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Gemeinsam mit der Drug Enforcement Administration ermittelten wir gegen Max Weller, der für seinen Boss, den serbischen Milliardär Luka Nikolic, Drogendeals in New York abwickelte. In zwei Tagen sollte eine größere Lieferung Kokain im Red Hook Container Terminal für den Weitertransport nach Neapel abgefertigt werden. Mitten in unserer Besprechung erreichte uns eine Nachricht von einem Verbindungsmann der DEA. Offenbar stand ein Treffen zwischen Weller, Nikolic und dem Terminalmanager Wes Shoemaker unmittelbar bevor. Sofort machten wir uns auf den Weg zum Containerhafen in Brooklyn - und fanden dort die übel zugerichtete Leiche des V-Manns. Doch das war erst der Anfang eines Falls, in dem sich die Ereignisse nur so überschlugen!
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Seitenzahl: 134
Veröffentlichungsjahr: 2024
Cover
Wir und die DEA
Vorschau
Impressum
Wir und die DEA
»... llegó la para un consejo ahora para esos niños Cambien de flow ...«
Alle vier Boxen voll aufgedreht, rotzte Chimbala seinen aggressiven Song auf den glühenden Asphalt der nächtlichen Union Avenue. Die hämmernden Beats ließen die Sitzpolster des Chevrolet Silverado vibrieren, der mit offenen Fenstern und durchgedrücktem Gaspedal die menschenleere Straße entlangraste.
»... las pongo así, les camino así, yo les bajo así me las como así, así, así, así, así, así... «
Pola hieb mit beiden Händen im Takt auf das Lenkrad ein, die Augen weit aufgerissen.
»... hey, hey, hey, hey, hey, hey ...«
Ausgelassen schrie sie mit dem schwarzen Rapper um die Wette.
Von der Rückbank reichte Bambi eine Wodkaflasche nach vorne. Pola nahm einen tiefen Zug und gab die Flasche weiter an Doc, der neben ihr auf dem Beifahrersitz saß.
»Wir brauchen Nachschub«, rülpste er.
Im selben Moment stieg Pola in die Eisen und brachte den Chevy mit quietschenden Reifen zum Stehen.
»Holen wir ihn uns«, flüsterte sie.
Die dröhnende Stille, die schlagartig einsetzte, als Pola den Motor ausschaltete, tat in den Ohren weh. Unsicher trat sie auf die Fahrbahn. Ihre Beine fühlten sich an wie Zuckerwatte. Einen Moment stützte sie sich auf dem heißen Dach des Silverado ab.
Hinten krabbelte Bambi von der Rückbank auf den Bürgersteig. Er sah aus wie ein gut genährter Blauwal in Menschengestalt, was ihm seinen Spitznamen eingebracht hatte. Im Sport war er immer der Letzte, egal um welche Sportart es sich handelte. Kein Wunder, denn Bambi schien sich ausschließlich von Pop Tarts, Twinkies und Reese's Peanut Butter Cups zu ernähren.
»Was hast du vor?«, brabbelte er, während er sich seine großzügig geschnittene Jogginghose über den Nabel zog.
»Ganz einfach«, erwiderte Pola und warf einen Blick zu der grellen Bierreklame über der Eingangstür der Tankstelle gegenüber, »wir gehen da jetzt rein und holen uns den Stoff.«
Doc schraubte sich mühsam aus der Beifahrertür.
»Hast du Kohle?« Er trug ein schwarzes Gestell und war für die intellektuelle Begleitung ihrer Alkoholexzesse zuständig. Dieser Aufgabe wurde er mal mehr, mal weniger gerecht.
»Von Bezahlen war keine Rede«, wies Pola ihn kühl zurecht.
»Wie jetzt?« Bambi kratzte sich am Kopf. Er war es gewohnt, langsamer zu sein als der Durchschnitt. »Glaubst du, er gibt uns den Alk umsonst?«
»Ich werde einfach meinen Charme spielen lassen«, erklärte Pola und prüfte vorsichtig ihre Standfestigkeit. Das Ergebnis war zufriedenstellend. »Vamos muchachos!«
Sie waren den ganzen Tag ziellos durch die Gegend gefahren. Docs Eltern mussten irgendwo in Tennessee eine alte Tante beerdigen. Sie waren geflogen und hatten das Familienauto in der Garage zurückgelassen. Praktischerweise hatte der Autoschlüssel am Schlüsselbrett in der Garderobe gebaumelt.
