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Was wollte Pat Mallory in New York? Warum war der Ganove, der als Schutzgelderpresser in Las Vegas erfolgreich war, überhaupt im Big Apple? Als er erschossen auf einem Abbruchgrundstück in Queens gefunden wurde, häuften sich die Rätsel. Wir fanden schnell heraus, dass Mallory hochverschuldet gewesen war. Hatte er nach jemandem gesucht, der ihm aus der Misere hatte helfen sollen? Als wir uns bei professionellen Geldverleihern umhörten, erfuhren wir etwas, das uns hellhörig werden ließ. Vielleicht hatte Mallory an einem geheimnisvollen Spiel teilgenommen, um sein Problem zu lösen - und verloren. Nicht umsonst nannte man es das Todesspiel. Was es damit auf sich hatte, sollten wir bald erfahren ...
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Seitenzahl: 145
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Inhalt
Das Todesspiel
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Impressum
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Inhaltsverzeichnis
Inhaltsbeginn
Impressum
Pat Mallory erstarrte, als er ein Geräusch hörte. Er befand sich im nächtlichen Schatten zwischen zwei matten Straßenlaternen und wusste, dass er nicht zu sehen war. Mallory lauschte. Für New Yorker Verhältnisse war es hier im Osten von Brooklyn fast totenstill, wenn man von dem ständigen Rauschen des fernen Verkehrs absah.
Da war es wieder! Kurze, schnelle Schritte, als hätte der Verfolger irgendwo hinter Mallory einen kurzen Sprint hingelegt.
Verdammt, man würde ihn in wenigen Sekunden schnappen!
Neben ihm ragte eine Backsteinmauer auf. Knapp zehn Fuß hoch. Er befühlte die Steine. Sie waren uneben und leicht verkantet. Er konnte versuchen, an ihr hochzuklettern.
Noch einmal lauschte Mallory. Nichts. Dabei spürte er, dass da irgendwo jemand auf ihn lauerte. Er war fest entschlossen, sich nicht schnappen zu lassen.
Er wollte das Spiel gewinnen. Das Spiel, das sie Todesspiel nannten. Für ihn würde es ein Spiel des Lebens sein.
Er bekam einen winzigen Vorsprung zu fassen, an dem er sich hochziehen konnte. Seine Hand ertastete etwas, das eine knappe Armlänge aus der Mauer ragte. Es musste ein Rohr sein.
Er packte zu. Sein Fuß rutschte ab. Einen Moment lang hing er im Nichts und fürchtete, hinunter auf die Straße zu fallen, in die Hände oder ins Visier des Verfolgers. Er setzte den Fuß etwas höher an, griff auf die Oberkante der Mauer und zog sich hoch.
Er hatte es geschafft. Der Schweiß brach ihm aus. Sein Herz hämmerte.
Auch hier oben war es dunkel. Also war er immer noch in Deckung. Er würde es schaffen. Er würde zurück in den Westen gehen. Dort hatte es doch so gut begonnen mit seinen Geschäften ...
Gut, er hatte auch Pech gehabt, und das hatte ihn letztlich in die Lage gebracht, in der er jetzt war. Aber es gab immer einen Weg, davon war Mallory überzeugt.
Er ließ den Blick über das Areal jenseits der Mauer schweifen. Es gab absolut keine Beleuchtung. Der Himmel über der Metropole war wolkig und reflektierte matt das Licht, das die Millionen von Lampen und Lichtreklamen nach oben schickten.
Da waren ein paar Umrisse von Gebäuden, ansonsten eine wellige dunkle Fläche.
Er befand sich in einem Industriegebiet, in dem es wahrscheinlich ein paar Grundstücke gab, auf denen einiges verändert wurde. Es wurde abgerissen und neu gebaut. Moderne Anlagen und Lagerhallen brauchten moderne Technologien. Den alten Schuppen, die hier noch herumstanden, waren ein Fall für den Bulldozer.
Das war genau der Rückzugsort, den er brauchte.
Er konnte die Beschaffenheit des Bodens nicht sehen. Deswegen wagte er nicht, einfach hinunterzuspringen. So ging er in die Hocke, packte die Krone der Mauer und ließ sich langsam hinunter. Er landete auf Asphalt.
Als er unten angekommen war, musste er sich ein wenig ausruhen. Er zitterte vor Anstrengung. Sein Herz wollte sich nicht beruhigen. Und er hatte Hunger. Nicht nur Hunger, sondern richtigen Kohldampf. Und ein Schluck Wasser wäre auch ganz gut gewesen.
Daran durfte er nicht denken. Es konnte sich nur um Stunden handeln, dann hatte er das Spiel gewonnen. Dann konnte er sich alles leisten.
