Jerry Cotton 3547 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 3547 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Marc Fontana war ein gesuchter Gangster, der ganz oben auf unsere Fahndungsliste stand. Als er in der Bronx einer Polizeistreife auffiel, konnten wir kaum glauben, dass er das Risiko einging, sich im Big Apple zu zeigen. Das konnte nur eines bedeuten: Er hatte etwas vor. Nachdem eine junge Frau in Williamsburg getötet worden war, verdichtete sich der Verdacht. Sie hatte zu Lebzeiten in der Filmproduktionsfirma Fontana Pictures gearbeitet, die Fontanas Ehefrau gehörte. Offenbar war die junge Frau an Informationen gelangt, die ihr gefährlich geworden waren. Und sie sollte nicht das letzte Opfer bleiben ...

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Seitenzahl: 143

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Cover

Blutiger Filmdreh

Vorschau

Impressum

Blutiger Filmdreh

Cassy Wallace sah auf die Uhr. Es war gerade mal halb acht abends. Um sie herum drängten sich Massen von jungen Leuten. Kein Wunder. Das war Williamsburg, der angesagte Stadtbezirk von Brooklyn.

Cassy blieb vor einem Klub stehen, in dem in einer Stunde ein Singer-Songwriter auftreten würde. Sie hatte keine Lust, den Abend allein zu verbringen. Daher blieb sie stehen und zog ihr Handy hervor, um ihre Freundin Vivian anzurufen.

Da bemerkte sie im Augenwinkel eine Gestalt, die ihr bekannt vorkam. Sie wandte den Kopf, doch plötzlich war die Person verschwunden. Hatte sie sich getäuscht? Wahrscheinlich. Sie sah schon Gespenster.

Phil gähnte und rollte mit dem Bürostuhl nach hinten.

»Wenn ich nur noch eine Minute länger auf den Monitor starren muss, falle ich ins Koma«, sagte er und rieb sich die Augen.

»Das wollen wir alle nicht.« Ich grinste. »Sehen wir zu, dass wir Schluss machen. Was hältst du davon, wenn wir den Tag im Mezzogiorno ausklingen lassen?«

Ich war auch ziemlich müde. Wir hatten den Tag früh begonnen und dann Stunde um Stunde mit Aktenstudium verbracht. Diese Tätigkeit war nicht gerade nach unserem Geschmack, musste aber eben auch manchmal sein.

Die Erwähnung unsere Stammrestaurants munterte Phil sichtlich auf.

»Das ist eine gute Idee, Jerry«, sagte er. »Und wenn ich mich recht erinnere, bist du dran mit Zahlen.«

Okay, jetzt war mir klar, warum meinen Partner der Vorschlag so sehr begeistert hatte.

Ich wollte gerade zum Festnetztelefon greifen, um unserem Chef Bescheid zu geben, da klingelte der Apparat. Das Display zeigte eine Nummer des NYPD. So ein Anruf kurz vor Feierabend verhieß nichts Gutes.

Ich meldete mich und hatte eine Sekunde später einen Sergeant Smith von der Stadtpolizei am Ohr.

»Wir haben eine Nachricht, die Sie wahrscheinlich interessiert, Agent Cotton«, erklärte er.

»Und die wäre?«

»Auf Ihrer Fahndungsliste steht ein gewisser Marc Fontana, ist das richtig? Ich habe es gerade in den internen Akten gesehen.«

»Wenn Sie es da gelesen haben, wird es schon stimmen«, gab ich zurück. »Und weiter?«

»Eine Streife hat ihn erkannt«, sagte er. »Ich denke, das sollten Sie wissen.«

»Was heißt denn ›erkannt‹?«, fragte ich. »Haben sie ihn festgenommen? Oder irgendwo gesehen?«

»Sie haben ihn gesehen. In der Bronx. Die Streife ist noch vor Ort, und sie versuchen, ihn zu kriegen.«

Ich bat ihn, mir alle wichtigen Informationen zu geben. Es stellte sich heraus, dass sie Fontana bei einer Routineüberprüfung auf einem Gelände in der Nähe des Bronx River bemerkt hatten. Während ich mir alles aufschrieb, gab ich Phil ein Zeichen. Er hatte mitbekommen, dass sich unser Feierabend gerade in Luft aufgelöst hatte.

Ich beendete das Gespräch mit Sergeant Smith, der uns vom Revier angerufen hatte und selbst gar nicht vor Ort war. Dann gab ich Mr High Bescheid, was passiert war. Wir schnappten uns unsere Jacken und fuhren hinunter in die Tiefgarage, wo mein Jaguar wartete.

