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Laura Park wurde in Brooklyn tot aufgefunden. Der Leiche fehlte der linke Ringfinger, und in die linke Brust war ein Pentagramm eingeritzt worden. Ein pensionierter Cop sah in der grausamen Tat Ähnlichkeiten mit einem alten Fall. Daher bat er uns vom FBI, den Cold Case neu aufzurollen, um weitere Morde zu verhindern. Dabei stießen wir auf einen mysteriösen 3D-Künstler, dessen Identität der Öffentlichkeit unbekannt war. Steckte er hinter der Mordserie und schickte seine Opfer direkt in die Hölle?
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Seitenzahl: 140
Veröffentlichungsjahr: 2024
Cover
Straight to Hell
Vorschau
Impressum
Straight to Hell
Plötzlich hörten die Häuser auf. Auch die Straße wurde nicht mehr beleuchtet. Und schlagartig begann es zu regnen.
Laura Park nestelte den zerknitterten Post-it-Zettel aus der Jeans, auf dem sie die Adresse notiert hatte. Park Avenue, Ecke East 173rd Street.
Nicht die Park Avenue der Rockefellers, Chryslers und Vanderbilts.
Park Avenue, West Bronx.
Eine acht Fuß hohe Betonmauer, besprüht mit apokalyptischen Graffiti, zog sich endlos hin. Auf der anderen Seite versperrte ein Maschendrahtzaun den Zugang zu einer vermüllten Industriebrache, die der kräftige Regen im Nu in eine knöcheltiefe Schlammwüste verwandelte.
Mittendrin erhob sich eine verfallene Fabrikhalle, düster wie der Blick eines zum Tode Verurteilten.
Laura Park zwängte sich durch eine schmale Öffnung im Maschendraht. Ein steiniger Fußweg führte schnurgerade zu der Halle.
Ein an einen schrundigen Holzpflock genageltes Straßenschild warnte den Besucher: One way!
Sie musste sich mit ihrem ganzen Gewicht gegen das massive Eingangstor stemmen. Nur widerwillig gab es nach. Als es hinter ihr krachend ins Schloss fiel, schrak sie zusammen.
Vollkommene Finsternis hüllte sie ein. Irgendwo tropfte Wasser in eine Pfütze. In weiter Ferne ratterte eine Hochbahn durch die Nacht.
Und wenn sie sich die falsche Adresse aufgeschrieben hatte? Wenn es doch die Park Avenue in Manhattan war, in der der berühmte Konzeptkünstler sein Atelier hatte?
Sie hatte sich ein exquisites Loft vorgestellt, hoch über den Dächern der Stadt, mit einem atemberaubenden Ausblick über den Hudson River bis weit nach New Jersey hinein.
Und keine heruntergekommene Industrieruine am Ende der Welt, mit einem undichten Dach und der Atmosphäre einer ägyptischen Grabkammer.
Langsam gewöhnten sich ihre Augen an die Dunkelheit. Der Raum hatte riesige Ausmaße und war hoch wie das Innere einer Kathedrale. Von der Decke hingen unzählige Kabel und Leitungen, ein unübersichtliches System von Rohren unterschiedlicher Stärke zog sich unter der Decke und an den Wänden entlang.
Als sie sich vorsichtig vortastete, trat sie auf Glasscherben, der Betonboden war übersät mit Pfützen, in denen rostiges Wasser schimmerte.
Durch das Lichtband aus verschmutzten drahtverstärkten Fenstern, das über ihr um die ganze Halle herumlief, fiel spärliches Mondlicht und tauchte den ganzen Raum in ein traumartiges Halbdunkel.
»Hallo!«
Ihre Stimme klang hohl und fremd. Sie schreckte einen großen Vogel auf, der über ihr plötzlich losflog und aufgeregt flatternd unter dem Hallendach kreuzte.
Laura Park fuhr zusammen und duckte sich unwillkürlich. Ihr Herz raste, und sie spürte, dass sie am ganzen Körper zitterte.
Ihr T-Shirt klebte nass auf der Haut, und obwohl die Hitze des Tages noch wie eine Glocke über der Stadt lag, klapperten ihre Zähne vor Kälte.
Sie stolperte über einen Feuerdorn, der in einer Spalte im Beton Wurzeln geschlagen hatte und knallrote Beeren trug. Erschöpft lehnte sie sich gegen ein vor sich hin rostendes Förderband, das einmal Maschinenteile transportiert hatte.
Oder Schweinebäuche.
