Jerry Cotton 3509 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 3509 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Eine grausame Mordserie erschütterte New York. Männer wurden bei lebendigem Leib verbrannt, gepfählt, gesteinigt. Vieles deutete auf einen alten Hexenkult hin. Dann wurden immer mehr Frauen Opfer von Morden, und es schien, als wäre ein brutaler Kampf der Geschlechter in unseren Straßen entbrannt. Es gelang uns, Kristen Steele in den Bund der Hexen einzuschleusen. Mit ihrer Hilfe fanden wir heraus, dass hinter den Auseinandersetzungen handfeste wirtschaftliche Interessen steckten. Am Ende war doch alles ganz anders, und wir mussten miterleben, wie sich im Hintergrund ein Szenario aufbaute, das weitaus schrecklicher war, als wir angenommen hatten ...

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Seitenzahl: 141

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhalt

Cover

Die Hexen von Bronxville

Vorschau

Impressum

Die Hexen von Bronxville

Seit er einer der wenigen übrig gebliebenen Bewohner in der Straße war, verirrte sich nur noch Gesindel hierhin, und niemand traute sich, sein Haus zu verlassen, wenn es laut wurde. In der Nacht hatten Rowdys am Ende der Straße ein Feuer entzündet.

Er war vom flackernden Licht wach geworden, hatte die Vorhänge vorgezogen und war zurück ins Bett gegangen.

Jetzt warf die Morgensonne die ersten Strahlen durch eine Lücke zwischen den Vorhängen. Er trottete zum Fenster, öffnete es und sah die Straße hinunter zu den Gleisen, wo sich Birken und Büsche fast das ganze Gelände des ehemaligen Bahnhofs zurückerobert hatten.

An einer Laterne unter den Bäumen hing etwas. Etwas Schwarzes, Längliches, das vom Boden an etwa fünf Fuß in der Höhe maß. Wie eine riesige Raupe, die sich verpuppte. Entsetzt realisierte er, dass es der Rest eines Körpers war. Und an dem geschwärzten Laternenpfahl und dem Boden rundum erkannte er, dass man hier einen Menschen verbrannt hatte, während alle geschlafen hatten.

Wir hatten an diesem Morgen kaum unseren ersten Kaffee getrunken, als Mr High uns in sein Büro rief. Der Chef stand hinter seinem Schreibtisch und band sich gerade die Krawatte.

»Jerry, Phil«, begrüßte er uns. »Ich bin etwas in Eile, sonst wäre ich zu Ihnen gekommen. Der Bürgermeister ...« Er unterbrach sich selbst, griff nach einem Aktenordner, der vor ihm auf dem Tisch lag, und reichte ihn mir. »Das NYPD hat mir mitgeteilt, dass innerhalb von drei Tagen zwei Männer auf eine ganz ähnliche Art und Weise ermordet worden sind.«

Ich nahm die Akte entgegen.

Mr High schnappte sich sein Jackett, während er den Tisch umrundete und dabei weiterredete. »Das erste Opfer wurde gesteinigt, das zweite kastriert und mit einer Eisenstange gepfählt. Das NYPD meint, dass wir es mit dem Beginn einer Serie zu tun haben, und hat den Fall an uns verwiesen. Das erste Opfer war Börsenmakler, das zweite Staatsanwalt in der Bronx. Steht alles in der Akte. Ich bin heute Mittag wieder da und ...«

In diesem Moment klingelte das Telefon auf seinem Tisch. Er drehte sich um, nahm den Telefonhörer ab, hörte zu und nickte einige Male mit gerunzelter Stirn, sagte aber kein Wort.

»Danke«, sagte er zum Abschluss des Gesprächs nur und legte auf. »Jetzt steht es wohl außer Frage, dass wir es mit einem Serienkiller zu tun haben. Es hat heute morgen einen dritten Ermordeten gegeben.«

Ich hob die Brauen.

»Ein Mann, den man mit einer Eisenkette an einen Laternenpfahl in der Herkimer Street in Ocean Hill gebunden, mit Benzin übergossen und angezündet hat. Bei zwei Fällen hätte ich noch an einen Zufall glauben können, nun ist die Sache klar. Es ist Ihr Fall. Nehmen Sie sich Iris dazu, die Art der Vorgehensweise lässt auf einen Psychopathen schließen.«

Keine zwei Stunden später hatten wir uns gemeinsam mit Dr Iris McLane einen ersten Überblick verschafft.

