Jerry Cotton 3536 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 3536 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Ein Informant hatte dem FBI einen heißen Tipp gegeben. Eine größere Menge Rauschgift wurde aus Mexiko erwartet. Dabei handelte es sich um einen neuartigen synthetischen Stoff, der nicht nur besonders günstig in der Anschaffung war, sondern auch schnell süchtig machte und teuer verkauft werden konnte. Für wen konnte die Lieferung gedacht sein? Infrage kamen die konkurrierenden Syndikate von Cameron Leftside und Barren Master. In den vergangenen Wochen hatten sich die Anzeichen gemehrt, dass die beiden um die Vorherrschaft der New Yorker Drogenszene rangen. Allerdings sollte Leftside schwer erkrankt sein, und es gingen Gerüchte um, dass er sich bald für immer aus dem Geschäft zurückziehen könnte. Außerdem hatte es in jüngster Zeit einige Vorfälle gegeben, die darauf schließen ließen, dass Master über Informationen aus den Reihen der Polizei verfügte ...

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Seitenzahl: 145

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Cover

Wie ein Vulkan

Vorschau

Impressum

Wie ein Vulkan

Nach dem dritten Läuten wurde der Anruf angenommen.

»Hallo?«, hörte Barren Master die inzwischen vertraute Stimme seines Gesprächspartners.

»Ich bin's«, meldete er sich. Es war nicht notwendig, seinen Namen zu nennen. Die Nummer war allein zu dem Zweck eingerichtet worden, damit sie miteinander in Kontakt treten konnten. »Ich habe einen neuen Auftrag. Etwas Heißes.«

»Länger nichts von Ihnen gehört«, lautete die Antwort. »Wie heiß genau?«

»Ich will's mal so ausdrücken: Wenn Sie bisher nur über der Bluse fummeln durften, haben Sie jetzt die Finger am Hö‍schen. Verstehen Sie?«

»Absolut. Schießen Sie los.«

Die junge Schwarze lächelte und stellte den braun-weiß gestreiften Becher auf dem Tresen ab. Colton Brooks achtete darauf, dass seine Finger nur den hellgrauen Schutzring aus Pappe berührten, den sie zuvor darüber gestreift hatte.

Jackson's Coffee Shop an der Ecke Sutter Avenue und Legion Street im Stadtteil Brownsville befand sich in keinem guten Zustand. Die Fensterscheiben hätten dringend geputzt werden müssen, und der Boden klebte an wöchentlich wechselnden Stellen. Dafür war der Kaffee heiß wie Lava und so stark, dass einem die Hände zitterten, wenn man zu viel davon trank. Genau nach Brooks' Geschmack.

Er bedankte sich, verließ den Laden und ging zu seinem blau-weißen Streifenwagen zurück, den er auf der anderen Straßenseite geparkt hatte. Während er sich hinter das Steuer des Ford Fusion klemmte, kreisten seine Gedanken um die junge Bedienung. Obwohl er regelmäßig im Jackson's reinschaute, war er ihr heute zum ersten Mal begegnet. Das ließ darauf schließen, dass sie seit Kurzem dort arbeitete und in wenigen Wochen bestimmt wieder verschwunden sein würde, wie so viele vor ihr.

»Die jungen Weiber heutzutage wollen einen Haufen Kohle verdienen, sind sich aber zu fein, mal richtig ranzuklotzen«, hatte ihm der Inhaber Greg Jackson, ein massiger Bursche, eines Tages ungefragt und mit seltsamer verwaschener Aussprache erklärt, als hätte er drei Kaugummis gleichzeitig im Mund. »Nicht mit mir, Officer, nicht mit mir. Wer nicht spurt, fliegt raus, da mache ich gar nicht lange rum. Sehe nicht ein, mir von ein paar Faulenzerinnen die Haare vom Kopf fressen zu lassen. Hab eh kaum noch welche.«

Sein gieriger Blick, der während seiner Tirade auf dem Hinterteil seiner damaligen Angestellten geheftet blieb, ließ Brooks vermuten, dass es für die hohe Fluktuation in dem Laden noch ein paar andere Gründe gab. Das behielt er allerdings für sich. Sich mit Jackson anzulegen, würde die Dinge nicht ändern, und er hätte ungern künftig auf den guten Kaffee verzichtet. Sowieso hatte er es sich abgewöhnt, sich über derlei Kleinigkeiten aufzuregen.