Sie atmete dreimal tief durch, dann nahm sie einen neuen Anlauf, diesmal lauter.
»Hallo! Ich bin's, Laura! Laura Park! Wo bist du?«
Irgendwo knarzte ein offenes Fenster, und der aufgeschreckte Vogel hatte einen sicheren Rückzugsort gefunden und ließ sich flügelschlagend nieder.
Sonst war außer dem monotonen Wassertropfen nichts zu hören.
Laura Park schloss die Augen. War es möglich, dass der Kerl sie verarscht hatte? Dass er sich über sie lustig machte? Sich einen Spaß mit ihr erlaubte, indem er sie in diese Außenstelle der Hölle lockte, während er in seinem luxuriösen Loft saß und sich bei einem kühlen Drink köstlich amüsierte?
Die abgestandene Luft roch muffig. Feuchtigkeit und abgelagerter Staub vermischten sich mit den Ausdünstungen alter Öllachen und durchweichtem Dämmmaterials.
Als sie ihn bei seiner Ausstellung kennengelernt hatte, war er ihr gleich sympathisch gewesen. Sie spürte sofort eine Verbindung. So etwas passierte ihr nicht oft.
Natürlich schmeichelte es ihr auch, dass sich der bekannte 3D-Artist ihr zugewandt hatte. Spürte er etwas Ähnliches?
Nachdem sie von der Ausstellung zurück nach Hause gekommen war, konnte sie lange nicht einschlafen. Er hatte ihr die Adresse seines Ateliers verraten und sie eingeladen, einmal vorbeizuschauen.
Natürlich war das noch kein Heiratsantrag. Doch er hätte sie sicher nicht eingeladen, wenn sie ihm nicht gefallen hätte. Und wer weiß, wie die Geschichte weiterging? Träumen war schließlich nicht verboten.
Laura Park ließ den Blick durch die Halle schweifen. Der Boden war übersät mit alten Werkzeugen, zerbrochenen Geräten, verwaisten Maschinenteilen. Einige Bereiche waren bereits von Pflanzen und Sträuchern überwuchert. Die Natur holte sich ihr Recht zurück.
Ihr Date hatte sie sich definitiv anders vorgestellt. Schon exotisch, aber anders. Irgendwie normaler.
Vielleicht war er nur mal schnell Zigaretten holen. Sollte sie ihm noch etwas Zeit geben und warten? Hier, an diesem grauenvollen Ort?
Was war das? Sie starrte angestrengt in die Dunkelheit. Sie hatte ein leises Rascheln vernommen. Gab es hier am Ende noch Ratten?
Ihr Blick fiel auf ein giftgrünes Dschungelbild. Denn auch hier in der Halle waren alle Wände voller Graffiti. Ein einzelnes Auge, umschattet von einem Gewirr aus Lianen, fixierte sie böse.
Einen Augenblick lang hatte sie das unbestimmte Gefühl, tatsächlich beobachtet zu werden. Sie sah sich um, panisch, gehetzt.
Laura Park gab sich einen Ruck. Sie musste hier weg. Sofort. Das Ganze konnte nur ein Missverständnis sein. Morgen früh würde sie noch einmal in die Galerie gehen, dann würde sich alles aufklären.
Aber von hier musste sie schleunigst verschwinden, ehe die Ratten anfingen, an ihren Zehen zu knabbern.
Entschlossen machte sie einen Schritt auf den Ausgang zu.
Im selben Moment ging das Licht an.
Was heißt Licht? Die ganze Halle erstrahlte im grellen Schein zahlloser Scheinwerfer, verteilt über die versteckte Balustrade, die zwanzig Fuß über ihr um den gesamten Raum lief.
Sie musste die Augen schließen, aus Angst, das Licht könnte ihre Sehnerven rösten.
»Hallo, Laura! Schön, dich zu sehen!«
Vorsichtig spähte Laura Park in die Richtung, aus der die Stimme gedrungen war. Kam sie von oben? Von rechts? Von hinten?
Bevor sie etwas erwidern konnte, wurde das grelle Licht runtergedimmt. Und jetzt konnte sie ihn endlich sehen. Lächelnd trat er auf sie zu, zwei Champagnerflöten in den Händen, und reichte ihr ein Glas.
»Willkommen in meiner bescheidenen Hütte!«
Der Champagner schmeckte köstlich. Eiskalt perlte er die Kehle herunter und verscheuchte die Ratten aus ihrem Kopf.
