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Eine neuartige synthetische Droge flutete den Markt, gefährlicher als alles, was momentan im Umlauf war. Offenbar war ein neuer Player auf dem Spielfeld. Mit dem Einstieg in das Drogengeschäft geriet er jedoch in direkte Konkurrenz zur Cosa Nostra. Die Zahl der Dealer, die in Brooklyn eines gewaltsamen Todes starben, stieg und stieg. Höchste Zeit für uns vom FBI, in dieses gefährliche Spiel einzugreifen!
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Seitenzahl: 113
Veröffentlichungsjahr: 2024
Cover
Eine Messerspitze Stoff
Vorschau
Impressum
Eine Messerspitze Stoff
Sabrina blickte herablassend, als sie Luca Santori entdeckte, der ihr mit erwartungsvoll grinsendem Gesicht entgegenkam. Er zeigte ihr seine geschlossene Faust. Etwas verbarg er darin. Etwas Geheimnisvolles.
Sabrina bemühte sich um eine gleichgültige Miene. Vielleicht konnte sie Luca auf diese Weise davon abhalten, sich weiterhin um sie zu bemühen. Er war absolut nicht ihr Typ. Vor wenigen Tagen erst hatten sie sich kennengelernt. Seither bedrängte er sie.
Sie schüttelte abweisend den Kopf und hoffte, er möge das als Abfuhr verstehen. Doch sie bemerkte bald, dass ihre Bemühungen von keinem Erfolg gekrönt waren. Ihr Blick wechselte von herablassend zu verächtlich.
Direkt vor ihr blieb Luca stehen. Jetzt öffnete er die Faust. Sabrinas Augen weiteten sich in panischem Entsetzen.
Luca Santori wusste über die an Panik grenzende Abneigung Bescheid, die Sabrina jeder Art von Ungeziefer entgegenbrachte. Spinnen zählten in ihren Augen zu Ungeziefer. Spinnen jener Gattung, wie Luca eine in der Hand hielt, kamen im Großraum von New York nicht vor, zumindest nicht lebend und in Freiheit. Aber wer dachte schon daran, wenn er einem dieser achtbeinigen Monster ins Auge blickte? Diese Art fand hier nicht ihren natürlichen Lebensraum vor. Es gab jedoch genügend Menschen, die eine Vorliebe für exotische und dazu wehrhafte Tiere besaßen und denen es wenig ausmachte, wenn ihre Lieblinge einen anderen Menschen zu Tode erschreckten.
Das, was Luca in der Hand hielt, sah aus wie eine Brasilianische Wanderspinne. Man musste diese Spinnenart gar nicht erkennen können, um zu wissen, dass sie gefährlich war, wenn man sich vor Spinnen fürchtete. Der Anblick des typischen Spinnenkörpers mit seinen acht Beinen genügte üblicherweise, um die gewünschte Reaktion hervorzurufen.
In diesem Fall handelte es sich um keine echte Spinne. Es war eine täuschend echte Nachbildung – aus Schokolade. Das konnte man nicht gleich erkennen.
Nun zählte sich Luca Santori nicht gerade zu den Menschenfreunden, der Sabrina de Angelis eine Freude bereiten wollte. Ganz im Gegenteil. Er weidete sich an dem zur Schau gestellten Ekel. Er streckte seine Hand bis dicht vor ihr Gesicht aus, sah, wie sie zurückwich, und griff mit seiner freien Hand nach ihr, hielt sie fest.
»Ist doch nicht echt«, spottete er. Wenn Sabrina nicht so in Panik geraten wäre, hätte sie den Geruch der Schokolade wahrnehmen können.
Sie ohrfeigte ihn.
Es war wohl mehr die Überraschung als der Schmerz, der Luca reagieren ließ. Seine Aggressivität übernahm die Kontrolle.
Er ließ ihren Arm los und griff ihr brutal ins Gesicht. Die Hand umschloss ihr Kinn, und die Finger pressten ihren Unterkiefer zusammen, dass ein Schmerzensschrei aus ihrem Mund drang.
»Mund auf!«, befahl er und presste seine Finger zwischen ihre Zähne. Er schob die Schokospinne in ihren Mund. »Schluck endlich!«, rief er barsch. »Ist nur Schokolade!«
Luca beobachtete ungerührt, wie Sabrina mit ihrer Zunge die Süßigkeit herauszudrücken versuchte.
Schließlich hielt er ihr Nase und Mund zu, wie es manche Eltern bei kleinen Kindern machten, die ihre Medizin nicht schlucken wollten.
Sabrina kam dagegen nicht lange an. Als ihr die Luft wegzubleiben drohte, schluckte sie.
