nach Süden, wo die Strömung das Wasser hinführte, lagen auf der linken Uferseite Industrieanlagen. Dort entdeckten sie das Dach des Mercedes zum letzten Mal, bevor er in den Fluten versank.
Kelly Stuart fröstelte. Kalter Wind strich über das Wasser. Möwen schrien, als wollten sie den Unfall beklagen. Eine Zeit lang, die wohl nur aus Minuten bestand, aber Stuart ewig vorkam, standen sie da und starrten auf den Hudson.
»Schau dort«, sagte Bishop und wies auf die Wellen.
Keine zwanzig Yards von ihnen entfernt, schwamm jemand um sein Leben. Er bemerkte sie, schien ihnen zuzuwinken. Schließlich gelang es ihm, ans Ufer zu kommen.
Kelly Stuart kletterte auf die Steine, die den Streifen zum Wasser begrenzten, und hielt ihm die Hand entgegen. Der Mann sah sie und kämpfte weiter. Er hatte gerade das Ufer erreicht, da verließ ihn die Kraft. Er verlor das Bewusstsein, bevor er sich ganz ans rettende Ufer ziehen konnte. Er hatte eine schwere blutende Verletzung am Kopf.
Sie bekam seine Hand zu fassen und brachte ihn, so gut es ging, in Sicherheit.
»Worauf wartest du, David?«, rief sie Bishop zu. »Ruf Verstärkung! Und einen Notarzt!«
Als das Telefon auf meinem Nachttisch seinen elektronischen Rufton von sich gab, kroch schon das erste Licht des Tages durch die Vorhänge in mein Schlafzimmer in der Upper West Side.
Ich drehte mich herum und sah auf die Uhr. In knapp zwanzig Minuten wäre die Nacht sowieso vorbei gewesen.
Auf dem Display des Handys sah ich, dass Mr High mich anrief.
»Guten Morgen, Sir«, sagte ich und musste mich räuspern.
»Guten Morgen, Jerry«, gab er mit seiner ruhigen, väterlichen Stimme zurück. »Bitte fahren Sie gleich nicht ins Büro, sondern nach Hastings-on-Hudson im Norden. Dort ist jemand aufgetaucht, nach dem wir schon lange fahnden. Carlos Rivera. Er war in einen Unfall verwickelt, dessen Umstände gerade vor Ort ermittelt werden.«
Beim Namen Carlos Rivera klingelte es bei mir. Der Mann war ein gesuchter Drogenhändler und gelegentlich persönlich als Kurier tätig, obwohl das in den Kartellen eigentlich die unteren Chargen übernahmen. Ich ließ mir von Mr High die Ortsangaben geben und erfuhr die genaueren Umstände des Unfalls.
»Ich habe Phil bereits angerufen«, sagte Mr High. »Er wartet an der üblichen Straßenecke auf Sie.«
Eine Viertelstunde später war ich im Aufzug auf dem Weg nach unten in die Tiefgarage, wo mein Jaguar stand. Seit Kurzem hatte ich ein neues Modell, einen F-Type 75 R in Firenze Red mit 575 PS unter der Haube. Sein Vorgänger war bei einem gefährlichen Einsatz in die Luft gesprengt worden. Fast hätte ich dabei selbst ins Gras gebissen. Dass es dazu nicht gekommen war, tröstete mich über den Verlust hinweg.1
Wie angekündigt, wartete Phil auf mich. Er kam zum Wagen, begrüßte mich gähnend und stieg ein.
Zu meinem Wagen gehörte neben vielem anderen, was wir für die FBI-Arbeit brauchten, auch ein Tablet mit Internetanschluss, über den Phil die aktuellen Berichte abrufen konnte. Während ich den Weg nach Norden einschlug, wischte er über das Display.
»Hat dir Mister High auch gesagt, dass Carlos Rivera aufgetaucht ist?«, fragte er. Dabei grinste er mich vielsagend an.
