1,99 €
Leigh Brady stand auf der George Washington Bridge, zögerte einen Moment und sprang dann in den Tod. Interessant wurde der scheinbare Selbstmörder für das FBI erst, als uns Commissioner Janet Blackwell von der New Yorker Sozialbehörde darauf aufmerksam machte, dass Brady in Bezug auf illegalen Arzneimittelhandel auffällig geworden war. Die Spur führte uns zu "GenaXent", einem Pharmariesen, bei dem nicht alles mit rechten Dingen zuging-
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 130
Veröffentlichungsjahr: 2013
Cover
Impressum
Den Tod gibt’s auf Rezept
Jerry Cotton aktuell
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln
Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin
Verantwortlich für den Inhalt
Film: »11:14«/ddp images
E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-8387-2640-3
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Den Tod gibt’s auf Rezept
Die weißen Männer hatten den Pylon der George Washington Bridge fast erklommen. Sie hielten sich am Stahlfachwerk des Brückenpfeilers fest und bedeuteten ihm, ihnen zu folgen.
Leigh Brady setzte einen Fuß auf das Brückengeländer und blickte sich zum Abendverkehr um, der hinter ihm über die Fahrspuren rauschte. Ein oder zwei Wagen bremsten und hupten.
Die Männer winkten ihm abermals. Sie glitten in die Luft und schwebten auf den Hudson River hinaus.
Brady stieg auf die Brückenbrüstung und breitete die Arme aus. Er schloss die Augen und lauschte den vorüberfahrenden Fahrzeugen.
Sie wollten, dass er mit ihnen ging. Sie wollten, dass er sich ihnen anschloss. Sie wollten, dass er einer von ihnen wurde.
Er öffnete die Augen, sah nach den weißen Gestalten und ließ sich in die Tiefe fallen.
»Der Tote ist ein Weißer Mitte dreißig«, teilte uns Officer Scott Henson mit, als wir in das Patrouillenboot der Port Authority stiegen. »Er lag am westlichen Flussufer. Ein Pendler aus New Jersey hat uns informiert, dass es einen Selbstmord auf der George Washington gab.«
Ich hielt mich an der Reling fest, während das Boot mit schäumender Bugwelle unter der George Washington Bridge hindurchfuhr. Der östliche Stahlpylon der Hängebrücke lag trüb im Morgennebel.
»Die Kollegen des Bergen County Police Department haben uns Taucher geschickt«, fuhr Henson fort. »Sie suchen im Hudson nach Kleidungsstücken des Toten. Er muss einen Teil davon beim Sprung verloren haben.«
Wir fuhren auf vier weitere Patrouillenboote zu, die den Fundort der Leiche zur Wasserseite hin weitläufig absperrten. Am Flussufer war ein SRD-Team im Einsatz. Phil ließ sich ein Fernglas geben und spähte hindurch.
»NYPD?«, fragte er, als er die Aufschrift auf den Absperrbändern las. »New Jersey wird nicht erfreut sein, wenn ihnen ein Broadway-Cop dazwischenfunkt.«
Der Officer winkte gelassen ab. Er dirigierte das Boot zwischen den anderen Patrouillenbooten hindurch und verlangsamte die Fahrt.
»Das Police Department bat uns, ein SRD-Team vom NYPD anzufordern. Falls das FBI die Ermittlungen übernimmt, kommen Sie dadurch rascher an die forensischen Analysen.«
»Äußerst aufmerksam von Ihnen«, bedankte ich mich. »Die Port Authority und das Police Department gehen demnach von einem Mord aus? Falls der Tote Suizid begangen hat, wird das FBI den Fall wieder abgeben.«
Officer Henson steuerte das Patrouillenboot ans Ufer. Er warf Bug- und Heckleine aus und wartete, bis das Boot längsseits gezogen wurde.
»Der Tote war fünffacher Familienvater«, erklärte er und klappte die Relingstange zur Seite. »Nach unseren Erkenntnissen lebte er mit seiner Frau in Chatham, New Jersey. Bürgerliche Gegend, gepflegte Vorgärten und eine der niedrigsten Selbstmordraten im Land.«
Wir duckten uns unter dem Absperrband hindurch und folgten dem Officer zum Fundort der Leiche.
