Jerry Cotton 3514 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 3514 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Ich erwachte in einer psychiatrischen Klinik. Dort wurde ich festgehalten, weil ich angeblich für mich selbst und andere eine Gefahr sei. Ich nahm an, dass ich unter Drogen gesetzt worden war. Das Zeitgefühl hatte ich völlig verloren. Man erklärte mir, dass ich schon mehrere Monate in Behandlung sei und einen Rückfall erlitten habe. Ich glaubte nicht an diese Version der Geschichte und erhielt unerwartet Hilfe. Allerdings stellte sich heraus: Ich durfte niemandem in der Klinik trauen, wenn ich hier jemals lebend herauskommen wollte!

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Seitenzahl: 140

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhalt

Cover

Ich, der Psychopath

Vorschau

Impressum

Ich, der Psychopath

War ich Gefangener einer psychiatrischen Instituti‍on? Oder Gefangener meiner eigenen Halluzinatio‍nen? Ein Psychiater versuchte, mich zu heilen. Mir den Irrglauben auszutreiben, ich wäre ein FBI A‍gent. Mir mit vernünftigen Argumenten klarzumachen, dass ich mir meine eigene Tarnidentität nur eingebildet hatte. Denn Jer‍ry Cotton, der echte Jer‍ry Cotton, lebte ein Leben wie ein ganz normaler Bürger.

Als ich aufwachte, schlief ich noch halb. Langsam öffnete ich die bleischweren Lider und nahm meine Umgebung wahr. Ich lag auf dem Bett eines fensterlosen Raums. Die einzige Lichtquelle war eine Glühbirne, die an einem kurzen Draht an der Decke baumelte. Sie tat meinen Augen weh.

Vier fensterlose Wände umgaben mich. Jede war nah genug, dass ich sie vom Bett aus hätte anspucken können. Der einzige Ausgang war eine geschlossene Stahltür, in die ein Schiebefenster eingelassen war, durch das etwas von der Größe eines Tabletts durchgereicht werden konnte.

Eine unangenehme Kälte kroch durch meinen Körper, als mir bewusst wurde, dass ich mich in einer schäbigen Zelle befand. Links vom Bett war die Toilette, die keinen Sitz hatte. Die Papierrolle besaß keine Abrollvorrichtung, sie stand auf dem Spülkasten. Daneben gab es ein einfaches Becken mit einem Wasserhahn.

Ansonsten kein Mobiliar.

Ich lag offenbar schon eine ganze Weile auf der Matratze. Mein Körper hatte sie erwärmt. Ich war allerdings bestimmt nicht ihr erster Benutzer. Sie müffelte wie ein nasser Hund. Bettwäsche? Fehlanzeige.

Als ich die Füße auf den kalten Betonboden setzte, stellte ich fest, dass ich barfuß war, und als ich an mir herabblickte, da fiel mir erst auf, dass ich dünne Anstaltskleidung anhatte. Ein Overall, wie man ihn in Strafanstalten zu tragen hatte, vorne durch einen Reißverschluss zu verschließen.

Ich horchte aufmerksam, doch kein Geräusch drang zu mir. Verwirrt versuchte ich, mich zu orientieren, nur meine Erinnerungen verweigerten sich hartnäckig.

Erst als ich mich erhob, wozu ich mich am Bett abstützen musste, wurde mir mein körperlicher Zustand klar. Meine Glieder hingen schlaff an mir hinunter. Ich hatte Mühe, ein Bein vors andere zu setzen. Die Zelle war so eng, dass ich in zwei Schritten an der Tür war.

»Hallo?«

Meine Frage klang gleichzeitig nach Entrüstung. Ich schrie sie gegen das verschlossene Schiebefenster.

Keine Antwort.

Das Hämmern meiner Faust unterstrich die beiden Silben. »Hal-lo! Hal-lo!«

Die Stille war beklemmend. Die Außenwelt war mir fremd. Mein Mangel an persönlichen Gegenständen verstärkte das Gefühl der Hilflosigkeit.

Die Glühbirne war nicht von hier aus ein- oder auszuschalten. Wer immer mich hier eingesperrt hatte, er hatte auch die Macht, mir das Licht abzudrehen.

Angestrengt versuchte ich mich zu erinnern. Das Letzte, woran ich mich erinnern konnte ... Mein Kopf schmerzte unter den Bemühungen.

Ich leckte über rissige Lippen. Wie lange war ich schon hier? Meine Füße verursachten schmatzende Geräusche, als ich über den nackten Beton zum Waschbecken ging.

