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Die Tochter eines Richters, der in den Supreme Court berufen werden sollte, war in Kolumbien wegen Drogenhandels verhaftet worden. Der Mann bat uns, den Fall diskret zu behandeln und zu klären, was wir für seine Tochter tun könnten, da er sie für unschuldig hielt. Also fuhren wir nach Bogota und setzten uns mit den örtlichen Behörden in Verbindung. Schon bald befanden wir uns im Fadenkreuz von kolumbianischen Drogendealern und korrupten Polizisten. Also versuchten wir auf eigene Faust herauszufinden, was wirklich in jener Nacht geschehen war. Und je tiefer wir gruben, desto schlimmer sah die Sache für sie aus und desto gefährlicher wurde es für uns ...
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Seitenzahl: 140
Veröffentlichungsjahr: 2025
Cover
Die Bogota-Connection
Vorschau
Impressum
Die Bogota-Connection
Sie kam gerade aus der Dusche, als es an der Tür zu ihrem Hotelzimmer klopfte.
»Machst du auf, Darling?«, rief sie ins Zimmer hinein, warf sich einen Bademantel über, wickelte sich ein Handtuch um den Kopf und trat aus dem Badezimmer.
David saß mit dem Rücken zu ihr im Liegestuhl auf dem Balkon, hatte Kopfhörer auf und wippte mit den Füßen.
»David?«, rief sie, aber er hörte sie nicht.
Es klopfte noch einmal, dieses Mal heftiger. Das Hämmern einer Faust gegen Holz. Ihr Herzschlag beschleunigte sich. Heute morgen hatten sie sich beim Empfang darüber beschwert, dass das Warmwasser in der Dusche nicht funktionierte, doch der Handwerker war schon dagewesen und hatte es repariert.
In kleinen Schritten, damit sie auf dem Boden mit ihren nassen Füßen nicht ausrutschte, lief sie zur Tür und öffnete sie.
Vor ihr standen drei Männer in Uniform. Sie trugen Gewehre und sahen nicht so aus, als kämen sie wegen einer defekten Dusche.
»Was ...?«, rief sie, als einer der Männer sein Gewehr hob. Er schoss nicht, sondern drehte die Waffe um und stieß ihr den Kolben ins Gesicht.
»Richter Leland Bishop hat mich gestern um ein Gespräch unter vier Augen gebeten«, eröffnete Mr High unsere Besprechung, nachdem er Phil und mich begrüßt und wir uns gesetzt hatten. »Ich nehme an, Sie kennen den Mann.«
Ich nickte. »Er ist einer der Richter am New York Criminal Court und hat sich dadurch einen Namen gemacht, dass jede seiner Anklageerhebungen auch zu Hauptverhandlungen mit meist hohen Strafen führte«, antwortete ich für uns beide. »Dienstlich hatten wir schon des Öfteren mit ihm zu tun.«
»Ein harter Hund, immer aufseiten der Strafverfolgungsbehörden«, bestätigte Mr High und runzelte besorgt die Stirn. »Nun steht er im engeren Auswahlverfahren für einen Sitz im Supreme Court der Vereinigten Staaten, unserem höchsten Gericht. Wie Sie wissen, ein Posten auf Lebenszeit, mit nicht unerheblichem Einfluss auf die Geschicke unseres Landes.«
Wir nickten, zunehmend gespannt auf das, was der Chef uns eröffnen würde.
»Bishop hat mir soeben im Vertrauen berichtet, dass seine Tochter Susan Bishop, gestern in Bogota von der Dirección de Antinarcóticos, der Antidrogenbehörde Kolumbiens, wegen des Besitzes und des Handels von Rauschgift verhaftet wurde«, erklärte Mr High. »Ihr drohen bis zu zwanzig Jahre Gefängnis. Bishop bittet uns, ihm in dieser Angelegenheit zu helfen.«
Es entstand eine Pause, in der wir versuchten, das Gehörte zu verdauen.
