Jerry Cotton 3556 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 3556 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Innerhalb von drei Tagen ereigneten sich zwei aufsehenerregende Morde. In Hartford starb Ruthy Raven alias Paul Kane und in New York Lulu Divine alias Arthur Franklin. Die beiden Dragqueens waren auf Kirchenstufen gefunden worden. Ihnen fehlten Lippen und Zähne. In den weit aufgerissenen Mündern steckte jeweils eine pinkfarbene Plastikrose. Alles deutete darauf hin, dass ein von Hass erfüllter Serienkiller für die Taten verantwortlich war. Wir ermittelten im Milieu zweier Dragqueenklubs, deren Besitzer, ein ehemaliger Mafiaboss, ebenso suspekt erschien wie manch einer seiner Gäste. Und schnell fanden wir uns in einem Netz aus Lügen und Intrigen wieder, in dem Schuld und Unschuld dicht beieinanderlagen.

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Seitenzahl: 144

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Cover

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Dragqueen Killer

Vorschau

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Impressum

Cover

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsbeginn

Impressum

Dragqueen Killer

Die weißen Grabsteine des Friedhofs auf der Rückseite der Backsteinkirche reflektierten das narkotisierende Mondlicht. Hank Morton seufzte genießerisch. In Nächten wie diesen kam er gerne hierher, um sich romantischen Empfindungen hinzugeben.

Dann fiel sein Blick auf die marmornen Stufen, die zum Hintereingang des Gotteshauses führten. Dort lag eine bis zur Hüfte in weißes Tuch gehüllte Gestalt.

Der magere Rumpf und der zurückgebogene Kopf glänzten wie schwarze Lava. Die theatralisch ausgebreiteten Arme erinnerten Morton an die Flügel eines Engels.

Erst als er näher herantrat, erkannte er, dass dem weit aufgerissenen Mund Lippen und Zähne fehlten. Jemand hatte dem Toten eine pinkfarbene Plastikrose in den Rachen gesteckt. Leere Augenhöhlen starrten Morton vorwurfsvoll an.

Zitternd streckte er die Hand aus, um mit den Fingerkuppen die knochige Brust des Leichnams zu berühren. Er wollte sich, verdammt noch mal, sicher sein, dass er sich das alles nicht einbildete.

»Das Leben hat auch seine angenehmen Seiten«, erklärte Supervisory Special Agent Tracey Kennedy. Ich fand keinen Grund, ihr zu widersprechen.

Sie war eine strahlende Blondine mit Gletscheraugen und markanten Gesichtszügen. Ihre Stimme vibrierte so wohltuend wie die Saiten eines gut gestimmten Kontrabasses. Als wäre das nicht schon genug, bestach sie noch mit einem lässigen Jeansoutfit, in dem ihre verführerischen Kurven gut zur Geltung kamen.

»Ist das nicht ein angenehmer Ort hier? Ich dachte, er könnte Ihnen ebenso gut gefallen wie mir. Vorausgesetzt natürlich, Sie hegen auch eine Vorliebe für große Kunst. Wenn Sie mögen, können wir uns später einmal die Picasso-Ausstellung ansehen.«

»Nichts dagegen«, erwiderte Phil bereitwillig. Ich zweifelte nicht daran, dass Kennedys Reize ihn beeindruckten.

Wir saßen ihr im Café des ehrwürdigen Wadsworth Atheneum gegenüber und nahmen ein verspätetes Frühstück zu uns. Durch die hohen Fenster im ersten Stock des Museumsbaus fiel freundliches Sonnenlicht in den elegant eingerichteten Raum. Da es an diesem frühen Montagmittag im Café nur wenige Gäste gab, konnten wir uns ungestört unterhalten.

Natürlich waren wir nicht die hundert Meilen nach Hartford gefahren, um mit der Leiterin der hiesigen FBI Resident Agency unverbindlich zu plaudern. Jedoch fand ich es faszinierend zu erleben, wie Kennedy es trotz des ernsten Anlasses fertigbrachte, eine angenehme Atmosphäre zu schaffen.

