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"Sergio Marini wurde ermordet. Sie müssen seine Leiche exhumieren." Diese Nachricht stammte von einem anonymen Anrufer und alarmierte uns sofort. Immerhin war Marini, der vor einem halben Jahr bei einem Brand umgekommen war, ein New Yorker Clanchef gewesen. Er hatte im Mittelpunkt unserer Ermittlungen gestanden. Sein Tod war offiziell ein Unfall gewesen. Bis Mr High die Genehmigung erhielt, Marinis Grab öffnen zu lassen, nahmen wir einen Konkurrenten des Clanchefs ins Fadenkreuz, den rumänischstämmigen Razvan Dumitru. Das FBI glaubte, dass Dumitru in den Schmuggel von illegal geschlagenem Holz verwickelt war. Als Marinis Leiche schließlich exhumiert wurde, folgte die nächste Überraschung: Unbekannte stahlen sie aus der Gerichtsmedizin ...
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Seitenzahl: 143
Veröffentlichungsjahr: 2025
Cover
Inhalt
Kampf um eine Leiche
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Impressum
Cover
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsbeginn
Impressum
Sie nannten ihn Copper. Kaum jemand kannte seinen richtigen Namen. Und es war lange her, dass ihn jemand anders genannt hatte. Er war einer der unzähligen Obdachlosen von New York. Aber er hatte eine Methode gefunden, um doch hin und wieder zu Geld zu gelangen. Er klapperte die Baustellen des Big Apple ab und stahl, was ihm in die Finger kam. Am liebsten Gegenstände aus Metall. Das brachte wirklich etwas ein. Kupferdrähte, Stahlstangen.
An diesem späten Abend trieb er sich in Queens herum. Hier entstand ein ganzer Gebäudekomplex. Copper strich am Bauzaun entlang. An der Ecke des gigantischen Areals fand er eine Lücke. Er sah sich um. Die Straße war leer. Im nächsten Moment war er auf der anderen Seite des Zauns.
Vor Jahren hatte Copper selbst auf Baustellen gearbeitet. Bis er einmal nicht aufgepasst hatte und aus zwanzig Fuß Höhe von einem Gerüst gefallen war. Die Folge war eine Verkettung von Umständen gewesen, die ihn zum Obdachlosen machte. Operationen, die seine geizige Krankenkasse nicht übernahm. Arbeitslosigkeit. Trennung von Mary, seiner Verlobten. Kündigung der Wohnung. Alkohol. Der totale Absturz.
Was Copper geblieben war, war das Wissen, wie Baustellen funktionierten. Wie sie gesichert waren. Und wie man diese Sicherungen überwand. Zum Beispiel die Überwachungskameras, die heute zum Standard gehörten.
Der bewölkte Himmel über New York reflektierte matt das Licht der Stadt. Copper mied die gewaltige Baugrube, in der man schon mit dem Betonfundament begonnen hatte. Dahinter standen die Container mit den Baumaterialien und den provisorischen Büros.
Er hatte die Baustelle ein paar Tage lang beobachtet und wusste, dass hier gerade nicht gearbeitet wurde. Die Gründe konnte er sich denken. Vielleicht hatte der Bauunternehmer finanzielle Probleme. Oder es gab Schwierigkeiten mit dem Materialnachschub.
Wenn er Glück hatte, fand er hier sogar einen Schlafplatz für die Nacht.
Na, sieh mal an, dachte Copper, als er plötzlich vor einem vierstöckigen, altmodischen Gebäude stand. Es war noch von dem Areal übrig geblieben, das man ansonsten komplett für den Neubau abgeräumt hatte. Wahrscheinlich sollte es erhalten bleiben und wurde gerade renoviert. Die alte Zufahrtsstraße gab es noch. Sie war von gelben Straßenlampen beleuchtet.
In der unteren Etage starrten leere Fensterhöhlen in die Nacht. Für Copper war es leicht, einzusteigen und sich drinnen umzusehen. Das Licht der Lampe von draußen reichte aus.
Er stieß auf eine verschlossene provisorische Holztür, die er mit ein, zwei Griffen aufbrach. Den Raum dahinter hatten sich die Arbeiter wohl für ihre Pausen auserkoren. Es gab ein altes Sofa, einen Tisch und ein paar Stühle. Und einen Kühlschrank.
Copper hatte das Gefühl, das große Los gezogen zu haben. Im Kühlschrank fand er ein paar Packungen mit fertigen Frikadellen sowie ein Dutzend Dosen Bier und alkoholfreie Getränke. Dazu eine Flasche Wodka. Nicht schlecht. Als er den Raum weiter durchsuchte, fand er sogar eine fast volle Schachtel Zigaretten.