In dieser Stadt gab es wesentlich schlimmere Dinge, wie er nur zu gut wusste. Viel schlimmere. Zum Beispiel Süchtige, die im Drogenrausch unschuldige Menschen überfielen, um sie zu bestehlen, und sie dabei umbrachten. Einfach so ihr Leben beendeten. Aus dem einzigen Grund, weil sie scharf auf ein paar Dollars waren.

Er schluckte den aufkommenden Kloß in seinem Hals herunter und nippte an seinem Kaffee, der nach wie vor heiß, jedoch ausreichend abgekühlt war, um ihn trinken zu können, ohne sich die Zunge zu verbrennen. Dabei ließ er seine Augen über die Straße vor ihm wandern. Jackson's Coffee Shop befand sich in einem Wohngebiet. An diesem Vormittag war kaum eine Menschenseele unterwegs.

»An alle verfügbaren Streifenwagen«, riss ihn die Stimme aus dem Funkgerät aus den Gedanken. »Einsatz an der Howard Avenue, Ecke Sutter Avenue. Vermutlich Raubüberfall. Weibliches Opfer, angeblich schwer verletzt. Täter noch vor Ort. Rettungsdienst ist alarmiert.«

Das lag ganz in der Nähe. Rasch ließ er den Pappbecher in dem Getränkehalter unter dem Tablet auf der Mittelkonsole verschwinden, startete den Motor, informierte gleichzeitig die Zentrale und bog keine Minute später in die Howard Avenue ein.

Obwohl seit der Meldung kaum Zeit vergangen war, hatte es ein Kollege geschafft, vor ihm am Tatort zu sein. Neben dessen Streifenwagen lag eine Frau auf dem Gehweg. Ein junges Paar stand drei Schritte entfernt und starrte auf das Opfer. Das Entsetzen war ihnen ins Gesicht geschrieben.

Brooks stellte den Ford ab und sprang aus dem Auto. Von fern näherten sich Sirenen.

Der erste Officer kniete neben der Verletzten. Ihre Augen waren geschlossen, das Gesicht hatte sich in eine breiige rote Masse verwandelt. Allein die Tatsache, dass sich ihre Brust hob und senkte, ließ darauf schließen, dass sie am Leben war. Brooks spürte die Wut in sich auflodern. Wie Flammen, in die jemand Spiritus geschüttet hatte. Er kannte das Gefühl nur zu gut. Der Vulkan in seinem Inneren erwachte.

Sein Kollege bemerkte ihn und hob den Kopf. Er war jung. Ein Frischling mit Babyspeck und kurz geschnittenem blonden Haar. Sein Blick flackerte. Auf Brooks machte er den Eindruck, als wäre er lieber irgendwo anders. Vielleicht war es das erste Mal, dass er ein derart zugerichtetes Opfer zu Gesicht bekam.

»Der Kerl ist über die Feuerleiter geflüchtet«, sagte er und deutete auf ein rotbraunes Backsteingebäude ein Stück die Straße hoch. »Ich habe gesehen, wie er auf die Frau eingeschlagen hat, obwohl sie sich nicht mehr gerührt hat. Als er mich bemerkt hat, ist er abgehauen.«

»Wieso hast du ihn nicht verfolgt?«

»Ich ... ich wollte sie nicht allein lassen. Ich ...«

Brooks wartete die weitere Antwort nicht ab, warf sich herum und rannte in Richtung des Gebäudes. Die untere Leiter war so tief heruntergelassen, dass er sie mit einem Sprung erreichen konnte. Keuchend zog er sich hoch. Mit seinen einundfünfzig Jahren war er nicht mehr der Jüngste, doch er trieb regelmäßig Sport und achtete auf seine Ernährung, wodurch er sich die schlanke und sehnige Figur aus besseren Tagen bewahrt hatte.

