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Liebe Cotton-Leser und Fans,
am 11. September 2001 ereignete sich in New York jener unfassbare Terror-Anschlag, der die Welt erschüttert hat.
Der Cotton-Roman 2317 'Das Genie, die Geiseln und wir' wurde bereits Monate vor diesem unmenschlichen Akt geschrieben, als noch jeder glaubte, solche Gedanken blieben in der Welt der Unterhaltung, in Filmen, Büchern und Romanen.
Der Roman 2317 war längst gesetzt und gedruckt. Wir konnten aber noch den Umschlag mit dem ursprünglichen Titel 'Sie stürmten das World Trade Center' und das Titelbild, das ursprünglich die Twin-Towers zeigte, ändern.
Es ist schwierig, passende Worte zu finden angesichts dessen, was den New Yorkern angetan wurde.
Es war ein Fall, der an unseren Nerven zerrte: Ein Geiselnehmer hatte eine der Roosevelt-Island-Gondeln in seine Gewalt gebracht und die Menschen darin als Geiseln genommen. Darunter befand sich eine hochschwangere Frau. Er würde die Gondel in die Luft jagen, das war seine feste Absicht.
Doch dieses grausame Verbrechen war nur das Ablenkungsmanöver für einen finsteren und ebenso genialen Plan: Ein Terrorkommando war zur selben Zeit ins World Trade Center eingedrungen, um die amerikanische Wirtschaft ins Wanken zu bringen und damit die gesamte westliche Welt finanziell zu vernichten.
Hinter diesem unglaublichen Plan steckte ein Mann, den ich längst für tot hielt: mein Erzfeind Jon Bent!
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Seitenzahl: 138
Veröffentlichungsjahr: 2010
Cover
Impressum
Das Genie, die Geiseln und wir
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln
Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Johnny Cris
E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-8387-0160-8
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Das Genie, die Geiseln und wir
Als das Telefon klingelte, ließ sich der Mann mit dem mechanischen Arm Zeit, den Hörer abzunehmen. Erst als das kleine Gerät wiederholt lauthals schrillte, griff er danach und hob den Hörer ab.
»Ja?«, fragte er heiser.
»Ich bin es, mein Sohn«, sagte eine tiefe Stimme, die so klang, als würde sie aus weiter Entfernung anrufen. »Ich wollte mich erkundigen, ob alles vorbereitet ist.«
»Es ist alles vorbereitet«, versicherte der Mann mit dem prothetischen Arm. »Ihr werdet mit mir zufrieden sein.«
»Dann erteile ich hiermit den Einsatzbefehl«, sagte die tiefe Stimme. »Operation ›Double Take‹ soll beginnen.«
60th Street East, Manhattan
7.48 a.m.
Sam Freeley war Arzt.
Sei acht Monaten arbeitete er im Goldwater Memorial Hospital auf Roosvelt Island. Er war froh, dass er die Stelle als Narkosearzt dort bekommen hatte.
In New York zu leben und dort zu arbeiten, war stets der Traum des jungen Mannes gewesen, der eigentlich aus Wilmington stammte. Schon als Junge hatte er sich danach gesehnt, in den Big Apple zu ziehen und dort zu leben, wo das wirkliche Leben stattfand. Kaum dass er sein Medizinstudium an der Universität von Delaware beendet hatte, hatte er sich diesen Wunsch erfüllt.
New York hatte all seine Erwartungen übertroffen. Die kühne Architektur und die atemberaubende Skyline, das vielfältige kulturelle Angebot und die Energie, vor der die Stadt zu allen Tageszeiten fast zu platzen schien – all das faszinierte ihn noch immer so wie am ersten Tag, als er in die Stadt am Hudson gekommen war. Sam hatte seinen Entschluss, nach New York zu gehen, nie bereut.
Bis zu diesem Tag …
In aller Eile hatte sich Sam in seinem Apartment ein paar Rühreier zum Frühstück gemacht und sie rasch hinuntergeschlungen – er musste sich sputen, wenn er die Seilbahn nach Roosevelt Island noch bekommen wollte. Zwar verkehrten alle zehn Minuten die Gondeln, die zwischen Manhattan und der Insel im East River hin und her fuhren, doch legte sein Abteilungsleiter Dr. Sorvensen größten Wert auf Pünktlichkeit, und wenn Sam diese Gondel nicht erwischte, würde er es nicht mehr schaffen.
»Verzeihen Sie bitte! Entschuldigung! Bitte verzeihen Sie, Ma’am …«
Höfliche Entschuldigungen murmelnd, knuffte und boxte sich der junge Arzt durch die Schlange der Wartenden, die sich vor dem Seilbahnterminal an der 2nd Avenue gebildet hatte. Er kämpfte sich die Betonstufen zum Einstieg hinauf.
