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New York erschütterte eine Serie völlig willkürlicher Gewalttaten, die von den Drogenfahndern des FBI mit einer neuartigen Designerdroge in Verbindung gebracht wurden. Bei den Betroffenen rief die Droge starke Stimmungsschwankungen, Aggressionen und akute Paranoia hervor. Als vor den Toren der Stadt ein Truck von der Straße abgedrängt und der Fahrer erschossen wurde, deuteten Rückstände im Laderaum auf die neue Droge hin. Wie sich herausstellte, kam der Lieferwagen mit der heißen Fracht aus Louisiana, wo die Ermittler ein Drogenlabor vermuteten. Noch interessanter war das Ziel der Reise, die Parkchester High, eine Problemschule in der Bronx, berüchtigt für Bandenkriminalität und Drogenmissbrauch. Und so übernahmen Phil und ich einen ganz besonderen Undercoverauftrag ...
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Seitenzahl: 144
Veröffentlichungsjahr: 2024
Cover
Highschool undercover
Vorschau
Impressum
Highschool undercover
»Sir, darf ich Ihre Bestellung aufnehmen? Hallo, Sir ...?«
Sam wiederholte die Frage mehrmals hintereinander.
Kurz vor zwei Uhr nachts war der Sandwichladen in Ridgewood so gut wie leer. Bis auf den Penner im Mantel. Seit Sam mit einem Beutel Frittierfett aus dem Kühlraum gekommen war, stand er mit dem Rücken zu ihm und rührte sich nicht.
Sam war kurz davor, den Sicherheitsdienst anzurufen, da schnellte der Kerl herum.
Sein Mantel stand offen, darunter trug er nur Boxershorts. Das Fahrtenmesser entdeckte Sam erst, als der Kerl es mit flackerndem Blick aus dem Hosenbund zog.
Die Klinge war blutverschmiert, so viel nahm Sam noch wahr. Dann stürzte sich der Mann mit einem wilden Schrei über die Theke.
Das Patrol Car hielt am Seitenstreifen. Officer Roy Clifford stieg aus, ließ aber das Warnlicht eingeschaltet, während Officer Matt Bauer auf dem Beifahrersitz das Kennzeichen des Vans überprüfte. Im Licht ihrer Scheinwerfer war es in der Nacht gut zu erkennen, obwohl der unbeschriftete Lieferwagen umgekippt auf der Böschung lag. Auch die Scheinwerfer des Vans waren noch eingeschaltet und rissen die Bahngleise, die oberhalb der Böschung verliefen, aus der Dunkelheit.
Wer die Zentrale über den Unfall informiert hatte, war nicht bekannt. Der Anrufer war anonym geblieben und hatte sich danach vom Unfallort entfernt. Seit ihrer Ankunft war kein weiteres Fahrzeug vorbeigekommen. Verwunderlich war das nicht. Es war kurz nach drei, und die Landstraße nordwestlich von Trenton war tagsüber schon kaum befahren. Während sich Bauer noch fragte, warum ein Lieferwagen mit einem Louisiana-Kennzeichen ausgerechnet diese abgelegene Route nahm, meldete sich die Kollegin aus der Zentrale mit dem Ergebnis der Halterabfrage zurück.
»Der Wagen ist auf eine Spedition in Baton Rouge angemeldet. Kein besonderer Vermerk.«
Bauer bedankte sich rasch, als er sah, dass Clifford ihm winkte. Sein Partner war vor der Fahrerkabine stehen geblieben und leuchtete sie gerade mit seiner Taschenlampe aus.
Bauer stieg nun ebenfalls aus und eilte zu ihm hinüber.
Irgendwo in weiter Ferne zerriss das Jaulen einer Sirene die Stille der Nacht. Der Krankenwagen, den die Zentrale bestellt hatte.
Wortlos trat Clifford zur Seite und reichte ihm die Taschenlampe. Bauer musste mit einem Fuß auf die Böschung treten und sich stark nach unten beugen, um etwas in dem auf der Seite liegenden Wagen zu erkennen. Im Licht der Lampe fiel sein Blick auf die Insassen des Unglückswagens. Beide hingen leblos in ihren Gurten. Und zumindest bei dem Fahrer war deutlich zu erkennen, dass er nicht bei dem vermeintlichen Unfall gestorben war. Sein Kopf hing schlaff im Nacken, doch das Gesicht war zum Fenster gerichtet und das Einschussloch in der Stirn ganz deutlich zu erkennen.
Das war kein normaler Unfall, sondern ein Fall für das Morddezernat.