»Marc Fontana ...«, sagte Phil, während ich mit Sirene und Warnlicht Richtung Norden raste. »Ich hätte gar nicht gedacht, dass der überhaupt noch in New York ist.«

Ich nickte. Marc Fontana war noch vor einem knappen Jahr einer der einflussreichsten Gangsterbosse von New York gewesen. Er war der Spross einer legendären Mafiafamilie, doch als er das Ruder übernahm, wurden den Fontanas die Geschäfte immer mehr von Konkurrenten aus der Hand gerissen.

Schließlich setzte Fontana alles auf eine Karte und inszenierte einen spektakulären Bankraub, der grandios schiefging. Am Ende kam es zu einer Geiselnahme und einem Feuergefecht mit der Polizei. Die Geisel, eine junge Bankangestellte, verlor ihr Leben. Dazu auch zwei von Fontanas Helfern, die an der Aktion beteiligt waren.

Nur Fontana selbst konnte fliehen. Leider ohne Beute. Gesucht wurde er nicht nur wegen des Bankraubs, sondern auch wegen der vielen Verbrechen, die er als Mafiaboss zu verantworten hatte. Es war ein wahres Geflecht an Vorwürfen von Betrug bis Geldwäsche, von Körperverletzung bis Erpressung.

»Könnte sein, dass sich die Cops da draußen in der Bronx geirrt haben«, sagte ich. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass Fontana ein solche Risiko eingeht. Dennoch müssen wir dem Hinweis nachgehen.«

»Klar.« Phil nickte und lächelte gequält. »Das Mezzogiorno muss warten.«

In der Nähe des Highway 95, der die Bronx als Ost-West-Verbindung durchschnitt, befand sich mitten in dem kurvigen Geflecht aus Highwayzufahrten und Brücken über den Fluss eine Grünfläche mit Sportanlage, die jetzt im Dunkeln lag. Die Stadtoberen hatten hier stark an Beleuchtung gespart, sodass sich nach Einbruch der Dunkelheit niemand mehr hierher verirrte. Parallel zum Fluss verlief eine Bahnlinie, weiter nördlich grenzte das Areal an ein kleines Industriegebiet.

Ich stellte Warnlicht und Sirene ab und ließ den Jaguar in eine Sackgasse rollen, von der ein Fußweg abging. Direkt daneben stand ein blau-weißer Wagen des NYPD. Die rot-blauen Lichter auf dem Dach flackerten. Zwei Polizisten standen daneben und kamen auf uns zu.

»Sind Sie die Agents Cotton und Decker?«, fragte der eine. »Das Gelände ist von unseren Kollegen abgeriegelt. Der Gesuchte befindet sich irgendwo da drin. Egal wo er versucht rauszukommen, er wird es nicht unbemerkt schaffen.«

»Und Sie sind sich sicher, dass es Fontana ist?«, fragte Phil.

»Schauen Sie selbst.« Der Beamte zog sein Diensthandy hervor. Er holte ein Foto aufs Display, das einen Mann auf einem großen Parkplatz zeigte. Der Platz gehörte zu dem angrenzenden Industriegebiet. Dort gab es ausreichend Beleuchtung, die auf dem Foto wie ein gelblicher Schleier wirkte. Trotzdem war der Mann, der sich gerade durch den Lichtkegel bewegte, gut zu erkennen.

Wir hatten schon viele Bilder von Fontana gesehen. Er war mittlerweile Mitte vierzig und besaß markante Gesichtszüge. Auffällig waren die dicken Augenbrauen. Und die waren auch auf dem Foto zu erkennen.

»Das könnte er tatsächlich sein«, musste ich zugeben.

»Schnappen wir ihn uns«, sagte Phil. »Ich habe keine Lust zu warten, bis er da von selbst rauskommt.«

Mir war klar, dass mein Partner immer noch an den geplanten Ausklang des Tages bei unserem Stammitaliener dachte. Er hatte ja recht. Es hatte keinen Sinn, hier Wurzeln zu schlagen.

Da knallte ein Schuss.

Und noch einer.

Sofort zogen wir unsere Glocks. Die Schüsse waren aus der Richtung des Fußwegs vor uns gekommen.

»Sie bleiben hier«, sagte ich zu den beiden Cops. »Komm, Phil.«

Mit den Waffen im Anschlag näherten wir uns dem Eingang, der wie ein schwarzes Loch vor uns lag. Kaum hatten wir das Gelände mit Büschen und kleinen Bäumen betreten, umfing uns Dunkelheit.