»So hat er sich ausgedrückt«, bestätigte ich.
»Das war wörtlich gemeint«, sagte er und las mir vor, was die Streifenbeamten, die als Erste vor Ort gewesen waren, zu Protokoll gegeben hatten. Rivera war mit seinem Mercedes auf der Flucht vor der Polizei in den Hudson gefahren, hatte sich aber retten können. »Er ist also buchstäblich aus dem Fluss aufgetaucht«, fügte Phil hinzu.
Ich fand den Witz weniger lustig als er. »Immerhin haben wir ihn. Wenn ich das richtig verstanden habe, haben wir das den Officers zu verdanken, denen er aufgefallen ist. Man kann nicht von jedem Streifenbeamten erwarten, dass er einen gesuchten Kriminellen aus der Drogenszene gleich erkennt, wenn er ihn sieht.«
Phil tippte noch eine Weile auf dem Tablet herum. »Am besten, wir unterhalten uns mit den Beamten selbst gleich.«
»Und mit Rivera«, sagte ich. »Der Mann ist ein wichtiger Kontakt für uns. Wenn wir ihn dazu kriegen auszupacken, was er über das Drogenhandelsmilieu weiß, wäre das ein Riesenschritt für uns.«
Obwohl noch wenig Verkehr herrschte, schaltete ich Sirene und Warnlicht ein, damit wir schneller vorankamen. So schafften wir die Strecke in weniger als einer halben Stunde.
Schon aus hundert Yards Entfernung sahen wir die blinkenden Streifenwagen auf der Straße, die direkt am Hudson entlangführte. Daneben stand ein Fahrzeug einer technischen Unterstützungseinheit. Als ich den Jaguar parkte, ging gerade ein Taucher in voller Montur über die dicken Steine, die das Ufer säumten, zum Fluss.
Der Leiter des Einsatzes war ein Sergeant namens Graham. Er war ein korpulenter Mittfünfziger, der an die Haube eines Streifenwagens gelehnt das Geschehen beobachtete. Wir stellten uns vor.
»Zum Glück konnten meine Leute in dem Streifenwagen genau sehen, wo Riveras Fahrzeug unterging«, sagte er. »Falls wir Rivera selbst nicht davon überzeugen können, ein paar Fragen zu beantworten, finden wir in dem Wagen sicher irgendwelche Hinweise.«
»Was soll das heißen?«, fragte Phil. »Es kann ja sein, dass Rivera keine Lust hat auszupacken. Aber wir werden es ihm schon schmackhaft machen, Informationen preiszugeben.«
»Rivera ist im Krankenhaus«, sagte der Sergeant. »Im Saint John's Riverside Hospital in Yonkers. Er liegt im Koma. Wenn wir Pech haben, springt er über die Klinge.«
»Alles klar«, sagte ich. »Dann können wir ja gleich zum nächsten Punkt übergehen. Die beiden Officers, die Rivera verfolgt haben, wo sind sie?«
Graham sah mich erstaunt an. »Wo sollen sie sein? Sie hatten eine Stunde nach der Sache Schichtende. Wahrscheinlich sind sie auf dem Heimweg, nach getaner harter Arbeit.«
»Bitte rufen Sie sie an«, bat ich. »Wir müssen mit ihnen sprechen. Wie heißen die beiden?«
»David Bishop und Kelly Stuart. Sie sind eines meiner besten Teams. Eigentlich hatte ich ja befürchtet, dass es bei gemischten Zweierteams Probleme geben könnte, weil die beiden ja nun wirklich viel Zeit miteinander verbringen.« Er zwinkerte. »Sie verstehen schon. Aber in ihrem Fall ...«
»Mein Partner hat Ihnen gerade gesagt, dass wir dringend mit den beiden sprechen müssen«, fiel Phil ihm ins Wort. »Sie haben doch sicher ihre Privatnummern.«
»Und warum müssen Sie mit ihnen sprechen?«, fragte der Sergeant ungehalten. »Wenn Sie etwas wissen wollen, fragen Sie mich.«
Ich erklärte ihm in kurzen Worten, worum es ging. Dass wir wissen wollten, auf welche Weise sie auf Rivera getroffen waren. Und wieso sie ihn erkannt hatten. In einem dunklen Wagen. Am Ende der Nacht, als es noch dunkel gewesen war.
