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Im beschaulichen Küstenstädtchen Newport, Rhode Island, wurde der New Yorker Antiquitätenhändler Walter Summers auf seiner Jacht erschossen. Bei den Ermittlungen lief ich der FBI-Agentin Gretchen Turner über den Weg. Die Zusammenarbeit erwies sich schnell als Pferdefuß, denn die junge Frau war mehr als angetan von mir. Ich erwiderte ihre Gefühle nicht, bemühte mich aber trotz der unwillkommenen Avancen, höflich zu bleiben. Und bald gesellten sich noch ganz andere Probleme dazu. Denn mit einem Mal drohte uns eine Gefahr, mit der wir nicht gerechnet hatten ...
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Seitenzahl: 139
Veröffentlichungsjahr: 2024
Cover
Mona Lisa schweigt
Vorschau
Impressum
Mona Lisa schweigt
So fühlt sich es also an, wenn man stirbt, dachte er und versuchte, mit seiner trockenen Zunge die Lippen zu befeuchten.
Der Gefängnispfarrer neben ihm sah ihn mit aufgesetzt mitfühlender Miene an. »Kann ich etwas für dich tun, mein Sohn?«
Gerne hätte er dem Geistlichen die Faust ins Gesicht gerammt, aber er war nicht mehr der, der er früher gewesen war, hatte kaum noch Kraft.
»Möchtest du mir noch etwas sagen, Sohn?«, fragte der Gottesmann mit falschen Sorgenfalten auf der Stirn.
Eher würde ich verrecken, dachte er und hätte fast laut gelacht. Am Verrecken war er bereits.
Er dachte an Lucia und daran, dass er nur für sie so viel auf sich genommen und die Botschaft hinterlassen hatte. Für sie und den kleinen Sandro, der jetzt wahrscheinlich gerade am Tisch des anderen saß.
»Ein wahrhaft kapitaler Bursche«, sagte Herbert Silver, nachdem er mir geholfen hatte, den Streifenbarsch aus dem Wasser zu ziehen, und ihn in mir in die Arme gelegt hatte. Er zog sein Smartphone hervor und hob die Hand. »Lächeln, Jerry, schön breit lächeln. Sie sind schließlich wahnsinnig stolz darauf, dass Sie diesen großen Fisch gefangen haben.«
Ich grinste, was das Zeug hielt. Der Fisch in meinen Armen fühlte sich kalt und glitschig an und roch nach Meer.
»Fantastisch«, sagte Silver, steckte das Telefon in die Hosentasche und wandte sich zum Gehen.
»Herbert?«
Silver lachte herzlich, drehte sich wieder zu mir um und schlug mir auf die Schulter. »Ihr New Yorker seid einfach unbezahlbar.« Er befreite mich von dem Fisch und warf ihn in den dafür vorgesehenen Behälter. »Das Abendessen ist auf jeden Fall gesichert. Obwohl Felicity nicht begeistert davon sein wird, den Burschen zubereiten zu müssen.« Er blickte schelmisch. »Aber wenn ich ihn schuppe und noch ein Fläschchen Sekt für den Aperitif mitbringe, wird das schon in Ordnung sein.«
»Felicity ist eine gute Frau«, sagte ich.
»Das kann man wohl sagen«, erwiderte Silver.
»Obwohl sie sich ja dereinst sehr für meinen Partner Phil Decker erwärmt hatte«, fuhr ich fort und spielte damit scherzhaft auf ein Geplänkel zwischen meinem Partner und Silvers Ehefrau an, das sich bei unserem Kennenlernen im Rahmen eines Falls zugetragen hatte.
Silver lachte. »Ja, sie hat sich von der ersten Sekunde an für Sie beide erwärmt. Und sie hat sich wahnsinnig gefreut, als Sie angerufen und ihr mitgeteilt haben, dass Sie nach Newport kommen, und Sie gefragt haben, ob noch etwas von ihrem Schlehenwein übrig sei.«
»Der ist wirklich gut«, sagte ich.
Silver sah mir in die Augen. »Ach, kommen Sie, Cotton. Das ist doch nicht der Grund, warum es Sie nach Newport verschlagen hat. Warum sind Sie wirklich hier?«
»Haben Sie vielleicht etwas Kaltes zu trinken an Bord?«, fragte ich.
»Was für eine Frage?«, erwiderte Silver und verschwand unter Deck.