Kurz darauf saß Copper rauchend und trinkend auf der Couch, die bequemer war, als sie aussah. Er leerte zwei Dosen Bier. Dann machte er sich über die Frikadellen her und tat sich an dem Wodka gütlich.
Nur langsam wurde ihm bewusst, dass sich draußen ein Fahrzeug näherte. Er hob den Kopf, als der Motor ausgeschaltet wurde. Eine Männerstimme ertönte.
Er schwankte leicht, als er sich dem Fenster näherte und hinauskletterte. Leise schlich er um das Gebäude herum und sah einen Mann, der neben einem Wagen stand. Offenbar war er über die Zufahrt hergekommen. Er hielt ein Handy ans Ohr und telefonierte.
Copper hoffte inständig, dass der Mann nicht auf die Idee kam, in das Innere des Gebäudes zu gehen. Womöglich merkte er dann, dass in den abgeschlossenen Raum eingebrochen worden war. Und Coppers Nachtlager war dahin.
Der Mann beendete das Gespräch und steckte das Handy weg.
Er wandte sich der offen stehenden Tür der Limousine zu. Dann lenkte ihn etwas ab. Er wandte den Kopf und blickte zur Fassade des Hauses. Copper konnte gerade noch den Kopf einziehen und verhindern, dass er entdeckt wurde.
Das Gesicht des Mannes nahm einen erschrockenen Ausdruck an. Und plötzlich verstand Copper, was los war. Es roch nach Rauch. Ein heller Schein breitete sich auf der Seite des Hauses aus, auf der der Mann stand.
Und dieser Schein kam von drinnen. Das Licht waberte und wurde immer heller.
Es brannte!
Copper hatte die noch glühende Zigarette einfach weggeworfen, als er zum Fenster geeilt war.
Wieder nahm der Mann sein Handy, wählte kurz und führte ein Gespräch, das nur ein paar Sekunden dauerte. Die Hitze traf auf Copper.
Abhauen, dachte er. Ich muss abhauen. Das Letzte, was er sah, bevor er im Dunkel verschwand, war der Mann, der auf das Haus zuging.
Der wird doch nicht so verrückt sein und da reingehen?
Er rannte los.
Der Rückweg zum Zaun verlief nicht so reibungslos wie der Hinweg. Ein paarmal knallte Copper gegen irgendwelche Hindernisse, die ihm im Dunkeln im Weg standen. Zweimal fiel er hin. Endlich entdeckte er die Lücke, durch die er hereingekommen war.
Als er wieder auf der Straße stand, drehte er sich um. Ein heller orangefarbener Schein strebte weit hinten zum Himmel. Und aus der Ferne ertönten die Sirenen der Feuerwehr.
Ein halbes Jahr später
»Hab einen erfolgreichen Tag, mein Schatz«, sagte Supervisory Special Agent Dionne Jackson in ihr Handy. Sie war in der Tiefgarage des Jacob K. Javits Federal Building aus ihrem Wagen gestiegen und würde gleich in den dreiundzwanzigsten Stock hinauffahren, um ihren Dienst zu beginnen.
»Ja, Mom«, kam die Stimme ihres achtjährigen Sohnes Lamonte aus dem Hörer. »Denkst du nachher an mich? Wenn wir die schwierige Arbeit schreiben?«
»Natürlich«, sagte Dionne, während sie ausstieg und mit dem Knie die Autotür zudrückte. Mit der freien Hand bediente sie den elektronischen Autoschlüssel, um den Wagen zu verschließen. »Und es tut mir leid, dass ich heute so früh schon weg musste.«
»Grandma hat mich geweckt«, sagte Lamonte. »Und ich habe gerade meine Cornflakes gegessen. In einer Viertelstunde kommt der Schulbus.«
»Ich drücke dir die Daumen«, sagte Dionne und wandte sich dem Aufzug zu. »Mommy muss jetzt an die Arbeit. Sag mir heute Abend, wie es gelaufen ist.« Wenn ich heute Abend, rechtzeitig da bin, dachte sie, und nicht wie so oft erst nach Hause komme, wenn mein kleiner Sohn schon schläft.
Sie verabschiedete sich schweren Herzens und betrat die Aufzugkabine.
Lamonte hatte Schwierigkeiten im Rechnen. Das war das einzige Fach in der Schule, das ihm schwerfiel. Ansonsten war er ein guter Schüler. Heute stand eine Klassenarbeit im Rechnen auf dem Stundenplan.