Sergeant Graham holte Luft und wollte etwas sagen. Diesmal unterbrach ich ihn.
»Sparen Sie sich das bitte, Sergeant«, sagte ich. »Die beiden sollen uns das selbst erzählen.«
Graham löste seinen massigen Körper von dem Fahrzeug. Er öffnete die Fahrertür, beugte sich in den Streifenwagen hinein und führte ein kurzes Gespräch über Funk.
»Die zwei sind noch in der Zentrale«, sagte er dann. »Fahren Sie hin. Sie warten auf Sie.«
Wir warteten, bis der Taucher von seinem ersten Tauchgang zurückkehrte. Er watete ans Ufer und schüttelte den Kopf. »Kein Wagen zu finden. Seid ihr euch sicher, dass er hier untergegangen ist?«
Einer der Cops bestätigte, dass die beiden Officers, die Rivera verfolgt hatten, präzise Angaben gemacht hatten.
Sergeant Graham schaltete sich wieder ein. »Wenn meine Leute sagen, dass der Wagen da ist, dann ist er da. Hier vorne ist ja auch ein wenig Strömung. Er kann also nicht abgetrieben sein. Jetzt macht euren Job, verdammt noch mal, und findet die Karre endlich!«
»Geben Sie uns Bescheid, wenn Sie fündig geworden sind«, sagte ich zu dem Taucher. Anschließend kehrten wir zu meinem Wagen zurück.
Der kleine Ort Hastings-on-Hudson gehörte zum Westchester County. Dessen Polizeizentrale befand sich in der nur wenige Meilen entfernten Stadt White Plains. Nach einer kurzen Strecke durch kleine Siedlungen und durch Wälder hielten wir vor einem klotzigen Gebäude im Stadtzentrum.
Die beiden Officers, die wir sprechen wollten, warteten in einem tristen Aufenthaltsraum auf uns. Sie hatten sich schon umgezogen und waren bereits in Zivil. David Bishop war ein junger Mann mit kantigen Gesichtszügen, aus denen die blauen Augen deutlich hervorstachen. Seine Partnerin Kelly Stuart war hellblond, schlank und sportlich.
Ich bedankte mich bei ihnen dafür, dass sie vor ihrem Feierabend auf uns gewartet hatten.
»Sie verstehen sicher, dass wir die Abläufe Ihrer Begegnung mit Rivera genau durchgehen müssen«, sagte ich. »Wie haben Sie Rivera erkannt?«
Officer Bishop ergriff das Wort. »Ich hatte über ihn gelesen, in irgendeinem Bericht. Und ich hatte mir gemerkt, wie er aussieht. Und als wir diesen versuchten Autodiebstahl sahen ...«
»Was für ein Autodiebstahl?«, hakte Phil nach. »Davon steht nichts in den Unterlagen.«
Bishop nickte. »Es ging alles ein bisschen drunter und drüber. Wir waren gerade auf den Parkplatz des Fastfoodrestaurants abgebogen ...«
Nach und nach zogen wir ihnen die Würmer aus der Nase. Da die Nachtschichten hier auf dem Land ohnehin immer ziemlich ereignislos waren, hatten sie die letzte Stunde des Dienstes im Restaurant verbringen wollen. Das verstieß gegen die Vorschriften, kam jedoch vor. Dann hatten sie gesehen, wie Unbekannte auf dem Parkplatz versuchten, einen Wagen aufzubrechen. Bishop war ausgestiegen, während seine Partnerin noch am Steuer saß und hatte Rivera erkannt. Daraufhin hatten sie ihn verfolgt. Mit dem bekannten Ergebnis.