»Robert Cunningham, Börsenmakler«, fasste Phil zusammen und stellte seinen Kaffee neben den Laptop auf unserem Besprechungstisch. »Wohnte auf der Upper East Side, Single, fünfunddreißig Jahre alt. War im Greenwood Forest joggen, als ihn vermutlich mehrere Personen überfielen, in die Büsche zerrten und ihn dort an Händen und Füßen fesselten, knebelten, auf den Waldboden legten und steinigten.«

»Mit Steinen, die nicht aus der Gegend stammten, sondern aus einem Steinbruch in Crown Heights«, unterbrach ich meinen Partner. »So viel konnten unsere Kollegen vom NYPD schon herausbekommen.«

»Wobei ich mir nicht so sicher bin wie Phil, was die Anzahl der Personen angeht, die das getan haben«, meinte Iris. »Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass es mehrere Personen sind, die da eine ganz spezielle Vorliebe entwickelt haben. Mitch Wagner, das zweite Opfer, wurde in seinem Haus in Yonkers überfallen und gepfählt wie ein Vampir. Vielleicht jemand, der zu viele Horrorfilme guckt. Und dann hat man ihn kastriert. Kastration deutet eventuell auf eine Frau hin.«

»Die Steine, mit denen sie unser erstes Opfer getötet haben, wogen insgesamt fast vierhundert Pfund«, wandte Phil ein. »Ich wüsste nicht, wie eine einzige Person die vom Steinbruch weg in den Wald transportiert haben soll. Die nächste befahrbare Straße ist vom Schauplatz des Verbrechens eine Meile entfernt.«

Iris nickte nachdenklich. »Schwierig, aber nicht unmöglich. Man müsste dann auf eine Gruppe schließen, die entweder dieselben Filme liebt und danach tötet oder die etwas gegen ihre Opfer hatte, was so schwerwiegend war, dass sie beschloss, gemeinsam vorzugehen. Kann sein, doch ich würde zunächst von einer Einzelperson ausgehen.«

»Und unser drittes Opfer wurde verbrannt wie eine Hexe. Das würde eher auf einen Mann hindeuten.« Ich deutete ich auf das Smartphone in Iris' Hand. »Was suchst du?«

»Ich google die Todesarten«, meinte sie seufzend. »Gesteinigt, gepfählt und verbrannt wurde vorzugsweise tatsächlich zur Zeit der Hexenverfolgungen. Damit warst du also nahe dran. Es gab auch männliche Hexer. Wenige, es gab sie jedoch.«

»Interessant«, sagte ich.

»Kastriert wurde schon immer, allerdings vorzugsweise bei Notzuchtverbrechen. Da stellt sich die Frage, ob die Morde als Strafe für konkrete Verbrechen unserer Opfer gedacht waren oder aus Freude an Grausamkeiten ausgeübt wurden. All diese Dinge sind heutzutage so bekannt, dass sich jeder etwas aus dem Internet ziehen kann, was seinem Geschmack entspricht.«

»Das ist nicht von der Hand zu weisen«, sagte Phil.

»Also würde ich dort ansetzen, wie sich dieser persönliche Geschmack gebildet hat. Ich werde mir gleich nach unserer Besprechung alle verfügbaren Akten aus den psychiatrischen Kliniken der Umgebung vornehmen, ob es da jemanden gibt, der zu dem ungefähren Profil passt und in letzter Zeit entlassen wurde.«

Ich stand auf. »Wir sollten uns erst einmal auf die Opfer konzentrieren. Das erste war Börsenmakler. Das zweite Opfer, die Kastration mit Pfählung, Staatsanwalt. Wer die dritte Person, die Verbrennung war, wissen wir noch nicht, nur dass es sich auch um einen Mann handelt. Was haben diese drei Männer gemeinsam? Das müssen wir herausfinden.«

Jetzt war sie neugierig, ob das Buch ihr weiterhelfen würde. Sie hatte bei allen Onlinebuchhandlungen danach gesucht, sogar bei den antiquarischen, aber es war nirgends mehr aufzutreiben gewesen. Eine Freundin riet ihr, es einmal in der Unibibliothek zu versuchen. Sie musste feststellen, dass ihr Bibliotheksausweis seit drei Monaten abgelaufen war, weil sie seit dem Tod ihrer Mutter vor einem halben Jahr einfach nicht in der Lage gewesen war, irgendetwas für ihr Studium zu tun. Sie studierte an der Yeshiva University, die nur drei Straßen entfernt von ihrer Wohnung mitten in der Bronx lag. Also hatte sie einen neuen beantragt und die Auskunft erhalten, dass sie sich den Ausweis einen Tag später in der Bibliothek abholen könnte.