Das Becken, das im früheren Leben weiß gewesen war, hatte mehr Flecke als ein Tapir.

Die Bedienung war denkbar einfach. Per Knopfdruck konnte ich etwas Wasser aus dem Hahn laufen lassen. Die Wasserleitung lief gerade ausreichend lange, um zwei Hände zu füllen, die ein Gefäß formten. Es schmeckte abgestanden.

Ohne Vorwarnung wurde die Tür von außen entriegelt.

Ein Mann füllte den Türrahmen aus. Er war groß genug, um im Zirkus zu arbeiten. Er trug einen weißen Anzug mit kurzen Ärmeln, an den Füßen ebenso weiße Schuhe, wie ich sie in Krankenhäusern schon gesehen hatte, dickbesohlte, wie sie von Pflegern bevorzugt wurden, die viele Stunden stehen müssen.

»Sie sind wach«, stellte er ausdruckslos fest, als müsste er das in einem Bericht festhalten.

Ich sagte das Erste, was mir in den Sinn kam. »Was soll das alles?«

Für den Mann an der Tür ergab das allerdings wenig Sinn. »Ich bringe Ihnen nachher das Essen. Nur noch etwas Geduld.«

Als er registriert hatte, dass es mir allem Anschein nach gut ging, trat der schweigsame Pfleger über die Schwelle zurück, um die Tür zu verschließen.

»Sagen Sie mir wenigstens, warum ich hier bin!«

»Ihr Arzt ist heute beschäftigt. Er wird Sie morgen sehen können. Sie können mich Max nennen. Ich bin Patientenbetreuer.«

»Ich bin kein Patient! Ich bin ...« Ich zögerte. Wo immer ich war und wer immer die Personen waren, die mich festhielten, sie kannten möglicherweise nicht meine Identität als FBI Agent.

Max schüttelte den Kopf, so wie jemand den Kopf schüttelt, der dieselbe Geschichte zum hundertsten Mal zu hören bekommt. Für ihn war ich wohl nur ein weiterer Patient.

Mein Verstand versuchte die Fragmente der verlorenen Zeit zusammenzusetzen.

»Was für eine Art von Anstalt ist das, Max? Warum bin ich eingeschlossen?« Ich fragte so freundlich wie möglich, um Max in ein Gespräch zu verwickeln. Alles, damit er die Tür nicht zuschloss.

Max verlagerte sein Gewicht auf den anderen Fuß mit Gummisohle. Er hatte die Schultern eines Gewichthebers. »Sie sind eine Gefahr für sich selbst und für andere. Darum darf ich Ihnen leider keine Schuhe mit Schnürsenkeln geben.«

Sein Blick schwenkte für einen Moment nach unten zu meinen Füßen. Suizidgefährdeten nimmt man den Gürtel weg. Und man gibt ihnen keine Schnürsenkel. Jetzt verstand ich, warum der Draht der Glühbirne so kurz war.

»Aber ich bringe Ihnen nachher Pantoffeln. Nur noch etwas Geduld.«

»Und wie lange soll ich hierbleiben?«

»Wir müssen Ihre geistige Gesundheit überprüfen. Alles wird bald klarer werden, Mister Cotton.« Er sagte das mit einer beunruhigenden Ruhe. Er klang wie ein Beamter, der die Reklamation eines Steuerzahlers entgegennimmt, die er ohnehin nicht weiterleiten wird. Beunruhigender hingegen war, dass er meinen Namen kannte. Als ich noch versuchte, das einzuordnen, schloss Max schon die Tür zu, und die Stille kehrte zurück in meine Zelle.

Fast erwartete ich, von draußen Schreie gequälter Patienten zu vernehmen, die mit Elektroschocks kuriert wurden. Doch die Ruhe war so absolut, dass ich stattdessen das Rauschen in meinen Ohren hörte.

Ich musste mich setzen. Gegen die Tür zu hämmern, brachte nichts, außer dass ich mich weiter schwächte und Max verärgerte. Als er die Tür geöffnete hatte, hatte ich sehen können, wie dick der Stahl war. Momentan musste ich mich auf den Plan beschränken, wieder zu Kräften zu kommen.

Glücklicherweise hielt Max Wort. Eine halbe Stunde später kehrte er zurück. Dieses Mal entriegelte er nur das Schiebefenster.

Ohne Aufforderung schob er das Tablett mit dem Essen hindurch. Max hatte alle Zeit der Welt. Er hatte die Geduld, die er mir empfahl. So wartete er, bis ich mich langsam erhoben hatte, um nach dem Tablett zu greifen. Ein Teller mit Gemüsesuppe, ein Stück Brot, ein Löffel aus Plastik. Daneben eine Plastikschale und darin eine Pille.