»Entschuldigen Sie, Sir«, übernahm Phil, »aber wenn die Kollegen von der DIRAN sie bereits festgenommen haben, was sollen wir dann dort unten noch für sie tun? Wäre es nicht hilfreicher, wenn man unsere Diplomaten aktivieren würde, die eine Überstellung der Tochter an unsere Gerichte bewirken? Es ist ja schon vorgekommen, dass die Kinder von hohen Beamten unseres Staats aus der Reihe tanzen, ohne dass man es den Eltern gleich um die Ohren gehauen hat.«
»Das habe ich dem Richter auch gesagt«, meinte Mr High. »Gerade in Hinblick auf seine anstehende Nominierung in einigen Wochen müsste ihm daran gelegen sein, dass alles seinen korrekten Gang geht. Doch er fürchtet, dass es jemand an die Presse durchsticht. Und ich brauche Ihnen nicht zu erklären, dass gewisse Kreise das mit großer Wahrscheinlichkeit nutzen werden, um seine Nominierung zu verhindern.«
»Das sehe ich genauso«, sagte ich. »Der Shitstorm, den seine Gegner entfachen würden, würde auch nicht abebben, wenn die Kolumbianer sie mit einem Heiligenschein versehen in einem bunten Fesselballon nach Hause schicken und einen Irrtum eingestehen würde. Seine Nominierung könnte er vergessen.«
»Genau«, stimmte der Chef mir zu. »Deshalb hätte Bishop es gerne, wenn wir uns dessen annehmen. Er vertraut darauf, dass alles ein Irrtum und seine Tochter unschuldig ist. Also werden wir uns darum kümmern. Alles im Rahmen unserer Befugnisse, dafür absolut vertraulich.«
»Also gut«, sagte Phil. »Fahren wir nach Bogota und sehen, ob unsere Kollegen von der DIRAN Mist gebaut haben. Wäre nicht das erste Mal, dass sie übereilt auf amerikanische Mitbürger losgehen, wenn die mal an einem Joint gezogen haben. Verständlich bei den Verhältnissen, die dort unten herrschen.«
Mr High lächelte Phil an.
»Ich möchte, dass Sie hierbleiben, Phil«, sagte er. »Auch wenn das Ganze ein Irrtum und eine Kleinigkeit sein könnte, hinterlässt der Zeitpunkt dieses Vorfalls bei mir das Gefühl, dass da mehr dahinterstecken könnte als der Fehltritt einer verwöhnten jungen Frau. Es könnte also durchaus sein, dass auch Richter Bishop in Gefahr schwebt. Sie bleiben mit Steve und Zeerookah in der Nähe des Richters und passen auf, dass ihm nichts geschieht.«
Phil nickte.
»Und Jerry fährt mit Kristen nach Bogota. Ich denke, dann können wir an beiden Fronten schnell reagieren, was immer sich aus dieser Sache entwickeln wird.«
In Bogota angekommen, nahmen Kristen Steele und ich Kontakt mit dem Büro der DIRAN auf. Die örtliche Vertretung hatte ihren Sitz direkt am Flughafen von Bogota, im Hauptquartier der Policía National. Auf der Etage der DIRAN empfing uns ein Polizist und führte uns zum Büro des leitenden Offiziers, einem Mann namens Juan Pablo Herrera.
Als wir sein Büro betraten, stand Herrera aus einem Sessel hinter seinem Schreibtisch auf, empfing uns mit einem Handschlag und bot uns Platz auf den Stühlen vor seinem Schreibtisch an. Dann setzte er sich wieder und deutete an die Decke, wo ein Ventilator hing, der sich allerdings nicht drehte.
»Entschuldigen Sie die Hitze in meinem Büro«, sagte er mit einer bedauernden Geste. »Das Ding ist gestern kaputtgegangen, und unser Hausmeister hatte noch keine Zeit, es zu reparieren.«
»Das macht nichts«, sagte ich mit einem Lächeln. »Wir sind Hitze gewohnt. Das bringt unser Job so mit sich.«
Herrera lachte über meinen Scherz und zeigte uns zwei Reihen perfekter strahlend weißer Zähne. Er war groß, breitschultrig, hatte kurze dunkle Haare, strahlend blaue Augen und ein Gesicht, mit dem man Werbung für Rasierwasser hätte machen können.
»Wollen Sie etwas trinken?«, fragte er. »Wir haben Coke, Peregrino, was immer Sie wünschen.«
Wir schüttelten dankend die Köpfe. Es war heiß in diesem Büro, noch heißer, als es draußen gewesen war, und noch um einiges heißer als im Gebäude, das eher einem Brutkasten glich als einem Ort, an dem man arbeiten und atmen konnte. Doch wir wollten keine Zeit verschwenden.
»Danke, wir haben es eilig«, erwiderte ich. »Hat man Sie schon darüber informiert, warum wir hier sind?«
Herrera nickte ernst, beugte sich vor und legte die Unterarme auf den Tisch.