»Wie wurde die Identität ermittelt?«, fragte ich.
Henson benachrichtigte die SRD-Einheit von unserer Ankunft und kam mit einer Folientüte in der Hand zurück. Sie enthielt den Führerschein des Toten.
»Er trug ihn bei sich, als wir ihn fanden. Seine Frau hat Brady in der Nacht als vermisst gemeldet.«
Phil und ich warfen einen Blick auf die Leiche. Der Tote hatte mehrere Frakturen an den Beinen und im Brustkorb. Unterhalb der Rippen zeichnete sich ein violettes Hämatom ab. Er hatte die typischen Verletzungen eines Mannes, der aus großer Höhe in den Tod gestürzt war.
»Sorgen Sie bitte dafür, dass der Leichnam in die Gerichtsmedizin gebracht wird.« Ich wandte mich zu Phil um. »Was meinst du? Für mich sieht es trotzdem nach Selbstmord aus.«
Mein Dienstpartner streckte sich und verschränkte die Arme im Nacken. Er blickte über den nebelverhangenen Hudson River.
»Henson hat recht: Ein Vater von fünf Kindern springt nicht ohne Grund von der George Washington Bridge.«
Wir wurden von einem Beamten der SRD-Einheit unterbrochen, der einen Plastiksack mit einer durchnässten Windjacke darin bei sich trug. Er war größer als Phil und stellte sich als Sergeant Pete Mayham vor.
»Die Taucher vom Bergen County Police Department baten mich, Ihnen den Fund auszuhändigen.« Er schaute zum SRD-Team zurück. »Von uns gibt es keine Überraschungen. Er ist von der Strömung ans Ufer getrieben worden. Nach dem Aufprall hat ihn niemand mehr angerührt.«
»Vielen Dank«, erwiderte ich. »Wir wissen Ihre Arbeit zu schätzen, Sergeant Mayham.«
Der NYPD-Cop nickte und begab sich zu seinem Team zurück. Phil und ich begutachteten die Windjacke, die er uns gebracht hatte. Sie war das Fabrikat eines namhaften Herstellers und bis auf einen Riss in der Brusttasche unbeschädigt. Phil machte mich auf eine schmale Kunststoffhülle aufmerksam, die in der Tasche steckte.
»Sieht wie ein Foto aus.« Er drückte darauf herum. »Wir sollten es uns ansehen, wenn das Labor damit fertig ist.«
Ich betrachtete den Toten, der einige Yards von uns entfernt in einem schwarzen Leichensack lag. Sein zerschundenes Gesicht hatte einen friedlichen Ausdruck.
»Armer Teufel«, meinte ich zu Phil. »Wenn er nicht gesprungen ist, hat man ihn auf hässliche Art in den Tod getrieben.«
Die SRD-Einheit gab den Fundort zum Betreten frei. Phil vergrub fröstelnd die Hände im Mantel.
»Sehen wir uns noch für einen Augenblick um, bevor Henson mit dem Papierkram erscheint«, schlug er vor. »Für einen heißen Kaffee würde ich jetzt sterben.«
***
Zwei Stunden später erhielt Phil seinen Kaffee. Er zwinkerte Helen zu, die ihm einen frischen Becher aufgebrüht hatte, und lauschte den Worten von Assistant Director High.
»In Absprache mit dem NYPD und dem Bergen County Police Department haben wir beschlossen, die Ermittlungen zum Tod von Leigh Brady beim FBI zu belassen«, teilte Mr High den übrigen G-men und uns mit. »Ich erwarte von Ihnen, dass der Fall zügig bearbeitet wird.«
»Die Ergebnisse des NYPD-Labors sollen bis zum Abend vorliegen«, preschte Steve Dillaggio vor. »Zeery und ich werden uns darum kümmern.«
Mr High nickte und verteilte Kopien der Protokolle, die das Police Department in Bergen County angefertigt hatte. Sie enthielten eine Liste der Gegenstände, die von den Tauchern aus dem Hudson River geborgen worden waren.