Am späten Nachmittag hingen sie mit billigem Wodka und einem Kasten Coors an einem abgelegenen Baggersee in den Flatlands ab, jagten Frösche, rauchten Dope, spielten Clash of Clans und Mario Kart.
Als sie Hunger bekamen, machten sie an einem Indian Tacos in Ridgewood Halt, der in einem überdimensionalen Wohnwagen untergebracht war. Am späteren Abend traten sie dann die Heimreise an und stellten in Williamsburg fest, dass sie eigentlich noch keine Lust hatten, in die eigenen vier Wände zurückzukehren. Also waren sie auf einen verlassenen Walmart-Parkplatz gefahren, um sich noch einen Schlummertrunk zu gönnen.
Pola lehnte sich gegen die Zapfsäule und spähte in den Verkaufsraum.
»Der Typ ist allein«, stellte sie zufrieden fest. »Das wird ein Spaziergang für uns.«
»Was ist mit den Überwachungskameras?« Doc war sichtlich stolz darauf, dass er den Überblick behielt, obwohl er locker zwei Promille im Blut hatte.
Statt einer Antwort zog Pola ihr pinkfarbenes T-Shirt über den Kopf und band es sich nach Piratenart um die untere Gesichtshälfte.
»Los, ihr auch!«, forderte sie ihre aus zwei halbwüchsigen Weicheiern bestehende Privatarmee auf.
Umständlich folgten die Jungs ihrem Befehl, und nach drei vergeblichen Anläufen schaffte es schließlich auch Bambi, sich in eine Figur zu verwandeln, die jeden potenziellen Gegner durch einen massiven Lachanfall außer Gefecht setzen würde.
»Okay, Leute, wir gehen jetzt rein!« Pola überquerte entschlossen die Fahrspur hinter der Zapfsäule und stieß ruckartig die Eingangstür auf. Zielstrebig ging sie auf den Latino zu, der hinter der Theke müde auf Kundschaft wartete.
Als er sie auf sich zukommen sah, riss er ungläubig die Augen auf.
Mit einer energischen Handbewegung fegte Pola den Ständer mit Kaugummis, Schokokugeln und Pfefferminzbonbons von der Theke und fixierte ihn. »Zwei Flaschen Wodka! Nein, drei! Dann passiert dir nichts!«
Der Tankwart starrte sie ungläubig an.
»Die Flasche kostet zwölf Dollar«, sagte er ruhig. »Drei Flaschen macht sechsunddreißig. Zahlt ihr bar oder mit Karte?«
»Ich zahle überhaupt nicht, du Bastard! Her mit dem Wodka, sonst fackeln wir deine Hütte ab!«
Langsam schob der Mann seine rechte Hand vor und suchte etwas unter der Theke.
In diesem Moment geschah etwas Unglaubliches. Ausgerechnet Bambi, der sich eben eine Schokowaffel aus dem Regal in den Mund schieben wollte, schnellte urplötzlich vor, hechtete über die Ladentheke und begrub den überraschten Tankstellenpächter unter sich.
Pola und Doc tauschten einen verblüfften Blick. Eine Weile rangen Bambi und der Latino miteinander. Das verbissene Keuchen der beiden übertönte das monotone Surren des Ventilators, der sich träge vor dem Zigarettenregal drehte.
Plötzlich löste sich ein Schuss.
Detective Sergeant Lane Wachowsky vom 90. Police Precinct biss herzhaft in sein Dönersandwich. Er hatte das Patrol Car auf dem Parkstreifen am Sternberg Park abgestellt und es sich auf einer Bank am Straßenrand gemütlich gemacht.
Die Hitze des Tages, der langsam zu Ende ging, waberte durch die Boerum Street und dämpfte die nächtlichen Geräusche. Alles schien in Zeitlupe abzulaufen, und die wenigen Nachtschwärmer, die um diese Uhrzeit noch unterwegs waren, glitten lautlos wie Fische im Aquarium an ihm vorüber.
In einer knappen Stunde war Schichtwechsel, und weil sein Partner gesundheitlich nicht auf der Höhe war, hatte er ihn schon vor einer halben Stunde nach Hause geschickt. Das entsprach zwar nicht den Vorschriften, aber Wachowsky hatte ein gutes Herz.
Außerdem grenzten die Blähungen, unter denen sein Kollege schon den ganzen Tag litt, nach acht Stunden gemeinsamem Dienst an gefährliche Körperverletzung und rechtfertigten in seinen Augen drastische Maßnahmen.