Seinen Mantel ließ er dabei offen, sodass die Leute das Weißzeug sehen konnten, das er bereits trug. Wenn sie ihn für einen Arzt im Einsatz hielten und ihm deswegen Platz machten, konnte ihm das nur Recht sein. Außerdem stimmte das ja, gewissermaßen …
Atemlos hetzte Sam weiter hinauf – und prallte unverhofft mit einem Mann zusammen, der einen langen Ledermantel trug und nicht daran zu denken schien, zur Seite zu gehen.
»Entschuldigen Sie, Sir«, murmelte Sam hastig. »Könnten Sie bitte …? Ich muss die nächste Gondel erwischen.«
»Was Sie nicht sagen.« Der Fremde drehte sich um, musterte den Arzt durch die verspiegelten Gläser seiner Sonnenbrille. »Sie haben es wohl besonders eilig, was?«
»Kann man wohl sagen«, meinte Sam ein wenig verlegen. »Ich bin spät dran und …«
»Und deswegen rempeln Sie die Leute an? Sie sind ein verdammter Rüpel.«
»Tut mir Leid«, erwiderte Sam und senkte betreten sein Haupt. Wenn er ehrlich war, behagte ihm seine Vorgehensweise ja selbst nicht so recht, aber im Augenblick hatte er keine Zeit für ein schlechtes Gewissen.
»Bitte«, sagte er nur. »Es ist wichtig, dass ich nicht zu spät zu meiner Arbeit komme.«
»Was Sie nicht sagen.« Der Mann in dem Ledermantel blieb einfach stehen, dachte nicht daran, ihm den Weg frei zu geben.
Sturer Mistkerl, dachte Sam bei sich, verzichtete aber darauf, sich weiter mit dem Typ zu streiten. Er war ohnehin weit genug gekommen. Mit etwas Glück würde er es in die nächste Gondel schaffen, die eintraf.
Und mit noch etwas mehr Glück würde er doch noch rechtzeitig zum Dienstwechsel im Krankenhaus erscheinen …
***
World Trade Center, Financial District
7.58 a.m.
Es war der Beginn eines ganz normalen Arbeitstages im Financial District. Anders als andere Stadtteile von New York, die buchstäblich niemals zur Ruhe kommen, wirkt das Viertel der Banken, der Handelsvertretungen und der Finanzbroker abends und nachts wie ausgestorben und erwacht jeden Morgen neu zum Leben.
Die Coffee Shops und Delis des Viertels quollen über vor korrekt gekleideten Bänkern und Börsianern, die kleine Aktentaschen mit sich herum schleppten und sich vor Beginn ihrer Arbeit noch schnell mit Kaffee, Donuts und anderen Snacks versorgen wollten. Auch die Kioske und Verkaufsstände an den Straßen öffneten, und zahllose Exemplare der New York Times und des Wall Street Journal gingen über die Tische.
Auch das World Trade Center, dessen Zwillingstürme das südliche Manhattan weithin sichtbar überragen, begann allmählich zum Leben zu erwachen. Die Subway-Haltestelle, die tief unter dem imposanten Bau untergebracht ist, spie im Minutentakt Menschen aus, die die Aufzüge in Sekundenschnelle hinauf in ihre Büros beförderten.
Auch an der Garageneinfahrt des Komplexes herrschte reger Betrieb. Sündhaft teure Automarken jener wenigen Privilegierten, die den Luxus eines Stellplatzes in dem Gebäude genossen, fuhren durch die breite Einfahrt ein, daneben verkehrten Vans und Kleinlaster, die die übliche morgendliche Lieferung brachten: Ein Wagen von einer Firma für Bürobedarf, ein weiterer von einer Mineralwasserfabrik, ein Lieferant für Sanitärartikel und ein rot gestrichener Limonade-Laster standen in der Auffahrt, während die Fahrer geduldig auf die Abfertigung warteten.
»Cellar’s Technical Services« stand auf dem länglichen Van, der am Ende der Schlange stand und ebenfalls wartete – doch der Fahrer zeigte sich weitaus weniger geduldig als die anderen.
Unruhig trommelte er auf den Kranz des Lenkrads, warf immer wieder nervöse Blicke in die Außenspiegel.
Nichts. Niemand.