»Es hat keinen Zweck«, sagte Phil. »Wir brauchen Licht, selbst wenn er uns dann sieht. Er kann ja nicht weg.«

»Hoffen wir es«, sagte ich. Ich wusste, wie unübersichtlich das Gebiet war. Und dann zog sich auch noch der Fluss mitten hindurch. Er war zwanzig bis dreißig Yards breit.

Wir holten unsere MagLites heraus und führten sie an den Pistolen. Sekunden später erfasste der kalte weiße Strahl meiner Lampe eine Person, die am Boden lag. Sie trug eine blaue Uniform.

»Verdammter Mist!«, fluchte Phil.

Mit ein paar Schritten waren wir bei dem Officer. Er stöhnte leise und hatte eine Wunde am Arm. Seine Jacke war blutdurchtränkt.

»Ich wusste nicht, dass er eine Waffe hat«, sagte er leise, bevor er wieder die Zähne zusammenbiss.

Etwa zwanzig Yards entfernt knackte etwas. Schritte auf weichem Untergrund waren zu hören. Es raschelte.

»Kümmere dich um ihn«, sagte ich und folgte dem Geräusch.

Mir war klar, dass ich mich wegen meiner Lampe für einen Schützen wie auf dem Präsentierteller befand. Aber ich hatte keine Wahl. Der tanzende Strahl meiner Lampe erfasste ihn. Viel erkennen konnte ich nicht, immerhin sah ich eine Gestalt, die vor mir weglief.

Dabei folgte der Kerl nicht den Wegen, die sich durch das Gebiet schlangen, sondern lief durch das Unterholz. Ich folgte ihm, so schnell ich konnte, und musste aufpassen, damit ich nicht über irgendwelche Äste oder Gestrüpp stolperte. Fontana schien damit keine Probleme zu haben. Offenbar kannte er sich hier aus.

Es ging ein Stück bergab, und plötzlich waren da keine Bäume mehr. Meine MagLite erfasste die Gestalt des Flüchtenden. Er stand jetzt auf den Bahngleisen, hinter denen sich das Bett des Bronx River befinden musste.

»Halt! FBI!«, rief ich. »Legen Sie die Waffe weg, Fontana! Sie haben keine Chance!«

Ich blieb stehen und richtete den Lichtkegel auf ihn. Nun konnte ich ihn genauer betrachten. Der Mann dort drüben war tatsächlich Fontana.

Statt meinen Anweisungen zu folgen, grinste er mich an und hob den rechten Arm. In der Hand hatte er eine Pistole.

Mir blieb nichts anderes übrig, als einen Sprung zur Seite zu machen, damit er mich nicht erwischte.

Bevor er schießen konnte, näherte sich ein Geräusch. Ich verlor Fontana aus dem Blick, geriet ins Straucheln, und als ich meine MagLite wieder in seine Richtung schwenkte, rauschte an der Stelle, wo er gestanden hatte, ein Güterzug vorbei.

»Lass den Quatsch, Michael!«, rief Susan.

Es klang nicht so, als würde sie sich über irgendetwas beschweren. Sie lachte dabei, und in Michaels Ohren hörte es sich ganz und gar nicht so an, als sollte er mit dem aufhören, was er die ganze Zeit versuchte.

Sie waren eine Stunde in dem Klub an der Metropolitan Avenue gewesen und hatten einem blassen, bebrillten Typen zugehört, der auf der kleinen Bühne auf einem Barhocker gesessen und mit einer Gitarre in der Hand seinen Frust über das Leben besungen hatte.

Ein Frust, der vor allem darin bestand, dass andere Männer viel leichter an Frauen gelangten als er.

Schon nach den ersten Minuten gab Susan ihrem Nachbarn Michael zu verstehen, dass Michael dieses Problem ja wohl nicht haben konnte. Michael fiel nichts Besseres ein, als ein erstauntes »Tatsächlich?« von sich zu geben. Susan ging nicht weiter darauf ein, aber von diesem Moment an tuschelten sie nur noch miteinander und machten sich über die hölzernen Reime des Singer-Songwriters da vorne lustig.

Schließlich beschwerten sich andere im Publikum mehr oder weniger lautstark.

»Wenn sie uns hier nicht haben wollen, gehen wir einfach«, sagte Susan. »Man kann auch was Netteres machen, als sich das hier anzuhören.«

Michael nickte nur und konnte sein Glück kaum fassen. Susan war ihm schon aufgefallen, als er den Klub betreten hatte. Sie war genau sein Typ.

Als sie auf der Straße waren, traute er sich, einen Arm um sie zu legen. Susan lachte nur darüber und tat nichts, um seinen Arm loszuwerden. Langsam gingen sie die Avenue entlang.