»Die Pille mit etwas Wasser nehmen, Mister Cotton«, instruierte der Pfleger mich, bevor er auch diesen Kontakt zur Außenwelt wieder unterbrach.

Die Suppe schmeckte salzig, bemerkte ich, während ich dankbar löffelte. Nach meinem leeren Magen zu schließen, war das die erste Nahrung, die ich seit Stunden zu mir nahm. Ich tunkte alles mit dem Brot auf. Die Pille rollte lustig in der Schale hin und her, weil ich mit dem Tablett auf den Knien aß. Ich hatte nicht vor, sie einzunehmen, selbst wenn meine Gesundheit wirklich davon abhängig wäre. Sie sah nicht anders aus als andere Tabletten. Eine linsenförmige Pille mit einem Überzug, der wohl den Geschmack verbessern sollte.

Unzeremoniell warf ich sie in die Toilette.

»Hallo!«

Die Stimme klang wie das Echo meines eigenen Rufs, der mit etwas Verspätung zurückkehrte und in meinen vier Wänden widerhallte.

»Jerry, bist du da?«

Die Männerstimme drang durch die Wand zu mir, vom Raum nebenan.

Ich stellte das Tablett weg und kniete mich leise neben die Mauer.

»Ich bin hier«, flüsterte ich mit pochendem Herzen. Auf der anderen Seite war jemand, der meinen Namen kannte! Jemand, der vielleicht in derselben misslichen Lage war wie ich.

»Willkommen zurück«, sagte die unbekannte Stimme, doch Heiterkeit verbreitete sie nicht. Und als ich nicht gleich antwortete: »Du erkennst mich wohl nicht wieder.« Es klang fast ein bisschen beleidigt.

Ich erkannte die Stimme wirklich nicht. Sie klang nach einem älteren Mann. Sie schien unter dem Gewicht vieler Jahre zu ächzen. Aber das Alter genauer einzuschätzen, war unmöglich.

»Warum sind wir eingesperrt?« Ich flüsterte, um unseren Aufseher nicht auf den Plan zu rufen.

Mein Nachbar teilte diese Sorge nicht. Laut lachte er auf. »Du bist gut! Warum wir hier eingesperrt sind! Soll das heißen, du hast den Grund vergessen?«

Der Mann auf der anderen Seite war offenbar ein Gefangener wie ich. Nur hatte ich den Eindruck, dass ich mit einem geistig Verwirrten sprach.

»Kennst du denn den Grund?«

Eine Weile kam keine Antwort. Ich fürchtete schon, dass sich mein Nachbar entschlossen hatte, die Konversation nicht weiterzuführen.

Schließlich sagte er: »Jerry, halt dich gut fest. Wenn du mich nicht erkennst, hast du offenbar einen Rückfall erlitten.«

»Wie lange bin ich schon hier?«

»Sagen wir mal, wir unterhalten uns schon eine ganze Weile. Darüber, wie man krank im Kopf wird. Nun hast du alles wieder vergessen. Der ganze schöne Fortschritt, den du gemacht hast, ist hin.«

Das Licht ging aus. Max hatte den Schalter umgelegt. Vielleicht war Schlafenszeit. Ohne Fenster konnte ich nicht die Tageszeit feststellen. Das Zeitgefühl war mir abhandengekommen.

Es war, als hätte Max mit der Glühbirne auch meinen Nachbarn ausgeschaltet. Die Stimme meldete sich nicht mehr.

Die Wahrheit schien ferner entfernt denn je. Ich war in der ungewissen Welt der Psychiatrie gefangen. Ich unterdrückte die aufkeimende Panik.

Als sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, erkannte ich einen Lichtstreifen an der Unterseite der Tür. Im Korridor blieb das Licht brennen. Ich befahl mir selbst, die Wahrheit zu entwirren und damit die Dunkelheit zu vertreiben, die mich in meiner kleinen Welt umhüllte.

Ich konnte mich nicht erinnern, eingeschlafen zu sein. Ich lag auf dem Bett, ein Fuß berührte gerade so den Boden. War es Morgen oder Nacht?

Das Licht war wieder angegangen, ohne dass ich davon aufgewacht wäre. Ich konnte kaum aus dem Schlaf finden, so müde war ich.