In der Nacht von Donnerstag auf Freitag war vor dem Portal der Church of the Guardian Angel in New York die bekannte Dragqueen Lulu Divine ermordet aufgefunden worden. Am gestrigen Sonntag um sieben Uhr früh hatte ein verwirrter alter Mann ihre tote Kollegin Ruthy Raven vor dem Hintereingang der Baptist Church in Hartford entdeckt.

Die beiden Drag Artists, mit bürgerlichem Namen Arthur Franklin und Paul Kane, waren auf dieselbe Weise getötet worden: mittels mehrerer wüst ausgeführter Stiche in Brust und Kehle. Die Tatzeit lag in beiden Fällen zwischen zwei und vier Uhr nachts.

Weil mit Connecticut außer New York noch ein weiterer Bundesstaat betroffen war und man zudem mit einem Serientäter rechnen musste, hatte das FBI die Ermittlungen übernommen. Es würde im Bedarfsfall vom NYPD unterstützt.

Am Morgen hatte Tracey Kennedy Phil und mir den Fundort der zweiten Leiche gezeigt.

»Ich nehme an«, sagte Phil, »es wurden keine Fingerabdrücke gefunden, so wie in New York.«

»Richtig«, bestätigte die Agentin.

»Was«, fragte ich sie, »halten Sie von der Art, wie die Opfer verstümmelt und nackt in der Öffentlichkeit präsentiert wurden?«

Für einen Moment verdunkelte sich ihr Blick, ehe sie sagte: »Fassen wir zusammen, der Drecksack, der sie getötet hat, ist jedenfalls psychisch gestört. Wie ist er vorgegangen? Nun, beide Gerichtsmediziner fanden keine Anzeichen dafür, dass sich die Männer gewehrt hätten. Nach ihrer Meinung hat der Täter die Opfer zunächst betäubt und vollständig ausgezogen. Dann tötete er sie.«

Ich nickte stumm.

»Anschließend ließ er sich Zeit, die Münder von den Mundwinkeln bis zum Ohr aufzuschneiden, Lippen und Zähne zu entfernen und eine pinkfarbene Plastikrose in die klaffende Öffnung zu stecken. Zum Schluss übergoss er die Leiber mit schwarzem Lack, über den er einige getrocknete weiße Farnblätter streute. Die unsichtbaren Gesichter schienen emporzublicken. Womöglich eine Anspielung auf die Bitte um göttliche Gnade. Wenn man bedenkt, dass sich der Killer außerdem die Mühe machte, die Opfer dorthin zu bringen, wo sie gefunden wurden, drängt sich der Eindruck auf, dass er mit dieser Show Eindruck schinden wollte.«

»Glauben Sie«, fragte ich, »dass es einen Zusammenhang gibt zwischen der makabren Inszenierung und dem Umstand, dass die Opfer im Showgeschäft tätig waren?«

Kennedy krauste die Stirn. »Aber ja, klar, so könnte es sein.«

»Wir wissen, dass beide Opfer als Dragqueens in den Läden von Romeo Dimon auftraten, im Queer in New York und im Pink hier in Hartford. Wir sollten in den Klubs mit den Ermittlungen beginnen. Womöglich kommt der Täter aus deren Umfeld.«

»Oder er wollte bloß diesen Eindruck erwecken, um uns auf eine falsche Spur zu lenken«, sagte Phil.

»Wäre möglich«, räumte ich ein.

Kennedy meldete Zweifel an. »Vermuten Sie nicht, dass der Täter eine Affinität zum Showgeschäft hat?«

»Doch, schon«, gab Phil und grinste. »Übrigens kenne ich jemanden, Jerry, der sich garantiert nicht freut, wenn wir in seinem Dunstkreis auftauchen.«

Eine Anspielung auf den in New York lebenden Besitzer der Klubs. Der achtundsiebzigjährige ehemalige Mafiaboss Romeo Dimon hatte sich angeblich vor längerer Zeit aufs Altenteil begeben. Zumindest war das die offizielle Version. Angeblich fuhr er mit den beiden Klubs genug Kohle ein, um sich weiterhin einen luxuriösen Lebensstil zu leisten.