»Was willst du unternehmen?«, fragte Michael. »Noch was trinken? In einer Bar mit besserer Musik?«

Wie zufällig waren sie der Straße nach Osten gefolgt. Hier unterquerte die Avenue den Brooklyn-Queens Expressway. Auf dem Überflieger rauschte der Strom der Fahrzeuge.

»Wohnst du in der Nähe?«, fragte Susan.

Die geht wirklich ran, dachte Michael.

»Nein, leider nicht«, sagte er. »Es ist ein Stück mit der Subway. Oder wir nehmen da hinten an der Union Avenue den Bus und ...«

Weiter kam er nicht. Sie hatten unter der Unterführung eine dunkle Ecke erreicht.

»Verdammt, was ist das?«, schrie Susan.

Wenige Schritte weiter erhob sich neben der Straße etwas Unterholz. Dahinter befand sich ein Zaun, der einen Spielplatz abgrenzte. Etwas Dunkles lag keine drei Yards von der Straße entfernt. Michael dachte erst, dass sich ein Obdachloser dort einen Platz zum Schlafen gesucht hatte. So was war in New York alltäglich und kein Grund, erschrocken aufzuschreien.

Doch das war kein Obdachloser.

Da lag eine Frau. Sie hatte die Augen weit aufgerissen. Blut bedeckte ihr blondes Haar.

Zweieinhalb Stunden später saßen wir bei Mr High im Büro und berichteten von Fontanas misslungener Festnahme.

»Ich habe erst gedacht, er wäre vom Zug erfasst worden«, sagte ich. »Das war nicht der Fall. Als der Zug durch war, haben wir keine Spuren gefunden. Er muss in letzter Sekunde von den Gleisen gesprungen und Richtung Fluss geflohen sein. Die Beamten des NYPD haben ihn nirgends rauskommen sehen.« Ich berichtete weiter, dass im Anschluss das ganze Areal durchsucht worden war. Auch das ohne Ergebnis.

»Wahrscheinlich ist er in den Fluss gesprungen und hat sich irgendwie schwimmend gerettet«, meinte Phil. »Das muss eine ziemlich unangenehme Sache gewesen sein. In das kalte Wasser, bei dem Wetter ...«

»Und es ist sicher, dass es Fontana war?«, fragte unser Chef.

»Das würde ich sagen«, antwortete ich. »Zum einen haben wir das Foto der Beamten. Außerdem habe ich ihn selbst gesehen. Fontana ist also in New York.« Meine Stimme klang ziemlich gedrückt. Ich ärgerte mich darüber, dass wir den Gangster nicht erwischt hatten.

Mr High kannte mich gut genug, um zu wissen, was in mir vorging. »Machen Sie sich keine Vorwürfe, Jerry. Sie beide haben getan, was Sie konnten. Dem verletzten Beamten vom NYPD geht es übrigens den Umständen entsprechend gut. Er ist nicht in Lebensgefahr.«

Ich seufzte. »Immerhin.«

»Schauen wir nach vorne«, sagte der Chef. »Überlegen wir, wie wir an Fontana herankommen. Gibt es denn keine Ansatzpunkte?«

»Phil, das ist dein Part«, sagte ich. Mein Partner hatte die Zeit der Rückfahrt von der Bronx genutzt, um sich elektronisch über die Fontana-Familie und ihren Boss zu informieren.

»Leider gibt es da nicht viel«, sagte er. »Marc Fontana selbst ist auf der Flucht. Doch er hat ja auch noch eine Ehefrau, Angela Fontana. Sie lebt in New York und führt die Firmen, die der Familie gehören. Sie lässt sich nichts zuschulden kommen. Ihre geschäftlichen Aktivitäten laufen völlig getrennt von dem, was ihr Mann gemacht hat.«

»Dann kommen wir juristisch nicht an sie heran«, sagte Mr High.

»Natürlich wurde sie nach der Flucht ihres Mannes eine Weile überwacht. Sie selbst, aber auch ihre Telefongespräche und der digitale Nachrichtenverkehr. Das hat nichts ergeben.« Mein Partner kratzte sich am Kopf. »In der Akte stand übrigens auch, dass Angela Fontana herausgefunden hat, dass sie überwacht wurde, und sich bei der Staatsanwaltschaft darüber beschwert hat. Die Beschwerde hat sogar zu einer Prüfung vor Gericht geführt. Der zuständige Richter hat verfügt, dass die Überwachung aufgehoben wurde. Sie scheint eine resolute Frau zu sein.«

»Oder eine Frau mit guten Verbindungen«, überlegte ich laut. »Wahrscheinlich beides. Gibt es weitere Familienmitglieder?«