Einen Tag später war sie tot.
Die drei Männer weckten bei Willy Wynette von der ersten Sekunde an Verdacht. Seine Linke von glitt unter die Arbeitsplatte und suchte nach dem Alarmknopf. Er konnte ihn jederzeit betätigen, wenn es notwendig war.
In der ersten Sekunde hatte er gedacht, dass eine Truppe Betrunkener auf ihn zukam, aber schon wenige Augenblicke später tippte er eher darauf, dass die Männer mit Drogen vollgepumpt waren, denn Betrunkene bewegten sich selten so zielstrebig und sicher auf den Beinen. Ihr Gehabe sprach dagegen, dass es sich um nüchterne Männer handelte. Ihre grinsenden Gesichter unterschieden sie vor allem von den restlichen Bankkunden.
»Wir brauchen Geld!«, forderte der erste.
Der zweite nickte nur blöd und hielt plötzlich einen Revolver in der Hand. »Und zwar schnell!«
Er drückte ab.
Die Kugel stanzte eine Delle in das schusssichere Glas vor Willy Wynette. Es zersprang in tausend Risse, es hielt jedoch stand.
Wynette hatte längst den Knopf unter der Tischplatte gedrückt. Der Alarm schrillte. Das laute Geräusch entlockte den drei Bankräubern nur einen Lacher. Zumindest sahen sie alles andere als erschrocken oder panisch aus. Sie mussten doch wissen, dass in derselben Sekunde auch in dem nicht weit entfernten Polizeirevier der Alarm ertönte und es deshalb nicht einmal drei Minuten dauern dürfte, bis die Cops die Bank stürmten.
Der Kerl mit der Waffe machte sich mit dem Lauf seiner Waffe auf die Suche nach einem neuen Opfer. Das hatte er gleich gefunden, denn nur drei Schritte neben ihm stand eine Kundin, eine ältere Lady, die ihre Handtasche umklammert hielt.
»Da sind wohl deine Ersparnisse drin?«, rief er in einem Ton, als fände er das lustig.
Die alte Lady war so geschockt, dass sie keinen Ton herausbrachte. Entsetzt trat sie einen Schritt zurück.
»Stehen bleiben!«, forderte der Kerl sie auf. »Du bist jetzt meine Geisel. Du bist meine Lebensversicherung.«
»Stimmt, aber zuerst brauchen wir das Geld!«, rief der erste Bankräuber.
Die drei handelten so, als wären sie vollkommen allein handlungsfähig in dem Schalterraum und niemand dächte auch nur daran, Widerstand zu leisten.
»Her mit dem Geld! Wird es bald? Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit!«, forderte der dritte Bankräuber. Auch er richtete seine Waffe auf Wynette, ungeachtet der Tatsache, dass Wynette hinter der schusssicheren Scheibe in Sicherheit saß und eine auf ihn gerichtete Waffe ihm kaum gefährlich werden konnte.
Willy Wynette hielt es dennoch für ratsam, der Aufforderung nachzukommen. Dieser Banküberfall war bereits der dritte, den er erlebte. Doch solch ein Überfall war ihm bislang nicht untergekommen. Die drei handelten unberechenbar. Jederzeit konnte ihr deutlich zur Schau getragenes Hochgefühl ins Gegenteil umschlagen. Dann würden sie bedenkenlos ihre Waffen einsetzen.
Um Zeit zu gewinnen und seinen guten Willen zu beweisen, räumte er die Geldlade vor sich aus. Die kleinen Scheine zuerst.
Die Augen des Bankräubers nahmen einen gierigen Glanz an. Als der erste größere Schein aus der Geldlade kam, griff er nach der flachen Schublade, die man unter dem Sicherheitsglas durchschieben konnte, und drückte sie in den Raum hinter der Glasscheibe. Willy Wynette verstand das als Aufforderung, als genügten dem Bankräuber die Scheine, die er bislang hervorgeholt hatte.
Er füllte die Schublade und schob sie zurück. Der Bankräuber griff hinein und stopfte die Geldscheine in seine Jackentasche. Ein siegreiches Grinsen zog seinen Mund in die Länge.
Das war genau die Sekunde, in der fünf Polizisten den Bankraum stürmten.
»Waffen fallen lassen!«
»He, die stören unsere ganze Aktion!«, sagte einer der Räuber in einem Ton, als empfände er die Aufforderung lediglich als störend, keinesfalls aber als gefährlich. Er drehte sich gemächlich um und schoss, ohne zu zielen, auf die Polizisten.