»Außer der Windjacke, die Jerry und Phil bereits erwähnt hatten, und einem Familienfoto trug der Tote augenscheinlich verschiedene Proben von Psychopharmaka bei sich. Anne Brady, seine Frau, hat uns mitgeteilt, dass ihr Mann unter schweren Depressionen litt.«
Ich nahm die Liste zur Hand und strich die Fundgegenstände an, die für uns von Bedeutung waren. Zwischen den Blättern steckte ein Foto, das Phil in der Jackentasche entdeckt hatte. Es zeigte Leigh Brady im Kreis seiner Familie auf einer Aussichtsplattform vor einem Vulkankrater. Die Kinder hielten sich bei den Händen; Anne Brady hatte lächelnd den Arm um die Schultern ihres Mannes gelegt.
»Offenbar eine Aufnahme aus besseren Zeiten.« Ich legte das Foto in die Mitte des Besprechungstisches. »Ich schließe mich Phils Meinung an. Ein Mann mit einer glücklichen Familie springt nicht um fünf Uhr morgens in den Hudson.«
»Zumindest nicht, solange er weder an der Nadel noch an der Flasche hängt«, sekundierte Phil. »Was ist über die Familie bekannt?«
Mr High blätterte in seinen Papieren.
»Die Bradys besitzen ein Reihenhaus in einer vornehmen Gegend von Chatham, New Jersey. Seine Frau ist Mitarbeiterin der Werbeagentur Cends Inc. in Lower Manhattan. Brady war Abteilungsleiter bei Pavium Insurances, einem Großversicherer für den Schiffsbau.« Der Assistant Director las und fuhr fort. »Er hatte ein Büro in Manhattan und pendelte zwischen Chatham und New York City.«
Ich schüttelte langsam den Kopf.
»Keinerlei Ansatzpunkt. Beide sind gut situiert und hatten stabile familiäre Verhältnisse. Die Bradys sind Vorzeigeamerikaner.«
»Die in der Nacht auf Brückengeländer steigen und sich zweihundert Fuß in die Tiefe fallen lassen«, ergänzte Steve trocken. »Wir müssen uns mit dem Gedanken anfreunden, dass in Leigh Bradys Leben nicht alles nach Plan gelaufen ist.«
»Sie halten es für einen Suizid, Steve?« Mr High verschränkte die schlanken Finger ineinander und beugte sich nach vorn. »Selbst wenn er in den Tod getrieben wurde, werde ich den Fall zunächst wie eine Mordermittlung behandeln. Wir müssen wissen, was vorgefallen ist.«
Steve blickte ernst in die Runde.
»Statistisch gesehen springen jedes Jahr zehn Menschen von der George Washington Bridge. Junkies, Vorstandsvorsitzende, Hotelangestellte. Ich halte es zumindest für möglich, dass Brady seinem Leben schlicht ein Ende setzen wollte.«
»Dagegen spricht seine psychische Erkrankung«, meldete sich Joe Brandenburg zu Wort, der sich bisher ebenso wenig wie Les Bedell geäußert hatte. »Es wäre vorstellbar, dass Brady vom Täter manipuliert worden ist und nicht freiwillig in den Tod ging.«
»Für solche Thesen benötigen wir ein psychiatrisches Gutachten von Brady«, brach Mr High die Diskussion ab. »Wir werden die Krankenakten von den Ärzten anfordern, die ihn behandelt haben. Fest steht im Augenblick lediglich, dass er Medicare-Zuwendungen erhielt.«
Steve legte erstaunt die Stirn in Falten.
»Medicare? Bei seinem Einkommen? Ich wusste nicht, dass die staatliche Fürsorge inzwischen auch für die oberen Zehntausend zuständig ist.«
»Obere Zehntausend oder nicht«, entgegnete Mr High. »Er war für einige Jahre aufgrund seiner Depressionen nicht in der Lage, seinem Job nachzugehen. Medicare zahlte ihm für die Zeit, die er nicht arbeiten konnte, eine Reihe von Psychopharmaka.«
Zeerookah kam seinem Dienstpartner mit der Antwort zuvor.