Kurz darauf betrat Dionne ihr Büro. Kristen Steele, ihre Dienstpartnerin, mit der sie sich den Raum teilte, war nicht da. Sie hatte eine Woche Urlaub.
In ein paar Minuten begann die Frühbesprechung mit Mr High, dem Assistant Director in Charge. Sie nutzte die Zeit, um sich die Meldungen der vergangenen Nacht anzusehen.
Gerade hatte sie sich in ihren Computer eingeloggt, da klingelte das Festnetztelefon auf ihrem Schreibtisch.
»Agent Jackson?«, fragte eine Frauenstimme. »Hier ist die Zentrale. Da ist ein Anrufer, der unbedingt mit jemandem vom Field Office sprechen will. Die Agents Cotton und Decker habe ich nicht erreicht. Würden Sie den Anruf annehmen?«
»Worum geht es denn?«, fragte Dionne. »Wer ist der Anrufer?«
»Seinen Namen hat er nicht gesagt. Am besten, Sie sprechen selbst mit ihm.«
»Also schön«, sagte Dionne. »Stellen Sie bitte durch.«
Es dauerte nur eine Sekunde, da hatte sie den Anrufer am Ohr.
»Ist da jemand vom Field Office?«, fragte er. Die Stimme war schneidend und wirkte seltsam. Wie künstlich verfremdet.
»Hier ist Agent Jackson«, sagte sie. »Mit wem spreche ich?«
»Der Name tut nichts zur Sache«, sagte er. »Ich habe einen wichtigen Hinweis. Hören Sie mir genau zu. Ich sage es nur ein einziges Mal.«
»Geht es um ein Verbrechen?«, fragte Dionne. »Haben Sie etwas beobachtet, was Sie melden wollen?«
»Verdammt, Sie sollen nicht reden, Sie sollen zuhören«, sagte der Unbekannte ungehalten. »Was ich zu sagen habe, ist wichtig. Sehr wichtig sogar.«
»Schon gut«, gab Dionne zurück.
»Also ... Es geht um Sergio Marini. Sagt Ihnen der Name etwas?«
Der Name sagte Dionne nichts, doch der Mann hatte sie aufgefordert zu schweigen. Und so beantwortete sie die Frage nicht. Und der Anrufer hatte es auch gar nicht erwartet.
»Sergio Marini kam vor einem halben Jahr ums Leben. Offiziell war sein Tod ein Unfall. Es ist aber anders gewesen. Er wurde ermordet. Wenn Sie ihn exhumieren, werden Sie das herausfinden.« Der Mann machte eine Pause. »Ich denke, Sie sollten das wissen und unverzüglich danach handeln.«
Jetzt wollte Dionne doch etwas sagen. Sie hob gerade zu einer Gegenfrage an.
Der Unbekannte hatte aufgelegt.
Auch an diesem Morgen hatte ich Phil an der üblichen Straßenecke abgeholt. Wir waren so früh dran, dass ich mich schon freute, pünktlich im Büro zu sein.
»Zu früh gefreut«, sagte Phil, als wir gerade den Central Park hinter uns gebracht hatten
Am Columbus Circle hatte es einen Auffahrunfall gegeben. Die Strecke nach Süden war dicht. Das Ganze kostete uns fast eine halbe Stunde.
Endlich fuhren wir in die Tiefgarage hinein. Ich parkte meinen Jaguar direkt neben dem Wagen unserer Kollegin Dionne Jackson, die mit ihren Schwiegereltern und ihrem kleinen Sohn in Harlem lebte und daher fast die gleiche Strecke zurücklegen musste wie wir.
»Offenbar ist der Unfall passiert, als sie schon durch war«, kommentierte Phil.
Im dreiundzwanzigsten Stock angekommen, wurden wir direkt zu Mr High gerufen, wo Dionne und unser IT-Spezialist Dr Ben Bruckner bereits in einer Besprechung waren. Den Gesichtern der Kollegen konnten wir entnehmen, dass etwas Außergewöhnliches vorgefallen war.
Ich entschuldigte mich für die Verspätung, die uns der Chef nicht übel nahm. Der Verkehr in New York war eben unberechenbar.
»Kommen wir gleich zum Wesentlichen«, sagte er und nickte Ben zu.
Kurz darauf bekamen wir die Aufzeichnung des anonymen Anrufs zu hören, der unsere Kollegin Dionne eine knappe Dreiviertelstunde zuvor erreicht hatte. Wie alle Telefonate, die von außen an das FBI gingen, war er mitgeschnitten worden.