Das Tablett mit dem leeren Suppenteller und der Pillenschale stand neben dem Bett, wo ich es deponiert hatte. Daneben lag etwas, das mir klarmachte, dass jemand die Zelle betreten hatte, als ich im Tiefschlaf gewesen war: die Pantoffeln, die Max mir versprochen hatte. Blau gestreift, aus Plastik. Er hatte meine Schuhgröße richtig eingeschätzt. Rücksichtsvoll hatte er sie so neben das Bett gestellt, dass ich direkt hineintreten konnte.

Ich hatte so tief geschlafen, dass ich Max' Eintreten nicht bemerkt hatte. Das machte mich betroffen. In solchen Situationen hatte ich einen leichten Schlaf. Normalerweise wurde ich vom kleinsten Geräusch alarmiert.

Ich fühlte mich, als hätte ich Stunden geschlafen. Doch ausgeschlafen war ich nicht.

Max erschien erneut. Er teilte mir mit, dass mein Arzt mich nun sehen würde. Wenn das stimmte, was er zuvor gesagt hatte – dass mein Arzt mich morgen sehen würde –, dann musste das der zweite Tag sein.

Max' Gesichtsausdruck blieb völlig neutral. Er ließ die Tür einladend offen, sodass ich nach draußen treten konnte.

Ich blinzelte gegen das grelle Licht im kahlen Korridor an, der sich endlos erstreckte. Mit einer leichten Berührung an meinem Unterarm gab Max mir zu verstehen, dass wir nebeneinander diesen Gang hinunterlaufen sollten. Ich hatte nichts dagegen, da ich mir vom Besuch beim Arzt endlich Aufklärung versprach.

Als ich direkt neben ihm herging, konnte ich erstmals seine Größe richtig einschätzen. Gestern, als er in der Tür gestanden hatte, hatte ich falsch gelegen. Er war sogar noch größer. Ich reichte ihm nur bis zu seiner Bullenkopfnase.

Er schien nicht bewaffnet zu sein. Wahrscheinlich hatte er das auch gar nicht nötig. Mir fiel eine Ausbeulung in der Blasebalgtasche an seinem rechten Oberschenkel auf.

Das Institut, oder wie immer man mein Gefängnis nennen wollte, atmete den modrigen Geruch alter Geheimnisse. Der Linoleumboden war frisch gewachst, konnte sein Alter jedoch nicht verbergen. Alle paar Yards war eine verschlossene Tür zu meiner Rechten. Ich fragte mich, ob dahinter Insassen eingesperrt waren.

Die Wände waren in Pistaziengrün gestrichen. Das typische Farbkonzept solcher Institutionen. Man wollte die Gäste keiner Reizüberflutung aussetzen.

Es roch penetrant nach Antiseptikum. Der typische Hospitalgeruch von Desinfektionsmitteln.

»Was ist das hier, Einer flog übers Kuckucksnest?«

Mein Bewacher ließ sich nicht zu einer Reaktion provozieren.

Wo waren alle? Verpasste ich gerade die einmalige Fluchtgelegenheit?

Die behaarten, muskulösen Arme, die in Max' kurzen Ärmeln steckten, sahen mir sehr danach aus, dass er einen Patienten auch mit Gewalt zwingen konnte.

Ich versuchte noch immer, die Erinnerungen an die letzten Stunden zu ordnen. Ich hatte geschlafen wie ein Toter. Ich trug die blau gestreiften Pantoffeln, die Max mir gebracht hatte. Sie klapperten an meinen Fersen. Ein dümmliches Geräusch.

Wir bogen ab. Dann noch einmal. Ein Ausgang geriet nicht in Sicht. Ich hatte beschlossen, keinen Fluchtversuch zu machen. Wichtiger war, mehr herauszufinden. Weit wäre ich ohnehin nicht gekommen, jedenfalls nicht in diesen großväterlichen Pantoffeln.

Ich merkte mir den Weg. Zweimal links. Einmal rechts.

Max klopfte zweimal mit den Knöcheln seiner beachtlichen Faust gegen die Tür am Ende des Flurs. Er trat ein, ohne auf Antwort zu warten.

Am Ellenbogen führte er mich ins sterile Vorzimmer des Psychiaters.

Dort saß eine Frau an einem Schreibtisch. Braune Haare, bleiches Gesicht, ich schätzte sie auf dreißig. Sie trug ein förmliches braunes Kleid.

»Jerry Cotton«, meldete Max mich bei der Sprechstundenhilfe an, oder wie immer man die Brünette bezeichnen wollte.

Die Frau zeigte wortlos auf die drei Stühle, die nebeneinander vor der Tür standen. Sie führte wahrscheinlich ins Behandlungszimmer.