»Vielleicht gibt es da drüben ein offizielles Tor«, sagte er leise vor sich hin. »Das würde es einfacher machen.«
Er erschrak, als er seine eigene Stimme hörte, die ihm unverhältnismäßig laut vorkam. Das er manchmal einfach laut aussprach, was er dachte, war eine blöde Angewohnheit, die ihn schon oft in dumme Situationen gebracht hatte.
Hier hatte ihn hoffentlich niemand gehört. Und wenn der Verfolger auf der anderen Seite der Mauer war, musste er erst einmal selbst darüber steigen, bevor er Mallory zu fassen bekam.
»Du wirst lachen, das Tor gibt es tatsächlich«, sagte plötzlich eine Stimme neben ihm.
Mallory hatte das Gefühl, jemand hätte ihn mit einem Eimer Eiswasser übergossen.
»Man muss kein großer Kletterkünstler sein, um hier reinzukommen.« Ein leises Lachen folgte. »Hier ist Endstation, Mallory. Du hast das Spiel verloren.«
Nein, das habe ich nicht. Alles in ihm wehrte sich gegen diesen Gedanken. Er rannte los. Schritte hetzten ihm nach. Er hatte das dunkle Gebäude im Blick. Wenn es ihm gelang, es zu umrunden, auf der anderen Seite Schutz zu finden.
Er wusste, dass man nicht zögern würde, auf ihn zu schießen. Also musste er sich bewegen, musste ein schwer zu treffendes Ziel abgeben. Die Dunkelheit spielte ihm dabei in die Karten.
Das Gebäude entpuppte sich als flache Lagerhalle. Als er um die Ecke bog, bot sich ihm ein anderes Bild.
Eine Straße ging ab, die in das Stadtgebiet von Queens führte. Da war keine Mauer, sondern eine freie Durchfahrt. Und daneben eine Baracke, hinter deren Fenstern Licht brannte.
Mallory suchte einen Bereich, in dem er sich im Dunkeln befand. Dass die Zufahrt dort drüben bewacht wurde, bedeutete, dass er sich einen anderen Weg zurück auf die Straße suchen musste.
Wieder hörte er Schritte.
»Sieht aus, als wärst du in eine Falle getappt«, sagte die Stimme. »Das Spiel ist für dich vorbei.«
Nein, nein, nein. Mallory wandte sich nach rechts, der Lagerhalle zu. Gleißendes Licht flammte auf. Es beleuchtete fast die Hälfte des Areals.
Ein Bewegungsmelder. Er hatte einen Bewegungsmelder ausgelöst. Die Scheinwerfer, die an der Mauer der Lagerhalle aufgereiht waren, blendeten ihn. Irgendwo vor ihm war der Verfolger. Und er stand hier wie auf dem Präsentierteller.
Ein Schuss knallte. Mallory spürte so etwas wie einen Faustschlag gegen sein Schlüsselbein. Dann noch einer.
Mallorys Kopf wurde zur Seite gerissen. Und dann verlosch das grelle Licht. Es wurde wieder Nacht.
Das elektronische Gedudel meines Handys riss mich aus einem traumlosen Schlaf. Es war Mr High, der anrief.
Mein Wecker zeigte kurz nach vier. Dass der Chef mir den Rest der Nachtruhe nicht gönnte, hatte sicher einen wichtigen Grund. Ich ging dran.
»Guten Morgen, Sir.«
»Guten Morgen, Jerry«, kam es zurück. »Es tut mir leid, Sie und Phil müssen gleich ins Field Office kommen. Es hat heute Nacht einen eigenartigen Vorfall in Queens gegeben. Alles weitere hier. Ich rufe auch Phil an. Er wird Sie an der gewohnten Ecke erwarten. Bis gleich.«
Wir beendeten das Gespräch, und ich machte mich innerhalb einer Viertelstunde fertig. Die Begrüßung mit Phil fiel knapp aus. Wir wussten, dass wir keine Zeit verlieren durften.
Als wir im dreiundzwanzigsten Stock des Jacob K. Javits Federal Building an der Federal Plaza Mr Highs Büro betraten, war der Chef nicht allein. Ein Mann in Zivil war bei ihm, der sich als Detective Lieutenant Brantley vom NYPD vorstellte.
»Detective Lieutenant Brantley ermittelt in einem Mordfall, der sich vor etwa vier Stunden in Brooklyn ereignet hat«, erklärte Mr High. »Er wird Ihnen sagen, worum es geht.«
Wir setzten uns in die Besprechungsecke.