Bauer wandte sich ab, blickte seinen Partner ernst an und meinte nur: »Mist.«
Clifford nickte und trat an ihm vorbei zum Heck des Van. Die Tür des Laderaums war nur angelehnt. Er zog sie ganz auf, dann kletterte er hinein.
Bauer folgte ihm, blieb aber vor der Tür stehen. In der ersten Schrecksekunde glaubte er, im Licht der Taschenlampe auf einen Berg menschlicher Torsos und Gliedmaßen zu blicken. Schon im nächsten Moment erkannte er seinen Irrtum, und ihm wurde klar, dass es sich bei den vermeintlichen Leichenteilen um die zerlegten Einzelteile von Schaufensterpuppen handelte.
Clifford ging in die Hocke, hob einen der Köpfe auf und leuchtete mit der Lampe den Hohlraum aus. Schulterzuckend legte er ihn zurück und wollte gerade aufstehen, als sein Blick auf etwas fiel, das zwischen den Köpfen lag. Geräuschvoll zog er sich einen Einweglatexhandschuh über, hob den Gegenstand auf und drehte ihn in den behandschuhten Fingern, bevor er ihn Bauer entgegenhielt.
Im Licht der Lampe erkannte Bauer ein durchsichtiges Päckchen mit einer weißen kristallinen Substanz. Drogen?
Clifford sicherte das Beweismittel in einer kleinen Tüte, dann kletterte er stöhnend aus dem Laderaum.
Der Krankenwagen hielt bereits an der Unfallstelle, und eine Gruppe Rettungssanitäter stürzte hinaus.
Für Bauer und seinen Partner war dieser Job so gut wie beendet. Eine Bluttat im Drogenmilieu. Das hätte auch ein Rookie erkannt. Ein kurzer Bericht und für sie als Streifenpolizisten war die Sache erledigt. Um alles Weitere mussten sich die Kollegen der Crime Units oder gleich das FBI kümmern.
Es war Sommer in New York, und die Hitze lag seit Tagen wie eine Glocke über der Stadt. Die Straßenschluchten und der Asphalt des Großstadtdschungels hatten sich so sehr aufgeheizt, dass es selbst in der Nacht kaum abkühlte.
Das Wetter machte sich auch auf den Straßen bemerkbar. Die meisten Menschen zogen es vor, sich in klimatisierten Innenräumen aufzuhalten. Manche hatten die Stadt gar verlassen, um für ein paar Tage in einen der nahe gelegenen kleineren Küstenorte zu fahren.
Das führte dazu, dass über allem eine ungekannte Ruhe lag, zumindest für New Yorker Verhältnisse. Besucher von außerhalb empfanden den Verkehr zur Rushhour vermutlich noch immer als unerträglich. Ich dagegen war ihn gewohnt und saß außerdem in einem klimatisierten Jaguar F-Type 75 R.
Mein Puls war deshalb noch im Normalbereich, als ich mit zehn Minuten Verspätung an unserer gewohnten Ecke hielt, um meinen Partner Phil Decker einsteigen zu lassen.
Dass Phil nicht ganz so entspannt war wie ich, bemerkte ich schon bei der Anfahrt. Mein Partner hatte das Jackett ausgezogen, fächelte sich damit Luft zu und trat von einem Bein aufs andere, als müsste er dringend auf die Toilette.
»Da bist du ja endlich«, sagte er zur Begrüßung, bevor er sich auf dem Beifahrersitz anschnallte. »Noch ein paar Minuten und ich wäre zerflossen.«
Tatsächlich zeigte die Temperaturanzeige meines Wagens bereits zweiundachtzig Grad Fahrenheit, dabei war es noch früh am Morgen. Für den Nachmittag waren bis zu hundert Grad vorhergesagt.
»Sorry, aber du weißt ja, im New Yorker Berufsverkehr ist man in Gottes Hand.«
Wohlweislich zog sich Phil die Jacke wieder über. Die Klimaanlage des F-Type arbeitete auf Hochtouren, und bei einem zu schnellen Temperaturwechsel konnte man sich leicht verkühlen.
»Jedenfalls habe ich mich selten so sehr auf einen Tag am Schreibtisch gefreut«, erwiderte er.
Ich lächelte wissend. Tatsächlich stand für heute nur Aktenwälzen auf dem Programm.
In letzter Zeit hatten wir einige kleinere Fälle abgeschlossen, die noch auf ihren Bericht warteten. Anders als mein Partner hatte ich es nicht ganz so eilig, mich in die Schreibtischarbeit zu stürzen.