Er erreichte den ersten Balkon und eilte die Treppe hinauf. Aus dem Augenwinkel sah er einen Rettungswagen auf der Straße unter ihm heranrasen. Die nächste Treppe, dann war er im dritten und obersten Stockwerk angelangt. Eine der beiden Balkontüren war eingeschlagen worden. Gezackte Scherben ragten aus dem Rahmen. Zwischen den Glassplittern auf dem Boden war Blut. Der Täter musste sich verletzt haben. Scheinbar hatte er die Scheibe eingetreten.

Brooks zog die Glock aus dem Holster an seinem Waffengürtel und steckte den Kopf ins Innere des Apartments. Aus dem großen Bett an der linken Wand schloss er, dass es sich um das Schlafzimmer handelte. Ein schwarzer Büstenhalter lag auf der weißen Bettdecke, als hätte ihn jemand dort zur Dekoration drapiert. Dicke Blutstropfen führten zu einer offen stehenden Tür.

Ein grimmiges Lächeln umspielte Brooks' Mundwinkel. Eine deutlichere Spur hätte er sich kaum wünschen können. Mit der Waffe im Anschlag folgte er ihr in den Flur, wobei er es vermied, sich an den Scherben zu schneiden. Von dort führte sie durch die wiederum geöffnete Apartmenttür ins Treppenhaus. Er hatte damit gerechnet, dass der Flüchtige nach unten gerannt war, die Blutspur führte jedoch nach oben. Daraus folgerte Brooks, dass der Täter vollkommen kopflos handelte. Von dort konnte es kein Entkommen geben. Es sei denn, er hatte vor, vom Dach zu springen.

So lautlos wie möglich huschte er die Stufen hinauf, bis er vor einer Stahltür stand. Mit der linken Hand drehte er den Knauf und stemmte sich gleichzeitig mit der Schulter dagegen. Leise quietschend schwang die Tür auf. Dahinter befand sich das Dach.

Er entdeckte ihn sofort. Ein Typ in Jeans und mit einem überlangen orangefarbenen T-Shirt, das ihm fast bis zu den Knien reichte wie eine römische Tunika. Darüber trug er eine speckige braune Lederjacke. Dunkles, lockiges Haar fiel ihm bis auf die Schultern, seine Füße steckten in löchrigen Turnschuhen. Vor der kaum hüfthohen Dachbegrenzung sprang er hektisch auf und ab und starrte dabei auf die Straße unter ihm, als hoffte er, dass jemand ein Sprungtuch für ihn ausbreiten oder irgendein Wunder geschehen würde. Damit war er so beschäftigt, dass er Brooks erst bemerkte, als er fast direkt hinter ihm stand.

»Umdrehen«, herrschte Brooks ihn an.

Er wirbelte herum. Seine Haut hatte die Farbe von Kerzenwachs. Schweiß stand auf seiner Stirn. Der linke Jackenärmel war auf Höhe des Oberarms aufgeschlitzt. Blut tropfte aus der Wunde. Brooks fiel auf, dass die Pupillen Stecknadelköpfen glichen. Vor ihm stand ein Junkie, zugedröhnt bis zum Kragen. Eine miese kleine Ratte. Im Lauf der Jahre hatte er dafür einen Blick entwickelt.

»Scheiße«, entfuhr es dem Typen. »Scheiße, scheiße, scheiße. Ein Cop. Scheiße.«

Vor Brooks' geistigem Auge erschien die junge Frau, die auf der Straße lag. Wie eine Maske schob sich Sharons Gesicht über ihres. Er musste blinzeln, sein Mund wurde schlagartig trocken. Das Feuer des Zorns glich jetzt dem Inferno eines Waldbrands. Ihm wurde heiß. Ein Vulkan kurz vor dem Ausbruch. Das Gefühl war ihm allzu vertraut.