Der Knall dröhnte laut in dem Raum. Einer der Cops fuhr erschrocken zurück. Das Geschoss erwischte einige Haare, doch der Beamte besaß das unwahrscheinliche Glück, dass er gerade einen Schritt getan hatte, der ihn aus der Flugbahn der Kugel gebracht hatte.
Für den Polizisten, der daneben sah das anders aus. Er glaubte offenbar, dass auf seinen Nachbarn ein gezielter Schuss abgegeben worden war. Auch er schoss.
Im Gegensatz zu dem Bankräuber traf er.
Als die beiden anderen Räuber das erste Blut spritzen sahen, ging eine erstaunliche Änderung mit ihnen vor.
»He, er fliegt ins Paradies!«, jubelte derjenige, der als Erster von Willy Wynette Geld gefordert hatte.
Es schien, als hätten beide Bankräuber die letzten Minuten ihres Lebens vergessen. Sie gingen mit weit ausgebreiteten Armen aufeinander zu, umarmten sich, vollführten springende, tanzende Bewegungen.
Die Cops ließen sich dadurch nicht beirren. Sie nutzten die Chance. Auch die alte Lady, die der eine Bankräuber als Geisel hatte nehmen wollen, flüchtete sich hinter den nächsten heraneilenden Bankangestellten.
Willy Wynette hatte das Ungewöhnliche des Augenblicks intuitiv erfasst.
Die Bankräuber führten einen Freudentanz zum Tod ihres Freundes auf.
Sie nahmen es nicht einmal übel, dass die Cops bei ihrer Festnahme alles andere als sanft verfuhren.
»Es ist allein der Hartnäckigkeit der Angehörigen von Sabrina de Angelis zu verdanken, dass bei ihrer Obduktion gezielt nach Substanzen gesucht wurde, die für ihren Tod verantwortlich gemacht werden können. Dabei konnte ein neuartiges Opioid festgestellt werden. Nachdem das einmal entdeckt worden war, wurde es bald bei weiteren Opfern nachgewiesen. Mich interessierte, wie diese Kreation in den Umlauf kam, deshalb habe ich die Agents Cotton und Decker mit dieser Sache betraut.«
Mr High hatte seine Agents in seinem Büro versammelt. Für Small Talk ließ er uns keine Zeit. Er sprach gleich weiter.
»Es ist vor allem die fatale Wirkung dieses neuartigen Opioids auf das Gehirn, die mir Sorgen bereitet. Um das eindringlich jedermann klar vor Augen zu führen, informieren Sie, Jerry, Ihre Kollegen darüber, was Sie bislang herausgefunden haben.« Dabei blickte er mich an.
Außer Phil und meiner Wenigkeit standen Steve Dillaggio und Zeerookah sowie Kristen Steele und Dionne Jackson rund um den Schreibtisch von Mr High.
»Es begann, wie gesagt, mit dem Mord an Sabrina de Angelis.«
Eine tote junge Frau war normalerweise kein Grund, der das FBI zum Einschreiten zwang, selbst dann nicht, wenn durch eine Obduktion festgestellt wurde, wie die Frau zu Tode gekommen war.
»Am Körper der Toten fanden sich weder Spuren eines Kampfes – das würde auf eine Gewaltanwendung hinweisen – noch Einstichstellen von Nadeln, wie sie für Rauschgiftsüchtige typisch sind. Die Tote litt an keiner bekannten Krankheit.«
»Was war das Ergebnis der Obduktion?«, fragte Steve.
»Das Vorhandensein einer nicht gleich zuordbaren Substanz. Die Konzentration des Stoffs fand sich in einer unverhältnismäßigen Menge im Körper, die eindeutig auf Mord hinweist. Die Ärzte beschäftigten sich genauer mit dieser Substanz und konnten sie in ihre Einzelteile zerlegen.«
»Und?«, fragte Zeerookah.
»Einer der Mediziner, der bei der Obduktion mitgewirkt hatte, heißt Harold Minssen. Am nächsten Tag lag erneut eine Leiche auf seinem Tisch. Diesmal schien die Sache noch eindeutiger. Der Tote war auf den ersten Blick als Junkie zu erkennen. Beide Arme waren regelrecht übersät mit Einstichen. Auch der restliche Zustand des Körpers zeigte eindeutige Zeichen von seinem Lebenswandel. Dennoch arbeiteten die Ärzte gewissenhaft und bemühten auch das Labor um genaue Analysen. Als dann aus dem Labor ein erstes – mit Vorsicht zu genießendes – Ergebnis kam, erinnerte sich Doktor Minssen plötzlich ...«
Ich schwieg für einige Sekunden und vergegenwärtigte mir das Gespräch, das ich mit ihm geführt hatte. Dr. Minssen gab mir zu verstehen, dass sich auch bei dieser Leiche diese bislang unbekannte Substanz gefunden hatte.