Kurze Zeit später kam er mit zwei gekühlten Flaschen Limonade zurück. Er setzte sich auf den Kapitänsstuhl, während ich auf dem Beifahrersitz Platz nahm, und wir tranken in Ruhe. Es war ein kein besonders warmer Tag, das kühle Getränk erfrischte dennoch.
»Nachdem ich mir bei einer etwas turbulenten Verfolgungsjagd zwei Rippen gebrochen habe, dachte ich, ich lege eine kleine Auszeit ein und gönne mir ein verlängertes Wochenende«, sagte ich.
Silver lächelte und schob seine Mütze aus der Stirn. »Sehr lobenswert, dass Sie dafür nach Newport gereist sind.«
Bevor ich zu einer Antwort ansetzen konnte, klingelte mein Handy. Auf dem Display sah ich, dass der Anrufer Mr High war. Die Auszeit war vorbei.
»Arbeit?«, fragte Herbert Silver.
»So sieht es aus«, bestätigte ich und stand auf. »Ich muss Sie und Felicity für heute Abend versetzen. In der Newport Marina wurde eine Leiche gefunden, die muss ich mir gleich anschauen. Das Opfer hatte seinen Hauptwohnsitz in New York, da kommt jetzt unsere Dienststelle ins Spiel.«
»Wie praktisch, dass Sie vor Ort sind«, meinte Herbert Silver.
»Das habe ich auch gerade gedacht«, erwiderte ich und klang dabei anscheinend nicht gerade fröhlich.
»Na los«, sagte Silver und trank seinen letzten Schluck Limonade. »Ich weiß, wo das ist. Ich bringe Sie hin. Und den Fisch werden Felicity und ich sicherlich einfrieren können, damit wir ihn in den nächsten Tagen zusammen genießen.«
Silver kümmerte sich um unseren Fang und um das Boot, verfrachtete mich in seinen SUV und brachte mich zur Newport Marina an Lee's Wharf.
Ungern verabschiedete ich mich von Herbert Silver. Ich hätte liebend gerne meinen Abend mit ihm und seiner reizenden Ehefrau verbracht. Stattdessen stand ich in einem zugigen Jachthafen und war kurz davor, mir eine Leiche anzuschauen.
Das Boot zu finden, das ich suchte, war kein Problem. Um den Tatort herum wuselten eine Menge Menschen: Spurensicherung, Gerichtsmedizin, Polizei, das komplette Programm. Ich zog mir die übliche Schutzkleidung über und machte mich auf zum Zentrum des Geschehens.
»Name und Anliegen?«, herrschte mich ein Riesenbaby in der Uniform eines Cops an und baute sich bedrohlich vor mir auf.
Ich präsentierte ihm meine Dienstmarke. »Agent Cotton vom Federal Bureau of Investigation.«
Das Riesenbaby schrumpfte merklich, stellte sich vor und ließ mich passieren. Der Weg an ihm vorbei führte mich auf das Deck der Jacht, auf dem sich die Leiche befand. Ein Mann mit silbergrauem Haar, der sich als der zuständige Gerichtsmediziner vorstellte, kniete neben dem Körper, der bereits zugedeckt war, und machte Notizen in einem kleinen Buch.
»Das war eine eiskalte Hinrichtung«, sagte er. »Der Täter ist auf das Boot gekommen, hat dem Opfer die Pistole an die Schläfe gehalten und abgedrückt. Das war es dann.«
Ein freundlich aussehender Mann in den Fünfzigern trat zu uns. »Agent Cotton?«
Ich bejahte.
»Sehr gut. Ihr Chef hat Sie avisiert. Schön, dass Sie uns unterstützen. Ich bin Detective Howards.«
»Gibt es irgendwelche Hinweise? Hat jemand etwas gesehen?«, wollte ich wissen.
»Sieht nicht so aus. Jedenfalls hat uns niemand etwas gesagt. Meine Leute haben in der Marina herumgefragt, auch auf den Nachbarbooten.« Der Detective zeigte auf ein Boot neben unserem. »Außer auf dem, das direkt hier liegt. Dort haben wir niemanden angetroffen.«
Wie aufs Stichwort nahm ich in der Kajüte nebenan eine Bewegung wahr.
»Jetzt scheint aber jemand dort zu sein.« Das Telefon des Detectives klingelte.
»Ich kann das übernehmen«, sagte ich.