Niemand war ihnen gefolgt, niemand schöpfte Verdacht – wieso auch? Es war alles bis ins kleinste Detail ausgearbeitet, der Plan hatte keinen Fehler. Nicht einmal der mächtige FBI würde ihnen diesmal in die Suppe spucken können …
Der Bürolaster und der Mineralwasser-Lieferant wurden durchgelassen, die beiden anderen Lkw zu einer anderen Einfahrt dirigiert. Als Nächstes winkte der uniformierte Pförtner den CTS-Van heran.
»Achtung«, sagte der Fahrer leise. »Es geht los.«
Damit gab er sanft Gas, ließ sein Gefährt auf die aus massivem Stahl gefertigte Schranke zurollen, die nicht durchbrochen werden konnte. Dazu waren in den Boden spitze Messer eingelassen, die auf Knopfdruck ausgefahren werden konnten, um die Reifen eines Fahrzeugs aufzuschlitzen.
Spätestens seit dem Bombenanschlag stand Sicherheit für die Verwaltung des World Trade Centers an oberster Stelle – doch auch dieses System hatte Lücken, so wie jedes andere …
Der Fahrer setzte ein breites Grinsen auf, als er sein Gefährt an der Schranke zum Stehen brachte. Der Uniformierte – ein baumlanger Schwarzer mit lässigem Gehabe – trat ans heruntergekurbelte Fenster.
»’n Morgen«, grüßte er wortkarg.
»’n Morgen, Sir«, erwiderte der Fahrer beflissen. »Wir sind von CTS und sollen die Klimaanlagen in der 102. Etage überprüfen. Offenbar gab es dort ein paar Probleme.«
»Haben Sie einen schriftlichen Auftrag?«
»Aber natürlich, was denken Sie denn?« Der Fahrer nickte, klappte die Sonnenschutzblende herab und zog ein Schriftstück hervor, das er dem Pförtner reichte. Dieser faltete es auseinander und überflog die Zeilen, achtete vor allem darauf, dass der Auftrag das offizielle Siegel der WTC-Verwaltung trug.
»In Ordnung«, beschied er dann. »Sie können passieren. Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Arbeitstag.«
»Gleichfalls«, meinte der Fahrer lächelnd und fuhr unter der sich öffnenden Schranke hindurch.
»Wir sind drin«, beschied er den Männern, die sich im Laderaum des Wagens versteckt hielten …
***
8.02 a.m.
Als die Gondel nach Roosevelt Island vom Boden abhob und schaukelnd das Terminal an der 2nd Avenue verließ, merkte Marjorie Connors, wie ein Anflug von Übelkeit sie überkam.
Die junge Frau hatte das Glück gehabt, in der voll besetzten Gondel einen Stehplatz am Fenster zu ergattern. Sie atmete tief durch, schaute hinaus auf die vorbeiziehenden Fassaden der Häuser und die in der Morgensonne glitzernde Fläche des East River, die sich dahinter erstreckte.
Und dann merkte sie es wieder.
Es bewegte sich.
Das Baby in ihrem Bauch schien die Fahrt mit der Gondel ebenso schlecht zu vertragen wie sie selbst, strampelte und wehrte sich gegen die Übelkeit, die seine Mutter befiel – und machte es damit nur noch schlimmer.
Marjorie begann zu schwanken, musste sich festhalten, um nicht von den Beinen zu kippen. Erneut atmete sie tief durch, wie Dr. Ernesto es ihr beigebracht hatte. Die Übelkeit legte sich, das Gefühl von Einsamkeit blieb.
Wenn alles glatt ging, würde das Kind in zwei Wochen auf die Welt kommen – das Kind, das keinen Vater hatte.
Noch immer war Marjorie nicht darüber hinweg, dass Greg sie hatte sitzen lassen. Das Leben mit ihm war wunderbar gewesen, war ihr wie ein ständiger Aufenthalt auf Wolke Sieben vorgekommen – bis zu dem Tag, als sie ihm gestanden hatte, dass sie schwanger war.
Marjorie hatte erwartet, dass Greg sich freute, hatte das Baby als die Krönung ihrer Zuneigung zueinander betrachtet. Doch Greg war da ganz anderer Ansicht gewesen.
Er hatte zu schreien begonnen und wie von Sinnen gebrüllt, hatte sie übel beschimpft, weil sie es nicht verhindert hatte. Am nächsten Morgen war er ausgezogen, hatte sie einfach allein gelassen.
Allein …
Früher hatte Marjorie die Bedeutung dieses Wortes nicht wirklich gekannt. Seit Greg sie verlassen hatte und sie sich ganz allein mit den Fairnissen einer Schwangerschaft auseinandersetzen musste, hatte sie sehr wohl gelernt, was es bedeutete, auf eigenen Beinen stehen zu müssen.
