Jerry Cotton 3505 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 3505 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Eine junge Frau - vergewaltigt in einer Gasse neben einem Klub in New York. Solche Fälle häuften sich in letzter Zeit im Big Apple, und jedes Mal waren wohl so etwas wie K.-o.-Tropfen im Spiel. Doch alle Frauen waren sich sicher, nichts aus einem unbeaufsichtigten Glas getrunken zu haben. Unsere Kollegin Kristen Steele stellte mit ihrer neuen Teampartnerin Dionne Jackson sofort Recherchen an und stieß auf das sogenannte Needle Spiking. Dabei werden Betäubungsmittel mit winzigen Spritzen verabreicht. Während wir ermittelten, eskalierte die Lage. Denn eines der Opfer war die Tochter eines einflussreichen New Yorker Mafiabosses. Der glaubte an einen Anschlag gegen seine Familie und versuchte auf eigene Faust, Ordnung zu schaffen ...

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Seitenzahl: 146

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhalt

Cover

Tanz mit dem Tod

Vorschau

Impressum

Tanz mit dem Tod

Der Bass wummerte durch Cynthias Körper. Zum Rhythmus der Musik wirbelten Stroboskoplichter durch den Klub und ließen die Masse der Tanzenden wie ein Heer aus Geistern erscheinen. Cynthia genoss es, sich in der Menge zu bewegen. Fast wäre sie komplett in dem rauschhaften Flow versunken, da spürte sie das Brummen ihres Handys, das in der Seitentasche ihrer Jeans steckte.

Zuerst versuchte sie, es zu ignorieren, aber das Gefühl am Bein nervte sie so sehr, dass sie sich durch die Menschen hindurch einen Weg an den Rand der Tanzfläche bahnte, es herauszog und einen Blick aufs Display warf.

Was sie sah, versetzte ihr einen Schock.

Verstört ging sie noch ein paar Schritte bis zu dem Gang, an dessen Ende die Toiletten lagen. Hier war es nicht mehr so laut. Trotzdem würde ihr Gesprächspartner mitbekommen, wo sie sich befand.

Und das würde ihm gar nicht gefallen.

Unterdessen brummte das Handy weiter. Um hinaus auf die Straße zu laufen, war es zu spät. Sie musste ans Telefon gehen. Jetzt.

Cynthia atmete ein paarmal tief durch. Dann drückte sie den grünen Knopf auf dem Display.

»Dad«, sagte sie nur. »Ich ...«

Sofort ertönte die strenge Stimme ihres Vaters.

»Warum brauchst du so lange, um ans Telefon zu gehen? Es ist schon fast eins. Du weißt, ich will nicht, dass du dich so lange herumtreibst.« Er machte eine kurze Pause. Offenbar waren ihm erst jetzt die Hintergrundgeräusche aufgefallen. »Wo bist du? In einem Klub? Du weißt genau, dass ich dir das verboten habe ...«

Die Tirade ging weiter. Cynthia kam gar nicht zu Wort. Sie hätte ihrem Vater am liebsten eine Menge gesagt, aber das ließ er nicht zu. Zum Beispiel, dass sie bereits dreiundzwanzig Jahre alt war und somit in jeden Klub in New York gehen konnte, in den sie gehen wollte. Dass sie sich von ihrem Vater nichts sagen lassen musste, auch wenn er ein noch so wichtiger und einflussreicher Geschäftsmann war.

Sie wollte ihr eigenes Leben haben.

»Hast du etwa einen Freund? Gibt es einen jungen Mann, mit dem du dich triffst? Gib es zu. Du weißt, dass ich es sowieso herausfinde.«

»Nein!«, rief Cynthia verzweifelt in das Telefon.

Eine Gruppe junger Frauen drängte in den Flur zu den Toiletten hin. Sie musste sich an die Wand drängen, um Platz zu machen. Danach folgte ein einzelner Mann. Die anderen streiften an ihr vorbei, weil es so eng war.

»Du weißt, dass ich mit einbezogen werden will, wenn du etwas mit einem Mann anfängst. Wir haben unseren Familienkodex, an den du dich halten musst ...«

Jaja, sie kannte den Familienkodex. Das war ein Thema, das Cynthia gedanklich lieber zur Seite schob. Die Familie. Die Verstrickungen, die bis nach Europa reichten. Die Gerüchte, dass es bei den Geschäften ihres Vaters nicht immer juristisch einwandfrei zuging. Schließlich hatte ihr Dad, der große Immobilienhändler Mario da Silva, mehrmals vor Gericht gestanden. Und Cynthia war bereits alt genug gewesen, um zu verstehen, dass man ihrem Vater etwas Schlimmes vorgeworfen hatte. Organisierte Kriminalität.