»Sergio Marini«, wiederholte ich den Namen, der genannt worden war. »Ich erinnere mich. Ein einflussreicher Immobilienunternehmer und Baulöwe. Chef einer der Familien in New York, die mehr oder weniger hart an der Grenze der Legalität agieren.«
»Soweit man das nachweisen kann«, fügte mein Partner hinzu. »Leider kommen wir den wirklichen Machenschaften dieser Leute ja viel zu selten auf die Schliche.«
»Ich kannte den Namen nicht«, gab Dionne zu. »Wahrscheinlich weil Marini umkam, als ich gerade erst meinen Dienst in der Abteilung angetreten habe.«
»Die eigentlichen Ermittlungen gegen ihn liegen noch länger zurück«, sagte Mr High. »Als er starb, waren sie schon wieder eingeschlafen.«
»Was wurde ihm denn vorgeworfen?«, fragte Dionne.
»Geldwäsche und Bestechung vor allem«, erklärte der Chef. »Außerdem nehmen wir an, dass er gewisse Leute beschäftigte, die seine Konkurrenten mit verschiedensten Methoden unter Druck setzten. Wie Phil schon richtig sagte, ist das alles nicht bewiesen.«
»Jetzt fällt mir auch wieder ein, wie Marini ums Leben kam«, sagte ich. »Bei einem Brand auf einer seiner Baustellen, oder?«
Mr High nickte. »Das Ganze wurde als Unfall eingestuft. Marini hat abends noch nach einer Baustelle in Queens geschaut, bei der es wohl Probleme bei der Lieferung von Baustoffen gab. In einem Gebäude, das gerade renoviert wurde und das zu dem Areal gehörte, war Feuer ausgebrochen. Als die Feuerwehr eintraf, fand man Marini, der versucht hatte, mit einem Feuerlöscher gegen die Flammen vorzugehen. Er hat eine Rauchgasvergiftung erlitten, die ihn noch in der Nacht das Leben gekostet hat.«
»Und jetzt ruft jemand an und behauptet, es sei Mord gewesen?«, wunderte sich Dionne.
Mr High stand aus der Besprechungsecke auf und wandte sich seinem Computer zu, der auf seinem Schreibtisch stand.
»Es spricht nichts dafür«, sagte er und scrollte durch ein Dokument, bei dem es sich wahrscheinlich um das Protokoll des damaligen Vorfalls handelte. »Offenbar ist jemand in einen der Räume in dem Haus eingebrochen. So was machen ja manchmal Obdachlose. Es könnte sein, dass irgendetwas Feuer gefangen hat. Falls jemand da war, fehlt von ihm jedenfalls jede Spur.«
»Von einem ungebetenen Besucher auf der Baustelle gibt es ein undeutliches Bild auf einer Überwachungskamera«, sagte Ben. »Es gibt leider nicht viel her.«
Er stellte seinen Laptop auf den Tisch und öffnete die Datei. Er hatte recht. Mehr als ein Schemen war nicht erkennbar.
»Mord würde ja bedeuten, dass jemand Marini dort hingelockt und den Brand absichtlich gelegt hat«, sagte Phil, »und wusste, dass er sich der Gefahr aussetzen würde. Ziemlich unwahrscheinlich.«
Mr High nahm wieder bei uns Platz und senkte den Blick auf seine Hände. »Ich weiß, Phil. Das sehe ich genauso. Ich will aber den Anruf nicht einfach als Tat eines Spinners abtun. Wir haben eine Task Force, die sich mit dem organisierten Verbrechen beschäftigt. Und alles, was Licht in diese verwinkelte Schattenwelt bringt, nützt uns.«
»Für einen Spinner hat sich der Anrufer viel Mühe gegeben, seine Stimme zu verfremden«, sagte Ben. »Selbst mir ist es bisher nicht gelungen, sie so zu rekonstruieren, dass sie natürlich klingt.«
»Das lässt aufhorchen«, sagte ich.
Jeder von uns kannte die immensen Fähigkeiten, die unser junger Kollege Dr Ben Bruckner besaß. Er war ein wahres Wunderkind gewesen, hatte einen unmessbar hohen Intelligenzquotienten und schon mit dreizehn Jahren das College besucht. Mit seinen Computerprogrammierungen sorgte er in unserer Abteilung immer wieder für Wunder. Wenn er so eine verfremdete Stimme nicht sofort entschlüsselte, steckte wirklich etwas Besonderes dahinter.
»Wir müssen das ernst nehmen«, sagte Mr High. »Jerry, Phil, Sie überprüfen, ob es in dem Fall nicht doch einen Mord gegeben hat.«
»Wollen Sie Marini exhumieren lassen, Sir?«, fragte ich.