Dann ergriff der NYPD-Beamte das Wort. »Das Opfer heißt Patrick Mallory. Auch bekannt als Pat Mallory. Er ist ein Kleinkrimineller, den wir in New York eigentlich gar nicht vermutet hätten. Er hat sich in Nevada als Schutzgelderpresser betätigt und ist sogar ziemlich erfolgreich darin gewesen. Allerdings scheint es so, als hätte er viel Geld in Las Vegas verspielt und deswegen Schulden gemacht. Und nun wurde er in Queens erschossen.«
Brantley berichtete, dass Mallory offenbar auf der Flucht gewesen war. Er hatte den Bereich eines Bewegungsmelders auf einer Abbruchbaustelle betreten. Die Baustelle war auf der einen Seite durch einen Wachdienst gesichert.
»Die Mitarbeiter dort haben das Licht gesehen, die Schüsse gehört und waren sofort zur Stelle«, erklärte er. »Von dem Täter haben sie nichts mitbekommen, immerhin haben sie Mallory gefunden. Nachdem wir ihn überprüft hatten und seine Vorgeschichte kannten, war klar, dass die Sache in den Zuständigkeitsbereich des FBI fällt.«
Ich nickte. »Mallory könnte versucht haben, im Big Apple an Geld zu gelangen, um seine Spielschulden loszuwerden.«
»Und er hat sich dabei wohl mit den falschen Leuten eingelassen«, ergänzte der Lieutenant.
Unterdessen hatte Mr High den großen Monitor aktiviert, der an der Wand gegenüber der Besprechungsecke befestigt war. Er war an seinen Computer gegangen und hatte Fotos vom Tatort darauf eingespielt. Wir sahen Mallory, der auf einem Untergrund aus rissigem Asphalt lag. Er war ein Mann Ende dreißig mit dunkelblondem Haar. An der Schulter war seine Jacke von Blut getränkt. Ein zweiter Schuss hatte ihn offensichtlich am Kopf getroffen.
»Seltsam«, sagte Phil, stand auf und sah sich das Bild genauer an.
»Was meinst du?«, fragte ich.
»Ich weiß auch nicht so recht, seine Kleidung kommt mir komisch vor. Ich habe das Gefühl, sie passt ihm nicht richtig, als ob er sie sich irgendwo aus der Altkleidersammlung oder dem Müll zusammengesucht hätte.«
»War er finanziell so am Ende, dass er sich nicht mal was zum Anziehen leisten konnte?«, überlegte ich laut. »Immerhin konnte er die Reise nach New York finanzieren.«
»Und er hätte im Westen sicher Leute gefunden, die ihm Geld leihen«, sagte Brantley. »In Las Vegas selbst. Oder in Los Angeles.« Er lächelte. »Eigentlich bin ich froh, dass Sie den Fall übernehmen.« Er sah auf die Uhr. »Und ich gönne mir jetzt meinen wohlverdienten Feierabend. Meine Schicht ist gerade zu Ende gegangen.«
Den Feierabend gönnten wir ihm und wünschten ihm gute Erholung, bevor er ging.
Anschließend überprüften wir zusammen mit Mr High alle Details, die von der Crime Scene Unit dokumentiert worden waren. Es waren auch die Protokolle der Gespräche mit den Sicherheitsleuten dabei und die Überprüfung der Umgegend hinsichtlich eventuell infrage kommender Überwachungskameras. Was die Kameras betraf, gab es eine schlechte Nachricht. Auf dem Areal, wo Mallory erschossen worden war, waren keine vorhanden.
»Wenn Kristen zum Dienst kommt, soll sie Sie unterstützen«, sagte Mr High. »Sie könnte sich in der Szene umhören und herausfinden, ob Mallory irgendwen kontaktiert hat, vielleicht um sich Geld zu leihen.
Später erschien Dr Ben Bruckner zum Dienst. Er war mit einundzwanzig Jahren unser jüngster Kollege, wirkte äußerlich jedoch wie ein Teenager. Er versuchte, mit einem konservativen Kleidungsstil dagegen anzukämpfen und trug stets Anzug und Krawatte. Leider nützte es nichts. Man hatte eher den Eindruck, einem brav herausgeputzten Schüler von der Highschool gegenüberzustehen. Diese Äußerlichkeiten waren für uns unwichtig. Wir schätzten Ben als hochbegabtes Computergenie, das uns schon oft aus schwierigen Situationen herausgeholfen hatte.