Ich sprang vom Deck der Jacht auf den Pier und begab mich auf das Nachbarboot. Dort öffnete ich leise die nur angelehnte Tür zur Kajüte und trat in ein voll eingerichtetes Miniwohnzimmer. Der Raum war leer. Dachte ich zumindest, bis ich ein Geräusch hörte und herumfuhr.
Das Nächste, was ich wahrnahm, war ein Schlag ins Gesicht. Kühles Metall traf auf mein Jochbein. Als die Haut aufplatzte, spürte ich einen stechenden Schmerz und schmeckte kurz darauf das Blut, das mir die Wange hinunterlief. Ich taumelte, jedoch war der Schlag nicht heftig genug gewesen, um mich außer Gefecht zu setzen.
Ich folgte meinem Angreifer, der inzwischen an mir vorbeigestürmt war. Er wollte das Weite suchen, indem er in der Reihe der eng nebeneinander vertäuten Jachten von einem Boot zum anderen sprang. Ein paarmal sah es aus, als würde er das nächste Deck verfehlen, doch es gelang ihm jeder Sprung, sodass ich ihn nicht einholen konnte.
Am Ende der Reihe hechtete der Mann vom Deck des Boots auf den Pier, den er mit einem Fuß gerade so erwischte. Mit dem anderen rutschte er ab und ging zu Boden. Dabei ließ er die Pistole fallen, die quer über den Pier schlitterte und auf der anderen Seite ins Wasser fiel.
Ich sprang hinter den Mann her und bekam ihn zu fassen. Dann setzte ich ihn auf, zog ihn ein Stück zur Seite und machte ihn mit Handschellen an einer Eisenkette zwischen zwei Pollern fest. Er war so perplex, dass er nicht einmal versuchte sich zu wehren.
Erst jetzt hatte ich Gelegenheit, ihn näher zu betrachten. Er war jung, trug blonde Dreadlocks und schmutzige Jeans. Seinen glasigen Augen nach hatte er mehr Drogen intus, als wir in den letzten Tagen in die Asservatenkammer verfrachtet hatten. Ein Wunder, dass er den Sprint über die Boote in diesem Zustand hatte absolvieren können.
»Sind Sie verrückt geworden? Was soll das?«, fauchte mich der Junge an und zerrte an den Handschellen.
Ich hielt ihm meinen Dienstausweis unter die Nase. »Agent Cotton vom FBI. Vielleicht interessiert es Sie, dass auf dem ersten Boot in dieser Reihe jemand erschossen wurde. Zufällig habe ich Sie mit einer Pistole angetroffen. Sie haben mich angegriffen und wollten fliehen. Klingelt da was?«
Der Junge stöhnte.
»O Mann, jetzt hören Sie bloß auf mit dem Scheiß.« Als ich mich zum Gehen wandte, rief er hinter mir her: »Hey, Agent! Sie können mich nicht einfach hier sitzen lassen!«
»Sie sehen doch, dass ich das kann«, sagte ich und setzte meinen Weg fort.
Ich ging zurück zu dem Boot, auf dem der ermordete Mann gefunden worden war, und überreichte dem Officer mit dem Babyface den Schlüssel für meine Handschellen. »Am Ende des Piers liegt ein Paket. Bitte sein Sie so gut und holen es ab.«
Der Mann schaute mich verständnislos an.
Ich rollte innerlich mit den Augen. »Am Ende des Piers habe ich einen Mann festgesetzt und mit Handschellen an einer Eisenkette zwischen zwei Pollern fixiert. Bitte machen Sie ihn los und bringen Sie ihn hierher, damit Detective Howards und ich ihn befragen können.«
Ich machte mich auf die Suche nach dem Polizisten und fand ihn unter Deck, wo er gerade wild in irgendwelchen Aufzeichnungen herumstrich.
»Probleme?«, fragte ich.
»Ach was. Meine Frau hat mir diesen sauteuren Kugelschreiber zu Weihnachten geschenkt, bloß funktioniert er nicht.«
»Darf ich mal?«, bat ich.
»Bitte schön.« Entnervt schob Howards das Schreibutensil über den Tisch zu mir herüber.
Ich zog die durchsichtige Kappe ab, die zum Schutz vor Austrocknung an der Spitze des Kugelschreibers angebracht war, und legte dem Detective den Stift wieder hin. »Jetzt sollte es funktionieren.«
Der Mann schnappte sich den Kuli und kritzelte in seinem Notizbuch herum. So wie es von meiner Position aus aussah, funktionierte der Stift nun.