Als Patriarch einer italienischen Großfamilie stand er im Verdacht, weiterhin beste Kontakte zur Cosa Nostra zu unterhalten. Deshalb war er vor längerer Zeit auch einige Male ins Visier des FBI geraten, die Ermittlungen waren jedoch im Sand verlaufen.

Ich unterrichtete Kennedy davon.

»Interessant«, sagte sie. »Bisher hielt ich ihn lediglich für einen zwielichtigen Typen. Aber ich hatte nie persönlich etwas mit ihm zu tun.« Sie schwieg kurz. »Ich habe mal gehört«, sagte sie dann, »dass ihm gut aussehende Männer gefallen. Haben Sie eine Ahnung, ob das stimmt?«

»Es gilt als offenes Geheimnis«, erwiderte ich.

»Stand er je im Verdacht, sexuell gewalttätig zu sein?«

»Ich ahne, worauf Sie hinauswollen, Special Agent. Bloß es gibt keine entsprechenden Hinweise. Außerdem würde selbst das nicht zwangsläufig bedeuten, dass er ein Triebverbrecher ist.«

»Ich halte Dimon nicht für einen abartigen Psychofreak«, pflichtete Phil mir bei. »Jerry und ich sind ihm einmal begegnet. Mein Eindruck war eher, dass er ein brutaler, kühl kalkulierender Macho ist. Falls ihm daran liegt, jemanden ins Jenseits zu befördern, hat er praktische Gründe. Und er heuert einen Profikiller an.«

»Ich gebe zu«, erwiderte Kennedy, »ich war etwas vorschnell. Aber dass ausgerechnet zwei bei diesem Kerl engagierte Künstler kurz hintereinander ermordet werden, ist doch merkwürdig. Und woher wollen Sie eigentlich wissen, dass sich hinter seiner Machofassade kein sadistischer Psychopath verbirgt?«

»Der Punkt geht an Sie«, sagte ich.

»Als Frau«, erwiderte Kennedy lächelnd, »tut man gut daran, Männern generell eine Menge zuzutrauen.«

Sie meinte es ernst. Gleichzeitig spürte ich, dass sie es genoss, Phil und mich auf charmante Art zu provozieren.

Die freundliche rundliche Kellnerin kam, und wir orderten eine zweite Runde Kaffee.

»Wie kann es sein«, überlegte Kennedy laut, »dass jemand mitten in der Nacht unbemerkt einen Toten vor einem öffentlichen Gebäude ablegt?

»Gute Frage«, sagte Phil. »Wenn wir das rausfinden, könnte uns das einen Hinweis auf den Täter liefern.«

Kennedy nickte. »Ich habe einen Aufruf in der Öffentlichkeit veranlasst. Gibt es in New York irgendwelche Zeugen?«

»Nein«, antwortete ich. »Zurzeit werden die Aufnahmen der Straßenkamera vor der Church of the Guardian Angel überprüft.«

»Es ist ein Elend.« Kennedy seufzte. »An der Straße hinter der Hartford Baptist Church gibt es keine Kameras, fragen Sie mich nicht, warum. Ein unentschuldbares Versäumnis, wie sich jetzt zeigt.«

Wir legten eine längere Pause ein, um unsere Gedanken zu ordnen.

Nachdem die Bedienung mit dem Kaffee gekommen war, setzten wir unsere Besprechung fort.