»Warum hast du das getan?«, zischte er und trat einen Schritt auf die Ratte zu. »Wieso musstest du die Frau so zurichten?«

»Sie verstehen das nicht, Mann.«

»Dann lass es mich verstehen.«

Die Tatsache, dass der kleine Dreckskerl zu heulen anfing, ließ ihn das Gesicht verziehen. Das hatte er viel zu oft erlebt. Erst stellten sie etwas Schreckliches an, danach tat ihnen alles furchtbar leid.

»Ich wollte bloß ein bisschen Geld«, schluchzte er. »Für meinen Stoff. Die Schlampe hatte ein Chanel-Shirt an, also muss sie was auf der Kante haben. Ich jedenfalls kann mir solche Klamotten nicht leisten. Aber sie wollte es mir nicht geben.«

»Und deshalb hast du sie so bearbeitet, dass ihr Gesicht aussieht wie eine Schüssel explodierter Tomaten?« Flüssige Flammen rannen durch seine Adern.

»Das wollte ich nicht. Ehrlich, das war nicht meine Absicht. Ich wurde wütend, und wenn ich wütend bin, habe ich mich nicht im Griff. Vor allem, wenn ich dieses neue Zeug genommen habe. Sie müssen mir glauben, Mann.«

»Wie ist dein Name?«

»Luke. Ich heiße Luke. Sie müssen ...«

Brooks' Hand mit der Pistole zuckte vor, schnell und hart. Die Mündung brach das Nasenbein des Junkies, der einen gellenden Schrei ausstieß. Etwas knackte laut und vernehmlich, Blut schoss aus beiden Nasenlöchern. Brooks packte ihn am Ausschnitt seines Shirts, drängte ihn gegen die Mauer und drückte seinen Oberkörper über die Kante. Die Ratte bekam Augen wie Untertassen.

»Lassen Sie mich los!«, kreischte er und wedelte in der verzweifelten Suche nach Halt mit beiden Armen durch die Luft. »Bitte, tun Sie das nicht! Scheiße, tun Sie das nicht!«

Brooks beugte sich vor, bis sein Mund ganz nah am Ohr der Ratte war.

»Kannst du mir einen Menschen nennen, der dich Stück Dreck vermissen würde, Luke? Bloß einen einzigen? Glaubst du nicht, dass diese Welt ein besserer Ort sein wird, sobald du dich nicht mehr darauf befindest?«

»Bitte ...«

Der Junkie wand sich, doch gegen Brooks' eisernen Griff hatte er keine Chance.

»Alles, was du in deinem Leben zustande gebracht hast, ist anderen Leuten zu schaden, sie zu bestehlen und zu verletzen. Ist es nicht so, Luke? Ich gehe jede Wette ein, dass ich recht damit habe.«

»Bitte ...«

»Würde ich dich vom Dach werfen, täte ich uns allen einen Gefallen. Ein kleines Stück Erlösung für die von Abschaum wie dir geplagte Menschheit, halleluja. Leider gibt es da eine Sache, die mich davon abhält, und das ist meine Uniform. Du hast Glück, dass ich an diese Uniform glaube. Dass mir im Gegensatz zu dir Recht und Gesetz etwas bedeuten, sonst wärst du jetzt schon tot, und ich würde von diesem Dach hinuntersteigen und lachend auf deine Überreste pissen.«

»Bitte ...«

Tränenströme liefen ihm übers Gesicht und vermischten sich mit dem Blut unter seiner Nase.

»Äh, Sir?«

Brooks wandte den Kopf. Der Officer mit dem Babyspeck stand an der Tür. Sein Gesicht war nicht mehr blass, sondern knallrot.