Zitternd vor freudiger Erwartung verließ sie die Bibliothek und trat auf die Treppe. Es war Abend, gerade sprangen die ersten Straßenlaternen an.

Seit sie an den Versammlungen in Ramapo Valley teilnahm, ging es ihr wesentlich besser. Nie im Leben hätte sie gedacht, dass Rache so eine positive Wirkung auf ihren Seelenhaushalt hätte haben können. Rache, nichts weiter. Keine Gerichtsverhandlung, keine noch so harte Strafe hätte wiedergutmachen können, was man ihr und ihrer Mutter angetan hatte. Abgesehen davon, dass man den Täter nie gefasst hatte. Nie hatte fassen wollen, wie sie wusste. Denn ihre Mutter war ja nur eine billige Hure gewesen, eine Straßenprostituierte, die mehr oder weniger selbst schuld gewesen war an ihrem Schicksal. Das hatte der Staatsanwalt durchblicken lassen, gleich nachdem er die Ermittlungen eingestellt hatte. Ihre Mutter hatte an diesem Abend mindestens vier Freier gehabt, und keinen von ihnen hatte die Polizei ermitteln können.

Rache. Das war es, was sie wollte. Und wenn es schon unmöglich war, an den Täter heranzukommen, hatte wenigstens der Staatsanwalt für seine Untätigkeit gebüßt.

Und nun, wo sich ihre Gefühle langsam wieder beruhigten und die schrecklichen, köstlichen Bilder in ihrem Kopf zu verblassen begannen, hatte sie beschlossen, etwas Zeit mit der Recherche über die Geschichte dieser Hexen, wie sie sich selbst nannten, zu verbringen.

Sie ging die Stufen hinunter, die Stofftasche mit dem Buch eng an sich gepresst, sah sich nicht um und überquerte die Straße.

Sie hörte einen Schrei hinter sich, blieb erschrocken stehen, fuhr herum und sah eine alte Frau, die ihr etwas zurief, dann erfasste sie der Dodge Challenger, der mit überhöhter Geschwindigkeit auf sie zu schoss, sie traf, zwanzig Yards mit sich schleifte um sie, als er in die Kurve ging, gegen einen Laternenpfahl zu schleudern.

Sie sah noch, wie sich die Bücher, die sie sich ausgeliehen hatte, über der Kreuzung verteilten, dann schloss sie ihre Augen, um sie nie wieder zu öffnen.

Am nächsten Morgen hatten wir so weit alles beisammen, dass wir uns, verstärkt durch unser IT-Genie Dr Ben Bruckner, wieder zu einer Besprechung in unserem Büro einfanden.

Dr Iris McLane begann mit der Nachricht, dass es niemanden in den Akten der Psychiatrie aus näherer und fernerer Umgebung gab, auf den unser grob zusammengezimmertes Profil passte.

»Es gibt da ein paar Fälle, die einer der Tötungsarten entsprechen«, sagte sie. »Aber die meisten Psychopathen, die infrage kämen, konzentrieren sich auf eine einzige Foltermethode. Der bunte Mix, mit dem wir es zu tun haben, ist so noch nirgends vorgekommen.«

Ich wandte mich Ben Bruckner zu, der immer mal wieder in die Tasten seines Laptops hämmerte und sich gerade nervös ein paar Lakritze aus der Jackentasche klaubte und in den Mund schob.

»Was gibt es bei dir?«, wollte ich wissen.

Ben sah uns der Reihe nach schuldbewusst an, hatte sich jedoch schnell wieder im Griff und las vom Monitor seines Laptops ab. »Robert Cunningham, die Steinigung, arbeitete für verschiedene Hedgefonds, die allesamt sauber waren. Keine feste Beziehung. Mitch Wagner, die Kastration mit Pfählung, war Staatsanwalt in der Bronx. Da kann man davon ausgehen, dass es eine Menge Leute gibt, die ihn nicht mochten.«

Er hob kurz den Kopf, sah, dass wir nichts anzumerken hatten, und machte weiter.