»Rekapitulieren wir noch mal«, schlug ich vor. »Aus welchen Gründen auch immer der Täter Paul Kane und Arthur Franklin getötet hat, er wird sie vermutlich gekannt haben. Woher, müssen wir rausfinden. Es liegt nahe, dass er mit beiden Klubs vertraut ist. Die pinkfarbene Plastikrose im Mund der Opfer könnte ja auch eine Anspielung auf den Pink Club sein. Außerdem scheint sich der Täter sowohl in Big Apple als auch in Hartford gut auszukennen. Das lässt sich aus der Wahl der Fundorte der Leichen schließen.«

»Wir sollten unsere Ermittlungen zwar hauptsächlich auf die Klubs konzentrieren«, stimmte Kennedy mir zu, »aber auch in Erfahrung bringen, ob uns Angehörige oder Freunde der Männer nützliche Informationen liefern können.«

»Und wir müssen überprüfen«, sagte Phil, »ob in letzter Zeit in Hartford oder New York Sexualstraftäter aus der Haft entlassen wurden.«

»Das kann ich veranlassen«, sagte Kennedy. »Auch was die Klubs betrifft, würde es mich interessieren, ob einer der Gäste schon mal straffällig wurde, insbesondere im Hinblick auf Sexualdelikte.«

»Apropos Gäste«, schloss sich Phil an. »Vermutlich gibt es in den Klubs so was wie eine Stammkundschaft. Typen, die wissen, was da läuft und wer was angeblich gesagt oder getan hat. An diese Leute müssen wir uns halten.«

Kennedy runzelte skeptisch die Stirn. »Werden die uns an sich ranlassen? Die Szene legt größten Wert auf Diskretion.«

Für einen Moment stockte der Gesprächsfluss, dann kam mir die Erleuchtung. »Wir könnten in den Hartforder Klub zwei New Yorker Agentinnen einschleusen, die verdeckt ermitteln.«

»Du denkst an Kristen und Dionne?«, fragte Phil lächelnd.

»Erraten!«

»Was erheitert Sie so?«, erkundigte sich Kennedy irritiert.

»Oh«, sagte Phil, »sorry, Sie kennen die beiden ja nicht, also muss ich meine Reaktion erklären. Die Special Agents Steele und Jackson könnten im Milieu der Klubs glaubwürdig als queeres Paar auftreten, sie kriegen das sicher fantastisch hin. Und ich bin überzeugt, dass sie noch Spaß daran haben.«

»Wir werden das natürlich noch mit den beiden und Mister High besprechen müssen«, sagte ich.

Kennedy schmunzelte.

»Die Idee gefällt mir, bin sehr gespannt darauf, die Agents kennenzulernen.« Sie warf einen Blick auf ihre olivgrüne Swatch. »Herrje, ich werde im Office erwartet. Tut mir leid, wie machen wir weiter?«

Ich übernahm die Antwort. »Agent Decker und ich fahren zurück nach New York und nehmen uns Romeo Dimon vor. Anschließend berichten wir Ihnen, was dabei rausgekommen ist.«

»Gut«, befand Kennedy, »falls das Pink heute geöffnet hat, werde ich mich da mal umsehen.«

Ich winkte die Kellnerin heran, und wir zahlten.

Nachdem wir das Café verlassen hatten und auf der Straße vor dem Museum standen, sagte Kennedy zum Abschied: »Übrigens, lassen wir diesen formalen Quatsch beiseite, ich heiße Tracey, Jungs.«

Es haute mich um festzustellen, wie schnell sie Punkte bei mir sammelte.

Filippo Dimon fühlte sich unwohl in seiner Haut.

Mit zweiundzwanzig Jahren hatte er seinem Großvater Romeo nicht viel entgegenzusetzen. Sie hockten beide am gläsernen Esstisch in dessen Prunkvilla und tranken Budweiser aus Dosen. Grandpa brauchte eine Menge davon, um seinen Ärger runterzuspülen. Wohl oder übel hielt Filippo mit, obwohl sie noch nicht gefrühstückt hatten und sein Magen jämmerlich knurrte.

Sein Großvater pflegte bis zum Mittag zu Hause so rumzulaufen, wie er zu Bett gegangen war. Bekleidet nur mit einer Unterhose und braunen Wildlederpantoffeln. So hatte er ihn auch heute an der Haustür empfangen.

Er war ein massiger Mann mit Resten von Muskelmasse unter der schwammigen bleichen Haut. Der bullige Nacken wies ebenso viele lederne Falten auf wie das grobknochige Gesicht mit dem harten Mundstrich. Über die nackte Kopfhaut zog sich ein rötlicher Ausschlag.