»Komm, lass uns diesen unwirtlichen Ort verlassen. Ich zeige dir mein Atelier.«
Er nahm sie an die Hand, und erst jetzt bemerkte sie die vier erleuchteten Fenster, die im rückwärtigen Bereich der Halle den Blick in einen weiteren, wesentlich kleineren Raum eröffneten.
»Das ist mein Reich«, verkündete er mit einer entsprechenden Handbewegung, »fühl dich wie zu Hause.«
Dieser Raum kam dem, was sie erwartet hatte, schon viel näher. Auf mehreren Tischen verteilt standen Rechner und Laptops, teilweise aufgeklappt, und an den Wänden hingen die ikonischen Bilder, für die er in der New Yorker Kunstszene gefeiert wurde.
Mit großen Augen lief Laura Park von Bild zu Bild, überwältigt vom Zauber dieses besonderen Orts und berauscht von der Tatsache, dass sie tatsächlich hier sein durfte und mit dem Meister höchstpersönlich Small Talk machte.
Apropos Small Talk, vor lauter Aufregung hatte sie ja noch gar nichts gesagt!
»Fantastisch! All diese Bilder. Woher nimmst du bloß deine großartigen Ideen?«
Ihr Glas war leer, er füllte es erneut.
»Sie fliegen mir zu, wie Schmetterlinge auf einer Sommerwiese«, erwiderte er lächelnd und goss sich ebenfalls nach.
»Und diese irre Location? Ich meine, wie bist du darauf gekommen, dir ausgerechnet hier dein Atelier einzurichten? Im absoluten Niemandsland?«
»Auch das war Zufall. Einer meiner Kunden machte mich auf die alte Fabrik aufmerksam. Ich war sofort begeistert.«
Laura Park trank selten Alkohol. Der Champagner stieg ihr augenblicklich in den Kopf. Außerdem war sie erleichtert, dass sich ihre anfängliche Irritation in Wohlgefallen aufgelöst hatte.
Das dritte Glas kippte sie in einem Zug. Sie stellte es ab, verschränkte die Arme vor der Brust und lächelte ihn herausfordernd an.
»Willst du die blöde Maske nicht endlich abnehmen?« Denn er zeigte sich in der Öffentlichkeit nie ohne seine venezianische Maske.
»Tut mir leid, das ist unmöglich«, erwiderte er kühl.
»Außer uns ist niemand hier«, drängte sie. »Ich schwöre, ich werde keinem erzählen, wie du aussiehst.«
»Keine Chance.« Stattdessen beugte er sich über einen brandneuen Laptop und rief ein düsteres Bild auf. »Los, ich zeige dir lieber, was ich heute gemacht habe.«
Aber wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, gab sie keine Ruhe, bis sie es bekommen hatte. Unbemerkt trat sie hinter ihn, und mit einem schnellen Griff schob sie ihm die Maske vom Gesicht.
Er fuhr herum. In seinen Augen lag grenzenlose Traurigkeit.
»Warum hast du das getan?«, fragte er tonlos.
Laura Park musterte ihn angetan. »Was hast du denn? Bist ein hübscher Junge. Ich an deiner Stelle würde die Maske entsorgen. Du hast nichts zu verbergen.«
Er sah sie lange schweigend an. Dann wandte er sich langsam ab und verschwand in einem angrenzenden Raum.
Laura Park war plötzlich unsicher. War sie zu weit gegangen? Sie hatte ihm nicht wehtun wollen. Plötzlich war die lockere Stimmung verflogen. Wie konnte sie ihren Fehler wieder gutmachen?
Als er zurückkehrte, trug er keine Maske. Doch er lächelte nicht mehr, und der Blick, mit dem er sie betrachtete, war kalt wie Stahl.
Kalt wie die breite, extra lange Klinge des Fleischermessers, das silbern in seiner rechten Hand schimmerte.
»What shall we do with the drunken sailor, what shall we do with the drunken sailor, what shall we do with the drunken sailor early in the morning!«
Aus voller Kehle schmetterte Officer Jason Davies das alte Seemannslied in den frühen Morgen hinaus, während er auf seiner klapprigen Vespa die Succotash Road entlang Richtung Jerusalem knatterte.
Es war ein Morgen nach seinem Geschmack. Nach einer ruhigen Nacht war er früh aufgestanden, hatte ein paar Worte über aufdringliche Touristen und die horrenden Preise für Fischbrötchen mit seinem Nachbarn Bob Bowman gewechselt und dann bei der ersten Tasse Pulverkaffee die Schlagzeilen der Narragansett Times überflogen.