Zum Glück konnte man Cynthias Vater nie etwas beweisen. Er hatte nicht einen einzigen Tag in einer Gefängniszelle verbracht.

Trotzdem spürte Cynthia, dass der Verdacht nicht ganz von der Hand zu weisen war. Und seit dem Tod ihrer Mutter vor acht Jahren war sie damit ganz allein. Sie hatte keine Geschwister, mit denen sie sich hätte austauschen können. Und sie hatte keine Freunde, weil Dad es nicht zuließ.

»Ich erwarte dich zu Hause«, sagte ihr Vater streng. »In spätestens einer Stunde bist du hier.« Damit legte er auf.

Cynthia starrte ein paar Sekunden das Display an. Aus den Tiefen des Gangs kehrten ein paar Personen von den Toiletten zurück. Sie lachten über irgendetwas, waren bester Stimmung.

Sie hatte einfach nur Spaß am Tanzen, an der Atmosphäre. Spaß daran, für ein paar Stunden in das Gebrodel von Musik, Rhythmen und flackerndem Licht einzutauchen ... Warum konnte ihr Vater ihr das nicht gönnen? Was sollte ihr denn schon passieren?

Es wurde Zeit, dass sie aus dem engen Durchgang herauskam. Die Tanzfläche lockte. Sie beschloss, es noch eine Weile zu genießen. Ihr Vater würde ihr sowieso Vorwürfe machen. Unabhängig davon, was sie tat. Ob sie nun in einer Stunde zu Hause war oder nicht.

Der einzelne Mann, den sie vorhin bemerkt hatte, lief wieder an ihr vorbei. Er warf einen Blick auf ihren Körper und konzentrierte sich dabei auf den Bereich, der unterhalb ihres Kinns lag.

Cynthia nahm es zur Kenntnis. Sie wusste, dass sie eine Oberweite besaß, die viele Männer reizte. Heute trug sie zu ihrer engen Jeans ein bauchfreies Top, das ihren Busen noch mehr zur Geltung brachte. Sie hatte es gar nicht beabsichtigt, aufreizend zu erscheinen, und vor dem Spiegel hatte es auch gar nicht so gewirkt. Andere Frauen im Klub gingen da viel weiter.

Egal, dachte sie. Nimm es als Kompliment.

Innerhalb von einer Minute war sie wieder in dem Rausch versunken, den sie so liebte. Die Lichter umkreisten sie, die Musik füllte ihren Körper ganz und gar aus. Sie merkte, wie sie tanzte, und verlor jedes Zeitgefühl. Sie drehte sich und drehte sich, dann kam es ihr vor, als sagte ihr eine innere Stimme, dass sie doch jetzt langsam nach Hause fahren sollte. Ihr Vater wartete auf sie, und sie konnte es dem alten Herrn nicht antun, die ganze Nacht damit zu verbringen.

War es wirklich eine innere Stimme, die da zu ihr sprach? Oder war es eine leibhaftige Person im Klub?

Ja, dachte Cynthia. Es ist ja richtig. Der Rausch ist schön, die Musik ist schön, aber jetzt gehe ich besser nach draußen.

Um sie herum schwankte alles. Das Gefühl hatte sich angeschlichen. Es war zuerst gar nicht unangenehm, nach und nach wurde es immer überwältigender. Was war los? Hatte sie getrunken? Nein, dachte sie. Habe ich nicht.

Sie war froh, dass sie jemand fest am Arm gepackt hielt und ihr half, nicht hinzufallen. Denn nun drohten auch ihre Beine den Dienst zu versagen.

Sie wurde gestützt. Es ging weiter, eine Treppe hinauf. Stufe für Stufe.

Wer war das, der ihr hinaufhalf?

Den Mann hatte sie schon mal gesehen, sie wusste nur nicht mehr, wo.

Oder war es ihr Vater? War er in den Klub Twentynine gekommen, um sie hier herauszuholen?

Das würde ihm ähnlich sehen. Dann fiel Cynthia ein, dass er gar nicht wusste, in welchem Klub sie war. Sie hatte es ihm nicht gesagt. Oder doch?

Nein, das war nicht ihr Vater.

Ein plötzlicher klarer Gedanke bahnte sich einen Weg durch das Chaos in ihrem Kopf.

Es musste einer von den Helfern ihres Vaters sein. Einer von den finsteren Typen, mit denen er sich oft im Arbeitszimmer in ihrem Haus einschloss und mit denen er Gespräche führte, bei denen er nicht gestört werden wollte.