»Nun die gute Nachricht: Unser drittes Opfer konnte inzwischen identifiziert werden. Es handelt sich um William Jamison, Angestellter im mittleren Management bei Star Vision One, dem Unternehmen von Eliot Malone, dem Milliardär. Er konnte anhand eines Teils eines implantierten künstlichen Hüftgelenks, genauer der Hüftpfanne, identifiziert werden. Seine Frau sagt, dass sie ihn zuletzt ...«

Gerade wollte ich nachhaken, was genau Jamisons Job bei Star Vision One gewesen war, als mein Smartphone klingelte. Ich hob eine Hand, um Ben zum Schweigen zu bringen, und hörte zu. Dabei machte ich mir ein paar Notizen auf einem Zettel, der vor mir auf dem Tisch lag.

»Was gibt es?«, wollte Phil wissen, als ich das Gespräch beendet hatte.

Ich stand auf und wedelte mit dem Zettel. »Wir müssen unterbrechen. Es gibt ein viertes Opfer. Die Küstenwache hat eben eine männlich Leiche aus dem Wasser gezogen. Der Mann war in einen Kartoffelsack eingenäht, der zusammen mit einem rund zweihundert Pfund schweren Betonstück im East River versenkt wurde. Anzunehmen, dass das in unsere Reihe passt.«

»Könnte auch ein Mafiamord sein«, meinte Phil, stand ebenfalls auf und griff nach seiner Jacke.

»Könnte«, meinte ich, schon auf dem Weg zur Tür, »aber jemand hat ihm eine Botschaft mit ins Grab gegeben. Einen Zettel, auf der irgendein mystisch aussehendes Zeichen steht. Eine Rune oder etwas Ähnliches, so weit zumindest die Vermutung der Kollegen.«

»Schickt mir bitte sofort ein Foto von diesem Ding, wenn ihr am Tatort seid«, bat Iris uns. »Ich schau dann schon mal, womit wir es zu tun haben.«

Wir erreichten den Fundort in der Nähe des Noguchi Museum zwischen Roosevelt Island und Long Island. Ein junger Officer begleitete uns zu der Stelle, an der die Leiche gefunden worden war. Man hatte den Toten auf die Pflastersteine gelegt und mit einem mobilen Sichtschutz dafür gesorgt, dass die schaulustige Menge ihn nicht sehen konnte.

Das Opfer war noch an Händen und Füßen gefesselt, dass er in Embryostellung vor uns lag. Der Mann musste Mitte dreißig gewesen sein. Sein Gesicht war nicht aufgedunsen vom Wasser, die Haut nur kalkweiß. Der Sack, in dem er gesteckt hatte, lag aufgeschnitten neben ihm. Ebenso ein Stück Beton.

»Wer hat ihn gefunden?«, fragte ich in die Runde.

Ein älterer Mann in der Uniform der Küstenwache trat aus der Reihe hervor.

»Wo genau?«, wollte ich wissen.

Er machte eine Bewegung mit dem Kopf, die mir sagen sollte, dass ich mit ihm kommen sollte. Ich folgte ihm ans Ufer.

»Hier unten«, sagte der Mann und zeigte auf einen Busch. »Ich denke, man wollte, dass man ihn schnell findet.«

»Warum denken Sie das?«, fragte ich.

»Die Strömung ist hier nicht besonders stark«, antwortete er. »Außerdem legt man einem Toten keinen Beton in den Leichensack, wenn man will, dass er von der Strömung weggespült wird. Wir sind mit unserem Boot vorbeigefahren und haben ihn sofort gesehen. Wenn sie gewollt hätten, dass man ihn nicht findet, hätten sie ihn in der Mitte des Flusses einfach ins Wasser geworfen.«

Ich nickte. »Er soll einen Zettel, eine Botschaft dabei gehabt haben.«

Der Mann zog etwas aus seiner Jackentasche. Es war ein Beweismittelbeutel mit etwas Schwarzem darin. Etwas Zusammengerolltes, ungefähr so groß wie eine Hand.

»Kein Zettel«, meinte er und überreichte mir den Beutel. »Ein Stück Tierhaut. Ziege oder Kuh, schätze ich mal. Da ist ein Zeichen drauf. Es steckte in seinem Mund. Deshalb schätze ich, dass er schon tot war, als man ihn versenkt hat.«

Ich sah den Mann überrascht an.

»Wenn er noch gelebt hätte, hätte er das ja wohl ausgespuckt, oder?«, meinte der Mann.

Ich konnte nur nicken und nahm den Beutel entgegen.