Am East Matunuck State Beach hatte die Polizei einen illegalen Rave aufgelöst, im Hafen von Galilee war eine tote Sattelrobbe angeschwemmt worden.
Das war das Schöne am Leben in der Provinz: Es passierte nicht viel. Und wenn doch mal etwas passierte, handelte es sich um Lappalien wie tote Robben oder betrunkene Jugendliche.
Vierzig Jahre lang – genau genommen waren es einundvierzig Jahre und sieben Monate gewesen – hatte Officer Davies dafür gesorgt, dass sich die Menschen in Narragansett sicher fühlen konnten. Er hatte Katzen von Hickorybäumen geholt, alte Frauen nach Hause gebracht, wenn sie beim Einkaufen vergessen hatten, wo sie wohnten, und den Kindern im Kindergarten geduldig erklärt, wann sie die Straße überqueren durften und wann nicht.
Vor vier Jahren war er aus dem aktiven Dienst ausgeschieden. Seitdem beschäftigte er sich mit den Fällen, die niemals aufgeklärt worden waren.
Sogenannten Cold Cases.
Es gab nicht viele davon, vielleicht vier oder fünf. Aber diese ungeklärten Verbrechen ließen ihn nicht ruhen. Wie ein Stein im Schuh, der einen bei jedem Schritt daran erinnerte, dass es da noch etwas gab, das erledigt werden musste.
»Put him in the bed with the captain's daughter, put him in the bed with the captain's daughter, put him in the bed with the captain's daughter, early in the morning!«, sang er weiter.
Links und rechts erstreckte sich das flache Marschland, durchsetzt von unzähligen Tümpeln und Teichen, die das große Gewässer ankündigten, das hinter den Fischerhütten von Jerusalem wartete, den Atlantischen Ozean.
Auch hier kannte er so ziemlich jeden Einwohner, und während er zwischen den niedrigen Häusern entlangfuhr, grüßte er ständig nach beiden Seiten, denn die Menschen mochten ihn.
Rechts reihte sich jetzt ein Bootsanleger an den anderen, die Leute schafften ihr Angelgerät an Bord und kontrollierten den Füllstand ihrer Tanks.
Officer Davies hatte sein Büro in einem kleinen, alten Holzhaus eigerichtet. Es hatte einem Kollegen gehört, und als er nach Beendigung seiner Dienstzeit mit seiner Frau nach Florida gezogen war, hatte Officer Davies zugegriffen.
Er hatte dem Haus einen neuen Anstrich verpasst, einige Holzdielen auf der großzügigen Veranda ausgewechselt und ein fabrikneues Geländer aus hellem Kiefernholz neben dem verwitterten Zugangssteg angebracht. Bei Gelegenheit würde er auch den Steg erneuern, doch das hatte Zeit.
Er schob den Roller in den Unterstand und nahm seine Aktentasche vom Gepäckträger. Am Horizont stieg die feuerrote Morgensonne wie ein lebendes Wesen aus den Wassern des Atlantiks empor. Dieser Tag versprach wieder heiß zu werden, sehr heiß.
Im Haus war es angenehm kühl, es roch intensiv nach Sellerie, denn gestern hatte er sich einen Salat aus frischen Äpfeln, Möhren, Mandarinen und Knollensellerie zubereitet.
Den Rest häufte er auf einen Teller und nahm ihn mit zum Schreibtisch, schenkte sich ein Glas Apfelschorle ein und holte die angelesene Zeitung aus der Aktentasche.
Wie immer begann er mit dem Sport, dann folgten Lokales und die Weltpolitik. Bei Nachrichten aus aller Welt blieb er bei einem Artikel hängen, der von einem Verbrechen in der Metropole New York berichtete.
Junge Frau brutal ermordet! Auf dem Weg zur Arbeit machte Tim W. am frühen Morgen des 29. Juli eine grausige Entdeckung. In einem Gebüsch am Ufer des East River in Sutton Place bemerkte er die unbekleidete Leiche der vierundzwanzigjährigen Laura P. Nach ersten Erkenntnissen wurde die junge Frau mit mehreren Messerstichen ermordet. Wie das NYPD weiter mitteilte, fehlte an der Leiche der linke Ringfinger, und in die linke Brust wurde ein Pentagramm eingeritzt. Das Pentagramm gilt als Symbol, das üblicherweise mit Okkultismus und Satanismus in Verbindung gebracht wird. Für sachdienliche Hinweise hat das NYPD folgende Hotline eingerichtet ...