Niemand im Revier beneidete ihn um diesen Partner, denn dessen empfindlicher Magen und die damit einhergehenden Probleme waren allgemein gefürchtet.
Auch nach drei Monaten noch vermisste Sergeant Wachowsky seinen langjährigen Partner Sam Boulder. Sam war damals bei einer Schießerei im Drogenmilieu ums Leben gekommen. Und Wachowsky hatte sich an einen neuen Partner gewöhnen müssen, der von den Kollegen hinter vorgehaltener Hand nur Pooper scooper genannt wurde.
Sergeant Wachowsky spülte den letzten Bissen seines Sandwichs mit einem kräftigen Schluck eiskalter Coke herunter. Er fingerte gerade nach der obligatorischen Zigarette danach, als sich sein Funkgerät meldete.
Seufzend öffnete er die Fahrertür, stieg ein und nahm die Meldung entgegen.
»Überfall auf die Tankstelle Union Ave, Ecke Lynch Street. Es sind Schüsse gefallen, möglicherweise gibt es Verletzte. Ambulanz ist unterwegs.«
Verdammt! Das war Diegos Laden. Lane Wachowsky kannte den Hispanic seit vielen Jahren. Ein guter Mann. Und immer freundlich. Fast in jeder Nachtschicht hatte er mit Sam dort einen Stopp eingelegt, Diegos Automatenkaffee geschlürft und den neuesten Klatsch aus dem Viertel ausgetauscht.
Er schaltete Warnlicht und Sirene ein und legte einen klassischen Formel-1-Start hin.
Verstört richtete sich Bambi auf. Sein nackter Bauch war blutverschmiert. Ungläubig starrte er auf das viele Blut, unsicher, ob es sein eigenes oder das des Mannes war, auf dem er noch immer hockte wie auf einem Medizinball.
»Verdammte Scheiße!«, entfuhr es Doc, dessen Gesichtsfarbe frisch gemischtem Beton glich.
»Bist du jetzt komplett gaga!«, herrschte Pola ihn an, als sie sich vom ersten Schock erholt hatte. »Warum hast du das getan!«
Bambi wurde offenbar bewusst, dass er möglicherweise auf einer Leiche saß, und sprang panisch auf.
»D-das war ich nicht!«, stammelte er, den Blick starr auf die Blutlache am Boden gerichtet, die zusehends größer wurde. »Ich hab nicht geschossen ... Ich schwöre ...«
»Wer dann?«, erwiderte Pola trocken. »Hat er sich etwa selbst erschossen, weil er Angst hatte, von deinen Brüsten erschlagen zu werden?«
»Ich hab das Teil nicht angerührt«, beteuerte Bambi, während er einen Schritt vor der mäandernden Lache zurücktrat. »Es ist auf einmal losgegangen ... Frag mich nicht, wie ...«
Es war Doc – wer sonst? –, der als Erster den Ernst der Lage erkannte.
»Leute, wollt ihr hier übernachten? Ich schlage vor, wir greifen uns den Wodka und verschwinden, bevor jemand meint, er könnte mal wieder 'ne Tankfüllung gebrauchen.«
»Kein Wodka. Nie mehr. Mir ist auch so schon speiübel.« Pola beugte sich über die Ladentheke und tastete nach der Waffe. Blut rann aus dem Mund des Tankstellenpächters, der die Lippen bewegte, als wollte er sich noch höflich verabschieden. Seine Augen schienen durch sie hindurchzusehen.
»Der Typ lebt noch«, stellte sie überrascht fest, nicht sicher, ob das gut für sie war oder eher nicht. Schließlich bekam sie die Ruger zu fassen und schwang sich zurück. Sie wischte flüchtig das Blut von der Waffe und schob sie in den Hosenbund. »Los, wir verschwinden!«
Eilig traten sie den Rückzug an. Bambi steckte im Vorübergehen noch rasch einige Tafeln Vollmilchschokolade ein, dann stolperte er als Letzter durch die Tür nach draußen.
Die Kreuzung lag verlassen vor ihnen. Pola warf einen sichernden Blick die Straße hinunter. Die Luft war rein. Keine Fußgänger in der Nähe und nur wenige Autos unterwegs, die die Tankstelle ahnungslos passierten.
Doc fasste sie am Arm und deutete auf die gegenüberliegende Straßenseite. Oben im dritten Stock eines Mehrfamilienhauses stand ein Mann auf dem Balkon und starrte zu ihnen hinunter, ein Handy am Ohr.