»Mallory war tatsächlich verschuldet«, sagte er, nachdem er einige Recherchen angestellt hatte. »Sein Bankkonto in Las Vegas ist überzogen. Die einzige Kreditkarte, die er besitzt, wurde gesperrt, nachdem er den Flug nach New York bezahlt hat. Er kam also wirklich völlig mittellos in New York an und muss sich Hoffnungen gemacht haben, hier zu Geld zu kommen.«
Ben hatte auch die Überwachungskameras gecheckt, die er rund um die Gegend gab, in der Mallory erschossen worden war.
»Auf dem Abbruchgelände gibt es keine«, sagte er. »Dafür auf den Straßen drumherum. Ich bin von dort ausgegangen und dann spiralförmig immer weiter vom Gelände weg. Es gibt einige Aufnahmen. Ich habe sie euch mitsamt Orts- und Zeitangaben auf eure Handys geschickt. Wahrscheinlich wollt ihr euch an den Orten umsehen.«
»Von Wollen kann keine Rede sein«, sagte Phil seufzend. »Ich fürchte, da steht uns mal wieder die berühmte Suche nach der Nadel im Heuhaufen bevor.«
Unsere Kollegin Kristen Steele war zwar noch nicht lange im Team des New Yorker Field Office. Allerdings hatte sie sich geradezu in Rekordgeschwindigkeit einen Überblick über die kriminelle Szene der einflussreichen Mafiafamilien verschafft. Darunter waren einige, die sich auf Geldverleih spezialisiert hatten.
»Wenn er versucht hat, in New York auf diese Weise zu Geld zu kommen, kriege ich das raus«, sagte sie. »Trotzdem verstehe ich nicht, wieso er dafür extra die lange Reise auf sich genommen hat.«
»Das fragen wir uns auch, Kristen«, sagte Phil. »Und es wäre natürlich noch schöner, wenn du das gleich rauskriegen könntest, vielleicht mit einer kleinen Undercoveraktion.«
Damit spielte mein Partner darauf an, dass sich Kristen immer wieder mal als verdeckte Mitarbeiterin in kriminelle Organisationen eingeschleust hatte. Auf diese Weise hatten sich unsere Wege das erste Mal gekreuzt. Damals hatte sie in einem Frauenhändlerring ermittelt, der seine Opfer aus Osteuropa in die USA gelockt hatte.1
Wir fuhren im Aufzug hinunter in die Tiefgarage und bestiegen meinen Jaguar F-Type R 75, um uns auf den Weg zum Tatort nach Brooklyn zu machen. Er befand sich an der Fountain Avenue, an der sich mehrere Gewerbegebiete aneinanderreihten.
»Eigentlich ist das keine Gegend, in der man sich nachts herumtreibt«, sagte Phil. »Außer man hat etwas Bestimmtes vor.«
»Hatte er nach unserer Theorie ja auch«, sagte ich, während der Jaguar der schnurgeraden Straße folgte. »Er wollte zu Geld kommen, um seine Schulden zu bezahlen.«
»Und was genau hatte er vor, Jerry? Wollte er hier irgendwo etwas stehlen? Oder jemanden überfallen?«
»Aus den Unterlagen geht hervor, dass man bei ihm keine Waffe gefunden hat«, sagte ich, »und auf dem ganzen Areal sonst auch nicht.«
»Vielleicht hat der Täter sie mitgenommen. Und vielleicht war es ja der Täter, den Mallory ausnehmen wollte. Der hat sich gewehrt.«
An der Straße erhob sich eine verwitterte Backsteinmauer. Ein verrostetes Tor zeigte eine zugewachsene Zufahrt. Wir hatten uns informiert und wussten, dass das nicht der offizielle Eingang auf das Abbruchgelände war. Der lag auf der anderen Seite, wo eine Baustellenstraße begann. Daneben gab es eine Baracke, in der sich die Sicherheitsleute aufhielten, die das Ganze im Auge behielten.
Vor der Schranke warteten ein paar Trucks. Die Fahrer waren ausgestiegen und sahen uns missmutig an. Weiter hinten, neben einem flachen Gebäude, das wohl eine alte Lagerhalle war, gingen Mitarbeiter der Spurensicherung ihrer Arbeit nach. Alles war mit schwarz-gelbem Absperrband gesichert.