Officer Davies starrte auf den Text, als wäre er in einer fremden Sprache geschrieben. Er las ihn noch zweimal von Anfang bis Ende. Dann schloss er die Augen und folgte dem Film, der hinter seiner Stirn ablief.
Das Ganze war zehn Jahre her. Er war damals gerade frisch vom Deputy zum Polizeichef befördert worden und leitete die Polizeistation in Narragansett.
An die Nacht, als Fiona Reeves, die völlig aufgelöste Mutter eines jungen Mädchens, im Revier erschien und ihre Tochter als vermisst meldete, erinnerte er sich, als wäre es erst ein paar Tage her und nicht zehn Jahre.
»Sie war bei diesem Hippie, diesem Clark Brooks, dem Sohn von dieser Frau mit dem Jesuskomplex«, hatte sie dem diensthabenden Lieutenant mit weit aufgerissenen Augen an den Kopf geworfen. »Ich hab immer gewusst, dass mit diesen Leute etwas nicht stimmt, jetzt ist es passiert, und ausgerechnet meine Fiona, dieses liebe, brave Mädchen, das keiner Fliege was zuleide tut und ihrer Grandma jeden Abend aus der Bibel vorliest, hat es erwischt!«
Der junge Lieutenant gab sich alle Mühe, einen roten Faden in dieser aufgebrachten Schilderung zu entdecken.
»Was genau ist denn passiert, Mrs Reeves?«
»Das hab ich Ihnen doch gerade gesagt«, fuhr sie ihn an, »Fiona ist nicht zurückgekommen! Keine Ahnung, was der Kerl mit ihr angestellt hat. Sie ist spurlos verschwunden. Und dieser Hippie behauptet steif und fest, er hätte nichts damit zu tun!«
Er selbst schlief damals im Bereitschaftszimmer, wurde aber von der aufgebrachten Stimme von Mrs Reeves geweckt und kam nach vorne, um sich selbst ein Bild zu machen.
Es stellte sich heraus, dass Mrs Reeves Familie Brooks bereits aufgesucht und an Ort und Stelle einen Riesenaufstand veranstaltet hatte.
Clark Brooks, der »Hippie«, den Fiona Reeves an diesem Abend besucht hatte, um gemeinsam mit ihm für eine bevorstehende Mathematikklausur zu üben, behauptete, er habe Fiona persönlich zur nahe gelegenen Bushaltestelle gebracht und sich dort von ihr verabschiedet.
Dasselbe gab er auch später bei der Vernehmung im Revier zu Protokoll. Der Busfahrer allerdings, der die Haltestelle etwa zehn Minuten später anfuhr, stritt ab, Fiona Reeves dort aufgenommen zu haben.
»Niemand stand dort. Niemand. Und weil auch niemand aussteigen wollte, habe ich dort gar nicht angehalten.«
Officer Davies forderte Polizeikräfte aus South Kingstown und Charlestown an. Mit fast fünfzig Polizeibeamten durchkämmten sie die Umgebung von Narragansett und Galilee.
Ohne Ergebnis. Das Mädchen blieb verschwunden.
Ein Jahr später passierte das Gleiche mit Leslie Short. Auch sie war in der Klasse von Clark Brooks, auch sie hatte mit ihm zusammen für eine Prüfung gelernt und war anschließend verschwunden.
Auch im Fall von Leslie Short brachte die anschließende akribische Suche kein Ergebnis.
Und dann, drei Jahre nach dem Verschwinden von Leslie Short, wurden bei Grabungsarbeiten am Whaley Farm Market in South Kingstown zwei Leichen entdeckt.
Die Obduktion ergab, dass es sich um die sterblichen Überreste von Fiona Reeves und Leslie Short handelte. Wie Fiona Reeves war auch Leslie Short mit einem Elektrokabel stranguliert worden. Die beiden Mädchen waren zum Zeitpunkt ihrer Ermordung fünfzehn beziehungsweise sechzehn Jahre alt gewesen.
Aber der Grund, warum der Artikel über den Leichenfund in New York in der Narragansett Times ihn als pensionierten Officer aus der Fassung brachte, war ein anderer.
Er hatte damals angeordnet, dass zwei auffällige Einzelheiten an den Leichen der beiden Teenager nicht an die Öffentlichkeit gelangten. Es handelte sich dabei um spezifisches Täterwissen, im Fall einer Festnahme konnten die Ermittler mit diesem Wissen arbeiten.
Beiden Leichen war der linke Ringfinger amputiert worden.
Und auf den Bauch, rund um den Nabel, hatte der Täter mit schwarzem Lippenstift ein Pentagramm gemalt.