In dem goldgerahmten Wandspiegel hinter dem Alten konnte sich Filippo selbst sehen. Einen schlaksigen Burschen in schwarzer Hose und schwarzem T-Shirt, der gerade von einer Galerieeröffnung zu kommen schien, das flachsblonde Haar akkurat gescheitelt.

Sein Großvater, der ihn früh von den drogenabhängigen Eltern weggeholt und seine Erziehung übernommen hatte, entlohnte Filippo fürstlich für die Tätigkeit als Geschäftsführer des Pink Club in Hartford. Einziger Wermutstropfen: Seinem Wohltäter schuldete er als Enkel blinde Gefolgschaft.

»Da hat es jemand auf mich abgesehen«, geiferte der Alte. »Würde mich nicht wundern, wenn diese puerto-ricanische Ratte Vic dahintersteckt.«

Filippo war damit ganz und gar nicht einverstanden. Sein Großvater brachte es tatsächlich fertig, die Morde an den Dragqueens als Anschlag auf ihn selbst umzudeuten. Oder besser, auf seine Klubs. Er glaubte, dass Vic ihm geschäftlich schaden wollte, was zweifellos keinen Sinn ergab.

Okay, Vic besaß selbst einen Showbetrieb in Hartford, das Joystick. Doch dort traten keine Dragqueens auf, sondern zweitklassige Magier, Witzeerzähler und Stripteasenutten, die für fünfzig Mäuse auf den Schößen der männlichen Besucher herumschaukelten. Der Laden machte dem alten Dimon keine Konkurrenz.

Und überhaupt, beehrte Victor Hernandez nicht Grandpas Klubs mit seiner Dauerpräsenz, weil er ganz verrückt auf die jüngeren weiblichen Gäste war? Zusammen mit ein paar anderen Gästen gehörte Vic zur Stammkundschaft. Weshalb, um Himmels willen, sollte er ein Interesse am Ruin der Klubs haben?

Fuck, es lohnte sich nicht, seinem Großvater zu widersprechen, aber Filippo leistete sich wenigstens den Ansatz einer Kritik, indem er mit hochgezogenen Brauen ein Fragezeichen formulierte.

Es genügte, um RD, wie sein Großvater ehrfürchtig genannt wurde, als er noch ein wilder, gefürchteter Mann gewesen war, den Blutdruck jäh hochzutreiben.

»Warum«, fauchte er, »glotzt du mich so dämlich an?«

»Also, ich finde, deine Theorie erklärt nicht, warum Lulu Divine und Ruthy Raven derart zugerichtet wurden.«

Sein Großvater zuckte genervt mit den Schultern. »Scheiße, keine Ahnung, Leute wie Vic kommen auf die verrücktesten Ideen.«

»Es muss einen Grund dafür geben«, beharrte Filippo.

»Falls du eine Idee hast, dann raus mit der Sprache! Wer hat die Ladys aufgeschlitzt, gottverdammt?«

Währen RD seine dritte Bierdose öffnete, sann Filippo auf eine einigermaßen plausible Antwort.

»Ich tippe mal«, sagte er, nachdem RD den ersten Schluck gurgelnd durch seine Kehle hatte rinnen lassen, »dass es um irgendwelche Sexgeschichten ging. Du weißt doch, wie schrill die Queens drauf sind.«

»Was, zum Teufel, meinst du damit?«

»Na ja, vielleicht haben sie irgendeinem Penner den Kopf verdreht, und der ist ausgerastet.«

RD schnaufte verächtlich und genehmigte sich einen weiteren Schluck Budweiser. Filippo kannte seinen Großvater gut genug, um ihm zu glauben. RD hatte ihn nicht um diese Unterredung gebeten, um tiefschürfende Betrachtungen über das Motiv des Mörders anzustellen. Und schon gar nicht ging es ihm um die Opfer. Er war einzig daran interessiert, ein Ärgernis zu beseitigen. Jemand hatte ihn provoziert. Er gab es ja zu, die Morde schadeten dem Ruf der Klubs, und das konnte er nicht auf sich sitzen lassen.