Gomez hieß der eine. Angelo der andere.

Wenn es einer von ihnen war, der sie hier herausholte, würde er sie vor allem beschützen, was ihr drohte. Ihr konnte nichts passieren. Sie musste ihrem Vater im Grunde dankbar sein ...

Die Musik war immer leiser geworden. Kalte Nachtluft empfing sie, als sie an der Seite des Unbekannten auf die Straße trat. Der Verkehr rauschte. Die übliche Geräuschkulisse einer Nacht in Manhattan war das, aber die verzerrte sich ebenso wie die Lichter, die jetzt lange Schlieren bildeten und sich in kreisende Wirbel verwandelten, in denen sich Cynthia wie in einem hypnotischen Sog verlor.

Auf einmal wurde ihr bewusst, dass sie nicht mehr stand, sondern auf dem Boden lag. Und um sie her war es dunkel. Aus der Finsternis drang ein Keuchen. Feste Hände machten sich am Verschluss ihrer Jeans zu schaffen. Und voller Entsetzen wurde ihr klar, dass jemand versuchte, ihr die Hose hinunterzuziehen und laut fluchte, weil es ihm nicht so schnell gelang, wie er es gerne gehabt hätte.

Cynthia wollte die Arme heben, wolle sich wehren, wollte mit den Beinen strampeln und sich zur Seite drehen.

Doch ihr Körper regte sich nicht.

Als würde er nicht mehr ihr gehören.

Supervisory Special Agent Kristen Steele rammte einen höheren Gang in das Getriebe ihres Pick-ups. Endlich wurde die Ampel grün.

Keine zweihundert Yards später musste sie schon wieder bremsen. Obwohl sie sehr früh in Manhattan losgefahren war, herrschte dickster Berufsverkehr.

Sie war noch nicht lange beim FBI in New York und hatte nur eine vorläufige Wohnung gefunden. An oberster Stelle der Liste mit den wichtigen Dingen, die sie in Angriff nehmen musste, stand die Suche nach einer Unterkunft in Manhattan. Näher an der Federal Plaza, wo sich im dreiundzwanzigsten Stock des Jacob K. Javits Federal Building die FBI-Büros befanden.

Um schnell dort zu sein, war es besser, in Manhattan zu wohnen. So wie ihre Kollegen Jerry Cotton und Phil Decker.

Wieder konnte sie für eine kurze Strecke Gas geben. Der Motor des Ford Ranger röhrte auf.

Auch dieses Fahrzeug war für den Big Apple ungeeignet. Sie hatte es sich von einem ehemaligen Kollegen aus Philadelphia geliehen, der in den Ruhestand gegangen war, sich jetzt auf einer großen Europareise erholte und keine Sehnsucht danach verspürte, den Pick-up so schnell zurückzubekommen.

Immerhin hatte sie einen Dienstparkplatz im Parkhaus des Jacob K. Javits Federal Building bekommen. Und für die Einsätze selbst stand ihr immer ein Wagen von der Fahrbereitschaft zur Verfügung.

Als sie eintraf, musste Kristen lächeln. Der Parkplatz ihres Kollegen Jerry Cotton war leer. Sein Jaguar F-Type in edlem Firenze Red, der sonst hier stand, fehlte noch. In Manhattan zu wohnen, war also keine Garantie dafür, schnell am Arbeitsplatz zu sein. Oder Jerry hatte sich wieder mal aufgehalten, weil er ja immer seinen Partner Phil an einer Straßenecke an der Upper West Side abholte.

Kristen fuhr mit dem Fahrstuhl nach oben. Auch in ihrem Büro war sie die Erste. Ihre Partnerin Supervisory Special Agent Dionne Jackson erschien ohnehin manchmal auf dem letzten Drücker, weil sie alleinerziehende Mutter war.

So hatte Kristen noch ein wenig Zeit, sich am Computer in die Ereignisse der letzten Nacht einzulesen.

Schießereien in Queens, ein Überfall auf eine Tankstelle in der South Bronx. Mehrere Tote waren zu beklagen. Wenn alle Kollegen da waren, würde es eine Besprechung bei Mr High geben. Man würde auseinanderdividieren, welche dieser Vorfälle in den Zuständigkeitsbereich des FBI und seiner Taskforce fielen. Diese hatte es sich zur Aufgabe gemacht, das organisierte Verbrechen in New York zu bekämpfen.