»Doktor Garth wird gleich für Sie frei, Mister Cotton«, meinte Max fürsorglich. Er wartete noch, bis ich mich fügte und wirklich auf einem der Stühle Platz nahm. Dann verließ er den Raum und ließ mich mit der Vorzimmerdame allein.

An der Wand gegenüber hingegen gerahmte Dokumente, die man für Diplome halten konnte.

Die Frau in Braun schien von meiner Anwesenheit kaum Notiz zu nehmen. Sie widmete sich weiter den Unterlagen auf ihrem Schreibtisch, in die sie dann und wann eine Eintragung mit Bleistift machte.

Ich räusperte mich. »Miss ...?«

Sie reagierte nicht.

»Miss, bitte entschuldigen Sie.« Ich hob die Hand wie ein Schüler, der zur Toilette muss. Keine Reaktion.

Im Raum war keine Uhr zu sehen.

Ich war mir ziemlich sicher, dass Max draußen vor der Tür Wache schob.

Die Braune machte unverdrossen ihre Eintragungen.

Die Situation entnervte mich zusehends.

Ich wollte mich vom Stuhl erheben. Als sie meine Bewegung im Augenwinkel wahrnahm, sah sie mich stechend an.

Halb sitzend, halb stehend verharrte ich. Ihre Augen sagten mir, ich sollte mich wieder setzen. Da ich nun einmal ihre Aufmerksamkeit hatte, trat ich zu ihrem Schreibtisch vor. Sie machte auf mich den Eindruck eines Rehs, das im Scheinwerferlicht gefangen ist. Ich gab mir Mühe, nicht bedrohlich zu wirken.

»Miss, sagen Sie mir bitte, wo ich hier bin.«

Stumm musterte sie mich. Keine Bewegung entging ihren Rehaugen. Vielleicht überlegte sie sich, ob sie Max zu Hilfe rufen sollte.

Ich hob abwehrend meine offenen Hände, zum Zeichen dafür, dass ich nichts Böses im Schilde führte. »Miss, es ist sehr wichtig, dass Sie jemanden für mich verständigen. Können Sie das für mich tun?«

Das FBI war nur einen Anruf entfernt. Ich zeigte auf das Festnetztelefon, das vor ihr in einem Auflader stand.

Sie blickte auf das Telefon und zurück zu mir. Sie beobachtete mit scharfen Augen meine aufgesprungenen Lippen, als antizipierte sie, welches Wort sie als Nächstes formen würden.

»Bitte benachrichtigen Sie das FBI darüber, dass ich hier bin«, bat ich. Ich unterstrich das mit einem Lächeln. Dass es eine Grimasse wurde, war den Umständen geschuldet.

Endlich öffnete die Braune den Mund. Ein Wort, das mehr wie ein Gurgeln klang, drang über ihre Lippen. Gleichzeitig gestikulierte sie in Zeichensprache flink mit beiden Händen.

Sie war taubstumm.

Als auf ihrem Schreibtisch ein Knopf, der zuvor rot geleuchtet hatte, auf Grün wechselte, öffnete sie mir die Tür zum Behandlungsraum.

»Danke, Helen«, sagte eine Stimme von drinnen.

Der Raum war mit Holz getäfelt. Die Vorhänge waren gezogen. Ich widerstand der Versuchung, sie aufzureißen, um meinen Aufenthaltsort bestimmen zu können.

In der Ecke spendete eine Stehlampe gedämpftes Licht.

Dr Garth trug einen schwarzen Rollkragenpulli und weiße Jeans. Auf seinem Nasenrücken steckte eine Hornbrille mit dicken Gläsern. Die Ringe um seine Augen waren tief wie Burggräben. Garth dürfte fünfzig Lenze auf dem Buckel haben. Er saß an einem mahagonifarbenen Schreibtisch und kritzelte unter einer Schreibtischlampe einen Satz auf einen Block, als ich eintrat.

Er nahm nur kurz Notiz von mir. Er sah mich kaum an, als hätte er mich schon oft gesehen.

»Nun, Mister Cotton«, fing er endlich an, »wie geht es uns denn heute?«

Ich vollbrachte für ihn das Kunststück, einen Mundwinkel nach oben zu ziehen, während der andere nach unten zeigte.

»Uns geht es heute ganz gut«, witzelte ich. »Verhältnismäßig.«

Er klopfte sich auf die Knie, als könnte das Spiel damit beginnen. »Na dann. Vielleicht kann ich ja dazu beitragen, dass es uns bald noch viel besser geht.«

Er zeigte mit der flachen Hand auf die Couch, die seinem Tisch gegenüberstand.

Ich konnte die Aufforderung, mich dort zu setzen, schlecht ablehnen.