Pola fackelte nicht lange. Sie riss die Ruger hoch und zielte auf den Mann, als hätte sie ihr Leben lang nichts anderes getan. »Hey, du Bastard, verpiss dich, oder ich brenn dir ein drittes Loch in die Nase!«
Augenblicklich verschwand der aufmerksame Bürger aus dem Sichtfeld. Als sie den Chevy erreichten, ertönte einige Straßen weiter das schrille Signal einer Polizeisirene.
»Scheiße, die Cops!«, fluchte Pola und startete hektisch den Motor.
Der Wagen schoss nach vorne, und erst nach fünfhundert Yards fiel ihr ein, dass sie das Licht einschalten musste.
Niemand sagte ein Wort, während Pola den Silverado die Union Ave hinunterjagte. Irgendwann war eine zweite Sirene zu hören, dann eine dritte. Je weiter sie nach Süden kamen, desto leiser wurden sie, und als sie in die Wallabout Street abbogen, waren sie schließlich gar nicht mehr zu hören.
Pola drosselte das Tempo, denn die Fahrbahn wurde schmaler. Sie wechselte mehrfach wahllos die Richtung. Irgendwann wurden die Häuser kleiner und die Bebauung spärlicher.
Doc, der die ganze Zeit stumm zum Fenster hinausgeschaut hatte, richtete sich kerzengerade auf.
»Stopp!«, rief er.
Pola bremste ab und warf ihm einen irritierten Blick zu. »Was ist los?«
»Fahr ein Stück zurück. Ich hab was gesehen.«
Pola legte den Rückwärtsgang ein und fuhr zurück.
»Halt!« Doc deutete auf eine schicke, dreistöckige weiß verputzte Villa.
Pola runzelte verständnislos die Stirn. »Was?«
»Alle Jalousien sind unten.«
»Na und?«
»Und im Eingang liegen die Zeitungen der letzten vier oder fünf Tage.«
»Heißt?«
Doc verdrehte die Augen. »O Mann, Pola! Die Hütte ist leer. Die Vögel sind ausgeflogen. Wir können hier heute Nacht abtauchen. Und morgen, wenn sich die Cops beruhigt haben, gondeln wir ganz gemütlich nach Hause.«
Pola überlegte, warf einen Blick nach hinten. Bambi war im Vollmilchschokoladenrausch und hatte nichts mitbekommen.
Pola wandte sich wieder Doc zu und schlug ihm anerkennend auf den Oberschenkel. »Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du ein Genie bist?«
Sergeant Wachowsky rauschte mit eingeschalteter Sirene aus nördlicher Richtung kommend auf die Kreuzung und brachte seinen Einsatzwagen auf dem Tankstellengelände unmittelbar neben der Zapfsäule Nummer drei zum Stehen.
Er schaltete Motor und Sirene aus und spähte mit zusammengekniffenen Augen durch die Windschutzscheibe in den hell erleuchteten Verkaufsraum.
Niemand zu sehen. Die Gangster waren längst über alle Berge. Nur wo war Diego?
Hatte es ihn am Ende gar nicht erwischt? Saß er in aller Seelenruhe auf dem Klo und löste ein Kreuzworträtsel? Aber es war von Schüssen die Rede gewesen. Die große Schaufensterscheibe war jedenfalls intakt, auch Blutspuren waren nirgendwo zu erkennen.
Wachowsky war viel zu lange im Geschäft, um nicht zu wissen, dass eine unerwartete Ruhe an einem Tatort durchaus trügerisch sein konnte. Er kannte genug Kollegen, die sich davon hatten täuschen lassen und für ihre Unachtsamkeit durch einen heimtückischen Schuss aus dem Hinterhalt bestraft worden waren.
Lane Wachowsky zog die Glock aus dem Holster, entsicherte sie und ging auf die Eingangstür zu.
Die Türglocke läutete unangemessen fröhlich. Er checkte den Raum. Kein umgeworfenes Regal, keine Blutspritzer an der Fensterscheibe. Auch das Poster mit dem kitschigen Sonnenuntergang in der Südsee, das den Tresor verdeckte, den Diego ihm einmal stolz vorgeführt hatte, hing unbeschädigt an der Wand.
Langsam, mit vorgestreckter Waffe, hielt er auf die Ladentheke zu.
Dann sah er das Blut. Dunkelrote Spritzer und Schlieren auf der hellgrauen Resopalplatte.
Wachowsky spürte, wie sein Herz einen Gang höher schaltete. Es pumpte das Blut jetzt schneller durch die Adern, und seine Rechte begann zu zittern.