Der Detective hob den Kopf und lachte. »Da hätte ich ja auch mal drauf kommen können.«
»Ich freue mich, dass Ihr Stift jetzt funktioniert«, sagte ich. »Vielleicht können Sie mir auch weiterhelfen. Wissen Sie schon, um wen es sich bei dem Opfer handelt?«
Howards sah in seinen Notizen nach. »Walter Summers, Antiquitätenhändler. Laut Agent Turner hat er einen großen Laden in New York und ein kleines Antiquitätengeschäft hier in Newport, in dem vor allem die Touristen gerne einkaufen.«
»Agent Turner?«, hakte ich nach.
»Das bin ich«, ertönte eine Stimme hinter mir. Ich drehte mich um und sah, dass diese zu einer hübschen Frau Mitte zwanzig gehörte, die nun den Kopf schieflegte und mich stumm mit großen Augen anschaute. »Mein Gott, Sie sind es tatsächlich. Agent Cotton.«
»Und mit wem habe ich das Vergnügen?«, fragte ich, um die peinliche Situation zu überspielen.
Die junge Frau räusperte sich. »Agent Gretchen Turner vom Field Office in Providence. Ich habe Sie im Fernsehen gesehen und alles über Ihre Fälle gelesen.«
Detective Howards, dem nicht entgangen war, dass mir die Begegnung unangenehm war, stellte sich neben mich. »Wir haben sofort um Unterstützung des New Yorker FBI gebeten, als aufgrund der Papiere des Opfers klar wurde, dass es nicht in Newport, sondern in New York City ansässig war.«
»Deswegen bin ich hier«, sagte ich.
»Dann arbeiten wir jetzt zusammen?«, fragte Gretchen Turner ehrfurchtsvoll.
»Sieht wohl so aus«, erwiderte ich.
Die junge Agentin nahm meine Hand und schüttelte sie so lange, dass ich fürchtete, sie würde sie nicht auf absehbare Zeit wieder loslassen.
Zum Glück erschien nach einer Weile der Officer mit dem jungen Mann vom Nachbarboot im Schlepptau in der Kajüte.
Als ich Letzteren darum bat sich zu setzen, reagierte er nicht, woraufhin der Officer ihn in einen Sitz drückte.
»Wer sind Sie? Warum hatten Sie eine Pistole bei sich? Und weshalb sind Sie weggerannt?«, fragte ich.
Der junge Mann musterte den Boden der Kajüte.
»Wir werden all diese Dinge auch ohne Ihr Zutun herausfinden«, sagte ich. »Es wird dann eben nur etwas länger dauern. Ich bitte Sie jedoch zu bedenken, dass Sie in Schwierigkeiten stecken. Auf diesem Boot wurde ein Mann erschossen. Sie sind mit einer Pistole angetroffen worden. Das passt ganz gut zusammen. Eine Kooperation mit uns könnte Ihnen im Hinblick auf ein etwaiges späteres Strafmaß zugutekommen.«
Der junge Mann sprang auf. »Sind Sie verrückt geworden? Was denn für ein Strafmaß? Ich habe niemanden erschossen!«
»Das werden wir sehen«, sagte ich. »Ich könnte auch mutmaßen, dass Sie vorhin die Pistole absichtlich über den Pier ins Wasser geschubst haben. Wie dem auch sei, wir werden die Waffe finden. Taucher sind bereits unterwegs.«
»Dann wollen wir mal«, sagte Detective Howards, stand auf und nahm den Verdächtigen am Arm. »Sie kommen jetzt erst mal mit aufs Revier, wo wir Sie erkennungsdienstlich behandeln und einem Drogentest unterziehen werden. Danach dürfen Sie in einer unserer Arrestzellen übernachten. Und morgen sehen wir weiter.«
Ich befand mich in einem echten Dilemma. Einerseits wollte ich in Ruhe meinen Ermittlungen nachgehen. Andererseits konnte ich eine Kollegin, die in den Fall schon involviert war, nicht links liegen lassen. Ich hatte vor, erst einmal etwas essen zu gehen und über alles nachzudenken. Allein.
»Gehen wir etwas essen?«, fragte Gretchen Turner.