Kaum hatten wir das kleine Gebäude betreten und uns vorgestellt, blaffte uns einer der Männer in dunkelblauer Kluft an. »Ah, da ist ja endlich jemand, der uns etwas sagen kann. Wir würden gerne wissen, wann der Betrieb weiterlaufen kann. Wann dürfen wir wieder Fahrzeuge und Arbeiter auf das Gelände lassen? Ich kriege einen Mordsärger, wenn das so weitergeht.«
»Tja, das tut uns genauso leid wie Ihnen, Mister ...«
»Smith«, sagte er. »Ich bin der Chef des Sicherheitsdienstes.«
»Mister Smith, das ist ein Tatort«, erklärte ich ruhig. »Jemand ist erschossen worden. Wenn es jemand aus Ihrer Familie gewesen wäre oder jemand, mit dem Sie eng befreundet sind, dann wollen Sie ja auch, dass man ordentlich ermittelt, oder nicht?«
»Das ist was ganz anderes«, widersprach er. »Das Volk, das sich hier rumtreibt, ist Abschaum. Sie glauben nicht, wie viel Ärger wir auf der Baustelle haben. Ständig kommt es zu Materialdiebstählen. Oder sie sabotieren nur so aus Spaß die Maschinen. Sollen die sich doch gegenseitig abknallen. Einer weniger.«
»Wenn es zu diesen Diebstählen und Sabotageakten kommt, fehlt hier ein fähiger Sicherheitsdienst, der das verhindert«, sagte Phil mit beißendem Spott in der Stimme. »Findest du nicht auch, Jerry?«
»Ganz meine Meinung, Phil«, gab ich zurück.
Ab jetzt war Smith etwas ruhiger. Wir erkundigten uns nach den Kollegen, die in der Nacht Dienst gehabt hatten. Sie saßen in einem Nebenraum. Eigentlich hätten sie seit einer Stunde Dienstschluss gehabt, sie hatten jedoch auf uns gewartet, wofür ich mich ausdrücklich bedankte.
Sie waren freundlicher als der anscheinend völlig überforderte Chef. Sie schilderten Phil und mir, wie sie den Angriff auf Mallory erlebt hatten.
»Wir haben durch das Fenster gesehen, wie hinten an der Halle plötzlich das Licht durch den Bewegungsmelder anging. Und da haben wir auch gleich zwei Gestalten in den Scheinwerfern bemerkt. Das heißt, die zweite Gestalt kam erst später dazu. Dann fiel der Schuss, und die Gestalt, die von Anfang an im Licht stand, fiel um. Ein weiterer Schuss folgte.«
»Was haben Sie gemacht?«, fragte Phil.
»Ich bin direkt losgerannt«, sagte einer der Männer. »Ich dachte, wir hätten es wieder mit Materialdieben zu tun. Ich war etwa fünfzig Yards dran, als der erste Schuss abgegeben wurde. Und erst da kapierte ich, dass es wohl um etwas ganz anderes ging. Mir kam es schon so vor, als hätte der Schütze den Mann, der erschossen wurde, regelrecht gejagt. Und wahrscheinlich hatte das Opfer gar nicht damit gerechnet, in den Bereich des Bewegungsmelders zu geraten. Es kam mir eher so vor, als hätte er sich auf unserem Gelände verstecken wollen. Von da hinten sieht man ja nicht, dass es hier einen Sicherheitsdienst gibt.«
»Was ist dann passiert?«, fragte ich.
»Der Schütze ist abgehauen. Mehr als eine Silhouette habe ich nicht von ihm gesehen. Ich bin dann zu dem Mann hin.«
»Ich kam dazu«, sagte der Kollege. »Und wir haben sofort den Notarzt geholt. Dabei war mir schon klar, dass es für den armen Teufel keine Hilfe mehr gab. Wissen Sie, ich war früher bei der Army und hatte Einsätze im Irak. Ich erkenne einen Toten, wenn ich einen sehe.«
Mehr war aus den beiden nicht herauszuholen. Sie bestätigten noch mal, dass es auf dem Gelände keine Videoüberwachung gab. Dabei wäre das angesichts der Probleme, die sie hatten, eigentlich eine gute Idee gewesen.
Wir bedankten uns und gingen zum Jaguar zurück. Die Schlange an Trucks vor der Schranke war noch länger geworden. Smith lief mit einem Handy am Ohr herum und versuchte wohl, irgendwen, mit dem er telefonierte, zu beruhigen. Wahrscheinlich war es jemand von der Baufirma.
Wir fuhren rauf zum Linden Boulevard. Ein Stück weiter Richtung Osten gab es ein Lokal, das wir, wenn wir in dieser Gegend waren, gelegentlich besuchten. Es hieß Lindenwood Diner und war im Stil der Fünfzigerjahre aufgemacht, mit einer großen geschwungenen Schrift über dem Eingang. Drinnen reihten sich Sitznischen mit gepolsterten Bänken aneinander. Wir bestellten Burger und Getränke.
Während wir aßen, ging ich die Bilder aus den Kameras durch, die Ben uns geschickt hatte. Mit der einen Hand hielt ich mein Smartphone, mit der anderen angelte ich mir die Pommes frites vom Teller.