Am Anfang hatte sie sich mit Selbstvorwürfen gegeißelt, hatte sie sich die Schuld dafür gegeben, dass der liebevollste Mann, den sie je gekannt hatte, sie einfach verlassen hatte. Über diesen Punkt war sie inzwischen hinweg, aber ihr Leben war dadurch nicht einfacher geworden.
Die ständigen Untersuchungen beim Arzt, die Ausstattung für das Baby – all das kostete Geld. Geld, das sie bald nicht mehr würde verdienen können. Was dann geschah, darüber wollte Marjorie lieber gar nicht nachdenken. Seit Greg sie verlassen hatte, hatte sie sich angewöhnt, stets nur von einem Tag zum nächsten zu denken, alles andere hätte sie wahnsinnig gemacht.
Und die nächste Haltestelle in ihrem Leben lautete Roosewelt Island. Die nächste Ultraschalluntersuchung stand an, und das Krankenhaus verlangte dafür nun einmal weniger als die Ärzte in der Stadt …
Gedankenverloren stand Marjorie am Fenster und blickte hinaus auf den Fluss, auf die ausladenden Gebäudekomplexe der Krankenhäuser, die sich auf der Insel erhoben – und ohne, dass sie etwas dagegen tun konnte, fragte sie sich doch, was die Zukunft bringen würde …
***
8.04 a.m.
Die Sonnenbrille, die der Mann im schwarzen Ledermantel trug, der in der Mitte der Gondel stand und sich an einer der Halteschlaufen festhielt, war kein gewöhnliches Modell.
Ein kleiner Funkempfänger und winzige Lautsprecher waren in sie integriert, über die der Mann mit seinen Auftraggebern in Verbindung stand. Und von diesem bekam er in diesem Augenblick eine Anweisung, die nur aus einem einzigen Wort bestand.
»Jetzt!«
Der Mann im Leder reagierte ohne Zögern.
Ohne seine blasse Miene auch nur einen Deut zu verziehen, griff er unter seinen Mantel und zog eine Mini-Maschinenpistole hervor, mit der er einen Feuerstoß abgab.
Die Garbe jagte aus dem kurzen Lauf und hagelte zur Decke der Gondel hinauf, durchschlug sie mit lautem Prasseln.
Ein Aufschrei ging durch die Reihen der Fahrgäste, die sich in der Gondel drängten. Die Männer und Frauen fuhren herum, sahen den Bewaffneten mit der noch rauchenden Maschinenpistole in ihrer Mitte stehen und prallten entsetzt zurück.
»Oh, mein Gott!«
»Vorsicht, er hat eine Waffe!«
»Hilfe!«
Die Menschen schrien wild durcheinander, zogen sich zu den Rändern der Kabine zurück, sodass der Mann im Ledermantel plötzlich viel Platz um sich hatte.
»So ist es gut«, lobte er grinsend. »Es war sowieso zu eng hier drin für meinen Geschmack.«
»Sind Sie wahnsinnig, Mann?«, fragte der Führer der Gondel, ein gedrungener Schwarzer, der an der Bedienkonsole saß und an den Kontrollen hantierte. »Nehmen Sie sofort die Waffe weg!«
»Du bist nicht in der Position, mir Vorschriften zu machen, Black Jack!«, gab der Mann mit der Sonnenbrille zurück und richtete den Lauf der Waffe auf den Gondelführer. »Ich will, dass du sofort die Gondel anhältst, hast du verstanden? Sofort!«
»Das geht nicht!«, erwiderte der Farbige gehetzt. »Wie stellen Sie sich das vor?«
»Wie ich mir das vorstelle?« Mit einem ausgreifenden Schritt stach der Bewaffnete durch die Kabine, die Fahrgäste wichen furchtsam vor ihm zurück. Unmittelbar hinter dem Gondelführer blieb der Mann stehen, presste ihm den Lauf der Maschinenpistole ins Genick. »Ich werde dir sagen, wie ich mir das vorstelle, du Penner. Du wirst jetzt die verdammte Notbremse ziehen, oder sie werden auch noch drüben in Brooklyn was von deinem Gehirn finden, kapiert?«
»J-ja, Sir.« Der Gondelführer nickte, griff mit bebenden Händen nach dem verplombten Hebel der Notbremse und zog mit aller Kraft daran.
Die Fahrgäste schrien, als die Gondel plötzlich ihre Fahrt verlangsamte und schaukelnd zum Stillstand kam, in schwindelerregender Höhe über der glitzernden Wasserfläche des Flusses.
»Frank«, drang die Stimme eines jungen Mannes schnarrend aus dem Empfänger des Funkgeräts. »Was ist los? Du hast die Notbremse gezogen!«
»E-erklär ich dir später, Mitch«, stammelte der Gondelführer leise in das Mikrofon.