»Das Zeug gehört zu den teuflischsten Drogen, die mir bislang begegnet sind«, erklärte Mr High und schürzte die Lippen. »Cloud Booster macht nicht nur rasend schnell abhängig, sondern übt außerdem eine stark enthemmende Wirkung aus, sodass sich selbst die friedlichsten Zeitgenossen in brutale Schläger verwandeln.«

»Die Nebenwirkungen scheinen in der Tat schlimmer zu sein als bei jeder anderen bekannten Droge«, kommentierte Phil, der neben mir vor Mr Highs Schreibtisch saß.

»Diese Süchtigen sind wie wandelnde Zeitbomben, für ihr Umfeld ebenso wie für sich selbst. Wie Sie wissen, vermuten die Kollegen von der DEA, dass Cloud Booster in einem Labor in Mexiko erfunden wurde. In den vergangenen Monaten ist es den mexikanischen Behörden zum Glück gelungen, gleich mehrere Produzenten aus dem Verkehr zu ziehen. Der Nachschub wird knapp, was die Preise enorm hat steigen lassen.«

Ich nickte.

»Ich für meinen Teil wäre schon zufrieden, wenn unsere Stadt künftig davon verschont bleibt. Womit wir beim Thema wären, Gentlemen. Uns liegen Informationen vor, dass eine größere Menge in New York erwartet wird oder sogar schon eingetroffen ist. Angeblich stammt es direkt aus Mexiko. Die dortigen Behörden haben vor drei Tagen ein Syndikat in Guadalajara gesprengt. Einer der Verhafteten wusste etwas darüber und hoffte wohl, vor Gericht bessere Karten zu haben, wenn er plaudert.«

»Und?«, fragte Phil.

»Er hatte nicht allzu viel zu berichten. Immerhin wissen wir, dass die mexikanischen Kuriere den Auftrag haben, den Stoff an einen der hiesigen Händler zu übergeben. An wen genau, gehört leider zu den Dingen, die er nicht sagen konnte. Ich lasse Ihnen eine Kopie des Protokolls zukommen.«

»Das bedeutet, dass wir herausfinden müssen, um wen es sich bei diesem Händler handelt«, folgerte ich.

»Richtig, Jerry. Werfen Sie als Erstes ein Auge auf Cameron Leftside und Barren Master. Ich nehme an, die Namen sagen Ihnen etwas.«

Das konnten wir bestätigen. Während Leftside in alle möglichen illegalen Aktivitäten verwickelt war, konzentrierte sich Master unseren Erkenntnissen nach auf das Drogengeschäft. Beiden war gemeinsam, dass sie ziemlich gerissen waren und ihnen persönlich bislang nie etwas hatte nachgewiesen werden können.

»Es gibt Hinweise, dass Master und Leftside um die Vorherrschaft auf dem Drogenmarkt konkurrieren«, fuhr unser Chef fort. »Um Leftsides Gesundheit soll es nicht zum Besten bestellt sein. Man munkelt, dass er mit dem Gedanken spielt, sich aus dem Geschäft zurückzuziehen, was angesichts seines Alters alles andere als verwunderlich wäre. Vergangenen Monat hat er seinen einundachtzigsten Geburtstag gefeiert.«

»Sein Rückzug könnte eine Lücke öffnen, in die Master stoßen möchte«, sagte ich.

»Aber Leftsides Organisation wird sich nicht einfach auflösen, nur weil der Boss in Rente geht«, wandte Phil ein.

»Bis jetzt scheint er keinen Nachfolger in Stellung gebracht zu haben«, sagte Mr High. »Zumindest keinen, von dem wir wüssten. So oder so, die besagte Lieferung könnte dem Empfänger eine Menge Geld in die Kassen spülen. Ein solches Geschäft würde Masters Position in der organisierten Kriminalität verbessern. Für Leftside dagegen wäre es ein schönes Ruhestandsgeld.«

»Wissen wir, um wie viel es sich handelt?«

Mr High schüttelte den Kopf. »Genau leider nicht, Jerry. Der mexikanische Informant sprach von zweihundert Pfund, wobei er sich da nicht sicher war. Es könnten auch mehr oder weniger sein. Bekanntlich handelt es sich bei Cloud Booster um ein Pulver, das in Gelatinekapseln gefüllt wird und sich aufgrund des hohen Wirkungsgrads großzügig strecken lässt. Bei dieser Menge sprechen wir von einem derzeitigen Marktwert von etwa drei Millionen Dollar. Vielleicht mehr.«

Phil pfiff durch die Zähne.