»Haben Sie das in die Tüte gepackt?«, wollte ich noch wissen.

»Jepp«, sagte er. »Könnten ja noch Spuren drauf sein. Trotz des Wassers.«

»Hatte er sonst noch etwas in den Taschen? Börse? Handy? Ausweispapiere?«

Er schüttelte den Kopf.

Ich legte dem Mann kurz meine Hand auf die Schulter. »Wenn Ihnen mal langweilig wird in Ihrem Job, kommen Sie zu uns. Leute wie Sie können wir immer brauchen.«

»Keine Chance, Agent«, er lächelte mich an, »ich gehöre aufs Wasser und sonst nirgendwohin.«

Als wir wieder in unserem Büro ankamen, hatte Iris das Bild, das aussah wie eine überdimensionale Heftklammer, die an den Seiten nach innen verbogen war, schon entschlüsselt.

»Eine altgermanische Rune«, führte sie aus. »Sie heißt Perthro und steht für die Fruchtbarkeit, Geburt und Wiedergeburt und ganz allgemein für die weiblichen Kräfte. Es steckte in seinem Mund?«

Ich nickte. »Ob er daran erstickt ist oder ob er schon tot war, ermittelt gerade die Gerichtsmedizin.«

»Mich interessiert mehr, warum man ihm das in den Mund gesteckt hat«, sagte Iris. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass es eine positive Botschaft sein sollte, in dem Sinne, dass er im Besitz dieser Kräfte war. Eher, dass er sich gegen Frauen und ihre weiblichen Attribute vergangen hat, und deshalb sterben musste.«

»Das würde in unsere Reihe passen und das Ganze um den Aspekt eines Motivs erweitern«, sagte ich. »Er hat sich gegen Frauen oder eine Frau vergangen und musste dafür sterben. Also Rache.«

»Oder ein Ablenkungsmanöver«, meinte Phil und drehte seinen Laptop so auf dem Tisch herum, dass wir alle die Nachricht sehen konnten, die gerade bei uns eingegangen war. Das NYPD hatte den Mann identifizieren können als einen Ted Palmer, fünfunddreißig Jahre alt, wohnhaft in Manhattan und Abteilungsleiter der Rechnungsabteilung bei Star Vision One.

»Das wäre dann der Zweite, der dort gearbeitet hat«, meinte ich. »Wir sollten uns dieses Unternehmen ansehen und checken, ob die beiden anderen Opfer auch in irgendeiner Verbindung zur Firma oder zu Malone persönlich standen.«

»Star Vision One ist nur eines der zahlreichen Unternehmen, die Eliot Malone in den letzten Jahren aufgekauft hat«, murmelte Ben und suchte auf seinem Computer nach den einschlägigen, die sich mit dem Milliardär beschäftigten. Eingeweihte bezeichneten ihn als den reichsten Mann der Welt. »Hat mit der Entwicklung von Software und Apps ein Vermögen verdient und dann angefangen, zuerst kleinere, dann immer größere Unternehmen aus der IT-Branche aufzukaufen.«

Ich nickte stumm.

»Vor drei Jahren hat er sich mit Star Vision One ein Standbein mit Unternehmen aus der Genetikbranche aufgebaut. Was genau er da treibt, weiß niemand, aber allein die Geheimniskrämerei und sein großspuriges Auftreten in der Öffentlichkeit treiben den Aktienkurs seiner Firma in die Höhe. Es gibt wohl niemanden, der auf der Klaviatur des amerikanischen Traums so virtuos spielen kann wie er.«

»Beziehungsweise spielt er mit diesem Traum, und das nicht immer zum Besten der Allgemeinheit«, unterbrach Iris Ben. »So mächtig und manchmal unheimlich dieser Mann auch erscheinen mag, ich habe noch nie davon gehört, dass er es nötig hat, mit altgermanischer Hexerei sein Geld zu verdienen oder seine Gegner zu beerdigen. Das macht er, indem er sie einfach aufkauft.«

»Ganz gleich ob er es mit oder ohne Hexerei schaffen will, die Weltherrschaft zu übernehmen«, sagte ich, »wir sollten ihm bei Gelegenheit auf die Finger schauen. Allerdings denke ich, dass es bisher für nicht mehr als ein Anfrage bei seiner Personalabteilung reicht. Zwei Mordopfer, die bei einem der größten Arbeitgeber des Staats beschäftigt waren.«