»Ihr Büro hat mich angerufen«, sagte er. »Es geht Ihnen um den Fall Susan Bishop. Ich kann verstehen, dass Sie als Amerikaner alles dafür tun möchten, dass es Ihren Landsleuten gut geht. Leider ist es kein Geheimnis, dass viele, wirklich viele Amerikaner in unser Land kommen, nur um Drogen zu kaufen. Wir bemühen uns, das abzustellen, aber es ist schwer. Sehr schwer. Und nicht immer können wir das Beste für alle erreichen. Ich habe Verständnis dafür, dass Sie hier sind, um zu helfen. Was kann ich also für Sie tun?«
»Wir würden gerne mit Susan Bishop reden, wäre das möglich?«, wollte Kristen wissen.
Herrera sah uns einen Moment lang an, seufzte tief auf, als bedauerte er, dass Kristen seine Ansprache nicht verstanden hatte.
»Das geht leider nicht«, sagte er.
»Warum nicht, wenn ich fragen darf?«
Herreras Gesicht wurde einen Ton dunkler. Die schwüle Hitze im Büro schien noch drückender zu werden. Der Schweiß lief mir vom Nacken ins Hemd.
»Weil unser Haftrichter noch keine Zeit hatte, Miss Bishop zu befragen«, sagte Herrera. »Die Ermittlungen laufen noch. Solange die nicht abgeschlossen sind, können wir leider niemanden mit ihr reden lassen.«
»Nun gut«, sagte ich. »Es dürfte Ihnen jedoch möglich sein, uns den Namen ihres Anwalts zu nennen, den Sie Miss Bishop zur Verfügung gestellt haben, nicht wahr? Dann können wir schon einmal mit ihm reden, bis der Haftrichter mit ihr gesprochen hat.«
»So machen wir das hier nicht.« Herrera winkte ab, sein Gesichtsausdruck wurde dunkler, seine Stimme einen Ton schärfer. »Sie wird einen Anwalt erhalten, wenn wir wissen, was wir ihr vorzuwerfen haben. Nicht eher.«
»Nach international gültigen Regeln ...«, begann Kristen, den Mann zu belehren.
Ich legte eine Hand auf ihren Unterarm, und sie verstand.
»Wir respektieren Ihre Regeln«, sagte ich betont ruhig. »Aber Sie werden sicher verstehen, dass wir ebenso unsere Regeln haben. Ich will keinen Streit mit Ihnen. Und schon gar nicht will ich unser Problem auf die Ebene internationaler Diplomatie heben. Doch wenn Sie uns nicht entgegenkommen, müssen wir mit unserer Vertretung in Bogota reden, die wiederum mit Ihrer Vertretung in New York reden wird. Und dann wird man dort ganz sicher ...«
Herrera bremste mich mit einer Handbewegung.
»Nun gut«, sagte er und schob mir einen Zettel und einen Stift über den Tisch zu. »Schreiben Sie auf, in welchem Hotel Sie untergebracht sind. Ich werde mit dem Haftrichter reden. Bis morgen werden Sie sich gedulden müssen. Ich lasse Sie dann im Hotel abholen und bringe Sie zu Miss Bishop.«
Wir verließen das Büro und traten auf den Flur. Ein kühler Lufthauch empfing uns aus einem geöffneten Fenster am Ende des Flurs.
Ich nahm ein Taschentuch aus der Tasche und wischte mir den Schweiß aus dem Gesicht.
»Willst du tatsächlich warten, bis sich dieser Kerl bequemt, uns zu ihr zu lassen?«, flüsterte Kristen, damit niemand von den Beamten uns hören konnte.
»Das habe ich nicht vor«, antwortete ich, zog ein weiteres Taschentuch aus der Packung und reichte es Kristen. »Wir haben gestern Abend noch von Richter Bishop die Textnachrichten bekommen, die seine Tochter ihm vor ihrer Verhaftung per Handy gesendet hat. Da sind Fotos dabei, die aus dem Hotelzimmer gemacht wurden, in dem sie wohnte.«
»Okay.«
»Ich denke, dass Ben inzwischen herausgefunden haben müsste, wo sich dieses Hotel befindet. Schauen wir uns dort mal um. Und wenn sich dieser sture Beamte morgen nicht meldet, müssen wir tatsächlich ein paar andere Hebel in Bewegung setzen, um ihn zur Kooperation zu bewegen.«
Juan Pablo Herrera beobachtete die Silhouetten der beiden Americanos durch das Glas seiner Bürotür. Die beiden unterhielten sich. Das durften sie. Es wäre naiv von ihm gewesen anzunehmen, dass sie untätig bleiben würden.