Deshalb blieb ich auch dann noch gelassen, als sich der Verkehr vor der Kreuzung Canal und Lafayette abrupt staute, um kurz darauf ganz zum Erliegen zu kommen. Als Ursache vermutete ich zunächst die Straßenarbeiten auf der Canal Street, die sich für meinen Geschmack schon etwas zu lange hinzogen.
Dann wanderte mein Blick über mehrere Fahrzeuge vor mir hinweg, und ich entdeckte einen Mann, der mitten auf der Fahrbahn stehen geblieben war und keinerlei Anstalten machte, zur Seite zu treten. Ein Hupkonzert war die Reaktion.
»Die Verrückten werden auch nicht weniger«, ächzte Phil und begann gelangweilt auf seinem Smartphone herumzuwischen.
Deshalb verpasste er, was als Nächstes geschah. Der Störer setzte sich abrupt in Bewegung. Allerdings steuerte er keinen der Bordsteine an, sondern wählte den Weg über den Kühlergrill des von ihm blockierten Autos. Er erklomm das Dach, dann sprang er vom Kofferraum zurück auf den Asphalt, bevor er den nachfolgenden Wagen in Angriff nahm.
Während er noch erhöht stand, sah ich, dass er trotz der brütenden Hitze einen Armeeparka trug. Außerdem saß ein Cowboyhut auf seinen langen, gewellten Haaren, seine Augen waren von einer Sonnenbrille verdeckt. Eine skurrile Erscheinung, die in dieser Stadt aber wohl keine Aufmerksamkeit erregt hätte, wenn nicht ...
»Verdammt noch mal!«
Erst meine Reaktion ließ Phil aufblicken. Als er sah, was ich sah, entwich ihm ein leises Stöhnen. »Sagte ich verrückt? Ich meinte vollkommen durchgeknallt.«
Ich entgegnete nichts, sondern beobachtete mit starrem Blick, was weiter geschah. Wirklich brenzlig war die Situation bisher nicht. Noch standen die Autos alle, sodass für den Mann keine unmittelbare Gefahr bestand. Höchstens durch die Fahrzeuginsassen, von denen nun einer ausstieg und ihn gewaltsam vom Wagendach zerren wollte.
Kurz darauf überlegte er es sich offenbar anders. Abwehrend hob er die Hände, trat zurück und verschwand schnell wieder hinter dem Steuer seines Wagens.
Das alles ereignete sich fünf Fahrzeuge vor uns, sodass wie keine Einzelheiten ausmachen konnten. Für mich hatte es jedoch so ausgesehen, als hätte der Mantelträger den Fahrer bedroht. War er bewaffnet?
Phil und ich tauschten einen alarmierten Blick. Hatten wir es hier nicht mit einem der üblichen »Verrückten« zu tun, sondern mit einer Gefahr für die Allgemeinheit?
Das würden wir gleich erfahren. Spätestens wenn der Kerl bei uns ankam. Über den Lack meines roten Flitzers würde ich ihn jedenfalls nicht marschieren lassen, so viel war sicher.
Dazu sollte es gar nicht kommen. Der Kerl stieg gerade mit weiten Schritten über das Dach eines Yellow Cabs, als sein geöffneter Parka aufklaffte und ich für einen Moment den Griff einer Schusswaffe aus seinem Hosenbund hervorragen sah.
Phil musste ihn auch gesehen haben, denn er zog fast gleichzeitig mit mir seine Glock. Dann öffnete ich die Tür und stieg aus, während mein Partner verharrte.
Ich wartete, bis der »Spaziergänger« das Dach des nächsten Autos erklommen hatte. Nun hatte ich theoretisch freie Schussbahn, und es waren auch keine Unbeteiligten in der Nähe. Bloß stellte der Mann noch immer keine erkennbare Gefahr dar, weshalb ich es noch auf die freundliche Tour versuchte.
Mit gesenkter Waffe hielt ich ihm meine Dienstmarke entgegen und rief: »FBI! Steigen Sie von dem Wagen herunter!«
Der Mann stoppte, sein Blick war unter der Brille schwer zu deuten. Plötzlich zuckte seine Hand unter die Jacke.
Das hatte ich befürchtet. Jetzt ließ es sich nicht mehr vermeiden. Blitzschnell riss ich meine Dienstwaffe in seine Richtung und gab einen Warnschuss ab. Die Kugel pfiff weit über ihn hinweg, aber ich hoffte, dass ihn das bereits zur Räson brachte.
Meine Hoffnung erfüllte sich nicht. Der Mann ging in Deckung, dann warf er sich auf die Windschutzscheibe, rollte sich auf den Kühler ab und knallte außerhalb meines Sichtbereichs auf den Asphalt. Dort stemmte er sich sofort wieder auf die Beine, eilte zum Fahrbahnrand und lief weiter Richtung Kreuzung.