»Da ist noch etwas, das Sie wissen sollten«, fuhr unser Chef fort. »Das NYPD hat den Verdacht, einen Maulwurf in ihren Reihen zu haben. Einen Maulwurf, der auf Barren Masters Lohnliste stehen könnte.«

»Wie kommt das NYPD darauf?«, wollte ich wissen.

»Vor einem knappen Jahr haben die Drogenfahnder einen Tipp bekommen, mit dem sie ihn endlich hätten festnageln können. In Brooklyn sollte im Hof eines vor dem Abriss stehenden Gebäudes ein größerer Heroindeal vonstatten gehen. Master war angeblich persönlich involviert. Der Tipp war gut, der Informant hatte sich in der Vergangenheit als zuverlässig erwiesen.«

»Okay«, sagte ich.

»In der betreffenden Nacht beschatteten die Detectives das Gelände, doch weder Master noch sonst jemand ließ sich blicken. Daraufhin legten sie sich auch in den kommenden Nächten auf die Lauer, wiederum vergeblich. Etwa drei Monate später und seitdem noch einige Male wiederholte sich das Spiel in verschiedenen Varianten. Jedes Mal schien Master zu wissen, dass man ihm auf den Fersen war, was mit ein Grund ist, warum uns in diesem Fall die Federführung übertragen wurde.«

Phil schüttelte den Kopf. »Ein Spitzel unter den eigenen Leuten ... Ich frage mich, wie so jemand morgens in den Spiegel schauen kann.«

»Master lässt sich die Tipps bestimmt einiges kosten«, vermutete ich. »Das Geld wird dem Maulwurf den Anblick versüßen.«

»Dieses Leck zu stopfen, ist allerdings nicht Ihre vorrangige Aufgabe«, beschied uns Mr High. »Sie sollen vor allem verhindern, dass die Drogen auf den Markt gelangen. Können Sie Master oder Leftside dabei aus dem Verkehr ziehen, umso besser. Vergessen Sie jedoch nicht, dass auch jede andere Organisation als Abnehmer infrage kommen könnte. Hüten Sie sich also davor, Scheuklappen anzulegen.«

Wenige Minuten später waren wir auf dem Rückweg in unser Büro.

»Was hältst du davon?«, fragte Phil.

»Die Informationen sind dürftig. Wir haben wenig in der Hand, und der Tippgeber befindet sich außerhalb unserer Reichweite.«

»Gut zusammengefasst. Ich schlage vor, dass wir uns die Aussage von dem Knaben etwas genauer zu Gemüte führen.«

Ich stimmte meinem Partner zu. »Irgendwo müssen wir ja anfangen.«

Captain Fred McArthur saß hinter seinem Schreibtisch und zwirbelte seinen mächtigen grauen Schnauzbart, was er immer tat, wenn er schlechte Nachrichten zu verkünden hatte. Dabei fixierte er das rosafarbene Sparschwein, das neben dem Telefon stand. Auf der bauchigen Keramik war die dunkelblaue Uniform eines Cops aufgemalt, auf dem Schädel trug das Schwein eine Polizistenmütze aus Stoff.

Colton Brooks fragte sich, ob Fred jemals auch nur einen Dollar hineingeworfen, geschweige denn die Sparbüchse geleert hatte. Sie stand stets an genau derselben Stelle und schien in all den Jahren keinen Inch bewegt worden zu sein. Da sich kein Staubfilm gebildet hatte, wurde sie zumindest regelmäßig abgewischt.