Sie würden etwas unternehmen. Irgendetwas. Und er musste wissen, was es war.
Er griff zum Telefonhörer, stoppte und fasste stattdessen unter die Schreibtischplatte, drückte einen Knopf. Die Flügel des Ventilators begannen sich zu bewegen. Langsam, dann schneller. Endlich erreichte ihn der erste Schwall gekühlter Luft.
Ein zufriedenes Lächeln überzog sein Gesicht.
Diese Amerikaner waren auch nicht anders als seine Landsleute. Man musste nur die richtigen Knöpfe drücken, dann liefen sie in die Richtung, in die er wollte, dass sie liefen. Er hatte von vorneherein keine Lust gehabt, sich lange mit ihnen abzugeben. Und es gab nichts, was ein Gespräch mehr verkürzte, als das unangenehme Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Dafür hatte er gesorgt.
Er griff zum Telefonhörer, wählte eine Nummer und sprach in den Hörer, als am anderen Ende der Leitung jemand abnahm.
»Ich gebe euch die Adresse, wo sie untergebracht sind. Behaltet sie im Auge. Aber egal was sie tun, greift noch nicht ein.«
Er gab die Adresse durch, legte auf, lehnte sich zurück und genoss noch ein wenig das Gefühl, alles im Griff zu haben.
Das Hotel, in dem die Tochter des Richters gewohnt hatte, lag im Kolonialgebiet von La Candelaria, dem ältesten und schönstem Stadtgebiet von Bogota, einem Magnet für Tourismus. In dessen Fahrwasser blühte der Drogenhandel. Der Bau des Hotels war ganz im Kolonialstil gehalten, mit prächtigen Balkonen, einer großzügigen Empfangshalle und Fahrstühlen mit alten Gittertüren.
Wir machten auf verliebtes Ehepaar, gaben am Empfang an, dass unsere Koffer am Flughafen verschollen waren und es noch etwas dauerte, bis sie nachgeliefert würden, und buchten ein Zimmer im siebten Stock. Wir gingen zu einem der Fahrstühle, ließen uns von dem Liftboy die Gittertür öffnen, traten, Arm in Arm, in die Kabine und warteten, bis der Aufzug gemütlich Fahrt aufnahm und sich an den Stockwerken vorbei in die Höhe arbeitete.
»Hast du gehört, dass hier vor ein paar Tagen ein Verbrechen stattgefunden hat?«, flüsterte Kristen mir zu, als wir am ersten Stock vorbei waren. »Eine junge Frau soll überfallen und erschossen worden sein. Vielleicht war es doch keine gute Idee, gerade hier einzuchecken. Am Ende geben sie uns genau das Zimmer, wo das passiert ist.«
Ich fasste Kristen fester und sagte mit etwas erhobener Stimme: »Wenn du willst, dass wir nicht bleiben, können wir sofort wieder runterfahren und woanders einchecken, noch haben wir ja nichts bezahlt.«
Der Liftboy, ein Knabe von höchstens siebzehn Jahren, sah uns von der Seite an und tanzte nervös von einem Bein aufs andere.
»Solange es nicht gerade das Zimmer ist, wäre es okay«, erwiderte meine Braut flüsternd. »Ist ja sogar ganz spannend. Aber ich möchte nicht, dass da noch Reste von Blut oder gar Schlimmeres in unserem Zimmer sind, wenn wir ...«
Sie brach mit einem nervösen Lachen ab.
Der Liftboy hustete.
Ich warf ihm einen fragenden Blick zu.
»Entschuldigen Sie«, sagte er in gebrochenem Englisch, offensichtlich beunruhigt über unseren Dialog. »Das, worüber Sie reden, war im fünften Stock. Und sie wurde nicht erschossen, sondern nur verhaftet, nachdem ...«
Er verstummte.
»Nachdem was?«, wollte Kristen wissen und presste sich enger an mich, immer noch in der Rolle der sensationshungrigen, aber ängstlichen Touristin.
»Ach, gar nichts«, sagte der Boy und drückte noch einmal auf den Knopf zur siebten Etage, als könnte er dadurch das Ende der peinlichen Befragung beschleunigen. »Mehr weiß ich nicht. Die Polizei hat das Zimmer abgesperrt, und es wird an niemanden vergeben, bis alles aufgeklärt ist.«
»Wie aufregend«, quietschte Kristen und sah mich begeistert an.