Fluchend nahm ich die Waffe herunter. Der Bordstein war dicht bevölkert, einen weiteren Schuss konnte ich daher vergessen. Ich steckte die Glock zurück in das Hüftholster und nahm die Beine in die Hand.
Phil riss die Tür auf und wollte mir folgen, doch ich bedeutete ihm, beim Wagen zu bleiben.
Der Bewaffnete hatte die nahe gelegene Kreuzung inzwischen erreicht. Ohne innezuhalten, rannte er auf die Fahrbahn – und blieb dort einfach stehen.
Ich hatte die Kreuzung noch nicht erreicht, als ich bereits das Auto erspähte, das von links über die Kreuzung fuhr. Es war nicht besonders schnell unterwegs, aber der Mann im Parka war so plötzlich auf die Fahrbahn gesprungen, dass der Fahrer nicht mehr bremsen konnte. Er erwischte ihn frontal und begrub ihn unter seinen Rädern. Erst dann kam der Wagen mit quietschenden Reifen zum Stehen.
Als ich die Kreuzung erreichte, war nur noch der Cowboyhut zu sehen, der zur Seite kullerte, bevor er vom Wind erfasst und erst von einem Hydranten gestoppt wurde.
Während sich die Schaulustigen um mich scharten, Handykameras zückten und irgendjemand »Ich bin Arzt!« rief, verharrte ich, wählte die 911 und meldete den Unfall. Dann erst näherte ich mich der Unfallstelle, wo Ersthelfer schon damit begonnen hatten, den Verletzten behutsam zu bergen.
Ich atmete tief durch und wischte mir den Schweiß aus der Stirn, erleichtert, dass die Gefahr gebannt und kein Unbeteiligter zu Schaden gekommen war. Noch wusste ich nicht, dass dieser schockierende Zwischenfall uns nicht nur auf dem Weg ins Büro aufgehalten hatte, sondern uns noch eine ganze Weile beschäftigen würde.
Die Ambulanz traf zügig ein, und der Verletzte wurde noch an Ort und Stelle versorgt. Nachdem die Unfallstelle geräumt war, löste sich der Verkehr schnell wieder auf, sodass ich zehn Minuten später in die Tiefgarage des Jacob K. Javits Federal Building fuhr. Mit dem Lift ließen wir uns in den dreiundzwanzigsten Stock schießen und betraten wenig später unser gemeinsames Büro.
Etwas an dem Verhalten und dem Anblick des Lebensmüden ließ mich nicht los. Nachdem ich zunächst unmotiviert damit begonnen hatte, die Dateien zu sortieren, die ich für meine Berichte benötigte, drängte sich ein Gedanke in den Vordergrund, dem ich unbedingt nachgehen musste.
Über unsere Computer hatten wir Zugriff auf alle Informationssysteme, die für unsere Arbeit von Bedeutung waren, auch auf die der anderen Ermittlungsbehörden. Ich loggte mich in die des NYPD ein und fütterte die Eingabemaske mit Schlüsselwörtern eines speziellen Falls, von dem ich kürzlich erst in der Zeitung gelesen hatte. Nachdem ich den dazugehörigen Bericht gefunden hatte, überflog ich ihn. Tatsächlich ähnelte das Geschilderte frappierend dem, was wir heute erlebt hatten.
Nur mit einem Bademantel bekleidet, hatte ein Mann die Lobby einer Autovermietung betreten. Er hatte eine Art Schwert bei sich gehabt, mit dem er zunächst wahllos auf Kunden und Angestellte eingestochen hatte. Ein Wachmann hatte seine Waffe auf ihn gerichtet, doch selbst davon hatte sich der Mann nicht aufhalten lassen und auch ihn angegriffen.
Der Kollege, der den Bericht verfasst hatte, beschrieb es so, als wäre dem Täter gar nicht klar gewesen, welche Gefahr ihm von der Schusswaffe drohte, und dass er mit seinem Schwert haushoch unterlegen war.
Das Fazit war, dass der Mann vermutlich unter einer Droge gestanden hatte, die sein Urteilsvermögen komplett ausgeschaltet, ihn aber dennoch »vollumfänglich handlungsfähig« gelassen hatte. In seinem Blut waren jedoch nur Alkohol und Spuren eines Opiats festgestellt worden. Keines von beidem hätte laut medizinischem Gutachten eine vergleichbare Wirkung erzeugt.
Gespannt suchte ich anhand ähnlicher Schlüsselwörter nach Einträgen, die Parallelen zu dieser Tat aufwiesen. Ich musste gar nicht lange suchen und fand gleich drei Einträge, verteilt über einen Zeitraum von acht Wochen, in denen jeweils ein ähnlicher Tathergang geschildert wurde.