»Sie hatten zwei Söhne, die nicht mehr leben«, fuhr Phil fort. »Sie sind vor vier Jahren bei einem Bootsunglück in Europa ums Leben gekommen. Das sind die einzigen gewesen. Man kann also bei den Fontanas nicht direkt von einer Mafiafamilie sprechen. Ihre große Zeit hatten sie, als Marc Fontanas Vater noch das Zepter in der Hand hatte. Aber das ist lange her.«

»Trotzdem muss Marc Fontana Kontakte in New York haben, die ihn unterstützen«, sagte Mr High nachdenklich. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass er sich allein völlig grundlos in der Stadt aufhält.«

»Das habe ich mir auch gedacht«, sagte ich. »Er hat garantiert etwas vor.«

»Etwas, das mit den Geschäftsfeldern der Fontanas zu tun hat«, spann Phil den Gedanken weiter. »Mit illegalen, die wir nicht kennen ...«

»Vielleicht auch mit denen, die offiziell seine Frau führt«, sagte ich. »Was für Firmen sind das denn?«

»Nichts Besonderes«, sagte Phil. »Oder jedenfalls nicht das, was man mit organisierter Kriminalität in Verbindung bringen würde. Also keine Klubs oder andere Etablissements.«

»Was dann?«, wollte Mr High wissen.

»Sie haben eine Importfirma für italienische Waren, dazu einige Anteile an einer Firma, die Fassaden reinigt.«

»Tatsächlich nichts Aufregendes«, musste ich zugeben.

»Eine außergewöhnliche Firma ist jedoch dabei«, sagte Phil. »Eine Filmproduktion. Sie heißt Fontana Pictures. Gegründet hat sie Marc Fontanas Vater. Er soll ein Filmfan gewesen sein.«

»Das klingt spannender«, sagte ich. »Und? Haben die schon mal einen Blockbuster produziert?«

»Keine Ahnung«, sagte mein Partner und grinste. »Gehört habe ich jedenfalls von denen noch nie etwas. Vielleicht ist die Konkurrenz von Hollywood zu groß ...«

Ein elektronisches Geräusch unterbrach Phil. Es war das Telefon von Mr High. Helen, Mr Highs Assistentin, hatte bereits Feierabend. Daher gingen eingehende Gespräche direkt auf seinen Apparat.

»Entschuldigen Sie«, sagte der Chef, nahm den Hörer und meldete sich.

Er führte ein kurzes Gespräch und machte sich dabei ein paar Notizen. Dann bedankte er sich bei dem Anrufer, verabschiedete sich und legte auf.

»Es ist etwas passiert, was ein neues Licht auf Fontanas rätselhaften Aufenthalt in New York werfen könnte«, sagte er.

Detective Lieutenant Schultz hasste Spätdienste, vor allem seit man ihn ins 90. Revier versetzt hatte.

Okay, Williamsburg war nicht gerade eine Hochburg der Gewalt. Da gab es schlimmere Gegenden. Den Süden von Queens, zum Beispiel, der den klangvollen Namen Jamaica trug. Oder die legendäre Bronx.

Doch die Probleme, die man hier zu bewältigen hatte, waren auch nicht ohne. Hier wurde vielleicht weniger geschossen und sich gegenseitig verprügelt, dafür hatte man die Ehre, nach vermissten höheren Töchtern zu suchen. Junge Mädchen, die meistens mit einem dieser Gitarre spielenden Sänger durchgebrannt waren, die in den Bars des Stadtbezirks ihr Glück versuchten und sich als neue, leider noch unentdeckte Stars der Charts ansahen.

Meistens kam eins zum anderen. Wohnungsdurchsuchungen, Drogendelikte. Auseinandersetzungen, weil die Mädchen nicht mehr zu ihrer Familie zurückwollten. Familiendramen. Oft mit Beteiligung von irgendwelchen einflussreichen Vätern, die sich gleich bei Schultz' Vorgesetzten beschwerten.

Nicht dass ihn das gestört hätte. Auf seinen Boss, den Chef des 90. Reviers, konnte er sich verlassen. Er stand immer hinter seinen Leuten und nahm sie in Schutz. Was Schultz dagegen auf die Nerven ging, war der Rattenschwanz an Papierkrieg, den das nach sich zog. Papierkrieg und nervige Telefonate. Und das nur, weil diese Leute ihre Töchter nicht im Griff hatten.

Schultz sah auf die Uhr. Nicht mal Mitternacht. Die Schicht war noch lang.

Sein Telefon klingelte. Aha, es geht los, dachte er.

Was Schultz diesmal zu hören bekam, war etwas anderes.