Innerlich mit den Zähnen knirschend und äußerlich lächelnd, stimmte ich zu. Agent Turner schleppte mich in ein Diner in der Thames Street, wo wir beide einen Hamburger de luxe bestellten. Ihrer Aussage zufolge zur Feier des Tages und meinen Gedanken nach als schmackhaften Abschluss eines Kurzurlaubs, der sich als sehr kurz entpuppt hatte.
Während wir auf unser Essen warteten, gingen wir Agent Turners Notizen durch, die sie direkt in ihr Smartphone getippt und nun auf meines gesandt hatte. Wie der Detective am Tatort erwähnt hatte, handelte es sich bei dem Opfer um Walter Summers, Antiquitätenhändler aus New York, der die Sommermonate in seinem Feriendomizil in Newport verbrachte. Selbst in den Ferienmonaten war er nicht untätig, sondern betrieb in Newport einen Antiquitätenladen, der Agent Turners Notizen zufolge eine wahre Goldgrube sein musste, da er stark von Touristen frequentiert wurde.
»Kannten Sie Walter Summers?«, fragte ich.
Gretchen Turner saugte geräuschvoll ihre Coke durch einen Strohhalm.
»Ein paarmal gesehen. Ein paarmal gegrüßt. Ich bin schließlich nicht dauernd hier, sondern verbringe einen großen Teil meiner Zeit drüben in Providence.« Sie setzte sich kerzengerade auf, wahrscheinlich damit ihre Brüste unter dem engen Shirt gut zu sehen waren, und strich sich mit einer nonchalanten Geste das Haar aus der Stirn. »Im Field Office.«
»Natürlich«, sagte ich und biss in meinen Burger de luxe, der gerade vor mich hingestellt worden war. Agent Turner tat es mir nach und verspeiste genüsslich einen Riesenbissen.
»Der Antiquitätenladen von Walter Summers befindet sich in der Bellevue Avenue«, sagte sie, nachdem sie ausgekaut und sich den Mund abgetupft hatte. »Ich denke, wir sollten uns dort einmal umsehen. Vielleicht finden wir ...«
Agent Turners Handy klingelte. Sie schob es von sich weg, nahm es wieder an sich und schaute aufs Display.
»Shit!«, entfuhr es ihr, bevor sie sich meldete. Nachdem sie freundlich ins Telefon gesäuselt und das Gespräch beendet hatte, verdüsterte sich ihre Miene. »Ich muss ins Office.«
Obwohl mir das in keiner Weise leidtat, machte ich ein betrübtes Gesicht und hoffte, dass Agent Turner nicht merkte, dass es aufgesetzt war. »Alles klar. Dann gehe ich mal zahlen.«
»Das kann ich auch machen«, erwiderte die junge Frau trotzig.
»Wenn Sie sich einen Obolus vom New Yorker FBI entgehen lassen wollen, nur zu«, sagte ich.
Agent Turner grinste und hob zum Abschied die Hand.
Irgendwo musste ich mit meinen Ermittlungen anfangen. Also beschloss ich, den Antiquitätenladen von Walter Summers aufzusuchen. Da es ein lauer Septembertag war und meine Recherchen im Internet ergeben hatten, dass ich bis zum Laden höchstens zwanzig Minuten zu laufen hatte, ließ ich den Jaguar stehen und machte mich zu Fuß auf den Weg.
Ich marschierte die Pelham Street vom Anfang bis zum Ende und begab mich dann Richtung Süden auf die Bellevue Avenue. Summers' Laden, das Bellevue Antiques, befand sich in einer Reihe von Einzelhandelsgeschäften im Erdgeschoss eines Mietshauses. Das Ladenlokal war von außen mit seinen Sprossenfenstern und Blumenkübeln hübsch anzusehen und machte Lust darauf einzutreten.
Da es draußen noch nicht angefangen hatte zu dämmern, fiel noch Licht in den Laden. Davon abgesehen war er auch durch etliche Lampen aus verschiedenen Epochen erleuchtet, die freundlich auf die antiken Möbel und Accessoires schienen.
Ein gut aussehender Mann mit blonden Locken, der an einen Cherub erinnerte, segelte auf mich zu. »Kann ich Ihnen helfen? Wir haben ganz neue Jugendstilanrichten und Sekretäre aus der Belle Epoque.«
»Schon möglich, dass Sie mir helfen können«, erwiderte ich und präsentierte ihm meine Dienstmarke.
Der junge Mann sah mich entsetzt an. »FBI? Wo ist Walter? Er hätte längst hier sein sollen. Er ist bereits seit ein paar Stunden überfällig.«