»Diego? Bist du da?«
Keine Antwort. Totenstille. Er fuhr zusammen, als im hinteren Teil des Ladens eine Tüte Marshmallows auf den Boden fiel.
»Wer ist da! Los, rauskommen! Hände hinter den Kopf!«
Nichts tat sich.
»Diego, bist du das? Ich bin's, Lane. Alles gut. Du bist in Sicherheit.«
Wieder nichts. Er schob sich weiter vor, beugte sich vorsichtig über die Ladentheke –und sah ihn.
»Diego! Kannst du mich hören?«
Er umrundete die Theke, beugte sich zu dem gekrümmten Körper des Tankstellenpächters aus Tijuana hinunter und fühlte seinen Puls.
Nichts. Flatline. Diego war tot. Sie würden nie wieder zusammen Kaffee trinken. Die Kugel hatte ihn mitten ins Herz getroffen.
Erst Sam Boulder, jetzt Diego Garcia. Wachowsky fühlte, wie sein Leben leerer wurde, und drückte ein aufsteigendes Schluchzen weg.
»Hallo!«
Wieder tat sein Herz einen Sprung. Als er hochfuhr, stieß er mit dem Kopf gegen den Elektrokasten.
In der Tür stand ein Mann, groß, stämmig, mittelalt, der ihn angespannt musterte.
»Wer sind Sie? Was wollen Sie?«
»Sind Sie der Cop, den ich angerufen habe?«
Manche Leute hatten wirklich fantastische Vorstellungen davon, wie die Polizeiarbeit in einer Millionenstadt organisiert wurde. Glaubte der Mann tatsächlich, der Notruf würde direkt auf sein privates Handy weitergeleitet?
»Sie haben uns angerufen?«
»Ja, mein Name ist Baker, Carl Baker, ich wohne drüben in der Hundertfünfundfünfzig, und als ich den Schuss hörte ...«
Der Mann hatte mittlerweile jede Scheu verloren und wollte den Verkaufsraum betreten.
»Bitte, bleiben Sie draußen«, forderte Sergeant Wachowsky ihn auf, »das ist ein Tatort. Ich komme zu Ihnen raus.« Er achtete darauf, nicht in die Blutlache zu treten, und verließ den Laden. Vor der Tür musterte er den Mann prüfend. »Mister Baker, richtig?«
»Ganz recht. Ich sah mir gerade die Spätnachrichten an, als ich einen lauten Knall hörte.«
»Wann genau war das?«
Während Wachowsky mit dem Zeugen sprach, trafen nacheinander zwei weitere Streifenwagen ein.
»Lassen Sie mich überlegen. Die Sendung läuft bis dreiundzwanzig Uhr. Der Sprecher kündigte gerade den Wetterbericht an, da fiel der Schuss. Es muss so drei bis vier Minuten vor dreiundzwanzig Uhr gewesen sein.«
Wachowsky notierte sich die Uhrzeit und warf einen Blick auf die andere Straßenseite. »Ist das das Haus, in dem Sie wohnen?«
»Nein, das rechts daneben. Ich wohne im dritten Stock. Als ich den Knall gehört habe, bin ich raus auf den Balkon.« Er deutete in die Richtung. »Da oben, der Balkon mit den Bromelien an der Seite. Ist nicht zu verfehlen.«
Sergeant Wachowsky hatte noch nie im Leben von Bromelien gehört, geschweige denn, welche gesehen und hielt sie für irgendwelche modischen Dekoelemente.
Baker registrierte seine Unsicherheit. »Die grünen Hängepflanzen an der Seitenwand. Sieht hübsch aus, oder?«
»Ich weiß sehr wohl, was Bromelien sind«, erwiderte Lane Wachowsky unwirsch. »Sie sind also auf den Balkon getreten. Was haben Sie gesehen?«
Inzwischen waren die Kollegen aus den beiden Patrol Cars zu ihnen getreten. Wachowsky nickte ihnen zu.
»Es waren drei«, berichtete Baker eifrig, »zwei Jungs und ein Mädchen, soweit man das erkennen konnte.«
»Sind Sie kurzsichtig?«
»Überhaupt nicht. Aber sie hatten sich irgendwelche Kleidungsstücke umgebunden. Sah ziemlich abenteuerlich aus. Wenn Sie mich fragen, Profis waren das nicht.«
»Wie alt?«
»Jung. Fast noch Kinder, würde ich sagen.«
»Sie haben doch kaum etwas von ihnen gesehen?«