Kristen scrollte weiter. Und da stieß sie auf einen anderen Fall. Eine junge Frau war neben einem Klub in Manhattan in eine Seitengasse gezerrt und vergewaltigt worden. Als Kristen den Namen las, klingelte etwas bei ihr.

Cynthia da Silva.

Das Opfer war die Tochter eines einflussreichen Geschäftsmanns, dem man Verbindungen zur Mafia nachsagte. Manche waren der Ansicht, dass er selbst Oberhaupt eines kriminellen Clans war, wobei der Schwerpunkt eigentlich in Europa lag, denn hier in den USA war seine Familie klein. Mario da Silva hatte nur die eine Tochter und keine weiteren Verwandten. Seine Frau war vor ein paar Jahren an Krebs gestorben.

Eher absichtslos las Kristen das Protokoll. Jemand hatte wohl bemerkt, was in der Gasse neben dem Klub vor sich gegangen war. Der Täter hatte die Flucht ergriffen. Auf ihn gab es keine Hinweise und keine Beschreibung. Die junge Frau war ins Krankenhaus gebracht worden.

Sie ist irgendwie betäubt worden, schlussfolgerte Kristen aus der Aussage, nachdem sie sich darin versenkt hatte. Aber Cynthia da Silva schwor Stein und Bein, dass sie in der Bar nichts getrunken hatte, in das man hätte K.-o.-Tropfen träufeln können. Nur zwei alkoholfreie Getränke hatte sie sich gegönnt und beide sofort aus der Flasche getrunken, nachdem diese geöffnet worden waren. In dem Protokoll hatte sie beteuert, nur zum Tanzen in den Klub gegangen zu sein. Nicht in einer Gruppe, sondern allein. Nur aus Spaß an der Musik und der Atmosphäre.

K.-o.-Tropfen, die nicht durch Getränke verabreicht wurden.

Dieses Phänomen gab es gelegentlich, und es stellte die Ermittler immer wieder vor Rätsel.

Kristen erinnerte sich, dazu schon einmal etwas gelesen zu haben.

Nur am Rand bekam sie mit, dass Dionne das Büro betrat, ihre Partnerin begrüßte und ihrerseits ihren Computer startete.

»Du bist nicht gerade gesprächig heute Morgen«, sagte sie dann, als Kristen immer noch mit ihrer Recherche beschäftigt war. »Wir müssen gleich zu Mister High. Bist du bereit?«

Kristen erwachte wie aus einem Traum. Sie sah auf die Uhr. Fast eine Stunde hatte sie damit verbracht, sich mit den verschiedenen Fällen von Vergewaltigungen in den gesamtem USA zu beschäftigen.

»Umso besser«, sagte sie. »Ich glaube, ich habe hier etwas, dem wir nachgehen müssen.«

Dionne stand auf. »Und worum geht es da?«

Kristen umriss ihr den Fall, auf den sie gestoßen war, und ließ die Tatsache nicht aus, dass solche Dinge in mehreren Bundesstaaten vorkamen.

»K.-o.-Tropfen, ohne dass jemand etwas getrunken hat?«, hakte Dionne nach. »Wie soll das gehen?«

»Es gibt eine Theorie«, sagte Kristen. »Hast du schon mal was vom sogenannten Needle Spiking gehört?«

»Verloren«, sagte Phil süffisant, als wir die Tiefgarage erreichten. Kristens dunkelgrüner Pick-up bereits da. Sie war schon wieder als Erste angekommen. Es war ein kleines Spiel zwischen mir und der neuen Kollegin.

»Zum Glück gibt es keinen Wetteinsatz«, sagte mein Partner, nachdem ich geparkt hatte und wir dem Fahrstuhl zustrebten. »Sonst würde es dich arm machen, jedes Mal den Kürzeren zu ziehen.«

Im dreiundzwanzigsten Stock spürten wir sofort die betriebsame Atmosphäre. Helen, Mr Highs Vorzimmerdame, rief uns ins Büro. Der Chef wollte unbedingt eine Besprechung abhalten.

Als wir den Raum mit dem beherrschenden Schreibtisch und der Besprechungsecke betraten, waren Kristen Steele und Dionne Jackson anwesend.

Mr High begrüßte uns und bat uns, Platz zu nehmen. Dann erteilte er Kristen das Wort, die uns sofort vortrug, auf welchen Fall sie gestoßen war.