»Und Sie haben sich nicht getäuscht, was den Ort betrifft, wo der Mercedes in den Hudson gefahren?«, fragte ich. »Die Taucher haben nämlich noch keine Spur von dem Fahrzeug.«
»Wir haben genaue Angaben gemacht«, sagte der Officer.
Phil wandte sich an Kelly Bishop, die noch gar nichts gesagt hatte. »Können Sie etwas ergänzen?«
Sie schlug die Augen nieder. »Es ist so, wie David gesagt hat.«
Wir kümmerten uns noch um ein paar Kleinigkeiten und erfuhren unter anderem, dass die beiden Officers den ganzen Einsatz erst bei der Zentrale gemeldet hatten, als sich Rivera schwer verletzt ans Ufer gerettet hatte.
»Kein Wunder«, sagte Phil, als wir wieder im Jaguar saßen. »Die wollten nicht, dass ihre kleine Pause rauskommt. Sergeant Graham hat sich zwar vor sie gestellt, als wir mit ihm gesprochen haben, aber er kann intern sicher ein scharfer Hund sein, dem die Vorschriften über alles gehen.«
Mein Partner hatte mich darauf gebracht, Graham noch einmal anzurufen und mich nach dem Fortgang des Tauchereinsatzes zu erkundigen.
»Noch kein Ergebnis«, meldete er. »Haben Sie mit meinen Leuten gesprochen?«
»Ja«, sagte ich. »Officer Bishop ist ziemlich aufmerksam gewesen, dass er Rivera erkannt hat.«
»Klar«, gab Graham selbstgerecht zurück. »Nur weil wir in der Provinz sind, sind wir noch lange nicht auf den Kopf gefallen.«
»Und jetzt sag mir mal, was das alles sollte«, sagte Kelly Stuart, als sie mit David Bishop über den Parkplatz ging.
»Was meinst du?«, fragte er.
Stuart spürte, wie Wut in ihr aufstieg. Sie stellte sich ihrem Partner in den Weg. »Willst du mich für dumm verkaufen? Du hättest unseren Einsatz bei der Zentrale melden müssen. Unsere Pause hatten wir ja noch gar nicht angetreten. Und wieso hast du mir nicht gleich gesagt, dass das Rivera war? Wir hätten ihn vor Ort kontrollieren müssen. Und wieso hast du denen erzählt, der Mercedes sei viel weiter vorne an der Straße in den Hudson gefahren? Wenn sie da weitersuchen, finden sie ihn nie.«
Bishop blickte sie an. Seine Lider flackerten. Etwas arbeitete in ihm.
»Warum machst du so eine Scheiße?«, rief sie. »Okay, ich bin deine Dienstpartnerin und decke dich, wenn's drauf ankommt. Aber dann will ich auch, verdammt noch mal, eingeweiht werden.«
David verharrte einen Moment.
»Los«, sagte er dann. »Wir sprechen in meinem Auto darüber.«
Er strebte den beiden Parktaschen zu, wo ihre Fahrzeuge standen. Der kleine Mitsubishi, den Kelly Stuart von ihrem Vater geerbt hatte, und David Bishops blauer Ford, der sein Ein und Alles war und an dem er an den Wochenenden manchmal herumschraubte.
»Als ich an Riveras Wagen getreten bin, hatte er den Kofferraumdeckel geöffnet, um zu überprüfen, ob es den Dieben gelungen war, das Fahrzeug aufzubrechen«, sagte er.
»Eine normale Reaktion«, sagte sie. »Und?«
»Ich habe Rivera sofort erkannt. In dem Bericht, den ich über ihn gelesen habe, stand, dass er als Drogendealer eine gewisse Eigenart hat.« Er schwieg.