»Steve und ich knöpfen uns die Krankenakten und die Analyseergebnisse des NYPD-Labors vor. In ein paar Tagen wissen wir mehr.«
»Ich möchte, dass beide Wege weiter beschritten werden, Agents.« Mr High blickte zu Phil und mir. »Jerry, Phil, Sie fahren hinüber nach New Jersey und sehen sich das Haus der Familie an. Gehen Sie behutsam vor und sprechen Sie mit Anne Brady.«
Ich zeigte mit einem Kopfnicken, dass ich verstanden hatte.
Der Assistant Director erhob sich und nahm seine Unterlagen an sich. Er musterte jeden von uns.
»Ich hoffe, dass wir schnell zu Resultaten kommen und diesen Fall zu den Akten legen können. Die Öffentlichkeit und Leigh Bradys Angehörige verdienen es, dass wir ihnen sagen, was auf der George Washington Bridge geschehen ist.«
***
Das Wohnhaus der Bradys war im viktorianischen Stil errichtet worden und stand inmitten üppiger Rhododendronsträucher an der Fairmount Avenue von Chatham. In der Einfahrt parkte ein beigefarbener Ford Taurus, der dem Modell entsprach, das in den Einsatzprotokollen der Port Authority beschrieben worden war. Die Hafenbehörde, in deren Verantwortlichkeitsbereich die George Washington Bridge fiel, hatte das Fahrzeug offensichtlich bereits an die Familie zurückgegeben.
»Stattliches Anwesen«, bemerkte Phil, als wir aus dem Jaguar stiegen. Er machte einige Schritte in der knirschenden Kiesauffahrt und blickte auf den gepflegten Garten. »Keine schlechte Gegend, um fünf Kinder großzuziehen.«
»Drei der Jungen sind bereits auf dem College.« Ich erinnerte mich an die Akte des Falls. »Bradys Tochter und sein jüngster Sohn besuchen das Internat in Somerville. Sie haben gerade Ferien.«
Wir folgten dem gewundenen Sandweg, der zur Haustür führte. Die Klingel war ein messingfarbener Löwenkopf. Ich läutete und nahm die Dienstmarke aus der Manteltasche.
Die Frau, die uns öffnete, war Anfang vierzig und hatte hellblondes, sorgfältig frisiertes Haar. Sie musterte uns einen Moment lang und sah nach dem Jaguar. Ich klappte die Marke auf.
»Special Agent Jerry Cotton vom FBI New York City, Ma’am«, stellte ich mich vor. »Wir möchten mit Ihnen über den Tod Ihres Mannes sprechen.«
»Special Agent Phil Decker«, wies sich auch Phil mit der Marke aus. »Das FBI hat die Ermittlungen in diesem Fall übernommen.«
Die Frau an der Tür trat einen Schritt zurück und deutete mit der Hand ins Foyer des Hauses. Sie senkte den Kopf und sprach mit leiser Stimme.
»Kommen Sie herein. Es wird das Beste sein, wenn ich die Kinder auf ihre Zimmer schicke. Sie sind in den Ferien zu Hause.«
Sie rief zwei Namen und erteilte einem Jungen und einem Mädchen die Anweisung, sich ins Obergeschoss zu begeben. Die Kinder grüßten höflich und kamen dem Wunsch ihrer Mutter nach. Das Mädchen blieb auf halber Treppe stehen, bis sein Bruder es an der Hand mit sich zog.
Anne Brady öffnete die Seitentüren zum Salon, in dem antike Möbel und ein auf Hochglanz polierter Konzertflügel standen. Sie deutete auf eine Couch und forderte uns auf, Platz zu nehmen.
»Mein Mann liebte es, im Haus zu musizieren. Er war ein äußerst begabter Mensch.«
Sie setzte sich uns gegenüber und lächelte höflich. Ihre schmalen Finger verhakten sich ineinander.
»Ich trauere um Leigh. Aber ich werde versuchen, Ihnen die Auskünfte zu geben, die Sie benötigen.«
Ich sah zu Phil und begann mit der Befragung.