Mr High schüttelte den Kopf. »Vorerst nicht, Jerry. Obwohl er Anrufer ja behauptet hat, dass wir an der Leiche entsprechende Spuren finden würden. Aber ich spreche mit dem Staatsanwalt und dem zuständigen Richter darüber.«
Laien stellten sich wahrscheinlich vor, dass eine Exhumierung so einfach durchzuführen war. In Wirklichkeit war das nicht der Fall. Es mussten eine Menge Genehmigungen vorhanden sein, bevor man von Staats wegen die Ruhe eines Toten stören durfte.
Auch die Familie musste informiert werden, was auch wieder eine Menge Staub aufwirbeln würde. Vor allem wenn diese Familie in kriminelle Machenschaften verwickelt war. Marini hatte eine Frau und zwei erwachsene Kinder hinterlassen. Eine Tochter und einen Sohn.
Ich nippte an der Tasse Kaffee, die ich mir aus Mr Highs Vorzimmer in unser Büro mitgebracht hatte. Nachdenklich kaute ich auf meiner Unterlippe.
»Gehen wir mal davon aus, dass der unbekannte Anrufer recht hat«, sagte ich zu Phil. »Dass Marini ermordet wurde.«
Ich schaltete ebenfalls meinen Rechner ein und holte mir das undeutliche Bild auf den Schirm, das auf der Baustelle entstanden war.
War das der Mörder? Ich las mir noch einmal das Protokoll durch, das nach dem Brand entstanden war. Spuren in dem Raum, in dem sich die Arbeiter einen Ort für ihre Pausen eingerichtet hatten, wiesen auf einen Einbruch hin. Und darauf, dass sich dort jemand zur Nacht eingerichtet hatte. Das konnte vorgetäuscht gewesen sein.
»Ich würde mir die Baustelle gerne mal ansehen«, sagte ich. »Nur um mir ein Bild von der Örtlichkeit zu machen. Aus den Unterlagen des Bauamts geht hervor, dass sich da seit Marinis Tod nicht viel getan hat.«
Phil, der mir gegenüber saß, nickte abwesend und blickte auf seinen Rechner.
»Hast du einen anderen Hinweis gefunden?«, fragte ich. »Du wirkst so konzentriert.« Ich grinste. »Das kenne ich gar nicht von dir.«
»Kommt schon mal vor«, sagte mein Partner augenzwinkernd und klickte mit der Maus in dem Programm herum, das er geöffnet hatte. »Ich schau mir gerade an, in welchen Geschäften Marini unterwegs war, und wer überhaupt ein Interesse daran gehabt haben könnte, ihn zu beseitigen.«
Ich drückte mit den Händen gegen meinen Schreibtisch und ließ den Bürostuhl, auf dem ich saß, zurückrollen.
»Okay«, sagte ich. »Gute Idee. Teilen wir uns die Arbeit auf. Ich fahre mal rüber nach Queens und schau mir den Ort an, wo Marini umkam. Halt du mal nach seinen Feinden Ausschau. Viel Erfolg.«
Phil zog ein missmutiges Gesicht. Ich wusste, woran das lag. Er war nicht gerade ein Fan von Innendienst. Aber im Moment war es die beste Strategie, wenn wir möglichst schnell verschiedenen Ansätzen nachgingen.
»Mach du dir nur einen schönen Tag in Queens«, sagte er mit gespieltem Seufzen. »Ich kann ja hier im Büro versauern.«
»Von versauern ist keine Rede«, gab ich zurück. »Immerhin wirst du mit dem besten Kaffee von New York versorgt.«
»Auch wieder wahr«, meinte mein Partner.
Auf dem Weg nach unten in die Tiefgarage suchte ich mir den Namen des Beamten vom NYPD heraus, der die Ermittlungen nach dem Brand auf der Baustelle geleitet hatte.
Es war ein gewisser Sergeant Bannister vom 115. Revier, das für den Norden Queens zuständig war. Als ich meinen Wagen erreicht hatte, war es mir gelungen, kurz mit ihm zu sprechen und ihn darum zu bitten, ebenfalls zu der Baustelle zu kommen.
»Wussten Sie, dass es in der Sache neue Ermittlungsergebnisse gibt?«, fragte er, als ich das Gespräch schon beenden wollte.
»Nein, das ist mir neu«, sagte ich. »In den Akten des NYPD stand nichts davon. Was für Ergebnisse sind das?«
»Wir hängen mit der Datenaufnahme ein bisschen hinterher«, gab er zurück. »Ich muss das erst raussuchen. Aber wir wissen jetzt mehr über den Obdachlosen, der da eine Rolle gespielt hat. Ich kümmere mich darum und bringe die Unterlagen mit.«