»Was ist bei euch los da oben? Braucht ihr Hilfe? Soll ich die Feuerwehr alarmieren?«
»Hören Sie!«, schnauzte der Bewaffnete so laut, dass der Mann in der Zentrale ihn hören konnte. »Vor allem sollten Sie die Pfoten still halten und tun, was ich Ihnen sage – oder Sie werden in wenigen Minuten ein paar Leichen aus dem East River fischen können …«
***
8.10 a.m.
Der Lieferwagen der Cellar Technical Services war in die Tiefgarage des World Trade Center eingefahren. Anstatt jedoch der Beschilderung zu folgen, die zu den Lieferanteneingängen des Komplexes führte, war der Fahrer nach rechts abgebogen und hatte die schmale Zufahrt zur Tiefgarage genommen – dorthin, wo die Bonzen aus den Teppichbodenetagen ihre Jaguars, Ferraris und BMWs abstellten.
Laut den Plänen, die der Fahrer und sein Team mehr als ein Dutzend Mal eingehend studiert hatten, gab es dort einen unbewachten Zugang zum Hauptversorgungsschacht …
Der Fahrer schaltete die Scheinwerfer des Wagens ab, um keine unerwünschte Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Ein fetter Kerl im Nadelstreifenanzug huschte vorbei, ohne Notiz von ihnen zu nehmen – wahrscheinlich war er mit seinen Gedanken schon beim nächsten Millionendeal.
Der Fahrer und seine Kumpane lachten – ihnen konnte das nur Recht sein. Je weniger Kenntnis von ihrer Anwesenheit genommen wurde, desto besser. Unauffälligkeit war das Gebot der Stunde.
Auf einem eigenwilligen Slalom-Parcours steuerte er den Van durch die von kaltem Neonlicht erhellte Garage. Er hatte sich die Standorte der Überwachungskameras genau eingeprägt, wusste, welche Bereiche sie abdeckten und wo die toten Winkel lagen. Und genau dieses Wissen nützte er jetzt aus. Schließlich wollte er sich nicht verraten, ehe nicht die Zeit dafür gekommen war.
»Da drüben!«, sagte der Beifahrer, auf eine massive Stahltür deutend, die in eine der Betonwände eingelassen war. »Der Zugang zum Versorgungsschacht!«
»Bingo!«, murmelte der Fahrer und lenkte den Van zu dem stählernen Schott, hielt unmittelbar davor an.
Gerade wollte er aussteigen und den Männern, die sich im Fond versteckten, Befehl zum Einsatz geben – als er im Rückspiegel sah, wie sich ein uniformierter Mann dem Van näherte, einen strengen Ausdruck im Gesicht und die Hand am Griff seines Schlagstocks.
Der Fahrer grunzte unwillig über diese Störung, die eine Verzögerung im zeitlichen Ablauf bedeuten würde. Er hatte jedoch nicht vor, sich allzu lange aufhalten zu lassen …
»He, Sie!«, verschaffte sich der Uniformierte Gehör und trat an die Fahrerseite des Van. »Was haben Sie hier zu suchen? Dies ist ein gesperrter Bereich!«
»Was Sie nicht sagen«, erwiderte der Fahrer gelangweilt.
»Allerdings, Sir, und wenn Sie nicht binnen zwei Sekunden Ihren Wagen von hier fortbewegen und die Lieferanteneinfahrt benutzen, werde ich meinen Kollegen Bescheid sagen und Sie von hier entfernen lassen. Sie sind nicht befugt, hier …«
Blitzschnell, wie das weit aufgerissene Maul einer Giftschlange, schoss die linke Hand des Fahrers aus dem Fenster, packte den Uniformierten an der Kehle.
»Wissen Sie was?«, hauchte der Fahrer mit sadistischem Grinsen. »Ich denke, ich bin doch befugt, hier zu sein. Oder wie sehen Sie das?«
Der Uniformierte lief im Gesicht zuerst rot, dann blau an, war zu keiner Erwiderung fähig. Wie ein Fisch auf dem Trockenen schnappte er nach Luft, während er hilflose Versuche unternahm, sich aus dem Griff des Fahrers zu lösen.
Mit fahrigen Bewegungen fasste er nach der Hand, die ihm die Luftzufuhr abschnitt, doch statt warmen Fleisches griff er nur leblosen Gummi. Er ächzte, riss das weiche Latex herab – um entsetzt festzustellen, dass kaltes Metall darunter zum Vorschein kam.
Ein mechanischer Arm!