»Was können Sie uns über die psychischen Probleme Ihres Mannes sagen, Ma’am? Sie gaben an, dass er an Depressionen litt.«
Anne Brady spitzte den Mund, als wollte sie antworten, schwieg dann jedoch. Sie richtete den Blick zu Boden und sann nach.
»Leigh war schwerkrank«, meinte sie, nachdem einige Zeit verstrichen war. »Eine Zeit lang ging es ihm so schlecht, dass wir über eine stationäre Betreuung nachgedacht haben. Er ließ sich medikamentös behandeln, seit wir uns kennenlernten.«
»Sie meinen, er nahm Psychopharmaka?«, präzisierte Phil. »Ihr Mann trug verschiedene Medikamentenproben bei sich, als er von der Brücke stürzte.«
Mrs Brady nickte bedächtig. Sie fuhr sich mit einer Hand durch die Haare und starrte trüb vor sich hin.
»Er hatte entsetzliche Wahnvorstellungen. Er glaubte, von Männern entführt zu werden, die ganz in Weiß gekleidet sind. Er hielt sie abwechselnd für Engel oder für Angehörige einer Verschwörung.«
Ich folgte mit dem Blick ihrer Hand, die auf die Sessellehne herabsank. Am Ringfinger steckte eine zierlicher Goldring.
»Hatten Sie und Ihr Mann Schwierigkeiten? Schwierigkeiten persönlicher Natur?«
Über das schlanke Gesicht unserer Gesprächspartnerin ging ein Schatten. Sie starrte in den Garten hinaus und nahm einen tiefen Atemzug.
»Es gab Probleme in unserer Ehe. Aber ich denke, dass dieser Punkt für Ihre Ermittlungen nicht relevant ist.«
»In einem Todesfall ist jede Einzelheit relevant, Ma’am«, widersprach Phil. »Sie würden uns helfen, die genauen Umstände des Geschehens aufzuklären.«
Mrs Brady nickte und richtete den Blick auf uns.
»Er hatte mit schweren Nebenwirkungen der Medikamente zu kämpfen. An manchen Tagen fühlte er sich so schläfrig, dass er die Versicherung anrief und ihr mitteilte, dass er nicht arbeiten könnte.« Um ihre Lippen entstand ein harter Zug. »Außerdem hatte er Erektionsstörungen. Es war für mich eine schwere Zeit.«
»Sie meinen, Ihr Mann war aufgrund seiner psychischen Verfassung arbeitsunfähig?« Ich notierte mir die Aussage. »In seiner leitenden Position?«
»Vor einigen Wochen erhielt er das Angebot, die Niederlassung von Pavium Insurances in Tokyo zu übernehmen. Wir hätten mit den Kindern nach Japan ziehen müssen. Leigh hatte noch nicht entschieden, ob er die Stelle annehmen würde.« Sie machte eine Pause. »Er fürchtete, den Anforderungen wegen seiner psychischen Einschränkungen nicht gewachsen zu sein.«
»Hatten Sie aus diesem Grund Streit?«
Ich legte den Stift auf den Notizblock und wartete auf die Antwort. Mrs Brady entgegnete nichts und erhob sich. Sie lief durch den Salon und blieb vor dem Erkerfenster stehen.
»Nicht allein aus diesem Grund«, sagte sie. »Er hatte sich vollkommen verändert. Er war ein anderer Mensch geworden. Er war nicht mehr der Mann, den ich vor über zehn Jahren kennengelernt hatte.«
Phil und ich lauschten aufmerksam. Die Aussage von Mrs Brady würde ein entscheidendes Puzzlestück bei der Lösung des Falles sein.
»Das FBI wird Ihre Angaben vertraulich behandeln«, sicherte ich ihr zu. »Ich bitte Sie, uns alles mitzuteilen, was Sie im Zusammenhang mit Ihrem Mann wissen.«
***
Assistant Director High hatte gerade ein Memo des NYPD zu Ende gelesen, als ihm Helen telefonisch die Ankunft von Commissioner Janet Blackwell ankündigte. Die leitende Angestellte der New Yorker Sozialbehörde hatte um ein Gespräch mit Mr High gebeten, nachdem bekannt geworden war, dass das FBI im Brady-Fall ermittelte.