Wir hatten unser Ziel erreicht. Der Fahrstuhl hielt. Ich steckte dem Boy einen Zehndollarschein zu. Wir stiegen aus, gingen den Flur hinunter und kehrten um, als der Fahrstuhl vor unseren Augen nach unten verschwunden war.
Wir suchten das Treppenhaus, gingen hinunter in den fünften Stock, fanden die Tür mit den Absperrbändern und dem Siegel der Polizei, sahen uns um und rissen beides ab. Mit einem Dietrich öffnete ich die Tür.
In dem Zimmer sah es aus, als wäre ein Orkan durchgezogen. Der Tisch in der Mitte des Raums war umgestoßen, die Stühle lagen verstreut in den Ecken. Das Bett war zerwühlt, die Matratze halb aufgeschlitzt, die Füllung teilweise herausgerupft. Die Schubladen einer Kommode, die dem Bett gegenüberstand, lagen auf dem Boden, der Inhalt verstreut daneben.
»Hier wurde etwas gesucht«, meinte Kristen, stieg über die Schubladen, warf einen Blick ins Badezimmer und kehrte zurück. »Da sieht es genauso aus.«
Ich nickte, drehte hier und da etwas um, was auf dem Boden lag, und versuchte, mir ein Bild davon zu machen, was passiert war.
»Sieht nach einem Kampf aus«, meinte ich.
Kristen trat auf den Balkon. Bis auf einen umgestürzten Liegestuhl war der Balkon leer.
Ich wollte mich gerade abwenden und noch einmal nachsehen, ob sich unter dem Bett etwas fände, als Kristen mich zu sich rief.
Sie bückte sich und deutete auf ein Loch im Boden des Balkons.
»Könnte von einer Kugel sein«, sagte sie.
Ich musste ihr recht geben und bemerkte Schlieren und einige Kratzer, die neu sein mussten.
»Der Liegestuhl ist bewegt worden, nachdem er umgefallen ist«, schloss ich und zog mit einem Finger die Kratzspuren nach, die eine der Schrauben des Liegestuhls auf dem Belag hinterlassen hatte.
»Und hier«, sagte Kristen und deutete auf einige Flecke, »das sieht aus wie Blut, das man nicht ganz weggewischt hat.«
»Nicht besonders professionell.«
»Die Frage ist, wer hier angeschossen oder sogar getötet wurde«, überlegte Kristen laut.
»Einer der Dealer? Hoffen wir, dass es nicht Susan Bishop war, die verletzt wurde.«
»Warum putzt das jemand weg?«, fragte Kristen. »Das ist ein Tatort, den die Polizei für die Beweisaufnahme braucht.«
»Bestimmt sollte hier etwas ganz anderes weggewischt werden als ein wenig Blut«, meinte ich und stand auf. »Lass uns gehen und abwarten, bis Herrera uns morgen zu Susan Bishop lässt. Dann können wir das immer noch thematisieren.«
Wir verließen das Zimmer. Ich versuchte, so gut es ging, das Siegel wieder zusammenzukleben. Für einen flüchtigen Blick im Vorbeigehen würde es reichen, doch wenn jemand genauer hinsah ...
Nichts auf der Welt war perfekt.
Wir checkten in unser Hotel ein, dem Egino, einem schlichten, aber sauberen Bau neben einem Country Club mit nicht mehr als dreißig Zimmern, verteilt auf sechs Stockwerke, ohne Fahrstuhl und mit einem verschlafenen alten Mann am Empfang, der uns unsere Schlüssel überreichte und davonschlurfte.
Unsere Zimmer lagen nebeneinander im vierten Stock und boten vom Balkon aus einen schönen Ausblick auf den Golfplatz des Klubs. Die Äste der Bäume hinter dem Zaun zu dem Gelände reichten über den Zaun hinweg fast bis zu unseren Balkons, filterten die gröbste Hitze aus der Luft und sorgten für ein angenehmes Klima in den Zimmern.
Wir aßen in einem Restaurant nahe dem Hotel zu Abend und spazierten ein wenig durch die kühle Nachtluft. Schließlich gingen wir zu Bett, gespannt darauf, wann Herrera uns zu Susan Bishop lassen würde.
Mitten in der Nacht wurde ich durch einen infernalischen Lärm geweckt.