»Der Tote hatte zusammen mit zwei anderen Junkies eine Bank überfallen. Sie sind so dilettantisch dabei vorgegangen, dass die Cops keine Mühe hatten, sie zu überwältigen. Bemerkenswert ist zuallererst der Umstand, dass bei den verhinderten Bankräubern eine richtiggehende Todessehnsucht beobachtet werden konnte. Auf meine Nachfrage hin bestätigte mir Doktor Minssen, dass die neue Substanz die Wahrnehmung im Gehirn verändert, und zwar auf Dauer.«
»Dieses Ergebnis aus der Klinik alarmierte mich«, übernahm Mr High wieder das Wort. Er schüttelte wiederholt den Kopf. »Ich vertraue meinem Instinkt. Ich spüre es, wenn etwas im Busch ist. Die ersten Mafiafamilien werden bereits unruhig, wie mir ein Informant glaubhaft versichert. Das bedeutet nichts anderes, als dass auch die Familien nicht wissen, wer diesen Stoff vertreibt. Und wenn sich die Unterwelt ebenfalls auf die Suche nach dem Erzeuger des neuen Stoffs macht, können wir uns auf gewaltreiche Tage einstellen.«
Steve nickte.
»Gestern kam es zu diesem Banküberfall mit den bekannten Folgen nach der Festnahme der Täter. Die Gehirne der überlebenden Bankräuber arbeiten zwar allem Anschein nach normal weiter, aber sie kommen ihrer eigentlichen Aufgabe nicht mehr nach, das heißt, sie koordinieren die einkommenden Impulse nicht mehr. Die drei Bankräuber sind leider keine Einzelfälle, wenn auch bislang die einzigen, die ein Verbrechen verübt haben.«
»Und wie gehen wir damit um?«, fragte Dionne.
»Ich habe einen Mitarbeiter auf die Belegungslisten der Kliniken angesetzt. Die werden regelrecht überschwemmt mit den Opfern gerade dieses Opiats. Jetzt, im Nachhinein, lässt sich das leicht feststellen, da die Labors wissen, wonach sie suchen müssen. Die meisten Opfer sind auf der Straße umgekippt. Gut die Hälfte der Opfer überlebt dieses erste Mal nicht.«
»Damit ist diese Droge für den normalen Rauschgifthandel nicht zu gebrauchen«, stellte Zeerookah fest.
»Richtig. Das Syndikat kann kein Interesse daran haben, dass die Kunden sterben, anstatt durch ihre Sucht weiterhin ihre Kassen klingen zu lassen.«
Die Gesichter meiner Kollegen zeigten inzwischen die gleiche Betroffenheit wie Mr Highs.
»Weitere auffällige Gemeinsamkeiten lassen sich feststellen: der Ort.«
»Inwiefern?«, fragte Kristen.
»In der letzten Woche starben vier Dealer einen gewaltsamen Tod. Sie alle verhökerten die Dogen der Cosa Nostra. Die neue Substanz konnte bei ihnen nicht festgestellt werden. Auf den ersten Blick haben sie nichts mit unserem Fall zu tun. Ich wurde hellhörig, weil all diese Junkies ihre Drogen in den Straßen rund um die Busstation des Prospect Park vertrieben haben. Und gerade in diesem Gebiet häufen sich die Fälle, bei denen der neue Stoff nachzuweisen ist.«
Kristen nickte.
»Es kann sich um Zufall handeln, nur daran glaube ich nicht. Die Gegend um den Prospect Park scheint zu einem heiß umkämpften Ort geworden zu sein. Steht hier ein Gebietskrieg unmittelbar bevor? Dieser Kampf darf nicht in einen Krieg ausarten. Und natürlich suchen wir das Labor, in dem die Droge hergestellt wird«, endete Mr High.
»Sie vermuten das Labor in New York, Sir?«, erkundigte ich mich.
»Es spricht alles dafür. Ich wage sogar, den Standort des Labors noch enger einzugrenzen, denn bislang ist die neue Substanz nur in Brooklyn aufgetaucht. Irgendein Tüftler hat diese Droge entwickelt und bringt sie unter die Leute. Die Tatsache, dass sie noch nicht weiterverbreitet ist, lässt einige Vermutungen zu.«
»Die Kapazität des Labors dürfte demnach beschränkt sein«, vermutete Kristen.
»Sie sagen es, Kristen«, sagte Mr High. »In jedem anderen Fall wäre die Droge längst in die anderen Bezirke übergeschwappt. Das ist ein weiteres Indiz dafür, dass die alteingesessenen Familien nicht darin involviert sind.«