Im Moment war RD ratlos, er brauchte Filippo mit seinem klaren Verstand, um auszutüfteln, welche Maßnahmen sie jetzt ergreifen sollten. Ohne Filippos ausgleichendes Wesen würden ihm zu schnell die Gäule durchgehen.

So sah Filippo das jedenfalls.

Sein Großvater hatte ihm immerhin die Führung des Pink anvertraut. Die Geschäftsführung des größeren und eleganteren Queer in New York hatte er sich allerdings selbst vorbehalten.

In puncto kompromissloser Härte traute er seinem Enkel nicht viel zu. Filippo wusste, dass sein Großvater, dem man nachsagte, dass er keine Mittel scheute, um sich durchzusetzen, ihn für ein Weichei hielt.

»Das Schlimmste ist«, zeterte RD, »dass uns jetzt die Feds an den Hacken hängen. Sie werden so lange bei uns herumschnüffeln, bis sie den Killer in die Finger kriegen. Und das kann 'ne verdammte Weile dauern, so wie ich die Lage einschätze.«

Klar, dache Filippo, der Alte befürchtete, dass seine illegalen Geschäfte aufflogen. Filippo hatte Anlass zu vermuten, dass es dabei um Drogen- und Waffenhandel im großen Stil ging, obwohl RD nie mit ihm darüber gesprochen hatte.

»Du bist ein ahnungsloser Spinner«, hatte er einmal zu Filippo gesagt. »Und dabei soll es auch bleiben.«

Filippo begnügte sich damit. Solange er nichts wusste, gingen ihn die Machenschaften seines Großvaters nichts an.

»Scheiße«, fluchte RD, »es bleibt uns nichts anderes übrig, als die Sache selbst in die Hand zu nehmen!« Er leerte schnaufend seine Bierdose, presste sie zusammen und schleuderte sie zu Boden. Dann stierte er ihn wütend an. »Du könntest, verdammt noch mal, fragen, worauf ich hinauswill!«

»Okay, ich wüsste es gerne.«

»Kannst du es dir nicht vorstellen?«

»Na ja, du bist ein mächtiger und reicher Mann, RD. Ich vermute, du findest einen Experten, der für dich diskrete Nachforschungen anstellt.«

Sein Großvater lachte rau. »Du drückst dich immer so scheißverdreht aus, Junge. Echt beeindruckend, aber du liegst falsch. Ich bin nicht so verrückt, irgendeinen lizensierten Spürhund anzuheuern, der überall rumschnüffelt und 'ne Menge Staub aufwirbelt. So was hätte mir noch gefehlt. Ich vertraue niemandem, das sollte dir eigentlich klar sein.«

»Was ist mit Mick Dempsey, er ist Stammkunde in den Klubs und bei der Mordkommission in Hartford. Er könnte dir helfen.«

»Dieser Säufer? Der wird uns bloß Schwierigkeiten machen. Vergiss ihn!«

Filippo nickte folgsam und hoffte, dass RD endlich auf den Punkt kam. Er war überzeugt, dass sich sein Großvater bereits zu einer Entscheidung durchgerungen hatte und ihn lediglich etwas schmoren lassen wollte.

»Ich tippe nach wie vor auf Vic«, sagte RD. »Um es kurz zu machen, du wirst dich um den Wichser kümmern. Ihr beide versteht euch prächtig. Also wird es ihm nicht auffallen, wenn du ihm ein bisschen auf die Pelle rückst, um ihn auszuspionieren. Außerdem möchte ich, dass du im Pink Augen und Ohren offenhältst und mir sofort meldest, wenn sich eine von den Drags oder einer der Stammgäste ungewöhnlich verhält oder irgendwelche Gerüchte über die Morde kursieren. Falls du recht hast und bei diesem Schlamassel Eifersüchteleien im Spiel waren, wirst du es auf diese Weise herausfinden.«

»Ich habe keine Ahnung von so was ... Ehrlich, RD, dabei wird nichts raus...«