Nachdenklich loggte ich mich wieder aus. Dass irgendjemand die Kontrolle verlor, war in unserer Stadt zwar keine Seltenheit, aber mehrere unprovozierte Gewalttaten ohne Rücksicht auf das eigene Leben, und dann noch in so kurzen Abständen, erschienen mir ungewöhnlich.
Schulterzuckend machte ich mich wieder an meinen papierlosen »Papierkram«, der sich leider nicht von selbst erledigte. Als ich den ersten Bericht beendet hatte und die Datei in dem vorgesehenen Ordner ablegte, war es fast Mittag. Für die Dauer von etwas über einer Stunde hatte ich die Zeit und alles um mich herum vergessen. Ich hatte nicht einmal gemerkt, dass Phil aufgestanden war und seine Jacke übergestreift hatte.
»Kommst du mit oder nicht?«, fragte er, als ich zu ihm aufsah. Mein fragender Blick entlockte ihm ein Schmunzeln. »Erde an Jerry. Steve und ich holen heute was vom Mezzogiorno. Soll ich dir etwas mitbringen?«
Ich überlegte kurz, dann nickte ich. »Ein Salat wäre nett. Den mit Mozzarella und Avocado.«
»Klar«, agte Phil. Dann sah er mich prüfend an. »Irgendwas ist doch.«
Ich räusperte mich. »Mir geht die Sache von heute Vormittag nicht aus dem Kopf. Irgendwas ist da im Busch, und ich wüsste gerne, was.«
Ich erzählte ihm von den ähnlichen Fällen, auf die ich gestoßen war.
Phil runzelte die Stirn. »Brauchst du Hilfe bei deinen Nachforschungen?«
»Danke«, sagte ich lächelnd. »Wir setzen heute auf Arbeitsteilung. Du bist der Jäger und ich der Sammler.«
Phil grinste. »Solange ich dich später nicht an den Haaren aus deiner Höhle schleifen muss.«
»Solange du mich nicht in deine verschleppst«, gab ich ebenfalls grinsend zurück.
Phil schüttelte lachend den Kopf.
Ich wartete, bis er unser Büro verlassen hatte, und wandte mich wieder meinem PC zu. Erneut loggte ich mich in die Datenbank des NYPD ein und sah mir die Akten der drei Vorfälle, auf die ich gestoßen war, noch einmal genauer an.
Einer war mir besonders ins Auge gestochen. Er hatte sich vor knapp zwei Wochen in Queens, im Ortsteil Ridgewood, ereignet. Ein junger Mann war mit einem Messer auf den Angestellten eines Sandwichladens losgegangen und hatte ihn schwer verletzt.
Erst zwei Kunden, die während der Tat den Laden betreten hatten, konnten den Angreifer überwältigen. Bei dem anschließend durchgeführten Bluttest waren bei ihm Rückstände von Cathinon festgestellt worden. Eine Art Amphetamin, das in hohen Dosen Hyperaktivität und Verwirrtheit auslösen konnte.
War das die Erklärung? Hatten unser »Cowboy« und die anderen jungen Männer hochdosiertes Cathinon zu sich genommen? Aber warum kam es gerade in letzter Zeit zu einer solchen Häufung derartiger Fälle? In den Polizeiberichten fand sich auch keinen Hinweis auf speziell diese Drogenart. Allerdings werden synthetische Cathinone schnell vom Körper abgebaut und sind schon nach kurzer Zeit im Blut nicht mehr nachweisbar. War das der Grund? Waren die Bluttests zu spät durchgeführt worden?
Seufzend loggte ich mich aus dem System aus, griff zum Telefonhörer, wählte die zentrale Nummer des NYPD und ließ mich mit dem Revier verbinden, das für den Fall des verunglückten Cowboys zuständig war.
Mein Ansprechpartner war ein Captain Donovan, den ich wohl gerade beim Essen störte. Er meldete sich erst nur mit knappen »Hm?«. Das anschließende Klirren hörte sich an, als würde Besteck zur Seite gelegt werden.
Ich stellte mich vor und erklärte, warum ich anrief. »Mein Partner und ich waren zufällig Zeugen des heutigen Vorfalls. Ich wollte mich erkundigen, wie es dem Angreifer geht.«
»Soweit ich weiß, ist er immer noch im OP. Ob er durchkommt, ist fraglich. Die Ärzte rechnen mit einer Überlebenschance von fünf Prozent.«
»Ein Drogentest wurde bisher nicht durchgeführt, nehme ich an?«