»Ich weiß, dass das in erster Linie ein Fall fürs NYPD ist«, sagte sie. »Aber dieses Phänomen des Needle Spiking kommt angeblich in verschiedenen Bundesstaaten vor. Es könnte ein übergreifendes Phänomen dahinterstecken. Und damit wäre es etwas für uns.«

»Wie geht das genau vor sich?«, fragte Phil. »Wenn ich dich richtig verstanden habe, wird vermutet, dass den Frauen die K.-o.-Tropfen, die sie gefügig und hilflos machen sollen, nicht durch Getränke eingeflößt werden.«

»Nein, sondern durch eine Injektion«, sagte Kristen.

»Würde man das nicht bemerken?«, fragte ich skeptisch. Mir ging bereits das ganze Thema gewaltig an die Nieren. Frauen hilflos zu machen, um sie zu vergewaltigen, und das an einem Ort, den sie eigentlich aufsuchten, um Spaß zu haben und die Sorgen des Alltags zu vergessen, war wohl das Mieseste, was der Spezies Männer einfallen konnte. Und wenn sie sich dann schützten und ihre Getränke im Auge behielten und das immer noch nicht genug war, um den Schweinen zu entgehen, die so etwas taten ...

»Ich weiß, es klingt merkwürdig«, sagte Kristen. »Man geht davon aus, dass der Einstich in der Euphorie des Klubgeschehens nicht oder kaum bemerkt wird. Oder die Opfer nehmen ihn zur Kenntnis, betrachten ihn als kurze Irritation und machen sich weiter keine Gedanken darüber.«

»Und es ist bewiesen, dass die Verabreichung des Mittels auf diese Weise erfolgt?«, fragte Phil.

Kristen wechselte einen schnellen Blick mit Mr High.

»Das ist eben das Problem«, sagte der Chef. »Es gibt keinen Beweis. Noch nie wurde eine solche Spritze gefunden. Man weiß nicht einmal, welches Mittel es überhaupt sein soll, das dabei zum Einsatz kommen könnte. Auch bei dem Opfer von heute Nacht, Cynthia da Silva, wurde im Blut nichts nachgewiesen.«

»Also sind es nur Gerüchte?«, sprach Phil das Offensichtliche aus.

»Leider ja«, sagte Kristen. »Wenn man es streng betrachtet, ist Needle Spiking nichts anderes als eine urbane Legende.«

»Doch es sind Gerüchte, denen wir durch unsere Ermittlungen endlich eine feste Grundlage geben könnten«, sprang Dionne ihrer Partnerin bei. »Es wäre eine Chance, der Sache nachzugehen.«

»Der Verdacht, dass die eingesetzten Betäubungsmittel aus einer oder aus wenigen Quellen stammen und über die USA vertrieben werden wie Drogen, ist ja nicht von der Hand zu weisen«, sagte Mr High. »Gut, es ist eine Theorie und nicht mehr. Allein das wäre eine Untersuchung wert.«

»Zumal es schon Fälle gibt, bei denen nachgewiesenermaßen auf diese Weise gearbeitet wurde«, ergänzte Kristen.

»Also ist es doch keine Legende?«, fragte ich.

»Keine jungen Frauen als Opfer«, sagte die Kollegin. »Schon vor vielen Jahrzehnten gab es das. Zum Beispiel bei dem sogenannten Regenschirmattentat auf den bulgarischen Schriftsteller und Dissidenten Georgi Markow. Er wurde Opfer einer vergifteten Spitze. Angeblich steckten der bulgarische Geheimdienst und der KGB dahinter.«

Wir sahen uns ratlos an.

Plötzlich reifte in mir ein Gedanke.

»Der Name da Silva ... Er kommt mir bekannt vor«, sagte ich.

Mr High nickte und half mir auf die Sprünge. Der Mann war kein unbeschriebenes Blatt. Seine Akte umfasste alle möglichen Verstrickungen in Bestechungsfälle bei Behörden des Staats New York und der Stadtverwaltung. Außerdem gab es den Verdacht, dass er nicht gerade zimperlich war, wenn es darum ging, Konkurrenten einzuschüchtern. Seine Geschäfte drehten sich vor allem um den heißbegehrten Immobilienmarkt. Da Silva hatte mehrmals vor Gericht gestanden. Doch seine Anwälte hatten ihn jedes Mal als Unschuldigen dastehen lassen.

»Ob es ein Zufall ist, dass ausgerechnet die Tochter von Mario da Silva heute Nacht zum Opfer wurde, weiß ich nicht«, sagte Kristen.

»Was wäre die Alternative?«, fragte Phil. »Dass jemand dahintersteckt, der da Silva schaden will und es an der Tochter auslässt? Als eine Art grausamen Denkzettel?«

»Auszuschließen wäre das nicht«, meinte ich. »Nur solange es dafür keinen Hinweis gibt, würde ich nicht davon ausgehen.«